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Thema: Dokumentation: Der Fall Dr. Claus D. Sommerfeld (Dr. S.)
Richard Am: 23.03.2018 15:44:14 Gelesen: 6319# 1 @  
Dokumentation: Der Fall Dr. Claus D. Sommerfeld (Dr. S.)

2016

Dr. S., Vorsitzender der ArGe Bezirkshandstempelaufdrucke SBZ 1948 erhält die Erlaubnis, im Archiv für Philatelie vorhandenes Material zu recherchieren und zu digitalisieren und nach den Anweisungen des AfP zu sortieren und konservatorisch korrekt umzulagern.

Dr. S. wird – so Dr. Böheim (29.5.17) Anfang 2016 „ehrenamtlicher Mitarbeiter“ im Archiv. Dort lagern – so Dr. Böheim (29.5.17) – 103 verschlossene (verplombte) Kisten, von denen im Mai 17 bereits 20 Kisten geöffnet waren.

Herr Dr. S. hatte nie Zugang zum Tresorraum des Archivs. Die zu bearbeitenden Bestände aus dem Tresorraum wurden ihm in einem Arbeitsraum bereitgestellt.

Dr. S. legte Dr. Kalb seit 2016 Material zur Prüfung vor. Bedenken traten auf, da alle Marken unsigniert waren, die Vorlagen eine „ungewöhnliche Mischung von Orten“ betrafen, teilweise Neudrucke und Marken, von denen man bisher annahm, dass sie aus „Postmuseumsbogen“ stammten, außerdem keine Fälschungen dabei waren, was bei Sammlerbeständen eher die Ausnahme ist.

Dr. S. habe angegeben, das Material aus der Fläschendräger-Sammlung erworben zu haben, was Dr. Böheim anzweifelt, da dieser alle seine Marken mit „Halle Flä“ signiert habe.

2016, August

Das Consilium Philatelicum führte in Kooperation mit der AIJP eine Wochenendveranstaltung im Bonner Haus der Philatelie und Postgeschichte durch.

Rahmenthema: Presse, Philatelie und Literatur im Wandel.
Herausforderungen – Probleme – Lösungen
Freitag, 26. August 2016
14.00-15.30 Uhr Besuch im „Archiv der Philatelie“ (AfP) der Museumsstiftung mit
Vortrag von Dr. Andreas Hahn (Kurator):
„Der Beitrag des Archivs der Philatelie zur philatelistischen
Forschung“ (30 Min.)

Bei dieser Veranstaltung präsentierte unter anderem Dr. S. seine Forschungen und im Beisein mehrerer Augenzeugen wurde eine original-verplombte Kiste geöffnet. Die Präsentation war vom Bonner Archiv vorbereitet worden. Weder Ablauf noch einzelne Bestandteile der Präsentation waren vorher mit dem Consilium resp. dessen Vorsitzenden abgesprochen worden (was auch unnötig gewesen wäre, denn es ging bestenfalls um die zeitliche Planung).

Bei dieser Präsentation teilte Dr. S. mit, dass er bereits bisher so viel völlig Unbekanntes gefunden habe, dass man sicherlich die bisherigen Handbücher neu schreiben müsse (was er wohl auch vorhatte).

April 2017

Dr. Hahn wurde im April 2017 erstmals von BPP-Präsident Christian Geigle mit einem Verdacht gegen Herrn Sommerfeld konfrontiert. Bei einer Auktion seien unsignierte Marken aufgetaucht, die nur aus den Bonner Archiv-Beständen stammen könnten und von Dr. Sommerfeld entwendet sein müssten.

Diesem Hinweis wurde in Bonn unverzüglich nachgegangen. Es stellte sich heraus, dass die betreffenden Ortsstempel noch in einer versiegelten Kiste im Depot lagern, der Verdacht erwies sich daher aus Sicht des Archivs also als unbegründet.

Am 30. April meldete sich Dr. Kalb per Email bei Dr. Hahn und wies auf eine verdächtige Prüfsendung von Dr. Sommerfeld hin. Daraufhin wurde ein Besuch von Dr. Kalb und Dr. Böheim im AfP vereinbart.

2017, 23. Mai

Besuch von Dr. Böheim und Dr. Kalb im Bonner Archiv. Abgleich der letzten Prüfvorlage von Dr. S. mit dortigen Beständen. Böheim-Befund: Übereinstimmungen mit dort vorhandenem Material aus bereits geöffneten Kisten. Nachweis durch Aufdruck-Übergänge. Es werden Belegfotos gemacht.

