Neues Thema schreiben   Antworten     zurück Suche   Druckansicht  
Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
Das Thema hat 960 Beiträge:
Gehe zu Seite: 1 2 3 4 5 6 7   8   9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 28 38 39 oder alle Beiträge zeigen
 
bayern klassisch Am: 21.07.2017 13:02:47 Gelesen: 310560# 161 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Brief aus Hamburg vom 17.3.1860 an Herrn Kohnstamm in München, der dort am 20.3. aufgegeben wurde. Der Brief trägt den Vermerk "p.E.", also per Einschluß. Absender war R. Bernhauer in Hamburg, der eine Lieferung nach München nicht voll bezahlt bekommen hatte und eigentlich konziliant sein wollte. Doch hatte der Münchner nur 6 Thaler Nachzahlung angeboten, während der Absender auf die volle Bezahlung der Rechnung von 51 Thalern bestand und gleichzeitig wissen ließ, dass er zur Durchsetzung seiner Interessen juristigen Beistand annehmen würde.



Ich nehme an, dass er den Brief einem Anwalt in München schickte, jedoch eingepackt in einen größeren Brief. Der Jurist las seinen Brief und gab diesen verschlossen für 1 Kr. als Ortsbrief in München zur Post. Den Kreuzer dürfte er in jedem Fall wieder gesehen haben, egal wie die Sache dann ausging.

Ein frankierter Brief aus Hamburg nach Bayern war 1860 der Taxispost aufzugeben, die, was die postalische Versorgung der Hansestadt anging, für die Destination Bayern zuständig war. Ein solcher Brief hätte 3 Silbergroschen, die paritätisch 10,5 Kreuzer entsprachen, gekostet. Gezahlt hätte man in Hamburg aber wohl eher in Hamburgischen Schilling Courant und das waren deren 4 damals.

Eine Ersparnis von 90% dürfte aber nicht sooo schlecht gewesen sein, denke ich..

Alternativ hätte er auch viele Briefe am 17.3.1860 an zahlreiche bayerische Kunden verschickt haben können, das wissen wir leider heute nicht mehr, aber auch oder gerade in diesem Fall wäre die Ersparnis absolut, nicht relativ, noch eine weit höhere gewesen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 26.07.2017 11:08:18 Gelesen: 310339# 162 @  
Liebe Freunde,

kurz vor Oldenburg noch ein Schmankerl an Land gezogen:

Allgemein sind Briefe mit dem Vermerk "mit Briefen de. XXX" sehr selten und kaum einmal anzutreffen. Daher freute es mich umso mehr, dass ich einen sehr ansehnlichen aus meiner Heimat, der Rheinpfalz, ergattern konnte.





Geschrieben in Frankeneck bei Neustadt an der Haardt, erhielt er den Aufgabestempel von Lanbrecht-GR (Grevenhausen) und einen unleserlichen Mühlradstempel der 2. Verteilung (sollte also der gM 265 sein. Da er vom 30.7.1861 datiert, kam die 5. Platte der 3 Kr. blau zum Einsatz - sogar als Randstück, immerhin.

Adressiert war unser Faltbrief an: "Herrn Mündler mit Briefen der Kühle-schen Maschinenfabrik Frankenthal". Am Folgetag kam er an.

Absender war Heinrich Gossler in Frankeneck:

Liebe Freunde,

allgemein sind Briefe mit dem Vermerk "mit Briefen de. XXX" sehr selten und kaum einmal anzutreffen. Daher freute es mich umso mehr, dass ich einen sehr ansehnlichen aus meiner Heimat, der Rheinpfalz, ergattern konnte.

Geschrieben in Frankeneck bei Neustadt an der Haardt, erhielt er den Aufgabestempel von Lanbrecht-GR (Grevenhausen) und einen unleserlichen Mühlradstempel der 2. Verteilung (sollte also der gM 265 sein. Da er vom 30.7.1861 datiert, kam die 5. Platte der 3 Kr. blau zum Einsatz - sogar als Randstück, immerhin.

Adressiert war unser Faltbrief an: "Herrn Mündler mit Briefen der Kühle-schen Maschinenfabrik Frankenthal". Am Folgetag kam er an.

Absender war Heinrich Gossler in Frankeneck.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
wuerttemberger Am: 26.07.2017 13:25:32 Gelesen: 310321# 163 @  
Ich habe hier nichts zum Erklären aber etwas zum Zeigen.

