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Thema: Schweiz Markenheftchen und ihre Herstellung
Das Thema hat 38 Beiträge:
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Heinz 7 Am: 02.02.2015 22:52:19 Gelesen: 37817# 1 @  
Guten Abend,

Andi hat mit seiner Ankündigung des Zeigens von MH Nr. 1 der Schweiz - eine grosse Seltenheit - die Idee geweckt, in diesem Forum ein wenig auf die Hintergründe und die Spezialitäten dieses sehr interessanten Spezialgebietes einzugehen.



1904 startete die Schweizer Post die Herausgabe von Markenheftchen. 1904-1915 wurden 15 verschiedene MH mit je einer Marke herausgegeben, meist 24 oder 30 x wurde ein häufig benötigter Wert so angeboten. 1917 kam dann erstmals ein Heftchen mit zwei verschiedenen Wertstufen heraus (Tellknabe 5 Rp. + Tellbrustbild 10 Rappen; MHF Nr. 17).

Anbei zeige ich Euch MHF Nr. 16, das letzte Heftchen mit nur einem Wert: 30 x wurde die Nummer Zumstein 137 (Tellknabe 3 Rappen braunorange 1917) ausgegeben. 1917 wurde noch kein Zuschlag für die Produktion verlangt, sondern das Heftchen kostete nur die Nominale, also 90 Rappen. (Später war der Verkaufspreis meist höher als der Nominalwert der Marken).

Typisch für solche Markenheftchen-Sechserblocks (oder Viererblocks bei anderen Heftchen) ist, dass viele Zähnungen zum Teil leicht, zum Teil ziemlich stark angeschnitten sind. Mehrere Bogen wurden übereinandergelegt und mit dem MH-Umschlag zusammen geheftet und geschnitten.

Wer Markenheftchenblätter sammelt sollte unbedingt auch die Umschlagkartons behalten. Manchmal kann man nur an ihnen erkennen, um welches Markenheftchen es sich handelt.

All dies wird sehr anschaulich erklärt vor allem in einem sehr schönen Handbuch "Die Markenheftchen, Kehrdruck- und Zwischenstegmarken der Schweiz 1904-1954" von Ernst Müller (1954, 120 Seiten, viele nützliche Abbildungen)- Ernst Müller war einer der ganz grossen Briefmarken-Händler der Schweiz und ein wichtiger "Gegenspieler" zum Haus Zumstein/Hertsch.

Freundliche Grüsse - Heinz
 
Heinz 7 Am: 04.02.2015 21:08:23 Gelesen: 37756# 2 @  
@ Heinz 7 [#1]

Hallo Leser,

anbei seht Ihr einen 100-er-Bogen mit der Ausgabe "Tellknabe, 2 Rappen, gelboliv, Type III" (Zumstein Nr. 123); aus Platzgründen ist der Bogen links nicht ganz abgebildet. Dieser Bogen wurde speziell für die Fertigung von Markenheftchen hergestellt.



Das sah dann so aus:

Feld 1-2-3 + 11-12-13 bildete den ersten Sechserblock
Feld 21-22-23 + 31-32-33 den zweiten Sechserblock
Feld 41-42-43 + 51-52-53 den dritten Sechserblock
Feld 61-62-63 + 71-72-73 den vierten Sechserblock
Feld 81-82-83 + 91-92-93 den fünften Sechserblock
Feld 4 - 14 - 24 - 34 - 44 - 54 - 64 - 74 - 84 - 94 haben keine Marken, sondern eine Lochung
Feld 5-6-7 + 15-16-17 bildete den sechsten Sechserblock
Feld 25-26-27 + 35-36-37 den siebten Sechserblock
...
Feld 8-9-10 + 18-19-20 den fünfzehnten Sechserblock
Feld 28-29-30 + 38-39-40 den vierzehnten Sechserblock
Feld 48-49-50 + 58-59-60 den dreizehnten Sechserblock
Feld 68-69-70 + 78-79-80 den zwölften Sechserblock
Feld 88-89-90 + 98-99-100 den elften Sechserblock.

Der Vorteil des Bogens war, dass durch das Auf-den-Kopf stellen der 8./9./10. Spalte zu jedem Sechserblock links ein Rand entstand, der für das Heftchen benötigt wurde: durch diesen Rand wurde die Heftklammer geschlagen. So konnten mehrere Heftchenblätter (Sechserblocks) übereinander gelegt werden. Jetzt brauchte es nur noch einen Deckel und einen Boden und fertig war das handliche Markenheftchen.