Es ist jedoch bekannt, dass aus Kisten bereits (vor Verplombung) noch zu DDR-Zeiten (Koko – Schalck-Golodkowsky/Wermsdorf?) Material entnommen wurde, was Dr. Boheim bestätigt, aber er verweist darauf, dass man früher nur Markenmaterial vom Bogenunterrand entnommen habe. Nun fehle aber bevorzugt auch solches vom Oberrand.

W. v. Loos Fotos vom August 2016 zeigen auch solche Bogen von einer gerade erstmals geöffneten Kiste, bei der Teile vom oberen Bogenrand bereits fehlend waren.



Foto: Wilhelm van Loo

2017, 29. Mai

Dr. Böheim / Dr. Kalb erstellten einen Bericht über ihren Besuch im Archiv wegen der Prüfvorlagen von Dr. S. und leiteten diesen am 4. Juli 2017 dem AfP sowie dem BPP-Vorstand zu. Beide machen Vorschläge zum weiteren Ablauf wünschenswerter Überprüfungen, um den Verdacht eines möglichen Diebstahls zu erhärten.

2017, Mai

Durch Aussage belegt: Dr. S. war seit dem 18. April / 10. Mai 2017 nicht mehr im Archiv. Zunächst war Dr. S. krank, später wurde er mit Hinweis auf internen Klärungsbedarf vertröstet – über die externen Überprüfungen, den wachsenden Verdacht und die Vorbereitung einer Anzeige wurde er – so das AfP – in keiner Weise vom AfP informiert.

Tatsache scheint zu sein – und wird nicht bestritten –, dass Dr. S. unbeaufsichtigt arbeiten konnte, weil das AfP für lang andauernde Recherchearbeiten keinerlei personelle oder technische Ausstattung hat.

AfP-Kurator Dr. Hahn machte am 2. Mai 2017 und danach fortlaufend der Leitung der Museumsstiftung für Post und Telekommunikation Meldung von dem Vorgang. Man hielt die Beleglage nach dem ersten Besuch der beiden Prüfer offenbar (zuerst) nicht ausreichend für eine Anzeige. Der Leiter der Museumsstiftung, Dr. Helmut Gold, war auf jeden Fall über den Vorfall zu jeder Zeit informiert.

2017, Oktober

Dr. Böheim informiert die „Stiftung z.F.d.P.u.P.“ über den Vorfall und seine Einschätzung des für ihn denkbaren Ablaufs, behauptet gleichzeitig, dass Dr. Hahn in dieser Sache nichts unternommen habe, da für diesen sein Bericht nicht beweiskräftig genug und juristisch verwertbar sei.

Bei einem Regionaltreffen der ArGe Bezirkshandstempel sei – so wird Dr. Kalb von Dr. Böheim zitiert – Sommerfeld aufgetreten und hätte behauptet, dass er nach wie vor im Archiv ein und ausgehe, ungehindert und ohne Kontrollen, und dort seine Scanarbeiten machen könne. Er habe vor 9 Jahren eine große Sammlung der Marken erworben und alle Marken seien rechtmäßig in seinem Besitz. Deshalb werde er wegen der Verdächtigung von Böheim/Kalb auch gegen diese juristisch vorgehen.

Dieser Darstellung widerspricht die Aussage des AfP, nach der Dr. S. im April 2017 letztmalig im Archiv war. Außerdem wurde bereits nach dem ersten Auftreten eines Verdachts die Mitnahme von Taschen und Mänteln in den Arbeitsraum untersagt.

2017, Oktober/November

Es erfolgte am 25.–26. Oktober ein zweiter Besuch der beiden BPP-Prüfer im Archiv. Über 1.000 Fotos wurden insgesamt erstellt. Außerdem ein zweiter Bericht (am 20.11. der Museumstiftung zugeleitet), der wiederum allen Seiten vorgelegt wurde. Böheim (Tel. 20.3.18): „Riesige Mengen sind abhanden gekommen, von manchen Wertstufen der gesamte Bestand“.

Am 10. November erstattete die Museumsstiftung – sie ist der Träger des Archivs für Philatelie in Bonn – Anzeige, die seitdem von der Staatsanwaltschaft Bonn bearbeitet wird.

Außerdem – und mit Zusicherung des BPP-Präsidenten Christian Geigle, dass der BPP seinen Prüfern bei einem etwaigen Prozess zur Seite stehen wird – erstattete Dr. Böheim ebenfalls Anzeige, allerdings wohl erst im Dezember 2017.

2017, Dezember

Die Staatsanwaltschaft Bonn nahm die Ermittlungen auf, die unter dem Az 661 Js 688/17 geführt werden.

2018, Januar

Im Januar fand im Haus von Dr. S. eine Hausdurchsuchung statt, bei der – so die Bonner Staatsanwaltschaft am 20.3. – „Unterlagen“ beschlagnahmt wurden. Nähere Auskünfte dazu wollte man wegen des laufenden Ermittlungsverfahrens nicht geben.

