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Thema: Es gibt nichts was es nicht gibt - und sonst machen wir es eben selber...
EdgarR Am: 25.07.2020 18:51:16 Gelesen: 2299# 1 @  
Es gibt nichts was es nicht gibt - und sonst machen wir es eben selber

Dieser Tage bekam ich aus einer Auswahlsendung einen bunt frankierten Brief in die Hände:



Die Adresse machte den Brief für mich interessant: Airport Stanley, Falkland Inseln (ein brit. Übersee-Territorium im Südatlantik). Dazu passend - obwohl "eigentlich" überflüssig - 2 Ankunftstempel vom Post Office in Stanley. Dazu eine wilde Buntfrankatur von sage und schreibe 16 rumänischen Marken, alle ersichtlich viel älteren Datums als der Ankunftstempel aus Stanley.

Doch dann drehte ich den Brief um und fand



eine Absenderadresse aus Punta Arenas, Chile, Südamerika (S.A.)

Wie bitte? Ein Brief, der von der Südspitze Chiles (gleich links von Feuerland) nach Inseln im Südatlantik ging, und zwar über England (bzw. GB)? Und frankiert mit damals schon recht alten rumänischen Marken? Das lohnte doch einen genaueren Blick!

Nun muss man natürlich wissen, dass rumänische Marken aus der kommunistischen Zeit zu abermillionen gleich im Bogen gestempelt und dann gegen Devisen an Agenturen, Händler und Sammler in kapitalistischen Ländern verhökert wurden. Man erkennt diese Massenabstempelung auf einen Blick - sie erfolgte stets so, dass ein Stempelabdruck zentral in der Mitte eines Viererblocks sass, sodass jede Marke recht präzise einen Viertel-Rundstempel abbekam.

Also schauen wir uns die "rumäische" Abstempelung mal genauer an:



1) der gelb markierte Stempel links oben: der ist auf der 6-Uhr-, der 9-Uhr- und der 12-Uhr-Position unauffällig, aber die 3-Uhr-Position zeigt einen unerklärlichen Versatz (siehe Pfeile). Das vorgebliche Stempeldatum sieht aus wie 20. (oder 26.) VII., mit unleserlichem Jahr.

2) der grün markierte Stempel direkt darunter hat sowohl auf der 3-Uhr- wie auf der 6-Uhr-Position eine auffälligen Versatz. und das Datum ist zwar auch nur zum Teil lesbar und nur in der oberen Hälfte (die unterre Hälfte der Zahlen passt nicht dazu und zeigt ebenfalls einen massiven Versatz). Demnach wäre das Stempeldatum aber der 25. 01. unbekannten Jahres.

3) ganz wild wird es bei dem violett eingekreisen, um 90 Grad gegen die Waagrechte gedrehte Stempel rechts oben: Das Datum, soweit lesbar, wäre demnach ein 10.10.9_ - also nicht Tage, sondern (mindestens!) Monate entfernt von den ersten beiden Stempeldaten. Nur nebenbei: Der gelb markierte und der violett markierte Stempel haben zwar unterschiedliche Monatsziffern, aber beide in arabischen Zahlen; der grün markierte noch einen anderen Monat, aber dafür in römischen Ziffern! Und um das Maß voll zu machen ist das Viertelsegment links unten (also von 6-Uhr-Position bis zur 9-Uhr-Position) dort völlig falsch am Platze, was der rot umkringelte Zierstern deutlich macht.

Fazit: Wer auch immer der fleissige Heimwerker war, wo er seine Werkstatt hatte und wen er betrügen wollte - die Post der Falkland Inseln oder "nur" ahnungslose Sammler - das mag dahingestellt bleiben. Das Fabrikat erhält jedenfalls eine prominenten Platz in meiner Kuriositätensammlung - mit entsprechender Würdigung!

Schmunzelnde Grüße EdgarR
 
drmoeller_neuss Am: 25.07.2020 19:20:23 Gelesen: 2274# 2 @  
Wie bereits EdgarR vermutet hatte, haben die rumänischen Marken nichts auf dem Brief verloren. Diese Marken wurden mit aufgedrucktem Stempel gleich massenweise gegen Devisen an Sammler im Westen geliefert.

Fraglich ist, wo der Brief wirklich aufgegeben wurde, schliesslich ist kein Stempel aus Chile auf der Sendung. "Via England" ist erst einmal nicht zu beanstanden, aus verständlichen Gründen gab es keine direkte Flugverbindung von Argentinien auf die Falkland-Inseln (Stichwort: Falkland-Krieg). Post musste über das Mutterland in Europa transportiert werden.

Oben rechts ist ein Tax-Vermerk, auch hier ist nicht klar, welche Postverwaltung den angebracht hat. Möglicherweise wurde der Brief auch auf den Falkland-Inseln eingeworfen, und der Absender in Chile ist nur erfunden. Die Angabe "via England" wurde mit einem anderen Schreibgerät angebracht, möglicherweise auch nachträglich, um aus diesem Ortsbrief einen internationalen Brief zu machen.
 
rosteins69 Am: 26.07.2020 06:00:02 Gelesen: 2180# 3 @  
Magst Du mal die oberen Marken anlösen? Das sieht doch irgendwie so aus, als wäre ein alter Adressaufkleber drunter - womöglich von der DPAG?
 
Michael Mallien Am: 26.07.2020 08:31:59 Gelesen: 2139# 4 @  
@ EdgarR [#1]

Hallo Edgar,

in einem Posten fand ich einmal eine ganze Reihe dieser "philatelistischen Experimente" mit rumänischen Marken. Einen davon habe ich in diesem Thema [1] vorgestellt und diskutiert.

Interessant ist, wie der Erzeuger dieser Werke es auf unterschiedliche Weise schaffte, die Belege um die Welt befördern zu lassen. Dazu dienten z.B. mehrere Adressen, Fantasie-Absender, Überklebungen und Vermerke. Am Ende musste allerdings eine Möglichkeit bestanden haben, über die er die Belege zurück bekommen konnte, denn sonst hätte er ja nicht viel von ihnen gehabt.

Die Belege geben uns Sammlern vermeintliche Rätsel auf, sind aber letztendlich eine Spielerei, die dennoch Spaß macht.

Philatelistisch betrachtet sind sie interessant durch die Dokumentation von Postrouten, Prozessen, postalische Vermerke und Stempel.

Viele Grüße
Michael

[1] https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ME=163040#M3
 
EdgarR Am: 26.07.2020 10:19:38 Gelesen: 2103# 5 @  
@ rosteins69 [#3]

Du hast recht, da ist ein Adressaufkleber bzw. wohl nur noch ein Rest eines solchen mit "Postvertriebstück DPAG" drunter. Aber der Heimwerker hat für seine rumänischen Marken einen Kleber verwandt der sehr viel hartnäckiger klebt als alles was zu Ceaușescus Zeiten in Rumänien zu kriegen war.

Das wäre möglicherweise ein Hinweis auf einen deutschen Bastler - na ja, wir sind ja angeblich auch die Weltzentrale des Do-it-yourself!
 
EdgarR Am: 26.07.2020 10:26:58 Gelesen: 2091# 6 @  
@ Michael Mallien [#4]

Hallo Michael!

Ja, das passt!

Dann war unser Heimwerker also mindestens von 2003 (mein "Kunstwerk") bis 2006 (Dein "Kunstwerk") aktiv. Was er da wohl alles produziert haben mag?

Phile Grüße Edgar
 
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