Es handelt sich um einen Brief, der nach Nürnberg gerichtet war und als Chargebrief laufen sollte. Eine postalische Bearbeitung ist äußerlich nicht erkennbar, aber ein deutlicher "Fettfleck" ist sichtbar.



Auch auf der Rückseite sieht man diesen Fleck durchschlagen und man kann schon eine quadratische Form erahnen.



Faltet man den Umschlag auseinander, so sieht man zwei 6 Kreuzer braun mit Siegelwachs befestigt.



Da stockt einem der Atem und man vermutet vielleicht zwei 4I, aber bei näherer Betrachtung erfolgt Entwarnung es sind nur zwei schmalrandige 4II.



Warum die Marken in dem Brief mit Siegellack befestigt wurden kann ich mir nicht erklären.

Gruß

wuerttemberger
 
bayern klassisch Am: 26.07.2017 14:21:27 Gelesen: 310315# 164 @  
@ wuerttemberger [#163]

Lieber wuerttemberger,

ein ganz außergewöhnlicher Brief, den wir heute, mangels Inhalt, wohl nicht mehr klären könnten.

Eine Interpretation von mir: Der Absender hatte vom Empfänger vorher Geld bekommen für einen recommandirten Brief nach Nürnberg von einem Ort über 12 Meilen von Nürnberg entfernt. Das waren 6 Kreuzer für den einfachen Brief und 6 Kreuzer für die Recommandation.

So hatte er ihn auch beschriftet, aber es kam vlt. jemand vorbei, der ihm die kostenlose Mitnahme nach Nürnberg anbot. Um nicht als schuldig dazustehen, klebte er für den Empfänger die 12 Kr. ein - nur benötigte dieser sie offenbare nicht, warum auch immer.

Ich kenne eine Reihe von vergleichbaren Briefen, die leider fast alle ohne Inhalt sind und daher auch interpretiert werden müssen.

Danke fürs Zeigen dieses Ausnahmestücks.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 26.07.2017 14:22:31 Gelesen: 310314# 165 @  
Liebe Freunde,

der hier ist sicher nicht perfekt - aber er kam aus dem schwäbischen Raum (Heilbronn) und wurde innerhalb Bayerns für nur 3 Kr. von München nach Schwabmünchen am 28.10.1864 aufgegeben.



Von Heilbronn aus wären es 155 km gewesen, was gerade so über 20 Meilen gewesen wären und damit 9 Kr. Franko bedeutete. Aber der Brief lief ja deutlich über Schwabmünchen hinaus nach München und dann wieder Richtung Augsburg/Schwabmünchen retour. Auch ganz nett.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 31.07.2017 19:56:48 Gelesen: 310017# 166 @  
Liebe Freunde,

vlt. kein klassischer Postbetrug, aber in Halle an der Saale schrieb man am 4.5.1871 einen Brief, den man einen Tag später in München mit 3 Kr. frankiert aufgab. Sicher war dies nicht der einzige Briefe von dort, aber das muss Spekulation bleiben.



Jedenfalls war er an J. J. (JayJay) Mayer in Nördlingen gerichtet und dafür passten 3 Kr. perfekt. Von Halle an der Saale (Preußen / NDP) hätte es aber auch nur einen Groschen gekostet, der paritätisch 3,5 Kr. wert war. Ersparnis also 1/2 Kreuzer - nicht eben viel.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Max78 Am: 02.08.2017 23:30:21 Gelesen: 309868# 167 @  
Und auch hier gleich mehrere Fragen zur Portobestimmung. Würzburg nach Weisendorf bei Erlangen 1855:



Am Anfang war's nicht leicht den Text zu verstehen, bis ich geschnallt habe, dass die "räumliche Trennung" in linke und rechte Spalte gar nicht existiert. Somit lautet die Anschrift: An Herrn Huth Freiherrlich von Guttenberg'scher Verwalter Wohlgeboren / in Weisendorf bei Erlangen, links unten wahrscheinlich der Vermerk frei gegen Schein / mit 5 Gulden 24 Kreuzer baar. Oben links eventuell die Nummer der Sendung und das Datum 10.12.1855, das man beim noch rudimentär erkennbaren Zweizeiler Würzburg IV nur erahnen kann. Sind die roten 5 das Gesamtporto? Wäre doch zu wenig, oder? Und was bedeutet die 8 zwischen frei und gegen? Die 4 1/4 drüber dürften loth (Gewicht) sein.

