Thema: Alliierte Besetzung: Unkenntlichmachungen (Schwärzungen) außerhalb Sachsens
violin Am: 18.04.2022 20:30:09 Gelesen: 2811# 1 @  
Liebes Forum,

anhand einer konkreten Karte (und einer dazu konkreten Frage) kam bei mir die größere Frage auf: Warum gibt es eigentlich nur Schwärzungen aus Sachsen? Ich habe im Michel gesehen, dass es unter den lokalen Notausgaben auch einzelne aus Brandenburg oder Sachsen-Anhalt gibt, aber die Idee der Schwärzung kann doch nicht nur in Sachsen aufgekommen sein. Was haben die anderen Bundesländer denn mit den ganzen Hitlerköpfen auf den Briefmarken gemacht?

Ganz konkret auf die Frage kam ich bei der Suche nach Antworten zu dieser Karte:



Den Überdruck habe ich im Michel nirgendwo gefunden. Beim Blick auf die Stempel meine ich Rinteln und 1947 zu erkennen:



Rinteln gehörte zur Britischen Zone, aber Rinteln finde ich nicht bei den Lokalausgaben und im Kapitel Amerikanisch-Britische Zone gibt es keine Hinweise auf Überdrucke.

Überhaupt: 1947 noch einen Hitler auf eine Postkarte kleben, war die überhaupt noch gültig? Und ist der Ringaufdruck ein Einzelspaß oder gibt es dazu weitere Belege?

Liebe Grüße,
Tobias
 
GSFreak Am: 20.04.2022 08:31:43 Gelesen: 2698# 2 @  
Hallo Tobias,

das Inlandspostkartenporto war 1947 12 Rpf. Dazu kamen 60 Rpf. Eilbotengebühr. Insofern waren die 5 Rpf. der zusätzlich verklebten Hitlermarke nicht Teil des erforderlichen Portos und ohnehin nicht mehr gültig. Sieh die Marke als Vignette oder als Spielerei, aus welchen Beweggründen auch immer der Absender sie zusätzlich verklebt hat. Wer den violetten Ring gestempelt hat, entzieht sich meiner Kenntnis. Mit einer Schwärzung in der eigentlichen Begriffsverwendung für Belege aus der Nachkriegszeit hat das überhaupt nichts zu tun. Keine Lokalausgabe oder Notausgabe.

Schwärzungen gab es 1945/46 nicht nur in der SBZ (wie zum Beispiel die sächsischen Schwärzungen) sondern auch in den anderen Zonen. Dort in der Regel auf Ganzsachen zur Unkenntlichmachung des Hitler-Wertstempels.

Beste Grüße
Ulrich
 
violin Am: 20.04.2022 09:00:46 Gelesen: 2684# 3 @  
Und nochmal ein Danke schön an dich, Ulrich!

Ich muss aber noch einmal nachfragen: Die Hitler Schwärzungen auf den Ganzsachen habe ich auch gesehen, auch dass es für alle Besatzungszonen unterschiedliche Arten der Schwärzung gab. Was mich aber wundert: Was haben denn die anderen Bundesländer bzw. Besatzungszonen mit den ganzen Hitlerköpfen gemacht? Geschwärzt ja offensichtlich nicht. Sonst gäbe es doch eine viel längere Liste an Notausgaben mit allen möglichen Städten aus ganz Deutschland. Ohne jetzt jedes Örtchen im Michel angeschaut zu haben, aber für mich gibt dort schon eine Häufung in Sachsen (und näherer Umgebung). Was haben die Menschen in Bayern, BW oder NRW gemacht?

Liebe Grüße,
Tobias
 
opti53 Am: 20.04.2022 17:57:53 Gelesen: 2626# 4 @  
Hallo Tobias,

die von Dir angesprochenen Schwärzungen gab es 1945, also kurz nach der Kapitulation. Da Du unter anderem nach BW (Baden Württemberg) und NRW (Nordrhein-Westfalen) fragst; diese Länder gab es 1945 noch nicht. NRW ist zwar schon 1946 entstanden, BW aber erst 1952. Die Situation 1945 war so, dass es nicht nur keine Briefmarken gab, sondern in vielen Teilen auch keinen geregelten Postverkehr. Zudem haben die Besatzungsmächte geregelt, ob und wie es Postverkehr gab. Im Einflussbereich der Sowjets wurden lokale Individuallösungen zugelassen. Deswegen gibt es eine Vielzahl von Lokalausgaben in diesem Bereich. Eigentlich sind die Hitler-Schwärzungen auch nur eine Art Lokalausgabe.

