Neues Thema schreiben   Antworten     zurück Suche   Druckansicht  
Thema: Saalauktionen: Mutmassungen und Verschwörungstheorien am Auktionsmarkt
Richard Am: 10.02.2019 09:31:10 Gelesen: 1534# 1 @  
Im StampsX Forum hat Mitglied Altsax (Jürgen) einen für Einlieferer und Käufer sehr interessanten Beitrag verfasst, den wir mit seiner Erlaubnis hier wiedergeben:

Verschwörungstheorien finden nur dort einen Nährboden, wo sachlich zutreffende Informationen fehlen. Insofern besteht bei vielen Privatsammlern durchaus ein Bedürfnis an Informationen über Funktionsweise und Besonderheiten des Auktionsmarktes. Das gilt insbesondere deshalb, weil sowohl auf Einlieferer- als auch Käuferseite Profis mit Sammlern konkurrieren, die Kenntnisse und Erfahrungen sich also prinzipiell erheblich unterscheiden (können).

Dazu einige Informationen und Ratschläge:

Große Auktionshäuser sind i.d.R. nicht auf bestimmte Gebiete spezialisiert, erhalten aber durch ihren Bekanntheitsgrad sowie entsprechende "Verbindungen" bevorzugt Einlieferungen von Erben bzw. Testamentsvollstreckern, also Personen ohne spezifische Kenntnisse ihrer Einlieferungen. Das ist die sogenannte "frische Ware". Das von den Einlieferern dabei meist genannte Ziel ist die "vollständige Verwertung". Erreichbar wird das durch "attraktive" (= niedrige) Ausrufpreise und das weitgehende Belassen besserer Stücke in geschlossen angebotenen Sammlungen respektive Lots.

Derartige Auktionshäuser haben einen überdurchschnittlichen Anteil an professionellen Käufern, seien es nun Händler oder Auktionatorenkollegen. Diese Sekundäranbieter wiederum unterziehen sich der Mühe, das erworbene Material auf Basis ihrer Kenntnisse intensiver zu durchforsten und detailliert anzubieten. Dabei werden in der Regel höhere Erlöse erzielt.

In Einzelfällen werden Einzellose auch mit attraktiver Beschreibung versehen zu höheren Preisen angeboten. Das mag in der Hoffnung geschehen, daß allein die Beschreibung ausreicht, im Kopf des Interessenten einen höheren Wert zu erzeugen. Möglicherweise reicht auch die Werbewirkung besonders spektakulärer Ausrufpreise aus, ein solches Angebot zu rechtfertigen.

Beim Vergleich der Katalogbeschreibung von Einzellosen zwischen dem Erstanbieter und dem Sekundärverwerter läßt sich nicht selten feststellen, daß erstere sachlich, letztere eher "verkaufsfördernd" ausgestaltet sind.

Eine besondere Rolle im Auktionsmarkt spielen die meist kleineren, inhabergeführten Häuser, die auf bestimmte Gebiete spezialisiert sind. Sie nehmen auch kleinere Lose als Einlieferungen an und beschreiben sie mit entsprechend hoher Sachkenntnis. Dort finden sich oft Einlieferungen von spezialisierten Sammlern, ausgerufen zu marktgerechten Preisen.

Was bedeutet das für den Sammler als Käufer?

a) man reduziere die Losbeschreibung auf die in ihr enthaltene sachliche Zustandsinformation und kläre offene Punkte mit dem Anbieter vor Auktionsbeginn.

b) alle Wertungen in den Beschreibungen lasse man unbeachtet.

c) man biete nennenswerte Beträge nur auf Stücke, zu deren Seltenheit konkrete Informationen vorliegen. Es besteht beispielsweise ein großer Unterschied zwischen der Aussage "3 Stücke (dem Auktionssachbearbeiter) bekannt" und der "lt. Attest bisher 3 Stücke dem Verbandsprüfer bekannt" (sofern dieser schon länger im Amt ist).

Was bedeutet das für den Sammler als Verkäufer?

a) Stücke, die üblicherweise nach Katalognummern über Listen verkauft werden, verkaufe man direkt an entsprechende Händler. Der (Um-)Weg über Auktionen erhöht lediglich die Spesen. Dasselbe gilt für kleinpreisige (bis ca. 50 €) Spezialitäten.

b) Spezialitäten im mittelpreisigen Segment (bis ca. 200 €) sollten über auf das Gebiet spezialisierte Auktionatoren (oder ggf. Händler) vermarktet werden.

c) Das gleiche gilt für höherpreisige Stücke dann, wenn kein internationaler Markt für das Gebiet besteht. Andernfalls ist auch ein großes Auktionshaus der Kategorie "Erstverwerter" geeignet unter der Voraussetzung, daß die Beschreibung der Einzellose qualifiziert vorgenommen werden kann.

d) wer die Verwertung seiner Sammlung den Erben überlassen möchte resp. muß, sollte Vorkehrungen treffen, daß die obigen Grundsätze eingehalten werden. Dazu empfiehlt sich die Einsetzung eines sachkundigen Treuhänders.

Fazit: In der Regel wird man im Verwertungsfalle nur einen Teil des eingesetzten Kapitals erhalten. Um so wichtiger ist es, diesen Teil nicht noch durch unnötige "Zwischenstationen" zu schmälern.

Beste Grüße

Jürgen
 
olli0816 Am: 10.02.2019 09:54:19 Gelesen: 1512# 2 @  
Hallo Richard,

ich habe das Thema bei stampsx auch mitverfolgt. Die Eingangsfrage war, dass ein Auktionshaus x bei einem Auktionshaus y Positionen eingekauft hat und diese in seinem eigenen Auktionskatalog wesentlich teurer anbietet. Die Frage war, ob das rechtens ist (ist es natürlich) und wie man sich als Sammler oder Verkäufer verhält. Natürlich ist es für einen Verkäufer ärgerlich, wenn er in dem Auktionshaus y z.B. seine Sammlung für 1000 EURO anbietet, dann ein Untergebot von 800 EURO von Auktionshaus x angenommen wird und der Sammler dann nochmal 20% weniger also 640 EURO bekommt. Wenn er dann sieht, dass dieses gleiche Los von Auktionshaus x für 2000 EURO angeboten wird und vielleicht auch zu 1800 EURO oder sogar 2000 EURO zugeschlagen wird, bleibt da sicher nicht nur ein schaler Beigeschmack für den ehemaligen Besitzer der Sammlung. Die Zahlen und das Beispiel sind rein fiktiv, aber das Verhältnis war noch schlimmer von Einkauf zu Angebot.

Unter diesen Gesichtspunkten macht der Kommentar von altsax sehr viel Sinn. Leider ist es so, dass die Berufsphilatelie kein Ponyhof ist und die unbedarften Leute ganz gerne hinter die Fichte geführt werden. Zum anderen sind Preise gerade für höherwertige Sachen äußerst variabel. Nur haben natürlich Leute, die sich damit nie beschäftigen einen sehr großen Nachteil und die Chance ist hoch, dass sie übervorteilt werden. Aber auch Käufer lassen sich gerne durch schöne Beschreibungen blenden. Wenn man immer wieder Auktionskataloge durchliest, sieht man sehr viele Beschönigungsformel. Am liebsten mag ich ja die Beschreibung "ohne Belang" - wenns so wäre, warum wird es dann beschrieben? Oder „uriger Posten“ oder "aufgrund der Stempelproblematik geben wir keine Garantie" - sei dir sicher, dass vieles falsch ist usw. usf.

Ja, das Leben ist manchmal hart. :)

Grüße Oliver
 
  Antworten    zurück Suche    Druckansicht  
 
Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.