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Thema: (?) (16) Kurfürstentum Sachsen: Belege der Kursächsischen Post 17.-18. Jahrhundert
Max78 Am: 08.12.2017 00:07:27 Gelesen: 10083# 1 @  
Gute Nacht zusammen,

mit folgenden 2 Belegen aus dem Jahre 1706 möchte ich das Rad der Zeit noch ein wenig weiter zurückdrehen, um neben der allgemein bekannten Thurn und Taxis'schen Post auch mal die Kursächsische Post ein wenig näher zu bringen (auch bekannt durch die Postmeilensteine). Im Jahre 1681 wurde das Postwesen in Sachsen unter Kurfürst Friedrich August von Sachsen zum kurfürstlichen Oberhoheitsrecht erklärt. Durch die Verpachtung wechselte diese Post immer wieder den Oberpostmeister, der das Pachtgeld jährlich zu entrichten hatte. Durch die relativ schnellen Wechsel des Pächters hat man einen guten Überblick, wer die Verantwortung in bestimmten Zeiten übernahm. Im Jahre 1706 war das z. B. der Oberpostmeister Johann Jakob Kees in Leipzig, dessen Sohn Nachfolger wurde. Schon im Jahre 1693 wurde das Oberpostamt in Leipzig zur obersten Postbehörde bestimmt. Folgende Belege stammen aus einer Akte. Jeder einzelne Brief besteht aus drei geschriebene Seiten, die im Jahre 1706 von Branderoda nach (Schloss) Rauenstein (Pockau-Lengefeld) liefen und jeweils mit einem Bothenlohn von 1 Groschen "gerötelt" wurden:



Ich fand den Namen einfach so schön: "Blauer Engel". Ist das nicht ein wunderbarer Name für eine Schenke, die von Fuhrleuten, Boten, Handelsmännern, Durchreisenden, usw. genutzt wurde? Hier befindet sich jeweils der Vermerk links unten: (zu Leipzig) Im Blauen Engel der Marienberg'schen Post auszuhändigen

Nun, ggf. gab es mehrere Schenken mit diesem Namen, wenn es aber ein Verkehrsknotenpunkt für Handel und Durchreisende war (die Post beförderte damals ja schließlich auch Personen), dann könnte der "Blaue Engel" in Panitzsch ein heißer Favorit sein:

https://de.wikipedia.org/wiki/Panitzsch

Empfänger war Carl Christoph Römer, der 1. Lehnsherr des Ritterguts Branderoda war und 2. Herr auf Schloss Rauenstein. Angeschrieben wurde er von seinem Gutsverwalter. Das Adelsgeschlecht Römer (aus der Markgrafschaft Meißen stammend) schufen sich schon im 15. Jahrhundert ein großes Vermögen durch den Silberbergbau.

mit Grüßen Max
 
bignell Am: 08.12.2017 09:57:08 Gelesen: 10047# 2 @  
Hallo Max,

1754 Dresden Wertbrief ins Fürstentum Hildburghausen:





Adresse:
A Monsieur
Monsieur le Baron de Beck
Gouverneur de don Alt.(esse) la Duchesse
de Sage Hildbourghausen Douairiere
tres???
a
Hildbourghausen

Nebst 75 F(=Florin) in Gold innliegend Baargeld

Diverse Taxvermerke in Rötel (3 gestrichen, 14, S L/A B, 17/8?) und Tusche(15gg, 15/7)

Brief wurde gezeichnet Dreßden am 25. Oct. 1754 Meines gnädigen Herrn u. unterthäniger Diener ??edite??

Die letzte Seite ist ein wüstes Krixikraxi in einer anderen Schrift und stellt vielleicht den Entwurf der Antwort dar.

Für Anmerkungen und Korrekturen bin ich dankbar.

Lg, harald
 
Magdeburger Am: 08.12.2017 10:36:32 Gelesen: 10034# 3 @  
@ bignell [#2]

Hallo Harald,

es sind 75 Reichsthaler in Golde und keine Florin.

