Neues Thema schreiben   Antworten     zurück Suche   Druckansicht  
Thema: Altdeutschland Bayern Eingehende Briefe
Das Thema hat 770 Beiträge:
Gehe zu Seite: 1 3 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22   23   24 25 26 27 28 29 30 31 oder alle Beiträge zeigen
 
Gernesammler Am: 24.10.2021 19:31:52 Gelesen: 115830# 546 @  
Hallo Sammlerfreunde,

Brief aus Marienbad vom 27.6.1878 an Fam.Hesslein in Bamberg, dort kam der Brief noch am gleichen Tag zur Ausgabe. Für das Franko nahm man eine ANK Nr.37 Franz-Josef zu 5 Kreuzer für einfache Briefe im Fernverkehr.

Gestempelt wurde mit kleinem Einkreisstempel von Marienbad, auf der Rückseite zur Ankunft der Einkreisstempel von Bamberg und dem Briefträgerstempel Nr.8 (die 3 könnte die dritte Bestellung sein).

Welcher Stempel wurde in der oberen rechten Seite abgeschlagen, es könnte Eger sein.

Gruß Rainer


 
bayern klassisch Am: 11.11.2021 10:53:54 Gelesen: 113614# 547 @  
Liebe Freunde,

da es die Zuschläge für unfreie Versendungen erst mit dem DÖPV gab und sich die Korrespondenten, die vorher regelmäßig unfrei verschickten, sich diesen Mehraufwand ersparen wollten (3x je angefangenes Loth Aufschlag waren auch Geld, gerade für die Firmen, die häufig Korrespondenzen führten), schlug man den Absenderstempel unten links ab, weil man unten links ja den Frankovermerk anbringen sollte und deklarierte seine Briefe so als bezahlt, wobei die Aufgabeposten, die nicht mit Marken frankieren mussten, im Rahmen der Barfrankatur die erhobene Taxe in kleinen, roten Ziffern neben den Frankovermerk zu setzen hatten.



Als Zeichen, dass auch wirklich frankiert worden war, schlug die Aufgabepost von Frankfurt am Main am 20.11.1853 auf dem Brief der Firma Trier & Co. den Aufgabestempel in roter Farbe ab, während unfrankierte Briefe diesen Stempel stets in Schwarz zeigen - so wusste jeder Postler im großen TT-Bezirk auf Anhieb, ob es ein Frankobrief war, oder ob er sich noch um Gebühren vom Empfänger zu kümmern hatte.

Bei Bayern gab es diese Kennzeichnungen nicht, dort war alles schwarz (bitte nicht politisch auslegen, danke!) und auch Barfrankaturen waren nicht zugelassen und man musste aufpassen, dass der Stadtbote nicht die Zahlen, die die Aufgabepost einst notiert hatte, für das Porto hielt und vom Empfänger kassierte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 18.11.2021 12:38:02 Gelesen: 112916# 548 @  
Liebe Freunde,

am 8.2.1867 sandte man einen einfachen Brief unter 1 Loth über 20 Meilen von der Firma Apitz & Ludewig in Berlin an den Advocaten Herrmann in Nürnberg, wo er auch am 10.2.1867 ankam, aber dort nicht zugestellt werden konnte. Der Brief wurde, an wen, wissen wir nicht, ausgeliefert, nur nicht an den Advocaten. Aber der Annehmende muss sehr zeitnah den neuen Wohnort unseres Advocaten mit München erfahren haben, so dass er den Brief in Nürnberg aufgab (Aufgabestempel vergessen!) und Nürnberg ihn mit 3 Kreuzern für die Strecke bis München taxierte, wo er noch am selben Tag ankam. Der Briefträger mit der personalisierten Nr. 27 stellte ihn dann prompt zu.





Was man aber nur alle Jubeljahre findet, ist im Inneren des Briefes ein Vermerk des Empfängers, der das gezahlte Porto später dem Absender geltend machte. Hier in der untersten Zeile: "Ausl(age) 3 xr per 10. Februar (18)67. Unser Advocat Herrmann ließ später die preussische Firma, die einen separaten Brief diesem hier hatte einlegen lassen, 3x oder 1 Groschen zahlen, weil sie den Brief an die falsche Adresse geschickt hatten.

