Thema: Recht: Copyright und Loriot - Verbot von Abbildungen im Internet !
drmoeller_neuss Am: 22.11.2011 18:25:37 Gelesen: 44382# 14@  
Auch wenn ihr mich steinigt, von der Sache her halte ich Entscheidung des Landgerichtes Berlin für korrekt. Einfach einmal ein Gedankenspiel: Die Deutsche Post startet einen Gestaltungswettbewerb für eine neue Briefmarke. Natürlich legt die Deutsche Post in den Wettbewerbsrichtlinien fest, dass jeder Einsender die Rechte an seinem Bild besitzt und diese an die Deutschen Post für die Herausgabe des Wertzeichens abtritt. Zwei Jahre später verwendet die Deutsche Post den Markenentwurf für Postkarten, Kaffeetassen, Plakatwerbung und so weiter. Eine private Firma druckt die Marke auf ein Badehandtuch ab. Ihr wart der Gewinner des Wettbewerbes und müsst jetzt zusehen, wie Euer Photo munter weiterverwendet wird, ohne dass irgendein Cent in Eure Richtung fliesst. Da wird der ein oder andere auch bei seinem Anwalt einmal nachfragen.

Die zentralen Fragen sind:

1. Sind die Marken der Deutschen Post AG "amtliche Wertzeichen" und damit amtliche Werke, die nicht dem Schutz des Urheberrechtes unterliegen?

2. Wie weit reicht die Gemeinfreiheit der Abbildung einer Briefmarke?

Zu 1.) Die Deutsche Post AG ist ein privates Unternehmen. Kunden schliessen mit der Deutschen Post AG bürgerlich-rechtliche Verträge ab. Auch der Erwerb einer Briefmarke ist ein normaler privatrechtlicher Kaufvertrag. Die Versandstelle in Weiden muss zum Beispiel dem Kunden ein Rückgaberecht gekaufter Briefmarken nach dem Fernabsatzgesetz einräumen.

Briefmarken sind privat- oder zivilrechtliche „kleine Inhaberpapiere“ gemäß § 807 BGB. Ihre Fälschung ist deshalb seitdem keine „Geld- und Wertzeichenfälschung“ nach §§ 146 ff. StGB mehr, sondern Urkundenfälschung nach § 267 StGB. (Exkurs: wie das Wiederverwenden versehentlich nicht gestempelter Briefmarken gehandhabt wird, weiss ich nicht. Die "Urkunde" selbst wird ja nicht gefälscht, was zum Beispiel beim Entfernen des Stempels der Fall wäre. Wahrscheinlich greift Betrug (d.h. vorsätzliche Vermögensschädigung, § 146 StGB). Die Post muss allerdings den Vorsatz nachweisen können.

Soweit würden Briefmarken dem Urheberrecht unterliegen. Was macht sie aber nach meiner Meinung nach trotzdem zu amtlichen Wertzeichen? Herausgeber der von der deutschen Post verwendeten Briefmarken ist der Finanzminister. Die Deutsche Post AG hat die benötigten Briefmarken nach Weisung des Bundesministeriums der Finanzen herstellen zu lassen. (die von der Deutschen Post herausgegebenen "individuellen" Marken sind keine Ausgaben des Finanzministeriums, tragen nicht die Aufschrift "Deutschland" und daher auch keine "amtlichen Wertzeichen" im Sinne des Gesetzes. Das gleiche gilt natürlich für Marken von "Privatpostunternehmen").

Zu 2.) Hier unterscheide ich zwischen Veröffentlichungen, die in direktem Zusammenhang mit der Verwendung von Briefmarken als amtliche Wertzeichen stehen und solchen Veröffentlichungen, die zum Beispiel das künstlerische Motiv in den Vordergrund stellen. Die für Sammler von amtlichen Wertzeichen (gemeinhin als "Briefmarkensammler" bezeichnet) herausgegebenen Kataloge und Alben fallen eindeutig unter die erste Kategorie. Ein Briefmarkenkalender ist schon ein Zweifelsfall. Wikipedia verwendet aber häufig Abbildungen von Briefmarken, um Artikel zu illustrieren. Hier steht die künstlerische Gestaltung und das Motiv im Vordergrund. Die Abbildung der Briefmarke könnte auch durch eine Abbildung des Motives ersetzt werden, da Wertstufe und Ausgabeland keine Rolle spielen. Eine solche Verwendung ist meines Erachtens nicht mehr von der Gemeinfreiheit erfasst.

Genauso ist übrigens die Verwendung von urheberrechtlich geschützten Bildern in amtlichen Veröffentlichungen nur in deren Kontext erlaubt. Eine getrennte Veröffentlichung der Bildern ist nicht zulässig.

Nochmals: Die einstweilige Verfügung gilt genau für diesen einen Fall der Veröffentlichung der Loriotmarken in Wikipedia. Eine einstweilige Verfügung ist lediglich eine Vorentscheidung eines Gerichtes im Eilverfahren, damit die Ansprüche des Klägers gesichert werden können. Wikipedia kann als Antragsgegner Widerspruch einlegen. Erst dann fällt das Gericht ein endgültiges Urteil, dass für beide Seiten weitreichende Folgen haben kann. Stellt sich die einstweilige Verfügung als ungerechtfertigt heraus, so hat Wikipedia sogar Schadensersatzansprüche gegen die Loriot-Erben. Umgekehrt würde das Gericht mit dem Urteil ein Präzidenzfall für weitere ähnliche Streitfälle schaffen, und andere Künstler auf dumme Gedanken bringen. Laut Pressemitteilung will aber die Wikimedia Foundation keine Rechtsmittel gegen die Einstweilige Verfügung einlegen.

@ stephan.juergens [#9]

Die Rechte an den Werken des verstorbenen Loriots gehen auf dessen Erben über. Die sind natürlich an geschlossene Verträge mit der Deutschen Post AG gebunden.

Die Gestaltung von Briefmarken hat sich auf das Recherchieren von geeigneten Photos aus Datenbanken und der Beschriftung per Computer reduziert. Dafür braucht man eigentlich keinen Kunstbeirat mehr. Vielleicht sollte man wieder zur alten Tradition zurückkehren, wo Briefmarken noch von Hand gezeichnet wurden (ich denke da nur an die grossen Künstler der Bundespost wie Blase, Schilliger, Rohse, Janota-Bzowski, Ries und wie sie alle heissen). Dann hätte die Deutsche Post nur einen Partner, mit dem sie das Recht auf Veröffentlichung verhandeln muss.

Und speziell für Richard und andere Forenbetreiber möchte ich folgenden Satz aus der Begründung zur einstweiligen Verfügung zitieren: "Zwar war die Antragsgegnerin nicht zur vorsorglichen Überprüfung der auf http://www.wikipedia.org eingestellten Beiträge auf etwaige Rechtsverletzungen verpflichtet. Sie hätte aber auf die Abmahnung der Antragsstellerin innerhalb eines angemessenen Zeitraumes, der hier angesichts eines verstrichenen Zeitraumes von mehr als zwei Wochen seit der Abmahnung verstrichen ist, reagieren müssen."

Zum Nachlesen: Die Einstweilige Verfügung und Begründung des Landgerichtes Berlin

http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/d/d7/Decision_re_Loriot_Stamps.pdf

Arbeit zum Thema: "Freie Werke im Internet" (es wird auf das österreichische Recht Bezug genommen, dass aber in diesem Punkt mit dem deutschen Recht fast übereinstimmt)

http://www.rechtsprobleme.at/doks/clemens-wass-freie-werke.pdf
 
Quelle: www.philaseiten.de
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