Für die, welche sich für Siegel interessieren noch eine kleine Basteleinlage. Die Rangkrone deutet auf Grafenstand, die Symbole eventuell auf die Familie Abensberg, was aber nicht stimmen muss. ;-)

mit Dank im Voraus und Grüßen Max


 
Magdeburger Am: 03.08.2017 14:51:03 Gelesen: 309795# 168 @  
@ Max78 [#167]

Hallo Max,

dass dies ein Wertbrief ist, dürftest du ja schon wissen. 4 1/4 Loth ist das Gewicht, wie du schon geschrieben hast - Inhalt waren 5 Gulden 24 Kreuzer - die 8 Kreuzer ist das Franco für diesen Brief und die rote 5 ist eine Kartierungsnummer.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
Max78 Am: 03.08.2017 16:42:46 Gelesen: 309772# 169 @  
Danke Dir Ulf!

An einen Wertbrief hatte ich gedacht, mir sind aber die genauen Begrifflichkeiten zu solchen Belegen aus jener Zeit nicht bekannt und ich wußte nicht, ob man damals schon von einem Wertbrief sprach. Mit den 8 Kreuzern macht Sinn, obwohl mir das Porto immer noch wenig vorkommt (auch wenn die Entfernung unter 12 Meilen war, schließlich sind es ja 4 1/2 Loth mit "Zusatzleistung"). Ich kenne mich mit Bayern einfach zu wenig aus, dachte immer, die Rötel wurden für die Portoberechnung verwendet. Aber auch hier glaube ich Deiner Aussage, dass es sich um die Kartierungsnummer handelt.

mit Dank und Grüßen Max
 
bayern klassisch Am: 03.08.2017 17:03:04 Gelesen: 309763# 170 @  
@ Max78 [#169]

Hallo Max,

ich wollte dem besten Fahrpostler von allen den Vortritt lassen und du darfst mir glauben, dass die Rötel - 5 eine Manualnummer ist, unter der das Poststück bei der Aufgabepost erfasst wurde.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Magdeburger Am: 03.08.2017 17:14:54 Gelesen: 309758# 171 @  
@ Max78 [#169]

Hallo Max,

die 8 Kreuzer franco dürften schon passen - ohne Gewähr jetzt 6 Kreuzer Fahrposttaxe für den Brief + 2 Kreuzer Werttaxe - mit Bayern kenne ich mich nicht so gut aus.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
Max78 Am: 03.08.2017 17:26:29 Gelesen: 309753# 172 @  
@ Magdeburger [#171]

Hallo Ralph und Magdeburger,

ohne Euch zwei wäre man hier aufgeschmissen (was nicht heissen soll, dass es nicht andere Sammler gibt, die sich sehr gut auskennen). Danke Euch für diese Informationen,

herzliche Grüße Max
 
bayern klassisch Am: 10.08.2017 16:12:33 Gelesen: 309297# 173 @  
Liebe Freunde,

die folgende Karte macht mir viel Freude, auch wenn ich manches noch nicht weiß und sie in rechtem Lichte darstellen kann. Aber vlt. klappt das ja mit eurer Hilfe ...



Am 25.10.1874 oder 1875 wurde in Pfarrkirchen eine gewöhnliche 2 Kr. Fernpostkarte mit der Anschrift:

An Herrn Erlanger in Ulm

aufgegeben. Das ist und war wahrlich nichts besonderes. Doch die Rückseite macht sie für mich interessant:

P.P! Depesche heute erhalten. Bezeichnetes Paket sandte ich bereits am 22/10 retour (Ulm) da keine Nachfrage geschah.

Ergebenst

Hauner

Posthalter

Offenbar muss jemand in Ulm ein Paket nach Pfarrkirchen abgesandt haben, über dessen Verbleib er keine Gewißheit hatte. Wir wissen nicht, wann das Paket in Ulm aufgegeben wurde, aber am 22.10 war die Frist (wie lange war die für ein Paket damals?) wohl abgelaufen und der Posthalter Hauner schickte es zurück nach Ulm mit dem amtlichen Hinweis "geschah keine Nachfrage". Ich meine, dass die Frist für gewöhnliche Pakete 1 Woche betrug, wenn sie nicht poste restante gestellt worden waren, aber das muss nicht stimmen.