Rote Marken, blaue Berlinstempel, violetter Absenderstempel, blaue Taxe, schwarze Bayernstempel, ein Brief als Einlage, eine Nachsendung und eine spätere Forderung an den Absender - ich glaube so häufig findet man dergleichen nicht.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 18.11.2021 12:46:44 Gelesen: 112911# 549 @  
Liebe Freunde,

was machte man als armer Industrieller in Barmen (Wuppertal), wenn man Briefe ins ferne Bayern zu schreiben hatte? Richtig, man sparte sich ein wenig Geld - man musste diese Briefe nur nach Frankfurt am Main (Thurn und Taxis) schmuggeln und dort als unfrei aufgeben, dann war die Ersparnis sicher.





So geschehen am 2.9.1828 bei einem Brief an Firma Zumstein & Söhne in Kempten, der in FFM aufgegeben und dort mit 4 Kreuzer bis Aschaffenburg korrekt taxiert wurde (bis 1/2 Loth). Als Portobrief mit schwarzem Aufgabestempel, lief er über Aschaffenburg nach Augsburg, wo das taxische Briefepaket erstmals in Bayern geöffnet wurde und der Brief den roten Augsburger Auslagestempel auf der taxischen 4 erhielt. Mit dem in sepia notierten bayer. Inlandsporto ab Aschaffenburg bis Kempten von 14x (als Paraphe notiert) kostete er den Empfänger total 18x.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 19.11.2021 12:18:16 Gelesen: 112792# 550 @  
Liebe Freunde,

der folgende Brief ist für mich ein Sensationsstück. Erst die harten Fakten: Dienstbrief des K. u. K. Bezirksgerichts Wolfsberg in Österreich vom 23.7.1851, jedoch mit Postaufgabe in Wolfsberg erst am 1.8.1851 "An das löbliche königlich Würtembergische Amts-Notariat Bopfingen Oberamts Neresheim im Königreich Würtemberg" mit Vermerk "Exoffe franco".



Siegelseitig sehen wir eine wundervolle Oblate der Absenderbehörde und die Transitstempel von Klagenfurt 2.8., Innsbruck 5.8. (die 5 ist kopfstehend gesteckt!), Bregenz 7.8., Lindau 7.8. und Nördlingen 8.8.. Ein würtembergischer Stempel fehlt, weil die bayer. Post den Kartenschluß Nördlingen-Bopfingen bediente, also den Brief bis Württemberg transportierte (mit der bayer. Postkutsche) und somit Württemberg postalisch "draußen" war.

Aber schauen wir auf das Datum, den 1.8.1851 - da waren Österreich und Bayern im Postverein, Württemberg aber erst ab 1.9.1851. Da Taxis zum 30.6.1851 seine Lehenspost in Württemberg verloren hatte, fällt dieser Brief genau in die Interimsphase vom 1.7. bis zum 31.8.1851.

Im Inhalt ging es um einen Wechsel über 57 Gulden Conventionsmünze, der in Wien vorgelegt wurde, aber nicht eingelöst werden konnte, worüber man sich nun amtlicherseits zu verständigen hatte, weil die Bopfinger Firma mittlerweile konkurs gegangen war.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 19.11.2021 12:19:44 Gelesen: 112791# 551 @  
Liebe Freunde,

ein Portobrief aus St. Gallen vom 27.03.1810 an Firma Zumstein in Kempten, bei dessen Inhalt es um die Creditirung von 50 Gulden ging, die bisher noch nicht erfolgt war.





Als Einlage findet sich jedoch heute noch dieselbe, was ich besonders nett und interessant finde.