Die Entfernung nach Luftlinie ist fast 30 Meilen, damals war jedoch der tatsächlich zurückgelegte Weg zu zahlen. Allgemein galt bei bis 100 Reichsthaler in Gold 3 1/2 Ggr. von 10 zu 10 Meilen. Daraus folgt, dass 3,5 x 4 (also schon über 30 bis 40 Meilen) = 14 Ggr. als Porto anfielen. Dies war auch der Fall gewesen. Es sind noch 15 Ggr. notiert, hier denke ich, dass dies eventuell incl. Botenlohn ist.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
bignell Am: 08.12.2017 10:59:39 Gelesen: 10025# 4 @  
@ Magdeburger [#3]

Hallo Ulf,

vielen Dank für Deine Erklärungen, habe ich mir gleich notiert.

F oder fl (abgeleitet von Florin) habe ich oft in alten Briefen gelesen als Kürzel für die jeweils gültige Goldmünze, unabhängig davon ob es ein Thaler, Gulden, Krone oder sonstwas war. Deshalb interpretiere ich das Zeichen nach 75 als F. Mit "in Golde" hast Du natürlich vollkommen recht, da habe ich das e am Ende überlesen.

Lg, harald
 
Max78 Am: 08.12.2017 14:38:38 Gelesen: 10007# 5 @  
@ bignell [#4]

schön, wie Ulf immer wieder erklären kann wie sich das Porto errechnen lässt!

Zu Deiner Vermutung, dass hinter hinter dem Schnörkel ein "F" steckt, kann ich Auszüge aus dem Buch: "Alte Meß- und Währungssysteme aus dem Deutschen Sprachraum" (Fritz Verdenhalven, Verlag Degener & Co) anhängen, die ggf. von allgemeinem Interesse sind. Demnach und auch aus eigener Erfahrung halte ich das Zeichen für ein verschnörkeltes T, was für den allgemeineren Begriff Thaler steht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Bezeichnung "Taler in Gold" weniger mit einer Goldmünze zu tun hat, sondern eher mit einer Rechnungseinheit, mit der man stabiler rechnen konnte als mit dem schwankenden (steigenden) Wert des Silbers. Unterstreichen tut das die weitere Angabe "einliegend Baargeld", was in diesem Sinne dann nicht "doppeltgemoppelt" wäre.

Gulden u. Floren / Kreuzer / Reichs-Taler:



Im Schreiben selbst findest Du dann das Kürzel zu 500 Reichstalern. Um dieses Konzept zu "entwurschteln" bräuchte man wirklich etwas länger. Ich finde es trotzdem interessant, da es zeigt, dass die meist so komplexen, grammatikalisch ausgefeilten Formulierungen (in einem Satz mit "tausend" Kommas) doch nicht immer spontan zu meistern waren. Im Schreiben selbst führt der Steuerpflichtige unter anderem auf, dass er durch die zweifache Besteuerung auch doppeltes Porto zu entrichten hatte, was er gerne noch berücksichtigt haben möchte.

lg Max
 
bignell Am: 08.12.2017 14:59:46 Gelesen: 9999# 6 @  
@ Max78 [#5]

Hallo Max,

vielen Dank für Deine Beispiele, am ehesten kann ich noch eine Ähnlichkeit zu dem vorletzten Kürzel bei Reichthaler erkennen, vielleicht ein übereinander geschriebenes r+t. Würde auch gut zu dem passen was Ulf sagt.

Lg, harald
 
Max78 Am: 08.12.2017 15:23:29 Gelesen: 9991# 7 @  
@ bignell [#6]

Hallo Harald,

nein, das wollte ich damit nicht sagen. ;-) Schau Dir bitte das Zeichen für Taler in der letzten Reihe (2. von links) an. Wie gesagt: die Rechnungseinheit "Taler in Gold" dürfte hier maßgebend sein, da stabiler wie die Rechnung in Silber(münzen) wie der Reichsthaler. Goldmünzen wurden zu jener Zeit kaum geprägt. Die Zusammensetzung "Reichstaler in Golde" würde keinen Sinn machen. Siehe zu diesem Thema auch folgenden link, wie es sich in Bremen entwickelte, als von französischer Seite die beständigen, starken Goldmünzen "Louisdor" in Umlauf kamen:

https://de.wikipedia.org/wiki/Taler_Gold

Na ja, die Interpretation soll jedem selbst überlassen sein. ;-)

mfg Max
 
Magdeburger Am: 08.12.2017 15:42:37 Gelesen: 9986# 8 @  
@ bignell [#4]
@ Max78 [#7]

Hallo Harald, hallo Max,

Max - super was du so heraussuchst!