Jedenfalls scheint das Paket von Pfarrkirchen nicht mehr in Ulm angekommen zu sein, sonst hätte man sich ja die Depesche sparen können, die nicht eben günstig war. Mit dieser Karte in der Hand konnte der Herr Erlanger jedoch zur Post in Ulm gehen und die Abfertigung eines kostenlosen Laufzettels (bzw. eines amtlichen Nachfrageschreibens) initiieren.

Gerne hätte ich die Depesche und den Laufzettel noch dazu gezeigt, aber dazu werde ich die Angebote in der Bucht wohl noch eine Weile gewissenhaft zu beobachten haben.

Im Netz habe ich zum Posthalter Hauner bzw. eben nicht über ihn folgendes heraus gefunden:

Verkauf und Entstehung der „Neuen Post“

Im Juni 1874 verkaufte die Witwe Josefa Kern den gesamten Besitz – Gasthaus „Zur Post“, das „Postgütl“ in Axöd, alle Pferde – an den Bierbräu Matthias Rechl, der von Neuötting zuzog. Er wurde Posthalter, allerdings nur für ein Jahr. Die rückläufige Entwicklung des Postgewerbes mochte Rechl veranlasst haben, nach so kurzer Zeit die Posthalterei – nicht sein Anwesen – seinem Nachbarn, dem Gastwirt Franz Rottenwöhrer, zu übergeben (heute Stadtplatz 24, Kaufhaus Maier).

Aus dem Gasthaus Rottenwöhrer wurde nun die „Neue Post“ zur Unterscheidung von der „Alten Post“ des Kern. Rottenwöhrer blieb Posthalter bis zu seinem Tod 1879. Die Post übernahm nun seine Witwe bis April 1881, dann deren Sohn Franz bis Februar 1884, dessen Witwe bis März 1886. Diese hatte schon im Dezember 1885 Johann Wagner geheiratet. Wagner blieb Posthalter 1886 bis 1899, somit bis zu seinem Tod. (Quelle: regio-wiki.pnp.de )

Die beiden hier genannten Namen passen allerdings gar nicht zu diesem Namen - weder Kern noch Rottenwöhrer kann es heißen. Wer weiß mehr als Wiki?

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 21.08.2017 19:52:54 Gelesen: 308044# 174 @  
Liebe Freunde,

von ganz wenigen Korrespondenzen abgesehen, die per se nicht gerade Wühlkistenformat haben, sind mit eigenen Boten bestellte Briefe des Königreichs Bayern (Expressbriefe) bis 1847, als der Expressdienst normiert wurde, nicht gerade häufig.



Heute zeige ich einen Brief aus Günzburg vom 11.1.1843 an:

Seine Wohlgebohren dem Herrn Thomas Schulgraf Patrimonial Richter Dachau Haßlangkreit Aichach bei München vertatur

Er wurde mit 6 Kr. als Portobrief über 12 - 18 Meilen nach dem Reglement vom 1.1.1843 taxiert.

Er zeigt einen Präsentationsvermerk, wie er bei Briefen aus dieser Zeit unüblich war und ist, jedoch keine weiteren Stempel, wie es die Vorschrift war. Wir lesen: Praes(entirt) am 16te Januar 1843.

Des weiteren vermerkte eine andere Hand hinten: Befindet sich nunmehr in Haslangkreit bei Aichach - sicher ein Vermerk aus Dachau, wohin der Brief zuerst spediert worden war.

Haslangkreit hatte zum Zeitpunkt des Briefes ca. 300 Einwohner und somit keine Post - diese kam wohl erst viel später, denn gefunden habe ich in meinen Unterlagen und im Netz hierüber gar nichts.

Interessant ist aber in dem Zusammenhang der Vermerk oberhalb des Siegels mit Bleistift, also sicher kein postalischer, da Bleistiftgebrauch nicht gestattet war: Mathias Lechner Uhrmacher in Fridberg B. Eilbote 3 f 52 x.

Inhalt hat der Brief leider keinen mehr, aber die Datierung ist gesichert und 4 Hände auf einem Inlandsbrief muss man auch erst einmal nachweisen können.

Mir scheint, dass der Empfänger für den Brief tatsächlich 3 Gulden 52 Kreuzer (abzüglich 6 Kr. für die Post) an einen Eilboten bezahlt hat, obwohl die Entfernung von ca. 8 - 9 km nicht gerade riesig war. Auf der anderen Seite: Wer wollte es machen im kalten Januar des Jahres 1843?

