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Thema: Kostenfalle durch folgenreiche Änderung im Postverkehr mit Nicht-EU-Staaten
22028 Am: 24.06.2021 16:06:33 Gelesen: 2748# 1 @  
Ab dem 01.07.2021 entfällt die bisherige Freigrenze von 22 Euro für die Einfuhr von Waren und das gilt auch für Briefmarken.

Der Staat braucht Geld und die Post hilft bereitwillig, indem sie “vom Empfänger kassiert“ (Zitat aus der DHL Pressemeldung!) und dabei für sich dann auch noch gleich eine “Servicepauschale“ einbehält. Also Vorsicht vor “bösartiger Überraschung“ (wiederum Original-Zitat DHL Pressemitteilung)

Prinzipiell ist das ja das Lex Amazon was gut ist, aber insbesondere die Servicepauschale ist eine Lizenz zum Gelddrucken für DHL. Abzocke ist es besser ausgedrückt.

https://www.dpdhl.com/content/dam/dpdhl/de/media-relations/press-releases/2021/pm-wegfall-zollgrenze-20210602.pdf
 
alemannia Am: 24.06.2021 16:37:42 Gelesen: 2727# 2 @  
@ 22028 [#1]

Hallo zusammen,

die Aufhebung der 22-Euro-Grenze ist das eigentlich Neue.

die Servicepauschale ist eine Lizenz zum Gelddrucken für DHL. Abzocke ist es besser ausgedrückt.

DHL zieht faktisch im Auftrage Abgaben ein und berechnet dafür eine Pauschale in Höhe von 6,00 €. Was ist daran Abzocke?

Was ist die Alternative? Zum Zollamt fahren, Artikel abholen und 1,00 € Einfuhrumsatzsteuer erklären und zahlen?

fragt sich

Guntram
 
drmoeller_neuss Am: 24.06.2021 16:39:34 Gelesen: 2724# 3 @  
Für den Staat ist das wahrscheinlich unterm Strich sogar ein Verlustgeschäft. Ich gehe davon aus, dass auch DHL daran nichts verdient, der Aufwand ist der gleiche wie für eine Nachnahme.

Diese Freigrenze hatte leider in der Vergangenheit zu einer Wettbewerbsverzerrung zugunsten Nicht-EU ansässiger Händler geführt.

Bislang hatten die Versender aus China, die mit einem Warenwert von bis etwa 100 EUR ganz legal "unter Radar" geflogen sind, einen Wettbewerbsvorteil in der Höhe der eingesparten Mehrwertsteuer gegenüber dem Handel in der EU, für den es keine Freigrenzen gab.

Und dann gab es noch die Hallodries, die gar keinen Warenwert oder ein viel zu niedrigen Warenwert angegeben haben oder auf die Rechnung verzichtet haben, und "Geschenk" angekreuzt haben.
 
drmoeller_neuss Am: 25.06.2021 17:10:55 Gelesen: 2572# 4 @  
In der aktuellen "Wirtschaftswoche" (Ausgabe 26 vom 25. Juni 2021) steht zu diesem Thema:

Der Zoll rechnet mit über jährlich über 100 Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen für Waren unter 22 Euro. Nötig seien dafür 1400 zusätzliche Beamte, fordert Thomas Liebel von der Fachgewerkschaft BDZ.

Zur einfachen Abschätzung der Kosten gehe ich im Durchschnitt von Beamten des Mittleren Dienstes aus, die auf Vollkostenrechnung mit etwa 110.000 EUR pro Vollzeitstelle zu Buche schlagen. [1]

Dann stehen den 100 Millionen zusätzlichen Zollgebühren Kosten für die Allgemeinheit in Höhe von 154 Millionen gegenüber. Für den Staat ist das ein eindeutiges Verlustgeschäft, für die Erhebung von einem Euro müssen 1,54 EUR aufgebracht werden.

[1] 1. Personal- und Sachkosten in der Bundesverwaltung für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen und Kostenberechnungen 2. Kalkulationszinssätze für Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen des BMF
https://www.bundesfinanzministerium.de/Content/DE/Standardartikel/Themen/Oeffentliche_Finanzen/Bundeshaushalt/personalkostensaetze-2019-anl.pdf?__blob=publicationFile&v=4
 
Fridolino Am: 26.06.2021 11:55:52 Gelesen: 2464# 5 @  
@ drmoeller_neuss [#4]

Denkfehler: "100 Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen" dürfte wohl weit mehr als 100 Millionen € zusätzliche Einnhamen bedeuten.
 