Harald ich bin sicher, dass dort Reichsthaler steht. In Dresden war es die vorherrschende Währung. Apropos Dresden, dort wurden sogenannte Dukaten geprägt, also Goldmünzen. Der Brief wog ja 8 3/4 Loth - beim nachwiegen ermittelte man 8 7/8 Loth, was in etwa 128 Gramm sind. Ein Dukat hatte in etwa einen Börsenwert von 2 3/4 Thaler und wog knapp 3,5 Gramm.

Dies auf den Brief angewendet:

75 Reichsthaler in Gold entsprachen (etwa) 27 Dukaten und somit wogen diese knapp 94,5 Gramm. Es ist also durchaus realistisch, dass solche Münzen im Brief verschickt wurden.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
Max78 Am: 08.12.2017 15:47:45 Gelesen: 9980# 9 @  
@ Magdeburger [#8]

Ich wollte meinen Beitrag noch verändern, da ich gesehen habe, dass auch mit "Reichstaler in Golde" gerechnet wurde. Wie gesagt verstehe ich darunter eine Rechnungseinheit und keine Goldmünze. Es soll jedem selbst überlassen sein, was er dazu denkt. Der Reichstaler an sich wird hoffentlich auch in Zukunft eine Silbermünze bleiben. ;-)

Lieber Ulf, für deine überhebliche Art bedanke ich mich,

beste Grüße Max
 
bignell Am: 08.12.2017 15:54:40 Gelesen: 9976# 10 @  
@ Magdeburger [#8]
@ Max78 [#9]

Hallo Ulf, hallo Max,

vielen Dank für Eure Infos. Somit übersetzt sich die Angabe: Goldmünzen im Wert von 75 Reichsthalern.

Lg, harald
 
Max78 Am: 08.12.2017 15:58:38 Gelesen: 9974# 11 @  
@ bignell [#10]

Ja, so sehe ich das jetzt auch, dank Ulf. Schade bloß, dass er das nicht vorher schon so erläutert hat und das von mir Geschriebene als "super" betitelt, obwohl er ganz genau weiß, dass es falsch ist. Eine neutralere Berichtigung nehme ich lieber an und lasse mir auch gerne was erklären.

mfg Max
 
Magdeburger Am: 08.12.2017 16:32:29 Gelesen: 9960# 12 @  
@ Max78 [#11]

Hallo Max

es tut mir leid, dass dies so rüber kommt.

Fälschlicherweise hatte ich den Klammeraffen in [#7] und nicht wie vorgehabt in [#5] angewählt. Ich wollte mich somit auf dein Suchen nach den "Schriften" beziehen. Ich bitte um Entschuldigung.

Mit freundlichem Sammlergruss

Ulf
 
Max78 Am: 08.12.2017 18:18:44 Gelesen: 9944# 13 @  
@ Magdeburger [#12]

Hallo Ulf,

dann beruht das Ganze ja auf Missverständnissen und alles ist gut! Die Kürzel habe ich aus einem Buch gescannt. Ich muss mir auch mal angewöhnen, nicht zu sehr ins Detail zu gehen und nicht mehr vorschnell auf Beiträge zu antworten. Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich da verhaspelt habe und im Endeffekt Fehler mache. Die regionalen Währungen und Maßeinheiten sind wirklich ein Thema für sich, welches mir schwer fällt. Aber das geht mir auch mit der heutigen Finanzwelt so. Da verstehe ich meist auch nur "Bahnhof".