Porto: 3x für Sankt Gallen 6x für Bayern, in toto die notierten 9x.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 28.11.2021 09:54:06 Gelesen: 111717# 552 @  
Liebe Freunde,

ein Brief wurde am 25.6.1851 im schönen Chemnitz, damals noch Karl-Marx-Stadt ( ^^^^ ) von der Firma Alex(ander) Wiedemann geschrieben und an die Firma Hoffmann, Burckel und Co. in Wüstenselbitz bei Münchberg geschickt. Das waren Luftlinie 107 km, also über 10 bis 20 Meilen und diese Aktion hätte ein Franko von 2 Neugroschen (paritätisch 7 Kreuzern) gekostet. Aber das war dem sparsamen Sachsen natürlich zu viel Geld, das konnte er günstiger lösen.



Also sandte er ihn "undercover" ins bayerische Hof, wo er am 28.6.1851 ankam und ließ ihn dort von einer befreundeten Firma (Jourdans Erben?) für nur 3 Kr. als einfachen Inlandsbrief bis 12 Meilen in Hof aufgeben. Noch am selben Tag erreichte er Münchberg und wohl auch das nahe Wüstenselbitz. Was tat man nicht alles, für 4 Kr. Ersparnis - aber es werden u. U. noch mehr Briefe nach Bayern so eingelangt sein, so dass es nicht bei 4 Kr. bleiben musste.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Gernesammler Am: 28.11.2021 17:34:24 Gelesen: 111672# 553 @  
@ bayern klassisch [#552]

Hallo Ralph,

ein schöner Brief und ich dachte immer die Schwaben wären sparsam, da waren es die Sachsen auch, aber Spaß beiseite, ich denke mal die Bayern hats gefreut und so wie Du immer sagst, für 4 Kreuzer die gespart wurden, ist man damals satt geworden.

Gruß Rainer
 
bayern klassisch Am: 28.11.2021 20:03:48 Gelesen: 111660# 554 @  
@ Gernesammler [#553]

Hallo Rainer,

so ist es! Man muss halt unterscheiden, ob einer ein reicher Kaufmann war, der viele Hundert Gulden jede Woche verdient hat (nach Steuern!), oder ob es ein Grattler war, für den jeder Kreuzer oder jeder Groschen mehr oder weniger fast schon tragisch werden konnte. Die meisten damals waren eher Grattler und mussten sehen, wo sie blieben. Viele hatten kinderreiche Familien (10 Kinder waren damals keine Seltenheit) und wenn die Kinder in ein gewisses Alter kamen, mussten sie arbeiten, sonst hätte es hinten und vorne nicht gereicht. Ganz andere Zeiten damals und hoffen wir, dass sie nie mehr zurück kommen mögen.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 03.12.2021 11:31:03 Gelesen: 110879# 555 @  
Liebe Freunde,

Versuch der Interpretation eines komplizierten Briefes aus Württembreg über Bremen in die USA, dort nicht zustellbar/abgeholt und wieder über Bremen retourniert mit sensationeller Involvierung der bayerischen Post.

Geschrieben wurde der Familienbrief am 6.12.1853 in Rohrdorf bei Nagold in Württemberg an "Johanes Maurer, Rom(e), Staat New York, Nord Amerika". Eine Leitungsangabe entfiel und der Leitungsmöglichkeiten gab es damals mehrere. Er wurde, weil Rohrdorf noch keine eigene Post hatte, im nahen Nagold unfrankiert aufgegeben, wo er den Zweizeiler vom 6.12.1853 erhielt und mit 9 Kreuzer Porto bis Bremen vortaxiert wurde. In FFM erhielt er einen Transitstempel, dessen Datum wohl der 7.12.1853 war und wurde von hier aus nach Bremen geleitet.





Thurn und Taxis Bremen stempelte am ??.12.1853 Posteingang und übergab den Brief am 15.12.1853 der preussischen Post in Bremen (Rahmenstempel), warum auch immer.

Zu dem Vereinsporto von 9 Kr. kam noch das Porto von 32 Kr. für die Verschiffung über GB und das Inlandsporto bis 1/2 Unze für die USA, total also 41 Kr..

In New York kam er am 17.3.1854 erst an und wurde mit dem Debitstempel in schwarz über 22 Cents (steht oben) versehen. Die Leitung nach New York erfolgte mit der Washington der Ocean Line (Abgang in Bremen erst am 24.2.1854? über Southampton am 1.3.1854 und Ankunft am 16.3.1854.

