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Thema: Ghettopost Warschau
PhilaFreude Am: 31.10.2021 20:27:28 Gelesen: 1892# 1 @  
@ hajo22

Hallo miteinander,

nachdem ich lange Jahre diese Seite vor mich hin gelesen habe, wollte ich nun als ersten Beitrag und aus reiner Freude am Teilen eine Ganzsache P 11 zeigen. Da mein Schwerpunkt eigentlich ein wenig anders gelagert ist, habe ich mir die Informationen zu dieser Karte ein wenig mühsam erbasteln müssen und glaube, dass mir das folgende bekannt ist:

Portogerecht aus dem Ghetto in Warschau in das im April 1941 noch in der Sowjetunion gelegene Brest versendet, scheint die am 25.4.1941 abgeschlagene Postkarte zunächst nicht nach Brest (auf der Karte "Brzese Lit.") sondern (zwecks Zensur?) zum OKW nach Berlin ("b" ?) geschickt worden zu sein. Die Karte lief über den Judenrat des Warschauer Ghettos (Danke hajo22!). Die Karte scheint dann eine Weile in Berlin verblieben zu sein, wurde aber letztlich doch auf den Weg gebracht und muss vermutlich am 21. oder 22.06.1941 Brest erreicht haben - war also kurzzeitig tatsächlich in der Sowjetunion. Noch vor der Zustellung begann dann jedoch der Überfall auf die Sowjetunion, so dass die Karte von der Front überrollt wurde.

Der Leutnant "Helmut", von dem mir mehrere Feldpostbriefe bekannt sind, erreichte im Zuge der Kämpfe um die Festung am 24.6.1941 Brest, wo er in einem Postamt Quartier bezog und dort offenbar aus nicht bekannten Motiven diese Karte fand und mitnahm. Bereits am 27.6.1941 verließ er Brest wieder und behielt die Karte dann bis zum Oktober 1941 bei sich, bevor er sie mit einem Feldpostbrief an seine Mutter schickte, die die Karte in ihre Sammlung aufnahm und den handschriftlichen Herkunftshinweis ergänzte.

Meine Fragen wäre nun eher allgemeiner Art: ist diese aus Feldpostnotizen und den Stempeln rekonstruierte Geschichte plausibel oder habe ich etwas übersehen? Steht der Buchstabe "b" im Stempel des Oberkommandos der Wehrmacht tatsächlich für Berlin? Da ich kein Polnisch kann, kann ich zum Inhalt leider nichts sagen.



Ich freue mich sehr auf die Antworten und noch viel mehr natürlich auf alles, was ich hier so entdecken und erkunden werde.

Grüße mit PhilaFreude
 
Jürgen Zalaszewski Am: 01.11.2021 23:40:14 Gelesen: 1735# 2 @  
Hallo PhilaFreude,

da zeigst Du mal eine richtige Bedarfs-Postkarte. Diese Karte wurde von einem Bewohner des Ghettos über den Judenrat der normalen Post übergeben. Auslandspost wurde je nach Destination der dafür vorgesehenen Auslandsbrief-Prüfstelle zugeführt. Obwohl für die Baltischen Staaten und der UdSSR die Auslandsbrief-Prüfstelle Königsberg zuständig war, lief diese Karte über Berlin. Die Prüfstelle in Berlin trug den UB b im Stempelbild. Nach dem Katalog von Riemer "DIE ÜBERWACHUNG DES AUSLANDSBRIEFVERKEHRS WÄHREND DES II WELTKRIEGES DURCH DEUTSCH DIENSTSTELLEN", Poststempelgilde Düsseldorf 1979, dürfte es sich um den Handprüfstempel B-4 handeln. Wie dann diese Postkarte in den Besitz des Leutnants "Helmut" gelangte, ist reine Spekulation, außer man kann diese Geschichte so aus den begleiteten Feldpostbriefen des Leutnants herauslesen. Auf der Karte ist handschriftlich vermerkt "...im Osten aufgegabelt.", dass lässt einiges an Interpretationen zu.

Dass diese Karte den Krieg mitgemacht hat, sieht man ihr an, aber aufgrund der Verwendung des seltenen Stempels "Judenrat Warschau" und auch des Handprüfstempels von Berlin ist sie auf jeden Fall sammelwürdig.

Viele Grüße
Jürgen
 
PhilaFreude Am: 02.11.2021 07:58:56 Gelesen: 1653# 3 @  
Hallo Jürgen,

ganz herzlichen Dank für Deine Antwort! Und da Du fragst, ergänze ich zu dem Leutnant Helmut gerne, was ich aus dem kleinen Stapel Feldpostbriefe weiß, den ich von ihm gefunden habe:

Aus Kiel kommend, war er bereits ab 1939 an verschiedenen Fronten - vorwiegend im Osten - im Feld. Im Kontext der "Ghettopost" habe ich einen Feldpostbrief von Oktober 1941 gefunden, in dem er von seinem Quartier in einem Postamt im heutigen Brest berichtet und der kurzen Zeit im Ort, ohne hier auf die Karte weiter einzugehen. Einem Feldpostbrief von Dezember 1941 war die Karte dann gefaltet beigelegt, mit dem kurzen Hinweis, sie im Osten aufgegabelt zu haben. Ich schließe hieraus, dass er sie im genannten Postamt aufgegabelt hat, ohne das aber letztlich wirklich belegen zu können. Im Sommer 1944 wurde er verwundet, nach auskurierter Blutvergiftung wieder aus dem Lazarett entlassen und war weiter im Einsatz, bis er bei Korbach in Kriegsgefangenschaft geriet. Aus dem Lager schrieb er gelegentlich Karten und wurde hieraus am 6.12.1945 entlassen. Danach verliert sich die Spur.

Nochmals ganz herzliche Grüße,
mit PhilaFreude

[Beiträge [#1] bis [#3] in Übereinstimmung mit dem Autor PhilaFreude ausgegliedert aus dem Thema "Generalgouvernement: Bedarfsbelege" / Übersetzung (zumindest sinngemäss, der Karte aus Beitrag [#1] ist gerne gesehen]
 
hajo22 Am: 02.11.2021 19:50:54 Gelesen: 1578# 4 @  
(Judenrat / Warschau) Auf Ganzsache zu 30 Gr. nach New York vom 17.6.1941 mit Durchlaufzensur. Bedarfsganzsache.



hajo22
 
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