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Magdeburger Am: 22.08.2017 08:07:26 Gelesen: 308022# 175 @  
@ bayern klassisch [#174]

Mir scheint, dass der Empfänger für den Brief tatsächlich 3 Gulden 52 Kreuzer (abzüglich 6 Kr. für die Post) an einen Eilboten bezahlt hat, obwohl die Entfernung von ca. 8 - 9 km nicht gerade riesig war. Auf der anderen Seite: Wer wollte es machen im kalten Januar des Jahres 1843?

Lieber Bayern Klassisch,

für die Wegstrecke von etwas 1,25 Meilen benötigte ein Fußbote ca. 1 Stunde, für hin und zurück also 2 Stunden.

Wenn er dafür fast 4 Gulden bekam, wäre es ein Wahnsinnsverdienst für diese Zeit. Grob könnte man sagen, wenn er jede Woche 1 Brief für diese Kosten zustellen würde, hätte er für 100 Stunden im Jahr 400 Gulden bekommen (Dafür geht man in dieser Zeit auch hinaus, wenn es sprichwörtlich "Mistgabeln regnen würde.").

Im Vergleich: In Magdeburg verdiente ein Briefträger zur gleichen Zeit ca. 250 Thaler im Jahr, ein Aushilfsbriefträger ca. 15 Sgr. pro Tag. Man kann davon ausgehen, dass die tägliche Arbeitszeit ca. 10-12 Stunden betrug. In der Woche wurde 5,5 Tage gearbeitet. Die Angestellten des Postamtes hatten also in der Woche einen ganzen und einen halben Tag frei.

In Magdeburg bekam also ein Briefträger bei etwa 55-60 Wochenstunden knapp 5 Thaler, was 8 Gulden 45 Kreuzer entsprach. Ein Aushilfsbriefträger kam bei gleicher Leistung etwa bei 60 Prozent an - und das auch bei jedem Wetter.
Auch ist zu beachten, dass gerade im Winterhalbjahr, also ab Oktober das Postaufkommen deutlich höher war, als im anderen Halbjahr.

Summa summarum: Ich bin mir sicher, dass dies kein Express-Lohn für nur einen Brief sein kann. Eventuell gibt auch eine andere Erklärung, was nicht mit einem Eilboten zu tun hat.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
bayern klassisch Am: 22.08.2017 09:30:00 Gelesen: 308010# 176 @  
@ Magdeburger [#175]

Lieber Ulf,

ich kenne einige Fälle, die weisen, sogar in den 1860-er Jahren noch, vergleichbare Botenlöhne aus, als mehrere Gulden für einen Brief.

Ich kenne die örtlichen Gegebenheiten nicht, würde es aber von der Höhe her nicht ausschließen, dass sich da einer sehr gut hat bezahlen lassen. Möglich wäre auch eine "Nachtschicht".

Geregelt wurden die Expressen ja ausschließlich zwischen der Abgabepost, dem Empfänger und dem Expressen selbst. Die Abgabepost hatte nur schriftliche Anweisung zu erhalten, wem sie die Post zu geben hatte. Der Expresse hatte die Pflicht zu fragen, ob Post für seinen Kunden da ist - der Kunde hatte die Pflicht, den Expressen für seine Tätigkeiten zu entlohnen.

Deine finanziellen Aufzählungen sind interessant und treffen so oder ähnlich für alle Bediensteten in ganz Altdeutschland zu, mal ein paar Groschen mehr, oder weniger.

Möglich wäre das Zusammentreffen von Brief- und Fahrpost und wegen dieser Beschwernis ein so hohes Expressbestellgeld; ein 20 Pfund schweres Paket und ein paar Briefe vielleicht und eine uns nicht mehr bekannte Regelung könnte diesen hohen Betrag wahrscheinlicher werden lassen.

Auch wenn wir es wohl nie mehr heraus finden werden - ich finde es toll, dass es diese Vermerke gibt und das wir uns heute über 170 Jahre später noch unsere Gedanken machen können.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 26.08.2017 13:15:11 Gelesen: 307843# 177 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Brief mit Fragen und wenigen Antworten. Verfasst wurde er am 30.5.1839 in München von den Gebrüdern Ma?? und gerichtet war er an die Gebrüder Wittmann in Oberhaunstadt bei Ingolstadt, mithin eine Entfernung von ca. 74 km. Das Franko bzw. Porto für ihn (unter 1/2 Loth) hätte also 4 Kreuzer gekostet.



