Postkarte Wandersmann Stempel 1916

Guten Tag,

zunächst möchte ich mich als absolute Laiin outen, die lediglich einige Erbstücke hier vorstellen will, da ich diese überhaupt nicht einzuschätzen vermag. Ich fange mit dem "Wandersmann" an, wie ich ihn nenne. Zwar habe ich versucht mir ein bißchen was anzulesen, aber so ein Motiv wie dieses hab ich nirgends gefunden und schon gar nicht zum Aufklappen. Kann aber auch sein, ich habe nach den falschen Begriffen gesucht und das Motiv ist tatsächlich sehr gewöhnlich. Ich komme da jedenfalls allein nicht weiter, vielleicht ist ja jemand hier neugierig und hast Lust mitzurätseln, bzw. weiß mir sogar einige Tipps zu geben.

Wie ich es verstehe war 1916 war wohl eine Hochzeit in Sachen Postkarten-Verschicken, es gibt also viele aus dieser Zeit, ältere Karten sind daher begehrter, diese hier dürfte daher nicht soviel wert sein, sehe ich das richtig? Wenn ich auf Ebay schaue, werden Postkarten aus der Zeit für wenige Euro angeboten. Aber wie gesagt, ich habe echt keine Ahnung.

Woran ich bereits scheitere ist zu verstehen, ob eine beschriebene Karte nun grundsätzlich beliebter ist, oder ob es drauf ankommt? Diese Karte wurde innerhalb meiner Familie verschickt, leider kann ich sie nicht entziffern. Ich vermute, sie ist von meinem Urgroßvater an seinen Bruder (Rufname Phillip, Nachname Scherer), und mich irritiert dabei der Adresszusatz "Zimmer 63" - denn ich weiß der Bruder ist bereits im Ersten WK mit derselben Frau zusammengewesen, mit der er auch den Rest seines Lebens verbracht hat (die haben beide Kriege überlebt!, ich habe sie bis Anfang der Achtziger noch erlebt als Kind, bevor sie dann kurz nacheinander starben) und damals war es nicht üblich zusammen auf einem Zimmer zu leben, das war nicht gestattet. Außerdem war das mitten im Krieg, soweit ich weiß, war er zu dieser Zeit auch selbst als Soldat aktiv - also ist das evtl. eine Karte in ein Krankenhaus? Lag mein Urgroßonkel im Krankenhaus, und mein Urgroßvater, sein Bruder, hat ihm diese Karte geschickt? Mein Urgroßvater lebte in Frankfurt, darum auch die Frankfurter Motive im Rucksack - von einem noch unversehrten Frankfurt - und der Stempel ist auch von Frankfurt. Dieser Zweig meiner Familie hat immer in Frankfurt gelebt und diese Karte hat mein Opa mir vermacht, der Sohn meines Urgroßvaters.

Soweit meine Vermutungen und Info-Schnippsel, mehr kann ich leider nicht beitragen. Es lebt auch niemand mehr aus meiner Familie.

Wie findet ihr die Karte, sowohl rein "technisch" (also fachmännisch beurteilt), als auch - wie sagt man - vom Bauchgefühl her? Meint ihr die könnte einen Liebhaber finden? Ich möchte sie gern verkaufen, aber sie soll nicht auf irgendeinem Grabbeltisch von einem Flohmarkt enden oder so etwas. Naja oder vielleicht ist das am Ende das Schicksal aller alten Dinge, ich weiß es nicht, vielleicht bin ich da zu sentimental.

Und bevor ich noch andere Karten reinstelle (viele habe ich wirklich nicht), warte ich auf evtl. Kritik vom Forum hier, was ich das nächste Mal anders machen sollte. Für den Moment erst mal nur den Wandersmann:

von vorn



Rucksack offen



Rucksack ausgepackt



Detail des Rucksack-Inhalts als Beispiel



Rückseite, beschriftet


 

Hallo Wandersmann,

oder doch eher Wandersfrau (wegen der "Laiin")? Du hast eine hübsche, wirklich sammelnswerte Karte, aber mach Dir bitte über den Wert keine Illusionen - er liegt im mittleren einstelligen Eurobereich. Gelaufen ist die Karte 1916 von Frankfurt nach Haspe in Westfalen; als Feldpostkarte musste sie nicht frankiert werden. Alle weiteren Fragen beantwortet am besten der Text, den ich Dir nachstehend transkribiere:

Schütze Philipp Scherer, Vereinslazarett Haspe/Westfalen, Kath. Krankenhaus, Zimmer 63.
Frankfurt, den 12.10.1916. Lieber Philipp! Habe heute Deine liebe Karte erhalten und danke Dir bestens. Wie ich daraus ersah, geht es Dir soweit noch gut. Herzlichen Gruß - Eva. Lieber Bruder, die besten Grüße sendet Dir Dein Bruder (Sch..?). Herzlichen Gruß sendet Dir G. Schwarz(? Name auf dem Bild abgeschnitten)

Karten mit solchen Leporellobildern sind keine Raritäten, aber auch nicht an jeder Ecke zu finden. Für Deine anderen Karten: Großstädte wie Frankfurt, Hamburg, München oder Köln erzielen kaum je bessere Preise- es gab einfach zu viele davon. Als Familienbeleg aber haben sie für Dich einen ideellen Wert, der in Euro nicht zu beziffern ist! Behalte sie und freu Dich daran!

