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Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
Das Thema hat 960 Beiträge:
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dikoe Am: 06.08.2015 14:02:48 Gelesen: 331249# 1 @  
Brief Bayern - Frankreich / Frankenthal - Bischweiler, Stempel Strasbourg



Einige Fragen zu dem Briefbeleg:

Brief Frankenthal - Bischweiler, 1860

Welche Bedeutung/Funktion hat der rote Stempel "Baviere - Strasbourg? Als Grenzübergangsstempel wäre doch der von Weissenburg sinnvoll, oder?

Und warum keine Taxzahl?

Warum nach Bas-Rhin hier 12 Kreuzer und nicht 6 Kreuzer?

Warum keine Taxzahl?

Vielen Dank im Voraus für Hilfen bzw. Antworten!
 
bayern klassisch Am: 06.08.2015 16:00:21 Gelesen: 331232# 2 @  
@ dikoe [#46]

Hallo Dieter,

Einige Fragen zu dem Briefbeleg:

Brief Frankenthal - Bischweiler, 1860

Welche Bedeutung/Funktion hat der rote Stempel "Baviere - Strasbourg? Als Grenzübergangsstempel wäre doch der von Weissenburg sinnvoll, oder?

Und warum keine Taxzahl?

Warum nach Bas-Rhin hier 12 Kreuzer und nicht 6 Kreuzer?

Warum keine Taxzahl?


1. Der rote Stempel war ein Grenzübergangsstempel, der in Strasbourg auf den Brief kam. Über Wissembourg hätte er auch geleitet werden können, doch waren die Fahrpläne von Frankenthal dergestalt, dass die Leitung über Ludwigshafen am Rhein, Mannheim, Karlsruhe und Kehl schneller war.

2. Der Brief trägt einen roten P.D. - Stempel, auf dem der Stempel von Strasbourg abgeschlagen wurde. Damit galt er als voll frankiert und eine Nachtaxe war nicht notwendig.

3. Aus der Pfalz waren nur Briefe mit 6 Kreuzern zu frankieren, die in direkter Linie weniger als 30 Kilometer von einander entfernt lagen. Die Entfernung Frankenthal - Bischviller betrug/beträgt 93 Kilometer, somit war der vergünstigte Frankosatz nicht zu gewähren. Es war also ein ganz normaler Brief zu 12 Kreuzer, von denen Bayern 4,8 Kreuzer behielt und 7,2 Kreuzer an Frankreich intern vergüten musste.

4. Siehe Antwort zu 2).

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 09.08.2015 09:05:00 Gelesen: 331149# 3 @  
@ dikoe [#46]

Hallo dikoe,

vielen Dank, dass ich dir den Brief erklären durfte. Mache ich gerne wieder!

Liebe Grüsse,
Ralph
 
dikoe Am: 10.08.2015 10:11:21 Gelesen: 331085# 4 @  
Hallo Ralph,

Dank ist von meiner Seite von Nöten. Ich erstarre immer in Ehrfurcht vor deiner geballten Ladung von Fachwissen. Freue mich auf unsere nächste Korrespondenz oder mal wieder eine Begegnung im Pfalzkreis.



Dieter
 
bayern klassisch Am: 22.08.2015 15:20:01 Gelesen: 330952# 5 @  
@ dikoe [#118]

Lieber Dieter,

nichts zu danken - man sieht sich oder spricht sich. :-)

Liebe Freunde,

manchmal prägt man sich ein Datum ein und sucht den passenden Brief dazu. Bei mir hat das 30 Jahre gedauert, aber ich bin fündig geworden und möchte mich bei einem netten Mitglied hier für seine Zurückhaltung bedanken, sonst wäre er noch teurer geworden, als er es wurde.

Das magische Datum im Krieg 1870/71 ist der 19.7.1870. Nicht der 18.7., nicht der 20.7. - nein, es musste schon der 19.7.1870 sein und kein anderer Tag. Aber warum? Was unterschied einen Brief vom 17.7. oder 18.7. von einem des 19.7.1870? Nun ja, eine ganze Menge!