Die Druckerei verzichtete so zwar auf zehn Marken, konnte so aber die übrigen 90 Marken alle für Markenheftchen verwenden!

Dass damit Kehrdruckpaare entstanden (die Marken auf Feld 7+8 stehen kopfstehend nebeneinander, ebenso die Marken auf Feld 17+18, u.s.w.) war also "betrieblich notwendig", ebenso wie die "Paare mit Zwischensteg" (Marken auf Feld 3+5, 13+15, u.s.w.). Diese Spezialitäten erkennt man nur an ganzen Bogen oder zumindest grösseren Bogenteilen, während aufgeteilt der Bogen nichts Besonders aufweist; nur 15 Sechserblocks.

Früh schon interessierten sich Sammler für diese speziellen Paare, und sie kamen deswegen früh schon auch in die Kataloge. Sie haben aber, wie gezeigt, einen betrieblichen Grund.

Die Felder 4, 14, 24 waren unbedruckt. Damit sie nicht für Fälschungen verwendet werden konnten (immerhin waren die Felder normal gezähnte Felder auf Originalpapier!), entwertete man sie, zuerst durch Lochung, später mit Aufdrucken.

Freundliche Grüsse
Heinz
 
Heinz 7 Am: 04.02.2015 21:17:23 Gelesen: 37753# 3 @  
@ Heinz 7 [#1]

Anbei zeige ich Euch noch mein ältestes Markenheftchen, Nr. 6 von 1907, mit 24 Marken der Helvetia Brustbild (10 Rappen rot), geschnitten in 4 Sechserblocks.



Man sieht, dass alle Sechserblocks im linken Rand ein Loch haben von der Heftklammer.

Hübsch, nicht wahr?
Heinz
 
ziffer-freak Am: 05.02.2015 23:36:39 Gelesen: 37701# 4 @  
@ Heinz 7 [#3]

Hallo Heinz,

ein interessantes Detail ist übrigens auch noch zu erwähnen, nämlich dass für die ersten 6 Markenheftchen von 1904-1907 immer die selben Umschläge verwendet wurden. Es war rückseitig immer das gleiche Bild zu sehen, und vorderseitig die beiden Varianten für 5 und 10 Rappen. Die Wertstufen blieben sich ja auch immer gleich, und so wurden sie für die 5er auf grünem, und für die 10er auf rotem Karton gedruckt. Vergleiche mal deine Nr. 6 mit den Bildern von meiner Nr. 1!

Lieber Gruss
Andy
 
Heinz 7 Am: 13.02.2015 22:36:20 Gelesen: 37627# 5 @  
@ ziffer-freak [#4]

Hallo Andy,

es ist richtig, dass die allerersten Markenheftchen der Schweiz einander sehr ähnlich waren.

Anbei ein MH aus späteren Jahren: 1950



Der Spezialkatalog vermerkt, dass es zu diesem MH 15 verschiedene Varianten gab bezüglich Umschlag. "Weissenburger Mineralwasser" musste für diese Werbung natürlich etwas bezahlen. Meines Wissens waren die Heftchen 1904-1921 alle werbefrei. Heftchen, die für die Hilfsorganisation "Pro Juventute" Werbung machten, kamen erst ab 1953 regelmässig zum Einsatz.

Freundliche Grüsse
Heinz
 
ziffer-freak Am: 17.02.2015 01:53:21 Gelesen: 37574# 6 @  
@ ziffer-freak [#4]

Da mir nun endlich das Markenheftchen Nr. 1 ins Haus "geflattert" kam, bin ich nun in der glücklichen Lage, auch exklusive Scans direkt vom Original vorzustellen:



Vorder-, resp. Rückseite




Die beiden noch komplett erhaltenen Blätter à je 6 Marken

Die zahlreichen Alters- und Gebrauchsspuren tun der Seltenheit dieses Markenheftchens keinen Abbruch. Sehr schön sind auf den Scans auch die Pergamin-Blätter zu erkennen (die das Zusammenkleben der Marken verhinderten), sowie die rostige Klammer (die das ganze Heftchen zusammenhält).

Alleine diese Details sagen schon einiges über die damalige Herstellung aus!

Deshalb werde ich es in seinem Original-Zustand belassen, und nicht den Frevel begehen, das Heftchen auseinander zu nehmen, denn so ist auch eindeutig zu erkennen, dass es einst aus echtem Bedarf zum GEBRAUCH, und nicht zu Sammlerzwecken erworben wurde!