Bis zum 31.12.1853 galt noch der o. a. Altvertrag vom 1.7.1852, ab dem 1.1.1854 aber galt über Bremen der neue Postvertrag, der eigentlich 6 Kr. für Württemberg und 16 Kreuzer fremdes Porto vorsah; hier galt aber wohl noch wegen der Aufgabe im Dezember 1853 der Altvertrag.

Von New York aus ging es nach Rome im Staat New York, das eigentlich erst 1870 gegründet wurde, wohl aber schon zuvor bestanden haben muss. Dort wurde der Brief aber nicht abgeholt und nach Monaten mit dem Stempel (vorne unten linke) "Not called for" (nicht abgeholt) und einen weitere Stempel des "Dead letter office" unten rechts) nach New York zurück geschickt.

In New York wurden diese Retourbriefe nun gesammelt, bis man genug beieinader hatte und diese dann mit der Ocean Line, wieder die Washington, nach Bremen retourniert (Abfahrt der Washington am 4.11.1854 in New York, in Southampton am 19.11.1854 und in Bremen am 21.11.1854). Wichtig war es bei der Rücksendung, den Laufweg in die USA zu beachten und nicht einen anderen Laufweg zu wählen, weil die Porti hin und her sonst nicht hätten mit der richtigen Postverwaltung verrechnet werden können.

Bremen bekam ihn nun am 21.11.1854 und sandte ihn nach Ludwigshafen am Rhein (Rheinpfalz = Bayern) ab, wohl mit 33 Kr. belastet, die 22 US Cents entsprachen. Ludwigshafen konnte mit dem Brief natürlich nichts anfangen und musste die einlangende Briefkarte (Bremen - Frankfurt am Main - Heidelberg - Mannheim - Ludwigshafen) korrigieren über die mitlaufende Attestkarte und sich so exkulpieren (oben rechts: "retour nach Frankfurt"). Man sandte den Brief dann nach FFM zurück, wo er richtig weiter nach Nagold geschickt wurde.

In Nagold steckte man ihn unter den Retourbriefen im Postbüro aus, aber es fand sich keiner, der ihn auslösen wollte und durfte, daher sandte man ihn geschlossen mit anderen Briefen an die Retourbriefcommission nach Stuttgart, wo er zur Absenderfeststellung geöffnet wurde. Siegelseitig notierte man mit roter Tinte: "A. M. Seeger, Rohrdorf" und sandte ihn mit einer Retourmarke verschlossen nach Nagold retour, wo man ihn durch den Landbriefträger dem Empfänger zustellte (von Nagold aus am 26.11.1854).

Dieser war haftbar zu halten für alle im Laufe des Transports angefallenen Porti, also 41 Kr. plus 1 Kr. Botenlohn = 42 Kr., wie unten links vermerkt.

Der Stempel oben links "7 / 15" stammt aus Bremen (habe ich im van der Linden nicht gefunden) und signalisierte das Verhältnis von 7 US Cents Forderung von Bremen (9 Kreuzer) und 15 US Cents für den Transit und die Leitung in die USA für die USA = 22 US Cents, wie auch später im New Yorker Stempel in schwarz (der Farbe des Portos, rot wäre die Farbe des Frankos gewesen) zu erkennen ist.

Ich weiß nicht, ob der Brief damit perfekt beschrieben ist, aber ich danke meinem lieben Sammlerfreund Rob Faux für seine großartige Hilfe. Eine Kopie der Scans ging auch an Dick Winter, den König der Transatlantikbriefe, in der Hoffnung vlt. noch mehr heraus zu finden. Wer wann wo welche Taxe genau vermerkte, ist nicht einfach und die blauen / 9 und "pro 9" für das Retourporto von 9 Kreuzern können überall angebracht worden sein.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Gernesammler Am: 03.12.2021 16:37:25 Gelesen: 110859# 556 @  
@ bayern klassisch [#555]

Hallo Ralph,

ein Mega cooler Brief, super Laufweg hin und zurück, dass Erscheinungsbild mit den Stempeln und Taxen, wenn man noch bedenkt das er vom absenden bis zur Retoure fast ein Jahr brauchte.