Mit Verfügung vom 19.7.1870 wurden alle bayerischen Poststellen angewiesen, ihre Post nach und über Frankreich nicht mehr direkt dorthin zu kartieren. Demzufolge gab es mit dem 19.7. nicht mehr, was es von 1822, dem 1. bayerisch - französischen Postvertrag, bis zum 18.7.1870 gegeben hatte, nämlich den direkten Austausch der Briefpakete über Strasbourg, Forbach, Wissembourg oder Saargemünd - das alles war am 19.7. ein für alle Mal vorbei und sollte nie wieder kommen.



Vor dem Auftauchen dieses Briefes galt in Insiderkreisen als fraglich, ob man es seitens der bayerischen Postverwaltung überhaupt schaffen würde, rechtzeitig alle Poststellen (und das waren ca. 1.000, davon zu informieren, dass sich nun alles geändert hatte.

Der Brief aus dem beschaulichen Baiersdorf zeigt uns aber, dass es genau so gewesen sein musste, denn er weist von der Hand des Absenders, und dergleichen hätte ich nie für möglich gehalten, den Vermerk auf "durch die Schweiz". Es musste also bereits vor dem Verfassen dieses Briefes dem Absender klar gewesen sein, dass Briefe nach Frankreich ab sofort über die neutrale Schweiz zu leiten waren und daher entschloß er sich, diesen Vermerk anzubringen, damit ihm die Post keinen Strich durch die Rechnung machte und ihn an den mittlerweile für die Post geschlossenen Grenzen abprallen ließ.

Ich kann mir dies nur dadurch erklären, dass es in Zeitungen/Postzeitungen einen Trend zu dieser Vorgehensweise gab, als diese Maßnahme noch keiner wissen konnte.

Die zeitliche Enge der postalischen Behandlung weist für mich eindeutig darauf hin, dass die Poststellen in Bayern bereits vorab per Expresstelegrammen von dieser Vorgehensweise in Kenntnis gesetzt worden sein mussten, anders wäre dies nicht zu bewältigen gewesen.

Ausweislich der Siegelseite mit schlappen 11 Stempel Abschlägen wurde er über Erlangen 19.7. nach München 20.7. kartiert, was richtig war, weil ab dem 19.7. nur noch die Hauptbriefpostexpedition München mit ihrem Pendant in Paris Briefpakete austauschte und folglich alle Postsendungen Bayerns nach München, wie auch alle Postsendungen Frankreichs zentral nach Paris kartiert werden mussten.

Da diese Briefpakete die Schweiz geschlossen transitierten, finden wir natürlich keine Schweizer Stempel auf derlei Briefen (wenn gleich einer mir bekannt ist aus 1871, der tatsächlich einen schweizer Transitstempel aufweist!).

Vorderseitig sehen wir den Ankunftsstempel von Paris "Baviere Forbach 3", den es auf der Strecke von Forbach nach Paris nie gab (1 war die Tour, 2 die Retour und nur die Stempel - Nummer 3 lag in Paris).

Aber, oh Schreck, der deutsche Empfänger in Mirmande bei Loriol war bereits abgereist, denn er wollte sicher dem Alptraum entfliehen, als "Deutscher" in einen Krieg hinein zu schlittern, dessen Ausgang äußerst ungewiß war.

Folglich war der Brief zu retournieren und somit erneut nach Paris zu leiten. Siegelseitig sehen wir auch den Stempel von Paris mit der Bahnpostleitung nach Lyon, von wo aus der Brief über die Schweiz nach München lief. Entgegen der Vorschrift stempelte München nicht beim Eingang des Briefpakets auf Paris, sondern routete ihn gleich weiter nach Baiersdorf, wo er am 1.8.1870 ankam.

Jetzt fehlt mir nur noch das Pendant aus Frankreich nach Bayern vom 19.7.1870 ... aber weitere 30 Jahre werde ich wohl keine Zeit haben, um diesen Erfolg feiern zu können.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 25.08.2015 13:02:57 Gelesen: 330899# 6 @  
Liebe Freunde,

mal sehen, ob sich einer an diesen Brief vom 17.9.1854 aus Gefrees nach Amsterdam traut.