DL8AAM Am: 26.06.2021 15:19:00 Gelesen: 2421# 6 @  
@ Fridolino [#5]

100 Millionen zusätzlichen Zollanmeldungen für Waren unter 22 Euro

Also gehen wir mal von 100 Millionen Anmeldungen für Waren zu 22 Euro aus, dann kommen maximal etwa 4 € pro Anmeldevorgang (bei 19% Einfuhrumsatzsteuer) rum, d.h. 400 Millionen Einnahmen. Aber der allergrößte Teil der Sendungen dürfte weit unter der 22 € Grenze liegen. Meine Waren, die ich über Ebay "importiere" (das ist übrigens kein Lex Amazon, da kommen die Waren zu fast 100% aus "Warenhäusern" in Europa, das ist eher ein Lex Ebay), stammt aus China und liegt im (Ebay-) Wert von "genau 1 €" bzw. zwischen 5-10 €, d.h. die einzogenen Beträge dürften im Bereich von 1-2 € liegen (unter 1 € wird weiterhin nichts fällig). Vermutlich dürften die Einnahmen also im Bereich von 100 bis 150 Millionen liegen. BTW, bei vielen Waren geben die Chinesen in der CN22 sowieso grundsätzlich einen geringeren Betrag an, als bei Ebay bezahlt, selbst 5$-Importe werden häufig nur mit $ 1 ausgewiesen (eine sehr beliebte Zahl ist übrigens "92 Eurocent", warum? Ist 1$ etwa der Standardwert in deren Software?). Und ob der Post-Zoll diese überhaupt inhaltlich kontrolliert bzw. von der Masse her kontrollieren kann, wage ich doch sehr zu bezweifeln.

Im günstigsten Fall dürfte das ganze maximal kostenneutral ausgehen, wobei es sicherlich hier ja auch nicht um die "Steuer als Steuer" geht. Das ist eine Art von Lenkungs- bzw. Umerziehungssteuer. Es ist eine Aktion gegen chinesische eCommerce-Billigexporte. Trump hat das politisch laut polternd, publikumswirksam, als direkte Kampfansage an China gemacht (siehe auch die Drohung mit dem UPU-Austritt), die Europäer greifen hier - mit der gleichen Zielrichtung - lieber den heimischen Kunden an. Trump ging den Verursacher an, wir nun den Abnehmer. Im Prinzip geht es in beiden Fällen einfach nur drum, eben diesen chinesischen Billig-eCommerce-Export zu behindern, wenn nicht zu unterbinden. Also ist es nicht einmal ein Lex Ebay, sondern ein Lex China ;-) Das da "Steuergerechtigkeit" als Schlagwort vorgeschoben wird, ist sicherlich nur dem Fakt geschuldet, dass man eben China nicht direkt öffentlich "angreifen" wollte. Der Rest, der nicht aus China stammt, aber ebenfalls getroffen wird, ist nur ein Kollateralschaden. Hinzukommt, dass bei "normalen" Auslandswarenpost-Versand inwischen die Versandkosten den "22 € Warenwert" meist, zum Teil erheblich, übersteigen [außer vielleicht bei "flachen Briefmarken"] und für die meisten hiesigen Kunden eher ein unbedeutender Nischensektor (für seltene Spezialfälle) darstellt. Das Hauptproblem war, das vom chinesischen Staat subventinierte Porto und der chinesiche Entwicklungsländer-Status bei der UPU (=fast kostenfreier Postaustausch mit dem Ausland), so dass die Versandkosten im Endeffekt kaum mehr eine Relevenz hatten. "Wir" haben den chinesischen Billigkonkurrenz-Import dadurch zusätzlich subventioniert.

Was hat "man" denn nicht alles für "1$ inklusive Versand" in China gekauft, was bei uns im Laden 15€ kosten würde. Das da was unrund lief, war wohl jeden klar.

Das ist jetzt die "Rache". ;-)

Beste Grüße
Thomas
 
drmoeller_neuss Am: 26.06.2021 17:58:03 Gelesen: 2377# 7 @  
Erst einmal möchte ich mich für meine unklare Formulierung entschuldigen. Ich bin in der Vereinfachung von einem durchschnittlichen Warenwert von fünf EUR ausgegangen, auf den die Einfuhrumsatzsteuer in Höhe von etwa einem Euro ab dem 1. Juli 2020 erhoben wird.

Es gibt nicht ohne Grund einen Passus, dass von einer Steuererhebung unter 50 EUR bei der Einkommens- und Erbschaftssteuer abgesehen werden soll. Es lohnt sich einfach für den Staat nicht.

Ansonsten wäre ich mit den Begriffen "Kampfansage" und "Rache" sehr vorsichtig. Fast jeder zweite Neuwagen aus Deutschland wird nach China verkauft. Vor allem Volkswagen ist vom Chinageschäft abhängig.