Ich bin begeistert, der würde ja in viele Sammlungen passen, von eingehende Post über Retouren bis Übersee/Amerika und trotzdem überall ein Blickfang sein.

Gruß Rainer
 
bayern klassisch Am: 03.12.2021 17:49:00 Gelesen: 110850# 557 @  
@ Gernesammler [#556]

Hallo Rainer,

genau so sehe ich das auch - der passt jedem Sammler gut in seine Sammlung - nur bei mir selbst bin ich unsicher, weil ich nicht weiß, wie ich ihn verbauen soll.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Gernesammler Am: 03.12.2021 19:11:07 Gelesen: 110843# 558 @  
@ bayern klassisch [#557]

Hallo Ralph,

das einzige was mir zu Bayern einfallen würde wäre, "Bayern falsch retournierte Briefe" da der Brief ja eigentlich Bayern nie sehen sollte.

Gruß Rainer
 
bayern klassisch Am: 03.12.2021 19:35:36 Gelesen: 110839# 559 @  
@ Gernesammler [#558]

Hallo Rainer,

meine Contraventions-Sammlung "Bayern" passt hier als Hort aber nicht, weil Ludwigshafen ihn perfekt behandelt hat ("retour nach Frankfurt"), von daher habe ich schon ein (Luxus-)Problem.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 14.12.2021 11:31:08 Gelesen: 109555# 560 @  
Liebe Freunde,

eine 2 Kreuzer Postkarte kann ich aus Ulm nach Augsburg vom 26.3.1875 zeigen, die ganz passabel daher kommt. Wenn es soweit ist, werde ich auch eine weitere Ganzsache aus Württemberg zeigen, die nach dem 1.7.1875 nach Bayern lief.



Wichtig zu wissen war hier, dass Württemberg schon zum 1.7.1875 (gleichzeitig zum Beitritt in den Weltpostverein!) von Gulden/Kreuzer/Pfennig/Heller auf Mark und Pfennig umgestellt hatte, während Bayern noch bis zum 31.12.1875, dem dortigen Ende der Kreuzerzeit, an der Altwährung festhielt.

Eine spannende Zeit zwischen beiden Ländern wäre also Juli bis Dezember 1875, aber da scheint mir nicht so viel Material zu existieren, als dass man da etwas Vernünftiges zusammen bekäme.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 31.12.2021 12:22:54 Gelesen: 106789# 561 @  
Liebe Freunde,

weil auch die Währungsgeschichte des 19. Jahrhunderts immer auch eine bedeutende Rolle für die Interpretation von Poststücken bietet und die entsprechenden Reduktionsverhältnisse kennen sollte, suchte ich einen Brief aus Württemberg nach Bayern in der Zeit vom 1.7.1875 bis z um 31.12.1875. Warum das?



Ganz einfach: Das Deutsche Reich stellte zum 1.1.1875 seine Währung von Groschen/Kreuzer auf Mark und Pfennig um.

Württemberg zog am 1.7.1875 nach, Baden war als Teil des Reichs währungsmäßig wie das Reich zu sehen.

Blieb noch Bayern, das seine Währung erst zum 1.1.1876 umstellte.

Aber Württemberg war sparsam und Vordrucke, hier: Ganzsachenkuvert zu 3x, waren nicht gültig in einer Währung, die es nicht mehr gab. Ergo waren entweder Vordrucke zu produzieren, die ab 1.7.1875 in der neuen Währung Pfennig den Kunden in die Hand gedruckt wurden, oder, sparsam wie es die Schwaben nun mal sind, noch alte Vordrucke mit neuem Werteindruck zu versehen, damit diesem Anspruch genüge getan werden konnte.

Hier zeige ich ein Ganzsachenkuvert aus Eislingen vom 10.9.1875 an Gustav Hopf in Bamberg, wo es am Folgetag ankam und der Stadtbriefträger B6 ihn zur Zustellung bekam.

