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Thema: Mandschurei: Brief via Sibirien
Das Thema hat 34 Beiträge:
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Harald Zierock Am: 09.08.2009 17:56:29 Gelesen: 48454# 1 @  
Hallo,

wer hat Ahnung und Belege, deren Wert, usw. über Post via Sibirien?

Ich habe hier einen Beleg aus der Mandschurei.

Leider wurden auf dem Beleg Notizen gemacht, aber ich traue mich nicht diese zu entfernen, aus Angst, den Beleg noch mehr zu beschädigen.

Ich selbst habe schon klasse Belege aus diesem Gebiet gesehen.

Schönen Abend,

Harald


 
Jürgen Witkowski Am: 09.08.2009 20:25:50 Gelesen: 48429# 2 @  
@ Harald Zierock [#1]

Zu diesem Thema schmort bei mir auch schon seit geraumer Zeit ein Beleg bei den ungeklärten Fällen. Vielleicht kommen wir ja gemeinsam zu einer Klärung der offenen Fragen.

Es handelt sich um eine Drucksache, deren Absender die Catholic Mission Yenki, Povince Kirin, China war. Der Brief war wohl ein Spendenaufruf an eine Lehrerin in Essen.

Die Frankatur besteht aus einer Marke zu 5 Cts. Sie stammt aus den Provinzausgaben Mandschurei, MiNr. 7, Ausgabedatum war der 18. März 1927. Der Tagesstempel hat das Datum 23.4.32. Zu dieser Zeit war die Mandschurei bereits von den Japanern besetzt und als Republik Mandschukuo neu gegründet.

Neben einem zweizeiligen chinesischen Stempel, dessen Bedeutung mir unklar ist, befindet sich ein englischsprachiger Stempel "Printed Matter" (Drucksache). Neben der Marke sind noch die beiden Stempel Germany und besagter Stempel "Via Sibiria" abgeschlagen.

Auf der Rückseite befindet sich lediglich die Absenderangabe.

Zwei Links zum Thema, die nichts mit dem Thema "Via Sibirien" zu tun haben, jedoch für das Verständnis des Beleges vielleicht von Interesse sind:

Provinz Kirin: http://de.wikipedia.org/wiki/Jilin

Diözese Yenki: http://www.fides.org/aree/news/newsdet.php?idnews=23961&lan=deu

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen


 
reichswolf Am: 09.08.2009 22:06:24 Gelesen: 48414# 3 @  
@ Concordia CA [#2]

Leider kann ich wenig gesichertes zum Thema beitragen, lediglich, daß der Leitweg über Sibirien für Post aus Ost- und Südostasien, aber auch z.B. der deutschen Kolonien im Pazifik spätestens mit Eröffnung der Transsibirischen Eisenbahn ein ganz normaler war.

Mir sind schon einige Belege mit dem gestempelten, getippten oder handschriftlichen Vermerk Via Sibirien / Siberia begegnet, die frühesten etwa ab 1890 und die letzten etwa zur Zeit des Zweiten Weltkrieges. Die Stempel sollten privaten Ursprunges sein.

Alternativ gab es wohl Leitwege über Japan und die USA sowie über Shanghai, Hong Kong, Indien und Suez.

Beim Googeln habe ich herausgefunden, daß es in der Augustausgabe 1998 des Posthorn (Magazin des Scandinavian Collectors Club) einen Artikel von Alfred A. Gruber zum Thema gibt. In der Novemberausgabe des selben Jahres erschien dazu zudem ein Artikel von Hal Vogel. Evtl. können sich an der Materie interessierte diese Artikel ja beschaffen, z.B. über die FG Nordische Staaten.

http://www.nordische-staaten.de/index.html?http://www.nordische-staaten.de/biblio/z-inhalt.php?posthorn

Beste Grüße,
Christoph
 
Lacplesis Am: 10.08.2009 09:59:09 Gelesen: 48391# 4 @  
Ergänzend möchte ich noch diesen Beleg hinzufügen. Der letzte Zeitraum in dem der Leitweg über die Transsib zu Ehren gelangte war die Zeit des Hitler-Stalin-Paktes von 1939-1941, der eine preiswerte Alternative zur Luftpost mit der Littoria.



@ Concordia CA [#2]

Lustig fand ich an deinem Bettelbrief den Adressaufkleber. Ja, auch damals schon wurde wild mit Adressen gehandelt. Auf dem von Dir gezeigten Brief sehe ich zum ersten mal eine gekaufte Adresse mit Perforation. Auf meinen Bettelbriefen vom Syrischen Waisenhaus in Jerusalem (aus der Zeit vor dem 1. WK) sind die Adressen noch per Hand aus dem Bogen ausgeschnitten (aber in einem Waisenhaus hatte man ja damals wohl jede Menge kostenlose Arbeitszeit übrig).


 
ligneN Am: 10.08.2009 15:48:41 Gelesen: 48369# 5 @  
Hallo,

ich sammele Auslandspost von und nach Fernost. Daher eine Übersicht nach meinen Erkenntnissen.