2020 exportierten die deutschen Autokonzerne Volkswagen, Daimler und die BMW-Gruppe demnach 5,4 Millionen Fahrzeuge nach China. Das waren 38,2 Prozent der insgesamt weltweit abgesetzten 14,16 Millionen Neufahrzeuge. [1]

Auch Donald Trumps Handelssanktionen wurden bei seinen eigenen Wählern im mittleren Westen zwiespältig aufgenommen, als China amerikanischen Soja mit Strafzöllen belegt hatte.

[1] https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/automobil-industrie-chinesischer-exportanteil-deutscher-autobauer-steigt-auf-rekordhoehe/26845224.html?ticket=ST-2144332-tafg9TgRZLTlQHbYgjsW-ap1
 
DL8AAM Am: 27.06.2021 00:22:46 Gelesen: 2316# 8 @  
@ drmoeller_neuss [#7]

Das geht zwar am Thema vorbei, aber die Wagen, die Volkswagen in China verkauft, werden haupthaupthauptsächlich in einer ihrer inzwischen 33 chin. Werke in China selbst produziert. Wenn Du durch China fährst und Du siehst Fahrzeuge mit dem VW-Logo "im Gesicht", sind das fast nur Typen, die Du in der EU niemals zu Gesicht bekommst. Früher fand ich das sogar mal "witzig", meinen Kumpels daheim Fotos von "komischen" VW-Autos zu mailen. Irgendwann war mir das zu "langweilig". Die meisten VW-Fahrzeuge kommen inzwischen sowieso aus Werken in China. Aber das hat mit dem "eCommerce-Postkrieg", zu dem auch die aktuelle "Freigrenzenreduktion" gehört, wirklich nichts mehr zu tun.

Beste Grüße
Thomas
 
10Parale Am: 29.06.2021 20:44:47 Gelesen: 2208# 9 @  
@ 22028 [#1]

ich habe mir den Text der DHL im Link einmal durchgelesen und dennoch habe ich eine Frage zum Ablauf.

Wenn ich bei einem Händler in der USA eine Briefmarke für 21,-- Euro Warenwert kaufe (ohne Versandkosten), was passiert dann in Deutschland? Die Deutsche Post braucht zunächst mal das Wissen, wie hoch der Warenwert ist, das müsste der Händler in den USA korrekt angeben. Muss ich die Ware dann bei der Postfiliale meines Herzens abholen, zahle ich als Kunde auf die 21,-- Euro die Einfuhrumsatzsteuer (19% = 3,99 € = 24,99 €) und den Zoll und dann noch 6,-- Euro Pauschale = 30,99 € an die DHL für die Erledigung der Zollabwicklung?

Dieses Outsourcing der Zollabwicklung kann man positiv oder negativ finden, aber es erspart tatsächlich den Weg zur Zollbehörde, die von meinem Standort ca. 10 Kilometer entfernt ist.

Liebe Grüße

10Parale
 
22028 Am: 29.06.2021 21:02:14 Gelesen: 2193# 10 @  
@ 10Parale [#9]

Den Weg sparst Du, das ist korrekt.

Falls der Briefträger wie derzeit üblich nicht direkt kassieren darf, musst Du aber auch noch den Weg zur Post berücksichtigen. Bei mir im Ort ist keine Poststelle mehr.

Aber die Gebühren sind auf den Bruttowert, incl. Porto fällig und bei Briefmarken / Briefen ist meines Wissens nach der verringerte Steuersatz von 7 % (noch) tragend.
 
Seku Am: 13.11.2021 20:34:49 Gelesen: 1846# 11 @  
Kürzlich erhielt ich aus Großbritannien ein Buch als Geschenk. Der Zoll steckte die Nase rein, sah den Preisaufdruck auf dem Buch und schon waren Gebühren fällig. Der Absender hätte die Sendung als Geschenk ausweisen müssen. Zur Anfrage bei der Post, warum ich jetzt 6.00 € Bearbeitungsgebühr zu zahlen habe ergab folgende Antwort (auszugsweise):

"um die Zusteller:innen und unsere Kunden:innen maximal vor einer Infektion zu schützen, haben wir zu Beginn der Pandemie entschieden, für folgende Sendungen keinen persönlichen Zustellversuch zu unternehmen, sondern direkt den Benachrichtigungsprozess anzustoßen. In den Filiale bestehen für die Mitarbeiter und Kunden bessere Schutzmöglichkeiten und es gibt häufig die Möglichkeit des bargeldlosen Bezahlens.

Die betrifft:

Pakete und Briefe mit Nachnahme
Pakete und Briefe mit Entgelten und Zollbeträgen
Pakete mit Ident-Check
Zahlungsanweisungen

Dieses Prozedere wird bis auf weiteres so fortgesetzt."

Warum lässt man dem Kunden nicht die Wahl zum Zollhaus oder zur Filiale zu gehen ?

Gruß

Günther

P.S. Heute erhielt ich Briefmarken aus der Schweiz. Gleiches Dilemma.
 
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