Nun könnte man denken, dass 3x exakt 10 Pfennigen entsprachen - aber das ist ein Fehler. Tatsächlich entsprachen 3 Kreuzer nur 8 Pfennigen. Der Erwerber von diesen Ganzsachen hatte also 10 Pfg. ab 1.7.1875 zu berappen, zuvor hätte er nur 3x zu zahlen gehabt, wodurch sich sein Brief um 25% verteuert hatte.

Viele Ganzsachen im Aufbrauch mit Zudruck des neuen Wertstempels nach Bayern gibt es nicht, weil nur 6 Monate möglich.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 06.01.2022 17:10:55 Gelesen: 106042# 562 @  
Liebe Freunde,

auch wenn die Württemberger als Könige der Sparsamkeit gelten, standen ihnen die Badener, was die Kosten für die Postdienste anbelang, in nichts nach.

Den Beweis hierfür tritt ein Brief aus Lahr von der Firma C. Trampler an, der in Lahr (Baden) am 23.5.1865 geschrieben wurde und an G. M. Stuntz in Weißenburg in Bayern gerichtet war.




Die Entfernung von Lahr im Schwarzwald nach Weißenburg betrug 237 km und somit über 20 Meilen, so dass dieser einfache Brief 9 Kreuzer Franko erfordert hätte.

Aber das war viel zu teuer - denn man kannte ja den berühmten Leonhard Kalb aus Nürnberg (bzw. seine Firma, die schon als Forwarder im 18. Jahrhundert von sich reden machte) und gab diesen Brief mit anderen in ein Paket nach Nürnberg, von wo aus ein einfacher, innerbayerischer Brief nur 3 Kreuzer kostete und man sich somit 6 Kreuzer sparte. Die Postaufgabe vom 26.5.1865 in Nürnberg durch die Firma Kalb bestätigt dies.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 06.01.2022 17:19:22 Gelesen: 106038# 563 @  
Liebe Freunde,

ein australischer Händler zeigte dieses nette Kuvertchen aus West-London 25 vom 22.7.1873 an "Fräulein Ludovica Näher in der Maximilianstraße in Lindau, "Lake of Constance, Bavaria", wie man in GB heute noch den Bodensee nennt ("Groundlake" würde auch nicht sehr schön klingen, eher wie ein Gewässer in Mordor, oder so) und ich konnte es daher, trotz der hohen Frachtspesen, nicht liegen lassen. :-)



Man frankierte mit einer 3d Marke tarifgerecht, wie der Londoner PD-Stempel zeigt und schon 4 Tage später kam er in Lindau im Bodensee an und wurde unserem Fräulein ausgehändigt.

3 Pence entsprachen 9 Kreuzern und dieser Tarif galt für einfache Briefe wie hier vom 1.7.1870 via Belgien bis zum UPU am 30.6.1875, also recht lange. Nur sooo schöne Briefe muss man leider lange suchen.

Interessant finde ich den extrem breiten Rand rechts der Marke, den ich als GB-Laie produktionstechnisch nicht erklären kann, aber das können sicher andere hier.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Gauss Am: 06.01.2022 18:48:43 Gelesen: 106022# 564 @  
Kann ich machen: Die Marken zu 3d, 6d, 9d, 10d, 1,- und 2,- der Jahre 1854-80 (das sind die WZ heraldische Blumen und Rosenzweig) hatten zwischen der 4. und 5. sowie der 8. und 9. senkrechten Reihe einen Zwischensteg, der nur in der Mitte gezähnt war. Die Marken mit rechtem unterem Eckbuchstaben D und H haben daher rechts, die mit E und I links einen Breitrand („wing margin“). Die zu 4d und 8d (mit WZ Hosenband) hatten nur einen Zwischensteg in der Mitte, daher Breitrand bei F und G.

Die Michel-Nr. 12-15 haben keine Eckbuchstaben, die Breitränder sind an den entsprechenden Positionen, eventuell abgeschnittene und nachgezähnte sind nicht so offensichtlich zu erkennen.