Liebe Grüße - Rolf
 

@ roteratte48 [#2]

Hallo Rolf,

ja hier spricht die Wanders"frau", richtig kombiniert, vielen Dank für die ausgiebige Hilfe! Also tatsächlich Krankenhaus, wundere mich ja daß ich da richtig lag, habe wirklich völlig blind geraten! Und daß da keine Briefmarke dabei ist wunderte mich auch schon, auch das hast du jetzt beantwortet. :-)

"Leporello", also das wäre gewesen wonach ich hätte suchen müssen, wieder was gelernt.

Eva, ja das war die Frau von meinem Urgroßvater, Eva Katharina Scherer, Rufname Käthe. Wie schön das jetzt mit Sicherheit sagen zu können, daß die beiden das tatsächlich waren. Die waren auch ewig zusammen, sie ist ganze 106 Jahre alt geworden :-) und ihren Sohn, meinen Großvater, hat sie bis zum Schluss "mein Bub" gerufen (Standarderwiderung: "Mama, ich bin 76/XX Jahre alt!" *g* ).

Also nur normaler Alltags-Inhalt, aber wenigstens weiß ich es jetzt, ich konnte nur einige wenige Wörter entziffern, dann hat mich mein Sütterlin verlassen (finde diese Art zu schreiben ja sehr schön, aber hat schon was von einer Geheimschrift, heute). ;-)

Ja, dann werd ich sie wirklich behalten, für ein paar Euro verscherbel ich die sicher nicht. Ich hab beide Paare sehr gemocht. Die haben sowas ausgestrahlt - das findet man heute irgendwie nicht mehr. Würde? Stolz? Hat mich als Kind jedenfalls sehr beeindruckt.

Die andren Karten die ich noch habe, sind unbeschriftet, das ist jeweils so ein kompletter Satz mit typischen Motiven (Stadtansichten, wie in dem Leporello-Rucksack), einmal aus Frankfurt, das andre mal aus Italien. Die werden wahrscheinlich noch weniger wert sein, na ich stelle sie dieses Wochenende mal ein.

Mal was ganz anderes, aus reiner Neugierde (evtl. geht das auch schon zu weit hier?):

Gibt es eigentlich überhaupt Karten aus der Zeit auf denen mal was andres draufsteht als "Hallo" und "Tschüss"? Allein aus Platzgründen ist das doch schwer möglich, und selbst in Briefen waren die Leute in der Zeit meist nicht ehrlich, weil zu gefährlich / zu ungeheuerlich. Aber vlt. gibt es doch auch interessante Postkarten? Interessant fände ich alles, was eben hinausgeht über den normalen Kram (den wir auch heute noch draufschreiben). Und ja, dann hätte es auch noch durch die Zensur rutschen müssen.
 

@ Wandersmann [#3]

Hallo Wandersmann,

um auch auf Dein "OT" zu antworten - oh ja, das gibt es durchaus. Und manchmal glaubt man kaum, wieviel Text unterzubringen war; sehr klein geschrieben, oder in Stenographie, oder in "Weltsprachen" (wie Esperanto oder Volapük). Ansichtskartensammler interessieren sich meist nur wenig für den Text; ihnen geht es vor allem um die Darstellung (kleine Strassen, Geschäfte, Bahnhöfe, Hotels/Restaurants etc.) und/oder die Drucktechniken (Lithographie, Lichtdruck, Echtphoto usw.). Auch bestimmte Verlage werden bevorzugt gesammelt (in Deutschland etwa Scheiner), natürlich auch Künstler (bei Lithos z.B. Eugen Felle). AKs der Wiener Werkstätten sind sehr gesucht - man könnte noch vieles mehr aufzählen.

Texte sind oft für andere Sammler interessant - etwa Texte zu Kriegsereignissen für Militariasammler, Texte zu historischen Ereignissen für Geschichts- und Heimatsammler, und natürlich Karten mit Autographen Prominenter.

Ein Tipp noch: Stelle Deinen nächsten Beitrag im generellen Forum ein, nicht unter "Verkaufsangebote" - die Chance, dass viele Mitglieder Deinen Beitrag lesen und evtl. beantworten ist dann wesentlich größer.

Weiterhin viel Freude an Deinen Karten - Rolf
 

@ roteratte48 [#4]

Gerade nochmal auf Deine Karte geschaut: Nach Eva sendet nicht der Bruder Grüße, sondern "Lieber Bruder! Die besten Grüße sendet Dir Deine Schw.(ester)" Sorry - mea culpa!

[Redaktionell am 13.09.19 vom Verkauf in das Hauptforum verschoben]