Über den Postweg "Via Sibirien" wurde in den Berichten der deutschen Kolonialsammler-Arge ausführlichst berichtet, soweit es Dt. Kolonien/Auslandspostämter in Fernost angeht. Wer es für die Zeit bis 1914 detailliert nachlesen will, inkl. amtlicher Korrespondenz, wird hierauf verwiesen.

1) Chronologie

1902 Rußland gibt die Verbindung Vladivostok - Moskau für den INLANDSverkehr frei.

1902/3 Andere Staaten können "via Sibirien" nach erfolgten Postverträgen/Gebührenabkommen nutzen. Zunächst per Dampfer nach Port-Arthur bzw. Vladivostok.

1903 Juli Ostchinaeisenbahnstrecke freigegeben: zur Abkürzung wird die "OstchinaEisenbahn" verwendet, die ab dem Grenzbahnhof Manchurija (Manchouri) durch die chinesische Mandschurei (Mukden, Changchun) nach Port Arthur/Dairen verläuft. Das ist bis heute so.

1904 Feb Postverbindung wg. Russ-Jap. Krieg unterbrochen.

1906 Die Zweiglinie Changchun-Antung-Seoul-Pusan (Korea) wird vollendet.
Direkter Dampferanschluß nach Japan möglich.

1907 April Postverkehr via Sibirien wiedereröffnet.

1914 Aug.-Feb. 1915 Postverbindung wg. 1. Weltkrieg unterbrochen (Post in die mit Rußland verfeindeten Mittelmächte wird nicht befördert, Ausnahme Rot-Kreuz und Kriegsgefangenensendungen über das neutrale Skandinavien).

1916 Nordtransitroute rund um den Baikalsee nach Vladivostok fertiggestellt: rein auf russischem Territorium verlaufende Verbindung Moskau-Vladivostok. Natürlich i. d. R. längere Laufzeit. Leitvermerk: "via Vladivostok".

1918 - 1923 Postverbindung wg. Russ. Revolution unterbrochen.

1924 Beginn des Luftpostverkehrs via Sibirien (Beginn unterschiedlich nach Abgangsstaaten).

1939 Sept-Okt. Postverbindung wg. Dt.-UdSSR Angriff auf Polen unterbrochen. Die Post wird m. W. eingelagert und ohne weitere Hinweise ab ca. 20.10. weitergeleitet.

Ich habe hierzu im Deutschen Amtsblatt September 1939 nichts gefunden.
Wer andere Hinweise hat, bitte mitteilen.

1941 Juni - 1942 Jan./Feb. Postverbindung wg. dt. Angriff auf UdSSR unterbrochen.

1942 Ende Januar Transitpost von/in neutrale Staaten (Schweiz, Türkei usw.) wiederaufgenommen.

1957 Wiederaufnahme des Paketverkehrs via Sibirien

2) Laufzeiten

Von/nach Europa via Sibirien: vor 1914 16-18 Tage. Nach 1924: 24-30 Tage.

Zum Vergleich:

Laufzeit via USA oder Kanada nach Europa: 22-30 Tage
Laufzeit via Suez nach Europa: mindestens 35 Tage

Alle Post zwischen Ostasien und Europa (und teils auch Briefpost nach Südamerika) wurde daher in der Regel über Sibirien geleitet. Die Deutsche Reichspost etwa ordnete in Ihren Dienstanweisungen an, daß trotz der höheren Ausgleichszahlungen an Rußland wegen des Zeitvorteils von mindestens 10 Tagen Brief- und Paketpost nach Asien *grundsätzlich* über Sibirien zu leiten sei.

Nach der Wiedereröffnung der Sibirien-Transitroute ab 1924 findet man öfters Laufzeitvermerke "via USA", "via Kanada", "via Nordamerika".

Ursache:

1. langsamerer Transit via Sibirien, schnellere Dampfer via Pazifik.
Die voraussichtliche Transitzeit stand an den Postämtern z. B. von Peking, Shanghai, Yokohama an den Bekanntmachungstafeln ausgehängt.

Die an schnellstmöglichem Transit interessierten Kaufleute ebenso wie die Spezialisten in den Auslands-Austauschpoststellen von China, Hong Kong, Japan vergleichen die möglichen Transitzeiten via Sibirien oder via Pazifik genau.
Entsprechende Leitvermerke finden sich auf den Postsendungen bzw. den Briefbünden/Postsäcken.

2. Viele Händler (und Weissrussen) wollten ihre vertrauliche Korrespondenz nicht durch Stalins Staat und dessen Geheimdienst laufen lassen.

3) "Seltenheit"

Asien-Europa = Keine. Belege aus der relativ kurze Periode Sommer 1903-Feb. 1904 sind natürlich vergleichsweise seltener zu finden. Preisliche Auswirkungen habe ich festgestellt bei: Post aus Kiautschou (Tsingtau), wohl auch hervorgerufen durch die ausführliche Berichterstattung in den Kolonialsammlermitteilungen.

Asien-Südamerika = Ungewöhnlich, kann man aber finden.