Ich bin halt unter anderem auch im Inhalt auf die 12 Reichstaler und 12 Groschen gestoßen und sah im ersten Kürzel den "Taler". Da war ich wohl zu voreilig mit dem Ausschließen. Um so schöner, wenn es dann im Forum die Möglichkeit gibt, von anderen verbessert zu werden und mehr zu erfahren. Auch Harald ist ja ein alter Hase, der das genauso gut (wenn nicht sogar besser) abschätzen kann.

einen schönen Start ins Wochenende, Max
 
Totalo-Flauti Am: 05.08.2018 21:20:08 Gelesen: 7716# 14 @  
Liebe Sammlerfreunde,

für die kurfürstlich-sächsische Post könnte anhängende Postkarte etwas helfen. Die Karte liegt mir selbst im Original vor. Bei Interesse kann ich einen Link senden, wo sie in hoher Auflösung zu finden ist.

Mit lieben Sammlergrüßen

Totalo-Flauti.


 
Totalo-Flauti Am: 18.08.2018 18:41:28 Gelesen: 7604# 15 @  
Liebe Sammlerfreunde,

heute möchte ich Euch einen Brief vom 19.1.1635 aus Wittenberg über Leipzig nach Berka/Werra_Thüringen (?, ca.260km) von Johann Georg I. Herzog von Sachsen (1585-1656) an den Generalmajor Christoph von Houwald (1601-1661) vorstellen. Von Houwald war bis 1633 in schwedischen Diensten (seit 1632 Generalmajor über 11.000 Mann Infantrie). 1633 trat er in kursächsische Dienste über. Der Kurfürst wechselte nach dem Frieden vom Prag (Mai 1635) von der protestantischen Seite zur kaiserlichen Seite. In den langwierigen Verhandlungen wurde vom Kurfürsten mit dem Kaiser vereinbart, dass keine Grenzverletzungen beider Truppen mehr stattfinden sollten. Im Brief fordert der Kurfürst von Houwald auf, sich an diese Vereinbarung zu halten, soweit sich auch die kaiserlichen Truppen daran halten.

Auf der Rückseite ist folgende Notiz und eigentlich für mich als Sammler zu Leipzig das Highlight: „Ankommen U. abgang zue / Leipzigh am 22.Jan: / 1635 Joh.Sieber / früh umb 8 uhr Postmeister“. Auf der Vorderseite ist noch ein Eilvermerk „Cito / Cito“ (Schnell, Schnell) angebracht. Der rückseitige Vermerk des Postmeisters Sieber erfolgte wohl, weil der Brief von Wittenberg bis Leipzig (ca. 70 km) schon über 2 Tage benötigte. Damit wurde dokumentiert, das der Postmeister in Leipzig nicht an der verzögerten Weiterleitung Schuld hatte. Leider ist kein Datum der Ankunft vermerkt. So ist nicht erkennbar wie lange der Brief tatsächlich bis zum Ziel brauchte.

Sieber war bis 1615 Botenmeister der Leipziger Ratspost. 1615 erfolgte die Gründung des kursächsischen Postregals und damit die Gründung der sächsischen Staatspost. Die sächsischen Kurfürsten verpachteten bis 1712 ihr Postregal. Sieber setzte sich auch als erster Pächter des kursächsischen Postregals durch. Daneben war Sieber auch als Postmeister für die Thurn und Taxische Reichspost tätig. 1636 verließ dieser Leipzig und wurde kaiserlicher Kriegskommissar für das Proviantwesen in Niedersachsen.

Es sind keine weiteren postalischen Vermerke auf dem Brief vorhanden. Siegelseitig ist noch das Wappen des sächsischen Kurfürsten als Abdruck zu erkennen. Ich gehe mal davon aus, dass für die Beförderung kein normaler Postreiter entsprechend der Postrouten beauftragt wurde.

Mit lieben Sammlergrüßen
Totalo-Flauti.



 
frankundfrei Am: 15.01.2021 15:22:34 Gelesen: 4546# 16 @  
Sehr geehrter Herr Max78,

ich bin Marienberger und habe bei der Suche nach Post, Postraub, usw. im 2. Drittel des 18. Jahrhunderts Ihren Eintrag gefunden.

Ich finde den "Blauen Engel" auch sehr schön und frage mich, warum dies keine Schenke in Marienberg gewesen sein kann, von welcher aus die Post dann nach Rauenstein gebracht oder von dort aus in Marienberg abgeholt wurde. Über eine Antwort würde ich mich sehr freuen.

Herzliche Grüße aus dem verschneiten Marienberg.
 
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