Es gab auch nach jeweils 5 Reihen waagerechte Zwischenstege, die aber beidseitig durchgezähnt waren.
 
bayern klassisch Am: 06.01.2022 19:30:41 Gelesen: 106006# 565 @  
@ Gauss [#564]

Hallo Gauss,

vielen Dank - da merkt man, was ein Experte ist.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Gauss Am: 06.01.2022 19:38:32 Gelesen: 106003# 566 @  
@ bayern klassisch [#565]

Gern geschehen. Nicht übertreiben mit dem Experten, so weit reicht auch noch ein Michel Spezial, auch wenn ich es tatsächlich auswendig geschrieben habe.
 
bayern klassisch Am: 06.01.2022 19:47:09 Gelesen: 106001# 567 @  
@ Gauss [#566]

Ich schätze, der nächste Michel Spezial wird eher dich zitieren, als du ihn.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 09.01.2022 14:39:43 Gelesen: 105768# 568 @  
Liebe Freunde,

nach einem zähen Bietergefecht findet dieser Brief hier Eingang in die Mutter aller Neu-Ulm - Sammlungen und es ist ein Außergewöhnlicher.



Verfasst wurde er in Ulm am 17.1.1866 von der dortigen Firma Daniel Müller, wobei die Postaufgabe erst 2 Tage später in Neu-Ulm erfolgte und der Empfänger der Rechnung war die Firma Hermann Roth in Oelsnitz bei Plauen in Sachsen. Von beiden Orten aus betrug die Entfernung über 20 Meilen (325 km), so dass sich hier keine Portoersparnis ergab.

Inhalt: "Ulm, 17. Januar 1866 Rechnung über

Sende Ihen für Ihre werthe Rechnung und Gefahr pr. Eisenbahn retante Plauen von da pr Patz Geschirr

1 Ballot No 289 mit

50 # schwarzen secunda Zunder f 42 f 21".

Links davon ist das Kaufmannszeichen, mit dem das Ballot wie die Rechnung und die Papiere gekennzeichnet waren, damit man sie zueinander finden konnte.

Es muss also wohl 2 Tage gedauert haben, bis unser Ulmer genügend Korrespondenz zusammen hatte, ehe er jemanden über die Donau nach Neu-Ulm schicken konnte, wo die Briefaufgabe(n) Ersparnisse versprachen. Es wäre schön und ist mein Traum, 2 oder mehr Briefe eines Absenders aus Ulm mit einem Aufgabedatum in Neu-Ulm zu erwischen, bei denen mal eine Portoersparnis in Bayern und keine Portoersparnis im DÖPV zusammen kommen.

Briefe aus Ulm mit Postaufgabe in Neu-Ulm ohne Portoersparnis sind m. E. äußerst selten und ich weiß aus dem Stehgreif nicht, ob ich einen weiteren über Bayern hinaus habe.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Magdeburger Am: 09.01.2022 14:59:03 Gelesen: 105764# 569 @  
@ bayern klassisch [#568]

Lieber Bayern Klassisch,

sehr schöner Brief! Viele Briefe, welche nicht am Ort eines Briefes aufgegeben wurden, obwohl es dort auch möglich wäre und es keine Ersparnis eines Franco ergab, werden sich sicherlich nicht finden lassen.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
bayern klassisch Am: 09.01.2022 15:05:07 Gelesen: 105763# 570 @  
@ Magdeburger [#569]

Lieber Magdeburger,

das ist richtig - ich sammle diese Contraventionen ja schon seit über 30 Jahren, daher passt deine Meinung zur Beleglage perfekt.

Es gibt wohl zumindest einen von Ulm/Neu-Ulm nach Magdeburg mit einer Bayern 9x braun (Nr. 11). Wenn mir die vor die Lunte kommt, und ich diese Rosine schnappen kann, gebe ich sie dir weiter. In der Regel gab es ja Korrespondenzen, die nicht nur aus einem Brief bestanden, aber die heraus zu filtern aus dem riesigen Angebot, ist die wahre Kunst und ich möchte nicht wissen, was da noch alles in Lots und Konvoluten auf uns lauert.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 

Das Thema hat 770 Beiträge:
Gehe zu Seite: 1 3 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22   23   24 25 26 27 28 29 30 31 oder alle Beiträge zeigen
 
  Antworten    zurück Suche    Druckansicht  
 
Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.