Im amerikanischen und englischen Einflußbereich gab es vielfach keine gültigen Briefmarken (Hitler durfte auch nicht mal überdruckt verwendet werden). Deswegen gab es in diesen Bereichen vor allem Gebühr-Bezahlt-Stempel (also sog. Barfreimachung). Allerdings hatten die Amerikaner die AM-Post-Marken vorbereitet, die sie bei Ihrem Einmarsch dabei hatten. Diese wurden alsbald mit britischen und dann auch deutschem Druck ergänzt. Hitler-Marken wurden halt einfach nicht mehr verwendet und waren ungültig.

Was man auch gerne übersieht, sind die Hitler-Marken, die es mit drei verschiedenen Überdrucken 1945 in Österreich gab.

Bei den Ganzsachen war die Situation so, dass man wegen der Papier-Knappheit nicht ganz darauf verzichten konnte. Deswegen wurden die Wertstempel entweder überdruckt oder einfach weggeschnitten.

Viele Grüße

Thomas
 
violin Am: 20.04.2022 19:05:17 Gelesen: 2604# 5 @  
Hallo Thomas,

vielen Dank für deine sehr ausführliche Antwort! Sehr interessant zu hören, dass es in den amer./brit./franz. Besatzungszonen einfach nicht erlaubt war, diese Marken weiter zu verwenden. So was in der Art hatte ich vermutet - anders ließe sich die "Datenlage" im Michel auch nicht erklären - aber es steht halt nirgendwo geschrieben. Jetzt setzt sich auch noch einiges weitere für mich zusammen. Ich habe nämlich ein größeres Konvolut an Briefen gekauft mit Belegen aus der Nachkriegszeit. Darunter finden sich auch etliche "Gebühr bezahlt"-Stempel - viele im Konvolut aus dem badisch-württembergischen Raum. Was sich ja nun wieder mit deinen Ausführungen deckt. Allerdings kann ich bisher nicht viel damit anfangen. Gibt es zu diesen "Gebühr bezahlt"-Stempel auch eine Übersicht und einen Bewertungskatalog?

Hier zwei Beispiele aus meinem Konvolut:



Und wo du die österreichischen Hitlerüberdrucke erwähnst - dazu habe ich auch ein Beispiel: DR-Ganzsache P313 überklebt mit österreichischer Lokalausgabe 784 und dann ein "Überroller", wenn ich mich nicht irre:



Danke dir nochmals für die vielen interessanten Informationen!

Liebe Grüße,
Tobias
 
opti53 Am: 20.04.2022 21:52:32 Gelesen: 2566# 6 @  
Hallo Tobias,

eine Bewertung der Gebühr-Bezahlt-Stempel findet man im Michel Briefe-Katalöog am Beginn des Abschnitts Alliierte Besetzung (Barfrankierung als Notmaßnahme bei Wiederaufnahme des Postverkehrs nach dem 8. Mai 1945).

Es werden dort die verschiedenen Stempelformen bewertet, nicht die Orte, obwohl kleinere Orte einen Zuschlag bekommen können, was aber nicht näher definiert ist.

Viele Grüße

Thomas
 
violin Am: 20.04.2022 23:08:45 Gelesen: 2553# 7 @  
Stimmt! Ich besitze den Briefe-Katalog, habe aber die 3 Seiten mit den Stempeln nie bemerkt. Danke für den Tipp!
 
GSFreak Am: 20.04.2022 23:54:53 Gelesen: 2545# 8 @  
@ violin [#5]

Hallo Tobias,

es gibt ein umfassendes Handbuch (und Katalog) aus dem Jahr 2000 von 478 Seiten: "BARFRANKATUREN in den vier Besatzungszonen Deutschlands und in Berlin 1945-1949". Verfasser ist Hans-J. Richter aus 38124 Braunschweig, Rostockstr. 19, der noch über ausreichend Bestände dieses Handbuches verfügt.