Liebe Grüsse
Andy
 
Heinz 7 Am: 17.02.2015 14:03:21 Gelesen: 37549# 7 @  
@ ziffer-freak [#6]

Hallo Andy,

Du zeigst uns wirklich eine schöne, seltene Sache, und ich verstehe Deine Begeisterung dafür. Ich würde das Heft auch nicht auseinandernehmen.

Ich hingegen habe mit Freude von einem Sammler seine aufgetrennten Heftchen, die er wie gezeigt auf Albenblätter aufgezogen hat, übernommen und finde es ist eine gute Sache, ein Markenheftchen so zu zeigen.

Deine Wortwahl, die Du für sein Vorgehen verwendest, finde ich deplatziert und unangemessen. Kennst Du die Bedeutung von "Frevel"? Solche Wörter sollte man nicht leichtfertig verwenden, schon gar nicht bei einer so harmlosen Liebhaberei wie dem Briefmarkensammeln. Also bitte übe Toleranz und vermeide solche extremen Aussagen.

Freundliche Grüsse
Heinz
 
ziffer-freak Am: 18.02.2015 12:20:25 Gelesen: 37517# 8 @  
@ Heinz 7 [#7]

Hallo Heinz,

Ich zeige sehr wohl Toleranz gegenüber dieser Art der Präsentation. Nur lege ich selbst halt Wert auf die originale Erhaltung die so halt leider verloren geht, wenn Klammer und Zwischenblätter nicht auch aufbewahrt werden.

Gruss Andy
 
Heinz 7 Am: 21.02.2015 14:20:20 Gelesen: 37477# 9 @  
@ Heinz 7 [#7]

Liebe Alle,

Auch wenn ein Leser es als bösartige Handlung, ja gar als Straftat, bezeichnet, ein Briefmarken-Heftchen zu sammeln und seinen Freunden in der oben gezeigten Art zu zeigen, will ich mich nicht entmutigen lassen, und zeige Euch anbei eine weitere Besonderheit des Schweizer Postwesens: ein Zusammendruck von verschiedenen Wertstufen.



Auf diesem Bogen, der aus Platzgründen nicht ganz abgebildet werden konnte, finden wir:

Tellknabe, 5 Rappen rotlila, 1927, Zumstein Nr. 170, Michel Nr. 200x; 75 Werte
Tell-Brustbild, 10 Rp. blaugrün, 1928, Zumstein Nr. 172, Michel Nr. 203 x; 15 Werte

Der Bogen hat also nur 90, nicht 100 Briefmarken, weil eine Spalte unbedruckt blieb und mittels Perforation entwertet wurde.

Spezialsammler können aus diesem Bogen zusammenhängende Wertstufen, zusammenhängende Wertstufen mit Zwischensteg und Kehrdruckpaare mit zwei unterschiedlichen Marken heraustrennen, die auch separat katalogisiert wurden: nach Zumstein:

K23 (Kehrdruck 170/172)
Z13 (Verschiedene Werte zusammenhängend: 170/172, waagrecht)
Z14 (Verschiedene Werte zusammenhängend: 170/172, senkrecht)
Z15 (Verschiedene Werte zusammenhängend: 172/170, senkrecht)
S36 (Paare mit Zwischensteg: 170)
S38 (Paare mit Zwischensteg: 172)

Viele Sammler haben diese Varianten früher gesammelt, auch, weil die Albenhersteller für diese Paare in Vordruckalben spezielle Seiten vorbereitet haben.

Das Ganze hatte aber einen betrieblichen Grund! Und der liegt bei den Markenheftchen! Ein Bild ersetzt viele Worte:



Anbei seht Ihr Markenheftchen 20 von 1921. Blatt 1 enthielt 5 Marken zu 5 Rappen und eine Marke zu 10 Rappen. Warum? Das Heftchen sollte einen "runden" Betrag kosten. Für die Produktion des Heftchens verlangte die Post 5 Rappen. Also rechnete die Post:

CHF 4.00: Gesamt-Preis
CHF 0.05: Produktionskosten
CHF 3.60: Nominale der Heftchenblätter 2-5
CHF 0.35: Rest (=Heftchenblatt 1)

Mit 6 x 5 Rappen wären nur CHF 0.30 Nominale zu erreichen, also ersetzte die Post einen Wert: CHF 0.10 statt CHF 0.05.

Wir sehen also, dass diese seltsame Kombination (oben gezeigt) ihren betrieblichen Grund hatte. Dass die Philatelisten diesen ungewöhnlichen Druckbogen vielseitig auswerteten, ist irgendwie auch verständlich. Man muss deswegen nicht sofort eine böse Absicht zu erkennen glauben ("böse Postverwaltung, schuf Kombinationen, um die Sammler zu schröpfen"). Nein!