Der Vorstand des APHV, dessen Mitglied Dr. S. war, folgt dessen ‚Wunsch‘ auf Beendigung seiner Mitgliedschaft im APHV, rückwirkend zum 31.12.2017.

2018, Februar

In einem undatierten internen Schreiben der ArGe Bezirksstempelaufdrucke berichtet J. Saizowa, 2. Vorsitzender der ArGe, über den „dringenden Verdacht einer erheblichen Unterschlagung von Briefmarken“ gegen Dr. S. Bei der Hausdurchsuchung seien „große Mengen an Briefmarken sichergestellt“ worden, aber „eine Auswertung wird noch erfolgen“. Es habe aber bereits eine Zeugenvernehmung eines ArGe-Mitglieds/Prüfers gegeben, „in deren Ergebnis sich erdrückende Beweise einer strafbaren Handlung des Dr. S…. ergeben haben“. Deshalb habe der Vorstand beschlossen, die Mitgliedschaft und Funktion von Dr. S. vorerst ruhen zu lassen.

2018, März

Wohl ab 10. März tauchen erste Einlassung zum Fall Dr. S. in verschiedenen Diskussionsforen im Internet auf. Am 22. März berichtet sogar die BILD-Zeitung (Titel: „Staatsanwalt sicher – Briefmarken für Millionen geklaut!“). Inhalt und Duktus, aber auch das dabei abgebildete Foto, legen die Vermutung nahe, dass sowohl dem Bundforum wie der Bild-Zeitung Materialien zielgerichtet von dritter Seite vorgelegt wurden.

Es kursieren zahlreiche Aussagen im Internet zu dem Fall, die jeglicher Basis entbehren. Beispiele:

BUNDFORUM NG (14.3.) Dem Archiv für Philatelie wurden diese Verdachtsmomente bereits am 10. Mai 2017 mitgeteilt. Wieso der mutmaßliche Täter seinen Beutezug dennoch bis November 2017 fortsetzen konnte, wird Gegenstand der weiteren Ermittlungen sein.

Aussage AfP: – Dr. S. hat nach dem 18. April 2017 keinen Zutritt mehr gehabt. Seine Tätigkeit wurde ausgesetzt.

NG (14.3.): Nach uns vorliegenden Informationen wurde Dr. Sommerfeld nach der Zahlung einer Kaution in Höhe von 300.000,- EUR vorläufig auf freien Fuß gesetzt.

Aussage W. Maassen (WM): Nach zweimaliger Nachfrage bei der Staatsanwaltschaft Bonn (Pressestelle) am 20. und 21. März wurde jedes Mal bestätigt, dass a) das Ermittlungsverfahren noch läuft, b) dessen Ende derzeit nicht absehbar ist, c) Dr. S. weder verhaftet, d) noch eine Kautionszahlung angeordnet oder bezahlt wurde.

Bundforum – thomas (14.3.18)

Daß Dr. Sommerfeld mit den "Maasens" und "Berndts" der Szene gut befreundet ist, kann/konnte man auf jeder relevanten Veranstaltung im Rheinischen beobachten. Auch mit Dr. Hahn dem Archivleiter in Bonn ist/war Dr. Sommerfeld bestens vernetzt. Ich erinnnere da an das Symposium des Consilium Philatelicum im August 2016 in Bonn. Offensichtlich wurde dort die Strippen gezogen, die die Tat im Nachgang ermöglicht hat.

Aussage WM: Dr. S. war mir bis zu dem Symposium 2016 überhaupt nicht persönlich bekannt, von einer „Freundschaft“ kann noch weniger die Rede sein. Dass bei dem öffentlichen Symposium „Strippen“ gezogen wurden, die mit einer möglichen Tatfolge in Zusammenhang stehen, ist eine abstruse Unterstellung.

Resümee

Die Prüfer Dr. Böheim und Dr. Kalb sehen begründeten Tatverdacht eines Diebstahls resp. Unterschlagung von Originalmaterial aus Kisten des Bonner Archivs. Deshalb die Anzeige. Das im Januar 2018 bei der Hausdurchsuchung beschlagnahmte Material wurde bisher von diesen Prüfern noch nicht mit Originalmaterial aus dem Archiv abgeglichen (aufgrund deren Anzeigenerstattung dürften sie dafür auch nicht mehr in Frage kommen). Im Februar wurde bekannt, dass ein Sachverständiger berufen wurde.

Die Staatsanwaltschaft legt Wert auf die Aussage, dass das Ermittlungsverfahren noch im Gange ist, auch darauf, dass derzeit noch keine Entscheidung möglich ist, ob es überhaupt zu einer Anklage kommen wird. Allgemeine Aussage: Ermittlungsverfahren können auch eingestellt werden.

