Thema: Deutsches Reich Inflationsbelege
muemmel Am: 21.10.2014 19:25:36 Gelesen: 4038540# 3404@  
Guten Abend,

bevor es nun morgen nach Sindelfingen geht, heute noch ein kleines Schmankerl.

Eine Postkarte in die Tschechoslowakei kostete in der Portoperiode 23 (5.–11.11.1923) 1,8 Milliarden Mark und stellt somit keine Besonderheit dar, auch wenn dieses ermäßigte Porto (normal 2,4 Milliarden) auf Belegen nicht alltäglich zu finden ist.



Bevor ich weiter auf diese Karte näher eingehe, zunächst der Hinweis darauf, dass im Laufe der Inflation die Reichspost mit ihren Tarifen immer mehr den tatsächlichen Portokosten hinterher hinkte. So entsprach am 7. November 1923 das Porto von 1,8 Milliarden Papiermark gerade einmal 1,255 Goldpfennig (bezogen auf den Wert der Reichs- bzw. Goldmark am 31. Juli 1914).



Wie man der Mitteilungsseite unschwer entnehmen kann, wurde diese Karte am 6.11.1923 von W. Thon in Basel geschrieben und am folgenden Tag mit nach Lörrach genommen oder jemandem nach dort mitgegeben.

Zur weiteren Erläuterung muss nun zunächst der Goldfranken (GFr) herangezogen werden und ein wenig Mathematik ist ebenfalls vonnöten. Der GFr war von 1920 bis 2003 eine Fiktivwährung, die zur Abrechnung von Post- und Fernmeldeleistungen zwischen nationalen Postverwaltungen diente. Ein GFr hatte am 7.11.1923 den Gegenwert von 94 Milliarden Mark. Dividiert man nun das Porto von 1,8 Milliarden durch 94 Milliarden, erhält man 0,019 GFr als Ergebnis. Das Verhältnis des Schweizer Franken (SFr) zum GFr betrug 1,55:1. Die Multiplikation von 0,019 GFr mit 1,55 ergibt dann 0,029 SFr. Da das Porto für eine Postkarte ins Ausland zu der damaligen Zeit 0,25 SFr betrug, hatte Herr Thon 0,221 SFr über den kleinen Umweg nach Lörrach weniger an Porto zu berappen.

Ob Herr Thon dies nur einmalig oder mehrfach genutzt hat, entzieht sich unserer Kenntnis und eine einmalige Ersparnis von 0,221 SFr war ja auch nicht so überwältigend. Aber in den grenznahen Gebieten (Belgien, Niederlande, Dänemark, Schweiz u.a.) wurde für Geschäftspost diese Art des "Post remailing" wegen der deutlich geringeren Portokosten recht gerne genutzt.

Derartige Belege sind Dokumente der Post-, Wirtschafts- und Kulturgeschichte der Inflationszeit, die man recht selten findet. Neben dieser Karte ist mir bislang nur ein Brief aus der Schweiz über Konstanz nach Frankreich bekannt, der im Heft 254 der Infla-Berichte vorgestellt worden ist.

Abenteuerliche Grüße
Harald
 
Quelle: www.philaseiten.de
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