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Thema: Postzeitungsvertrieb (PVZ) in der DDR
Totalo-Flauti Am: 21.03.2021 21:11:13 Gelesen: 2991# 1 @  
Liebe Sammlerfreunde,

durch Zufall fiel mir der folgende Beleg in die Hände und damit in meine Sammlung. Es handelt sich um eine Postsache vom 27.04.1960 des Leipziger Verlagspostamtes Leipzig C 10 an den Postzeitungsvertrieb des Postamtes Leipzig C 1. Dabei wird dem Postamt C 1 mitgeteilt, das die Firma Polterer & Lautenbach in Leipzig monatlich eine Ausgabe der Zeitung/Zeitschrift "Die private Wirtschaft" ab dem 01.05.1960 erhalten soll. "Die private Wirtschaft" war ein Organ der Industrie- und Handelskammern der Bezirke der DDR. Als Verlagsort wurde Leipzig angegeben.

Gem. § 2 Abs.1 Nr.3 in Verbindung mit § 3 Abs.2 Nr.3 Gesetz über das Post- und Fernmeldewesen vom 3. April 1959 war die Post für die Beförderung und den Vertrieb fortlaufender Presseerscheinungen zuständig. Die Post der DDR stand somit in einer Monopolstellung in diesem Bereich. Nach § 68 des Gesetzes wurde Näheres in der Anordnung über den Postzeitungsvertrieb - Postzeitungsvertrieb - (PZV) ebenfalls vom 3. April 1959 geregelt. Das Verlagspostamt war die Schnittstelle zwischen den Verlagen und dem PZV-Postämtern und umgekehrt. Im Verlagspostamt wurden die entsprechenden Vereinbarungen mit den Verlagen geschlossen und die entsprechenden Abrechnungen vorgenommen. Der Verlag stellte einen Antrag auf Zustellung des Presseerzeugnisses. Bei Zulassung kam die Zeitung/Zeitschrift auf eine Postzeitungsliste und wurde dann auch erst zugestellt. Selbst die Werbung für die Presseerzeugnisse erfolgte durch die Post. Hier heißt es in der Anordnung § 12 Abs.1 "Die Werbung für Presseerzeugnisse ist eine gesamtpolitische Aufgabe der Post." Die Post übernahm nicht nur die Zustellung an die Abonnenten sondern auch zu einem überwiegenden Teil den Einzelverkauf in eigenen Kiosken oder Verkaufsstellen. Durch die Post wurden aber auch kleine Teile der Auflagen an Vertragshändler und Buchhandlungen zum Verkauf weitergeleitet.

Ich weiß noch, wie meine Mutter monatlich das Comic "MOSAIK" am Zeitungskiosk kaufte. Wie groß war da die Freude, als endlich durch ein Abonnement die Angst eine Ausgabe wegen Ausverkauf am Kiosk zu verpassen, nicht mehr notwendig war.
Auf der Rückseite konnte das PVZ-Postamt dem Verlagspostamt die "Unanbringlichkeit" der Zustellung des Presseerzeugnisses melden.

Bei Interesse kann ich auch die gesamte Postvertriebsordnung zeigen.

Mit lieben Sammlergrüßen

Totalo-Flauti.




 
Altmerker Am: 21.03.2021 22:04:30 Gelesen: 2975# 2 @  
Es gab eine so genannte Postzeitungsliste, auf der die Presseerzeugnisse verzeichnet waren, die aktuell verkauft und vertrieben wurden. Ein Streichen von der Liste kam wie im Fall „Sputnik“ 1988 einem Verbot des Titels in der DDR gleich. Nach Maßgabe der Postzeitungsliste konnten DDR-Bürger Presseerzeugnisse beim Postzeitungsvertrieb abonnieren. Der prüfte, ob die zugeteilte Auflage der Zeitung oder Zeitschrift eine Belieferung ermöglicht oder ob „die zur Verfügung stehende Auflage ausgeschöpft ist“. Das wurde auf dem postamtlichen Bestellzettel per postalischen Nebenstempel kundgetan. (Abb.).