Ganz einfach ist er nämlich in der Beschreibung nicht.



Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
hajo22 Am: 25.08.2015 13:53:34 Gelesen: 330887# 7 @  
@ bayern klassisch [#120]

Der Brief ist auf jeden Fall um 1xer unterfrankiert. Es hätten 16 Kreuzer frankiert werden müssen.

Mehr kann ich nicht dazu sagen. Das überlasse ich den "echten" Postgeschichtlern.

BG, hajo22
 
bayern klassisch Am: 25.08.2015 14:23:44 Gelesen: 330878# 8 @  
@ hajo22 [#121]

Hallo hajo22,

so ist es - 9 Kr. für Bayern und 7 Kr. für die Niederlande machten 16 Kr., nicht die frankierten 15 Kr. aus.

Mal sehen, wer weiß, warum das so passieren konnte und einen Kontext erstellt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 27.08.2015 09:11:07 Gelesen: 330828# 9 @  
@ bayern klassisch [#120]

Liebe Freunde,

doch nicht so einfach ...

Der Postvertrag Preußens mit den Niederlanden vom 1.4.1851 bestimmte, dass Briefe 2 Anteile am Franko (wie hier) bzw. Porto aufzuweisen hatten: 1. den Anteil für den betreffenden Postvereinsstaat, hier Bayern und 2. den Anteil für die Niederlande.

Hierbei galten für den Postverein 3 Entfernungsstufen von bis 10, über 10 bis 20 und über 20 Meilen, bei den Niederlanden nur 2: Bis 30 niederländische Meilen ab der preußischen Grenze, oder darüber.

Demzufolge waren Briefe aus dem rechtsrheinischen Bayern über 20 Meilen mit 9 Kreuzer bis zur preußisch - niederländischen Grenze anzusetzen und für die Niederlande im 1. Fall 4 Kreuzer und im 2. Fall 7 Kreuzer zu taxieren bzw. zu zahlen.

Für die Niederlande übernahm Preußen die Weitergabe des dortigen Frankos, weshalb man in der Postgeschichte auch von einem Weiterfranko spricht. Da Preußen mit den Niederlanden nur in eigener Währung, dem Silbergroschen, abrechnen konnte, war das Weiterfranko logischerweise in Silbergroschen zu berechnen, denn Kreuzer kannte man in Preußen nicht.

Die Niederlande sollten 5 Cents = 1 Silbergroschen für Briefe des 1. Rayons bekommen und 10 Cents = 2 Silbergroschen für Briefe nach weiter weg. Da Amsterdam über 30 niederländische Meilen von Preußens Ausgangsgrenze entfernt lag, waren also 2 Silbergroschen Weiterfranko vom Absender in Bayern zu vergüten.

Nur für den Postverein galt eine vereinfachte Reduktion von Silbergroschen zu Kreuzern mit einem Kurs von 1 zu 3, also 1 Silbergroschen kam 3 Kreuzern gleich. Die tatsächliche Währungsparität zwischen Groschen und Kreuzer war aber 1 zu 3,5! Diese Brüche hätten bei paritätischer Verrechnung auf Postvereinsbriefen zu einem heillosen Durcheinander geführt, so dass man zu Recht sagte, dass im Postverein 1 Sgr. nur mit 3 Kreuzern anzusetzen war und alle Taxierungen somit leicht nachvollziehbar waren.

Musste Preußen aber Gelder für das Ausland als Weiterfranko vergüten, so benötigte man natürlich die tatsächlichen Gebühren, in denen ja auch der Postvertrag abgeschlossen worden war und auf deren entsprechender Höhe die Saldierung erfolgte.

Daher waren die 2 Silbergroschen, die Bayern hier als Weiterfranko an Preußen für die Niederlande zu kassieren hatten, in 7 Kreuzer umzurechnen (2 mal 3,5 = 7 Kreuzer)und nicht, wie im Postverein, in 6 Kreuzer.