Jedoch wollte man ihn nicht der Post übergeben, ging es doch im Inhalt um einen strittigen Betrag von satten 3.560 Gulden, also ca. 110.000 Euro. In dem Brief selbst ist nie die Rede von einer Zustellung - ich gehe davon aus, dass ein Jemand oder eine Jemandin ihn für ein gewisses Entgelt nach dorthin verbracht und zugestellt hat - vlt. gegen Unterschrift.

Der Empfänger notierte unten links innen: "Beantwortet den 12. Juni 1839, daß wir in einem Monate Zahlung leisten werden. Gebrüd. Wittmann".

Wenigstens so sollte dieses Problem aus der Welt geschafft worden sein, hoffe ich.

Da er verschlossen war, ist davon auszugehen, dass er mit der Post hätte transportiert werden müssen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
hajo22 Am: 29.08.2017 23:36:43 Gelesen: 307725# 178 @  
@ bayern klassisch [#177]

Katalog Bayern Kreuzerausgaben "Die Sammlung Pegnitz" schon erhalten und Sparschwein befragt?

hajo22
 
bayern klassisch Am: 30.08.2017 06:19:08 Gelesen: 307693# 179 @  
@ hajo22 [#178]

Hallo hajo22,

habe alles im Netz bei Köhler gesehen und ca. 100 Briefe als interessant empfunden - ich fürchte, das wird mein lokales Sparschwein weit überfordern. :-)

Vielleicht hat die Gattin Glück und gewinnt vorher den Jackpot, sonst wird es bei 3 oder 4 günstigen bleiben müssen, leider!

Liebe Grüsse von bayern klassisch,
der sich aber alle anschauen wird, weil fast vor der Haustür die Auktion stattfindet
 
bayern klassisch Am: 09.09.2017 09:54:26 Gelesen: 307093# 180 @  
Liebe Freunde,

eine eingeschriebene Armensache (Arm - Sache Gegen Recepisse) vom 30.3.1838 an den Armenpflegschaftsrath zu Berg K. Landgerichts Kastel (Castell) kann ich zeigen, der portofrei abspediert wurde, obwohl sicher die Absenderbehörde nicht benannte und auch keine Expeditionsnummer angab - damit war eine Portofreiheit amtlich verwirkt und die Aufgabepost hätte ein Porto ansetzen müssen und auch die 4 Kr. für die Recogebühr verlangen müssen (vom Absender!).



All das ist hier unterblieben, warum auch immer. Er wurde unter der lfd. Nr. 88 im Reco - Manual eingetragen und mit dem Rötelkreuz versehen, dem alten Zeichen der Recommandation.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 09.09.2017 10:17:49 Gelesen: 307087# 181 @  
Liebe Freunde,

Absender dieses Dienstbriefes war das Postamt Passau am 1.12.1844 und Adressat das Oberpostamt in Regensburg. Der Inhalt muss wichtig gewesen sein, denn man stempelte CHARGÉ, wenn auch eher etwas nachlässig. Aber wer immer in Passau den Brief geschrieben hatte - er zog keinen Postschein dafür, sonst wäre eine Reco - Nummer zu notieren gewesen.



Der Brief lief somit auch nicht in der begleitenden Briefkarte unter den recommandirten Briefen, sondern lediglich unter den portofreien Dienstbriefen mit.

Dergleichen Fälle kenne ich einige - wenn man sie unerkannt schnappen kann, macht man sicher nichts falsch (zum Preis einer Pizza usw.).

Auf den Abschlag eines Ankunftsstempels hat man bei der Hauptbriefpostexpedition Regensburg jedenfalls auch schon mal verzichtet. Ts, ts, ts ...

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 09.09.2017 10:33:25 Gelesen: 307082# 182 @  
Liebe Freunde,

bei der Adressierung von Briefen, waren sie dienstlicher Natur, oder eher privater Art, sollte der Ort des Empfängers genau bezeichnet sein. Es gab jedoch in Bayern Persönlichkeiten, die von ihrem Ort den Namen hatten, oder deren Familie dem Ort den Namen gab, je nachdem.



Wir kennen z. B. die Korrespondenz den Freiherrn von Würzburg, wobei die meisten Briefe an diesen liefen und sich das Wort "Würzburg" stets zweifach auf der Adresse befindet.

Auch kennen wir, nicht erst von Schiller, die Pappenheimer, insbesonders den erlauchten Grafen von Pappenheim, welcher in Pappenheim oft zu ruhen gedachte.