Der Sammler kann die Kombinationen sammeln, oder er kann sie weglassen, es steht ihm ja frei.

Herzliche Grüsse
Heinz
 
hajo22 Am: 21.02.2015 17:41:31 Gelesen: 37459# 10 @  
Brief aus Bern 15 (Schosshalde) vom 16.12.1954 mit KZ 17 nach Kleinlützel (Petit-Lucelle) im Kanton Solothurn.

Sehr schön erhalten und zweifellos philatelistisch inspiriert.



VG, hajo22
 
Heinz 7 Am: 21.02.2015 18:33:28 Gelesen: 37453# 11 @  
@ hajo22 [#10]

Sehr schön, ja!

"Philatelistisch inspiriert" darf ein Beleg schon sein; wir verdanken viele schöne und seltene Frankaturen der Absicht eines Absenders, einem Philatelisten eine Freude machen zu wollen.

Bei Deinem Brief: Da musste der Absender einen ganzen Bogen dieser Kehrdruckbogen erwerben. Er hat dann diesen Bogen nicht so aufgetrennt, wie für die Markenheftchen vorgesehen war, sondern er hat Zwischenstege intakt belassen.



Hier noch ein Markenheftchen aus dieser Zeit. Da sieht man nichts von Kehrdrucken und Zwischenstegen; letztere wurden ja verwendet für die Heftung. Und was man ebenfalls schön sieht: wie einige Marken bei der Produktion von MH immer wieder verschnitten wurden. Bei 20-Rappen Blatt sieht man, dass der Schnitt zu weit rechts erfolgte. Die Zähne, die in meinem Heft überlang sind, fehlen an einem anderen Heft sichtbar. Darum sollte man bei Schweizer Marken mit Verschnitt in Erwägung ziehen, dass diese aus Markenheftchen stammen könnten.

Vielen Dank fürs Zeigen Deines Briefes!

Heinz
 
hajo22 Am: 21.02.2015 19:03:30 Gelesen: 37446# 12 @  
@ Heinz 7 [#11]

Ja und hier zeigt sich ganz deutlich der Vorteil beim "Zerlegen" eines Markenheftchens: Man sieht den Inhalt, versteht und erkennt die Zusammensetzung und Struktur des Heftchens.

Beim Zerlegen sollte man nur darauf achten, alle Teile aufzubewahren, so daß bei Bedarf das Heftchen wieder komplett zusammengesetzt werden kann.

Bei sehr wertvollen (älteren) Heftchen, wie z.B. bei den Danziger Markenheftchen, würde ich allerdings von einer Zerlegung abraten, schnell kann etwas bei alten Markenheftchen defekt gehen. Hier kann der Inhalt anhand entsprechender Bogenteile der (meist billigen) Marken gezeigt werden.

VG, hajo22
 
Heinz 7 Am: 22.02.2015 11:28:57 Gelesen: 37423# 13 @  
@ hajo22 [#12]

Viele Sammler wissen nicht, dass es neben den Markenheftchen für Briefmarken auch MH für Postkarten gab! Solche werden heute nur sehr selten angeboten, und sie sind meistens sehr rar.



Postkarten sind die (bei vielen Sammlern ungeliebten/verschmähten) "Schwestern" der Briefmarke (Ganzsachen sind AUCH Postwertzeichen, wie Briefmarken!)

Nach Portoänderungen wurden überzählige 5 Rappen Briefmarken mit 7 1/2 Rappen überdruckt. Aber auch einige Postkarten wurden überdruckt, wenn ich mich richtig erinnere. Bei dem hier vorliegenden MH haben wir eine meines Erachtens kuriose "Mischform": zum Glück ist noch eine (von ursprünglich 10) Postkarte ungebraucht im Heft enthalten, so konnte ich das verifizieren; es ist ein 7 1/2 Rappen Wert Tellknabe grau.

Für die Produktion des MH aber nahm man sich die Mühe nicht, ein gänzlich neues Deckblatt zu drucken, sondern man nahm das alte und machte einen roten Überdruck mit der neuen Nominale. Vielleicht stand man unter Zeitdruck? Ansonsten wundert mich dieses "Provisorium".

Ich werde übrigens dieses Heft auch nicht auseinander nehmen, sondern belasse es im Originalzustand. Leider ist auch hier die Heftklammer etwas rostig, aber nicht schlimm.

Freundliche Grüsse - Heinz
 

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