Da Bayern aber 9 Kreuzer für sich bis zur Grenze Preußens - Niederlande kassierte, hätte man 7 Kreuzer als Weiterfranko ab 1.4.1854 mit Marken frankieren müssen. Das ist unterblieben. Statt dessen hat die Aufgabepost auf der Siegelseite eine falsche Addition mit 15 Kreuzern notiert und folglich auch nur 15 Kreuzer in Marken geklebt (bis 31.3.1854 war das Weiterfranko für die Niederlande nicht in Marken frankierbar, sondern musste siegelseitig als bar kassiert aufgeschrieben werden).

Wie wir vorn (rote 2) und hinten (blaue 2 von Preußen und blaue 10 Cents = 2 Silbergroschen auch von Preußen) sehen, hat man tatsächlich 2 Silbergroschen an Preußen für die Niederlande vergütet, weshalb Bayern nun keine 9 Kreuzer von den verklebten 15 Kreuzern verblieben, sondern nur noch deren 8.

Die Aufgabepost (nicht der Absender!) sorgte also dafür, dass Bayern einen Kreuzer zu wenig erhielt und es würde mich nicht wundern, wenn man bei einer Innenrevision (die gab es auch noch Jahre später, weil Bayern nur wenige Revisoren hatte) festgestellt hätte, dass ein Kreuzer zu wenig in der Kasse war und man den Expeditor von Gefrees um eben diesen Betrag im Nachhinein erleichterte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 27.08.2015 19:26:04 Gelesen: 330802# 10 @  
Liebe Freunde,

es gibt Briefe, bei denen man selbst nach längerer Betrachtung keinen einzigen Grund findet, sie zu mögen und andere, bei denen gleich mehrere Gründe einen Kauf nahe legen.

Letzteres trifft wohl (hoffentlich nicht nur meiner Meinung nach) auf den folgenden Brief zu, der am 27.5.1867 als sehr großes Kuvert mit folgender Adresse in Regensburg aufgegeben wurde:

"An Seine des Herrn k. b. Oberlieutnants, Flügeladjutanten Seiner Majestät des Königs Ludwig I von Bayern etc. etc. etc. k. Kämmerers Franz von Gmainer Hochwohlgeboren in München" f(ranco) M(arke).



Die kalligraphisch ansprechende Mischschrift (deutsche Currentschrift und den lateinisch geschriebenen Namen) gefiel mir auf Anhieb und der Flügeladjutant seiner Majestät wird nicht jeden Tag solch einen Brief bekommen haben, war er doch der Vertraute des Königs zum bayer. Militär und als solches in heraus gehobener Position.

Des weiteren sind Paare der Nr. 15 auf innerbayerischen Briefen genau 1 Jahr möglich - die Marke kam zum 1.1.1867 heraus (wenn gleich nicht an alle Schalter) und ab 1868 kosteten schwere Briefe über 1 - 15 Loth wie hier schon 7 Kreuzer. Aber schaut man sich das Paar genauer an, stellt man fest, dass es einen tiefen Schnitt im Zwischenraum aufweist, jedoch oben noch zusammen hängt. Ein Blick auf die rechte und linke obere Ecke beweist außerdem, dass der Postbeamte in Regensburg sicherlich waagrechte Streifen seiner Marken gefertigt und diese dann vorgeschnitten hat, so dass sie nur noch oben zusammen hingen.

Der Vorteil lag darin, dass er nun, ohne die Schere benutzen zu müssen, stets ganz einfach und ohne weitere Perforation, eine, oder mehrere Marken aus diesem waagrechten Streifen abreißen konnte, wie es nach der Frankostufe nötig war. Gab es mal eine schwache Zeit im Schalterdienst, konnte man so ein paar Bögen präparieren und hatte dann, in der Hektik des Tagesgeschäfts am Schalter, ruck zuck die passende Frankatur beinander.

An losen Marken und auch an waagrechten Streifen konnte ich das bisher erahnen, hier kann ich es festmachen. Somit haben wir hier eine elegante Lösung bei geschnittenen Marken vor uns, denn erst zum 1.7.1870 kamen in Bayern gezähnte Bögen in Umlauf und bis dahin war es noch eine Weile.

Siegelseitig hat man sich nicht verewigt - nur 2 Siegel deuten auf einen "besseren" Absender hin, aber mir genügt das vollkommen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 

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