Asien-Nord-/Südamerika (ab 2. Weltkrieg) wie vor. Zur Vermeidung von Zensur.
(Die Alliierten benutzten entsprechend "Via Pazifik" dh USA/Kanada, um dt. Zensur zu vermeiden)

Quellenangaben: Robinson, Chilingirian, Mitteilungen diverser Arges für Rußland, China, Japan, Zensurpost.

Gruß
LigneN
 
duphil Am: 10.08.2009 19:05:12 Gelesen: 48354# 6 @  
Hallo zusammen!

Erst einmal herzlich willkommen auf den Philaseiten, ligneN. Diese Art von Antwort ist der Grund, warum ich "unsere" Seiten liebe.

Mit freundlichen Gruss
Peter
 
Jürgen Witkowski Am: 10.08.2009 20:37:44 Gelesen: 48343# 7 @  
@ ligneN [#5]

Ich möchte mich duphil anschließen und Dich auf Philaseiten.de recht herzlich begrüßen. Hut ab vor Deiner Recherche zu diesem doch nicht sehr bekannten Sammelgebiet.

Einen weiteren Beleg, der zum Thema passt, habe ich noch gefunden. Er stammt vom selben Absender, der schon für die Drucksache nach Deutschland aus Beitrag [#2] verantwortlich war. Zeitlich gesehen, muss der Brief etwas später gelaufen sein. Die Frankatur stammt schon aus der Republik Mundschukuo, MiNr. 4 zu 2 Fen, und wurde am 26.07.1932 verausgabt.

Der Tagesstempel ist leider nicht zu entziffern. Alle anderen Stempel sind zwar inhaltsgleich zum gestern gezeigten Beleg, aber eindeutig von anderen Geräten abgeschlagen. Daher ist eine gewisse zeitliche Distanz zu vermuten.

Mich würde interessieren, was die chinesischen Stempel für eine Bedeutung haben. Vermutlich stehen sie für den Leitweg und die Versandart, aber ich kann sie mangels Schriftkenntnissen nicht entziffern.

Die Adresse ist dieses Mal von Hand geschrieben worden. Ob die Ergänzung "Essen Ruhr" bereits vor dem Versand ergänzt wurde oder von einer deutschen Stelle zur Ermittlung des Empfängers nachgetragen wurde, lässt sich leider nicht mehr ermitteln. Die Elisabethstraße liegt jedenfalls nicht in "Friedendorf", sondern in Essen-Frillendorf.

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen


 
ligneN Am: 15.08.2009 14:49:19 Gelesen: 48288# 8 @  
Hallo,

Danke für die Blumen. :-)

Aber wie sich der spezialisiertere Altdeutschland US UK Frankreichsammler für die Atlantikrouten interessiert, so interessieren wir Asienleute uns eben für Sibirien/Pazifik.

***

Zur Transitroute durch China noch zu ergänzen: Wichtig ist hier noch, daß die chinesischen Häfen in Nordchina eisfrei waren. Während Vladivostok-Hafen von Oktober-Anfang April wegen Treibeis unzugänglich war (ist). Eine Weiterleitung von/ab Vladivostok per Schiff war da also nicht möglich.

Das russische Interesse hatte natürlich auch militärische Gründe: 1896/1904 war der britisch-japanische Alptraum einer eisfreien russischen Marinebasis direkt vor der Haustür mit Port Arthur ja Realität.

***

Diese Belege aus der benediktinischen Generalprokuratur Yenki (dh dort saß der Missionsbischof für die ganze Mandschurei) sind die häufigsten aus der Mandschurei bzw. Manchuko. Es sind immer Drucksachen mit verschiedenen 2 Fen Frankaturen. Enthalten waren (mit Glück: sind) Tätigkeitsberichte an Spender für die Missionsarbeit in D-CH-AU. Kombiniert mit Bettelbriefen, Bedarfsstücke, wie man sie von anderen Missionen in Indien oder Afrika ja kennt.

Bedeutung der Stempel ganz links: "Nach Deutschland über Harbin". Reihe 2 unten: "Drucksache".

Diese Stempel sind nicht amtlich, sondern von den Missionaren angebracht worden.

Gruß
ligneN
 
Lacplesis Am: 15.08.2009 20:30:52 Gelesen: 48271# 9 @  
Hier noch mal was aus meiner Sammlung.

Siegelmarke der Chinese Eastern Railway, die von ligneN [#5] ja bereits erwähnte (Ostchinaeisenbahnstrecke):



Schwerer Einschreibebrief aus Harbin nach Berlin. Abgehend am 18.2.1904 (jul.), ankommend am 24.3.1904 (greg.).

@ ligneN

Hast Du zufällig das Datum, wann im Feb. 04 der Postverkehr eingestellt wurde?

Der Postlauf über die Transsib wird ersichtlich aus dem Transitstempel (Rückseite, mitte oben, mit Posthörnern).

Auch wenn nicht lesbar, kommen Stempel dieser Art nur in den westrussischen Großstädten vor. Hier, der Logik nach, Moskau.



 

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