Diese Publikationen waren mit einem Sperrzeichen belegt und konnten somit erst wieder bestellt werden, wenn ein Bezieher starb und sein Abonnement nicht weitervererbte oder es zu einer der seltenen Auflagenerhöhung kam. Somit musste der Bürger versuchen, seinen Zeitungs- und Zeitschriftentitel im Freiverkauf  am Kiosk zu erstehen oder erhandeln. Zu den immer wieder gern erzählten und durchaus möglichen Legenden zählt der Kauf einer als ewiger Ladenhüter geltenden Sowjetzeitung, in die eine als Bückware geltende Zeitschrift eingelegt wurde.

Zu den mit Sperrzeichen versehenen Publikationen gehörte in den letzten DDR-Jahren nicht nur der vor der Perestroika-Ära eher verpönte Sowjetpropagandatitel „Sputnik“, der als hochwertiges wie für DDR-Verhältnisse hochpreisiges Digest erschien.

Gruß
Uwe
 
Altmerker Am: 20.06.2021 16:33:36 Gelesen: 2709# 3 @  
Hallo,

so recht viel Resonanz hat das Thema ja nicht. Die Postzeitungsvertriebsordnung umriss den Umfang des Vertriebs von Presseerzeugnissen durch die Deutsche Post als „alle Tätigkeiten von der Übernahme der Presseerzeugnisse bis zur Aushändigung an den Bezieher.“ Der PZV organisierte die Werbung für die Presseerzeugnisse, zog aber mit der Zeitungsrechnung auch die Rundfunkgebühren in der DDR ein. Als ein „Werbemedium“ wurden immer wieder die eigenen Postwertzeichenheftchen genutzt.

Die Zahlenangaben über das posteigene Händlernetz variieren. Über 6.000 Kioske, Läden und Postschalter sowie über 8.000 Standorte im staatlichen und genossenschaftlichen Handel sowie 900 private und staatliche Buchhandlungen sollen über den PZV beliefert worden sein. Das zentralistisch organisierte und politisch motivierte Pressevertriebssystem in der DDR und seine Organisations- und Vertriebsstrukturen bedürfen in seinen Facetten jedoch noch einer weiteren Aufarbeitung. Klar ist, dass parallel zum PZV kleinere Vertriebsschienen innerhalb der bewaffneten Organe und von Organisationen existierten. Dazu kommt der Direktvertrieb von Betriebszeitungen in Verantwortung der SED-Betriebsparteiorganisationen, die ja als deren Herausgeber fungierten.

Gruß
Uwe


 
Altmerker Am: 21.08.2021 15:57:22 Gelesen: 2537# 4 @  


Hallo,

etwas Wissen will ich zum Thema noch versprühen:

Die Deutsche Post als staatliche Institution hatte das staatliche Monopol für die Beförderung und den Vertrieb von allen fortlaufend erscheinenden Presseerzeugnissen des In- und Auslandes, einschließlich des Freiverkaufs. Somit kaufte die Deutsche Post Verlagsprodukte auf und verkaufte sie dann an ihre Kunden. Damit agierte die Post sowohl als Groß- als auch als Einzelhändler. Erstere Funktion nahm sie bis 1991  über das Zeitungsvertriebsamt Berlin 1004 in der Straße der Pariser Kommune mit Außenstelle in Leipzig wahr. (Abb. zeigt eine Außendienststelle).

Zum 30. Jahrestag der DDR und des PZV bezifferte man die Zahl der Postdienststellen des PZV vor Ort, die den direkten Kundenkontakt hatten und den Einzelhandel mit Presseprodukten abwickelten, auf knapp 250.
Gruß
Uwe
 
Christoph 1 Am: 11.12.2023 14:29:45 Gelesen: 290# 5 @  
@ Altmerker [#3]

Hallo Uwe und alle Interessierten,

ich habe in den vergangenen Wochen zahlreiche Gelegenheitsstempel ("Werbestempel") des Postzeitungsvertriebs der DDR in unsere Stempeldatenbank eingestellt. Es sind zwei verschiedene Motive:



Diese zwei Motive gibt es in der Datenbank [1] aus Cottbus, Dresden, Erfurt, Frankfurt, Gera, Halle, Karl-Marx-Stadt, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Potsdam, Rostock, Schwerin und Suhl. Also eigentlich aus allen Bezirkshauptstädten. Bei wenigen Städten fehlt noch eines der beiden Motive, da muss ich noch nachlegen.

Viele Grüße
Christoph

[1] https://philastempel.de/stempel/suchen/ablage/1438
 
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