Der Dienstbrief von Ansbach datiert vom 15.9.1833 und zeigt als Absender: "Von Kgl. Rgg d. Rztkr K. d. I.", womit der Laie nun aber auch gar nichts anfangen kann. Aber diese Abkürzung machte Sinn, wenn man 100 Briefe mit ihr am Tag schreiben konnte, ohne Überstunden machen zu müssen! Ausgeschrieben lautete sie: Von der Königlichen Regierung des Rezatkreises, Kammer des Inneren", womit die Behördichkeit des Dienstbriefes klar war.

Die Anschrift war auch optimal sparsam gehalten: "An Seiner Erlaucht den Herrn Grafen von Pappenheim". Eine Ortsangabe ließ man bewußt weg und schrieb Pappenheim als Zielort, nicht als Nachname!

Was für ein Pech aber auch, dass unsere Erlaucht und gräfliche Gnaden just bei der Ankunft des Briefes nicht mehr zu Hause in Pappenheim weilte, sondern abgereist war nach München, wo ihn dringliche Geschäfte erwarteten.

Die Post in Pappenheim (Feuser Stempel 2689-3, recht selten!) hatte den Brief schon ausgegeben, nahm ihn aber mit korrigiertem Namen = korrigierter Adresse wieder entgegen und stempelte artig Pappenheim R. 3. Aufgabe (unter Benutzung des alten Rayonstempels, den sie 1830 als Ersatz für den noch älteren Rayonstempel von 1802 hatten anfertigen lassen in dem Irrglauben, dass es noch Rayons zu Frankreich gäbe, was natürlich Humbug war).

Er wird dann wohl auch ein paar Tage später in München zugestellt worden sein - auch wenn man nun lesen könnte, dass der Empfänger der Graf von München war - und so einen gab es nun wirklich nicht, weder in Pappenheim, noch sonstwo.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 13.09.2017 12:23:25 Gelesen: 306817# 183 @  
Liebe Freunde,

ein Brief, der innerhalb Bayerns nichts so recht dahin wollte, wohin er doch gehörte, ist einer aus Augsburg, der am 4.5.1861 oder 1862 (ich meine eine Platte 5 zu erkennen) um 07.00 Uhr früh an Herrn Anton Walcher in Heinrichshofen bei Landsberg gerichtet war.





Der Zielort Heinrichshofen war ohne Post - in seiner Nähe lag das bedeutendere Egling bei Landsberg am Lech (gab auch eines zum Amt Wolfratshausen), welches erst 1893 eine Postexpedition erhielt, so dass Heinrichshofen bis dahin alleinfalls eine Landgemeinde ohne direkte Postversorgung war (von Moorenweis / Mohrenweis, das erst im November 1860 eine eigene Postexpedition bekam).

Zurück zur Ausgangslage: Augsburg hatte ihn streng nach Süden Richtung Buchloe geschickt, wo er natürlich noch am selben Tag ankam. Dort war man mit ihm aber nicht zufrieden und sandte ihn weiter nach Landsberg am Lech, wo er ebenfalls noch am selben Tag (4.5.) ankam. Landsberg hätte ihn jetzt einfach nach Moorenweis/Mohrenweis nach Norden schicken könnten, sandte ihn aber weiter nach Fürstenfeldbruck, wo er jetzt schon am 5.5. ankam. Da war er natürlich weit weg von seinem Zielort, so dass man ihn umgehend mit dem Vermerk "Morenweis" nach dorthin spedierte, wo er am 5.5. auch ankam.

Ab 1.10.1860 gab es ja das Landpostbotensystem im rechtsrheinischen Bayern, so dass ich davon ausgehen, dass Heinrichshofen noch im Landbestellbezirk von Moorenweis/Mohrenweis lag und der Brief endlich am Folgetag unserem Anton Walcher zugestellt werden konnte.

In Anbetracht der Tatsache, dass Heinrichshofen von Augsburg nur schlappe 19 Kilometer Luftlinie (!!) entfernt lag, die im Einzeltransit erfolgten Umspedierungen aber ein Vielfaches dieser Entfernung entsprachen, darf man sich nicht wundern, wenn 2 Tage für den Transport benötigt wurden.