Soweit bekannt, bestreitet Dr. S. alle gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Das bei ihm aufgefundene Markenmaterial stamme alles aus von ihm erworbenen Sammlungen.

Diese Aussage scheint im diametralen Gegensatz zu den BPP-Prüfer-Aussagen zu stehen. Zu klären bleibt aber ggf., wann wer welche Teile aus bestimmten Bogen getrennt und entnommen hat. Ob diese Beweise – auch unter Berücksichtigung aller vorliegenden Indizien – geführt werden können, werden erst die weiteren Ermittlungen zeigen.

Das AfP weist verschiedene Behauptungen explizit zurück, z.B. dass Dr. S. noch nach April 2017 Zugang zum Archiv gehabt habe oder dass er durch das Archiv über die Vorwürfe der BPP-Prüfer informiert worden sei.

Insofern kommt dem abschließenden Satz der ArGe (J. Saizowa) Bedeutung zu, der da heißt: „Es gilt aber auch für uns, den Vorstand der ArGe, die Unschuldsvermutung, so lange keine Rechtsprechung erfolgt ist.“

Copyright: Wolfgang Maassen – pcp – 23. März 2018 - Die Veröffentlichung auf Philaseiten wurde genehmigt

Hinweis: Die Aufgabe des Journalisten kann nur sein, erreichbare Aussagen festzuhalten, aber Widersprüche zu klären, ist in vielen Fällen nicht möglich, außerdem die Aufgabe der Ermittlungsbehörden. Letztlich können diese erst bei einer Beweisaufnahme und ggf. in einem Prozess geklärt werden.

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Dieses Thema wird als reines Informationsthema ohne Antwortmöglichkeit geführt. Sie können uns Ihre Mails mit Fakten senden, wir entscheiden, ob die Fakten glaubhaft, nachweisbar und relevant sind.
 
Richard Am: 05.04.2018 09:27:36 Gelesen: 5618# 2 @  
Wie uns die Arbeitsgemeinschaft Bezirksstempelaufdrucke SBZ 1948 mitteilte, ruht die Mitgliedschaft von Dr. Sommerfeld seit Mitte Januar 2018.

Das Amt von Sommerfeld als 1. Vorsitzender wurde zu diesem Termin satzungsgemäss vom bisherigen 2. Vorsitzenden und Rundsendeleiter Jörg Saizowa übernommen.

Schöne Grüsse, Richard
 
Richard Am: 11.04.2018 21:25:24 Gelesen: 4788# 3 @  
Unser Mitglied Albrecht Ostermann, 1. Vorsitzender der Arge "Alliierter Kontrollrat 1946/48 e.V." hat uns heute folgende Mail geschrieben, die wir mit seiner Zustimmung veröffentlichen:


Hallo, Richard!

Ich bedanke mich, dass die Philaseiten die Dokumentation von Herrn Maassen wiedergegeben hat. Ich recherchiere regelmäßig im Archiv für meine Plattenfehler-Bücher und hatte sogar, bevor Herr Sommerfeld mit der Arbeit anfing, durch die Damen den Hinweis auf die Kisten bekommen und schon in deren Beisein eine geöffnet, um die von mir bei der Arbeiterserie festgestellten PF auch bei den Handstempel Überdruckmarken, wie auch bei Band/Netz und Maschinenaufdruck nachzuschauen.

Schon in der Kiste konnte ich sehen, dass nicht nur, wie aus der DDR-Vergangenheit berichtet zu Forschungszwecken der Hallensia (so glaube ich, war die Aussage) von den ins Museum abzuliefernden Bogen die unteren zwei Reihen eines Wertes Abgetrennt wurden. Ja, es waren eben nicht nur die zwei Bogen je Wert vorhanden, sondern zum Teil sehr vielen Bogen und Bogenteile eines Wertes, wobei die Bogenteile eigentlich für mich die typischen Merkmale vom Schalterverkauf zeigten. Auch waren auf DIN A 4 Blättern einzelne Marken aufgeklebt, wahrscheinlich, um sie besser abliefern zu können. Leider war auf dem Deckel der Kiste nur eine Liste der enthaltenen Orte, aber keine Auflistung des Inhalts enthalten. Also weiß man aufgrund der Kisten nicht, wie viele Marken jeweils in den Kisten enthalten sind. Daher wundern mich da schon einige Aussagen.

Mit besten Grüßen

Albrecht Ostermann

Arge "Alliierter Kontrollrat 1946/48 e.V."

[1] https://www.arge-alliierter-kontrollrat.de/%C3%BCber-uns/
 
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