Nach Rückkehr aus dem Urlaub werde ich mal einige Schwärzungen aus der Französischen Zone und der Britischen Zone auf ehemaligen "Hitler-Ganzsachen" zeigen (keine Aufbrauchsausgaben, bei denen der Hitlerkopf mittels Buchdruck mehr oder weniger unkenntlich gemacht wurde).

Beste Grüße
Ulrich
 
violin Am: 21.04.2022 00:44:30 Gelesen: 2541# 9 @  
Hallo Ulrich! Danke für den Buchtipp! Und ich bin gespannt auf die Schwärzungen außerhalb Sachsens!

Ich habe jetzt schon mal mithilfe des Michel die Barfrankierungen sortieren können. Allerdings ist mir dabei auch dieses Exemplar untergekommen: Ohne Marke, ohne Gebühr bezahlt Stempel oder Vermerk (Rückseite leer). Wie ist der befördert worden?



Liebe Grüße,
Tobias
 
GSFreak Am: 30.04.2022 23:41:19 Gelesen: 2406# 10 @  
Die Wiederaufnahme des zivilen Briefpostverkehrs in Südbaden (OPD Freiburg, Französische Zone) war am 17.09.1945. An diesem Montag lagen noch nicht an allen Postämtern die Aufbrauchsganzsachen mit dem Wertaufdruck B (Schwärzung im Buchdruck) und/oder die Behelfsganzsache P 833 vor. In Konstanz hat man in den ersten Tagen - wie in dem folgenden Beleg vom 19.09.1945 gezeigt - den Hitler-Wertstempel handgeschwärzt (auch den Propagandatext unten links) und einen Freivermerk (hier zweisprachig) hinzugesetzt = Barfrankatur. Die Urkarte ist eine Deutsches Reich Ganzsache P 314IIa.



Diese Vorgehensweise entsprach genau der amtlichen Verfügung. In einem Schreiben vom 15. September 1945 an alle Postämter im Landes-Kommissariatsbezirk Konstanz heißt es u.a. nämlich: "Die noch vorhandenen Postkarten mit aufgedrucktem Wertzeichen dürfen nur dann an das Publikum abgegeben werden, wenn zuvor das Wertzeichenbildnis völlig überdeckt worden ist, wozu am besten ein entsprechend großer alter Gummistempel benutzt wird, der durch Wegschneiden der Schriftzeichen eine glatte Fläche darstellt."

Beste Grüße
Ulrich
 
karrottil Am: 01.05.2022 21:12:01 Gelesen: 2327# 11 @  
Hallo,

von mir eine Postkarte mit privaten Zudruck (Ich hoffe die Bezeichnung ist richtig!?) vom Briefmarkengeschäft Walter Behrens aus Braunschweig.



Der Hitler Wertstempel wurde mit 4 waagerechten Balken überdruckt und mit der Mi.Nr. 17 fast vollständig überklebt.

Für mich stellt sich die Frage, ob die 4 waagerechten Balken eine amtliche Schwärzung darstellen, oder privat durch das Briefmarkenhaus aufgedruckt wurden.

Hier noch die Rückseite:



Grüße
Karsten
 
GSFreak Am: 18.10.2022 00:28:06 Gelesen: 1911# 12 @  
@ karrottil [#11]

Hallo Karsten,

es ist ein privater Aufdruck der Fa. Behrens. Es handelt sich damit nur um ein normales Postkartenformular, das zum Versenden freigemacht werden musste.

In [#10] hatte ich eine Schwärzung aus der Französischen Zone gezeigt. Hier folgt als Beispiel eine Schwärzung aus der Britischen Zone (RPD Kiel). Die Urkarte ist eine Deutsches Reich P 312/08. Verkauft wurde die bereits geschwärzte Karte in Glückstadt am 15.06.1945 (Ausgabekontrollstempel links, der auch gleichzeitig den Nachweis des ordnungsgemäß bezahlten Portos von 6 Rpf. darstellt). Beschrieben wurde die Karte am 16.07.1945 und am 17.07.1945 wurde sie in Glückstadt (Aufgabestempel) nach Munster-Lager aufgegeben.



Beste Grüße
Ulrich
 
GSFreak Am: 23.10.2022 01:34:58 Gelesen: 1795# 13 @  
Hallo zusammen,

hier eine weitere Schwärzung durch das Postamt Glückstadt. Die Urkarte ist eine Deutsches Reich P 314IIa. Ausgabekontrollstempel vom 19.06.1945, Abgangsstempel vom 02.07.1945.