Eigentlich war der Brief Beifang - aber jetzt wird er in eine meiner Mini - Sammlungen verbaut, denn so schlecht sieht er gar nicht mal aus und auch seine Hintergrundgeschichte ist nicht zu verachten.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 13.09.2017 12:55:15 Gelesen: 306810# 184 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Franko - Zettel (FZ) aus Frankenthal in der Pfalz nach Le Havre vom 9.5.1860. Was war ein FZ? Nun, wenn ein Absender etwas postalisches zu erledigen hatte, aber auch die Post sich nicht sicher war, welche Kosten insgesamt zu zahlen waren, aber dem Empfänger die Sendung garantiert ohne Kosten zugestellt werden sollte, dann konnte er mit seiner Postsendung (in der Regel Fahrpost) einen behördlichen FZ mit abgehen lassen, in welchem alle Postverwaltungen ihre Auslagen zu notieren hatten und der dann nach Übergabe des Poststücks an seinen Empfänger wieder zurück geschickt wurde, wo er im Austausch zu dem ausgegebenen Postschein dem Absender gegen Bezahlung aller Kosten ausgehändigt wurde.



Absender war hier das Bürgermeisteramt in Lambsheim bei Frankenthal. Verschickt wurde eine Rolle (Geld) an das bayerische Konsulat in (Le) Havre mit 120 Franken. Die Rechnung für diesen Wertversand sehen wir rechts notiert:
Porto für Bayern 19 Kreuzer, bis Paris 56 Kreuzer und nach Le Havre 56 Kreuzer = 2 Gulden 6 Kreuzer.

Da der Absender eine bayerische Behörde war, hatte man regelmäßig vor der Absendung der Sendung von einen Depositum abgesehen; hätte ein Privater das gleiche Verfahren gewählt, hätte die Aufgabepost einen Betrag, der ihr angemessen erschien, von ihm als Depositum einbehalten und den Rest, so es einen gab, bei Abgabe des FZ wieder erstattet. Die Höhe des Depostiums war auf dem Postschein der Fahrpost selbst zu vermerken.

Der Grund der Hinsendung von 120 Franken (1 Franken war 28,5 Kreuzer wert, also eine Sendung im Wert von 2.850 Kreuzern = 57 Gulden (plus Auslagen von 2 Gulden 6 Kr.) dürfte mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit darin zu suchen sein, dass in der Mitte des 19. Jahrhunderts die Gemeinden für ihre Bürger verantwortlich waren, wenn diese in Not gerieten.

Offenbar war ein Auswanderungswilliger Mensch aus Lambsheim im Rahmen seiner Reise nach Le Havre finanziell notleidend geworden und benötigte dringend für seine weitere Reise die übermachten 120 Franken, da Mittellose niemals auswandern konnten (auch wenn sich in Laienkreisen genau diese Variante immer wieder verfolgen läßt).

Nach Rücklauf des FZ dürfte die Gemeinde Lambsheim dann von den Angehörigen des Auswandernden den Betrag von 59 Gulden und 6 Kr. zurück gefordert haben, auch wenn das sicher kein leichtes Unterfangen war, denn viele Auswanderer schieden nicht eben unter den angenehmsten Verhältnissen von ihren Angehörigen und in der Regel kamen diese auch nie wieder in die Heimat zurück, so dass man in solchen Fällen getrost den Betrag, den man auslegte, abschreiben konnte.

Aus der Pfalz kenne ich eine Handvoll FZ nach Frankreich (alle nach Le Havre). Ich freue mich sehr, endlich selbst einen besitzen zu dürfen, zumal das Thema Auswanderung, auch wenn es belegseitig nicht intoniert ist, eines der interessantesten ist, welches die (Post-)Geschichte zu bieten hat.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 16.09.2017 12:50:09 Gelesen: 306630# 185 @  
Liebe Freunde,



von Landau in der Pfalz nach Hechingen [1] in Hohenzollern (Preussen unter taxischer Postregie) wird man wenig finden - außer dem kenne ich gar keinen anderen. Der Dienstbrief von 1847 wurde portofrei belassen, obwohl keine Expeditions-Nummer angegeben worden war, wie es die Vorschrift war und auf seiner weiteren Reise hat das natürlich auch keinen mehr gestört.

Liebe Grüsse von bayern klassisch

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Hechingen
 

Das Thema hat 960 Beiträge:
Gehe zu Seite: 1 2 3 4 5 6 7   8   9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 28 38 39 oder alle Beiträge zeigen
 
  Antworten    zurück Suche    Druckansicht  
 
Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.