Gegenüber dem von vielen Postämtern in der RPD Hamburg/RPD Kiel durchgeführten Aus-/Beschneiden des Hitler-Wertstempels und evtl. Propagandasprüche hatten die geschwärzten Karten den Vorteil, dass mehr Raum für den Text vorhanden war.

Beste Grüße
Ulrich
 
GSFreak Am: 29.12.2022 22:35:39 Gelesen: 1556# 14 @  
Hallo zusammen,

bekannt für Schwärzungen 1945 ist auch der Ort Wesermünde (das heutige Bremerhaven). Entsprechende Karten wurden/habe ich bereits gezeigt in den Threads "Alliierte Besetzung Britische Zone, Notausgaben ab 1945" [#177] [#181] [#182] sowie "Die Poststempel von München" [#535]. Es waren ausschließlich die Urkarten Deutsches Reich P 314 II mit Schwärzung des Wertstempels sowie des Propagandatextes (Notausgabe Wesermünde P A10 und P A20). Hier nun eine Urkarte P 300, wobei nur der Wertstempel geschwärzt werden brauchte (Notausgabe Wesermünde P A01), verwendet am 21.08.1945.



Beste Grüße
Ulrich
 
GSFreak Am: 18.01.2023 11:02:54 Gelesen: 1457# 15 @  
Hallo zusammen,

auch in Neumünster (RPD Kiel, Britische Zone) wurde geschwärzt. Hier ist es eine Urkarte Deutsches Reich P 314 IIa, nunmehr Notganzsache P A 26b. Ausgabekontrollstempel vom 20.06.1945 (Nachweis des ordnungsgemäß bezahlten Portos von 6 Rpf.) und Abgangsstempel vom 25.06.1945.



Beste Grüße
Ulrich
 
GSFreak Am: 20.03.2023 14:19:23 Gelesen: 1227# 16 @  
Hallo zusammen,

auch in LUNDEN (HOLSTEIN) - RPD Kiel - hat man den Hitler-Wertstempel "geschwärzt" statt wie meist üblich ausgeschnitten. Die folgenden zwei Beispiele zeigen das. Dabei erfolgte hier die "Schwärzung" mit violetter Stempelfarbe.

P A14b F mit Ausgabekontrollstempel links unten vom 16.06.1945 und Abgangsstempel vom 16.07.1945. Urkarte ist eine Deutsches Reich P 301 F.



P A26b mit Ausgabekontrollstempel links unten vom 18.06.1945 und Abgangsstempel vom 09.07.1945. Urkarte ist eine Deutsches Reich P 314 IIb. Diese Karte stammt aus einer Korrespondenz von drei Karten, wobei die Karten durchgehenden Text aufweisen und daher durchnummeriert sind. Hier ist es die Karte Nr. II, die Karte Nr. III befindet sich ebenfalls in meiner Sammlung.



Beste Grüße
Ulrich
 
GSFreak Am: 16.04.2023 13:07:31 Gelesen: 1068# 17 @  
@ GSFreak [#15]

Hallo zusammen,

hier noch eine weitere geschwärzte Karte aus Neumünster (Notganzsache RPD Kiel P A26b), Ausgabekontrollstempel vom 18.06.1945 und Abgangsstempel vom 27.06.1945.

Man kann erkennen, dass zunächst versucht wurde, den Hitler-Wertstempel sowie auch den Propagandatext mittels Blaustift unkenntlich zu machen. Da dies aber nicht ausreichte, ist dann mit Stempelfarbe geschwärzt worden. Eine ähnliche Vorgehensweise ist bspw. auch von Büsum zu vermelden (dort aber dann die Schwärzung im Buchdruck).



Beste Grüße
Ulrich
 
GSFreak Am: 14.11.2023 15:58:38 Gelesen: 416# 18 @  
@ GSFreak [#10]

Hallo zusammen,

eine weitere "Schwärzung" (eher violette Stempelfarbe) aus Konstanz, hier vom 24.09.1945 auf einer Postkarte mit hinzugesetztem zweisprachigen Freivermerk = Barfrankatur. Die Urkarte ist eine Deutsches Reich Ganzsache P 300.



Beste Grüße
Ulrich