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Thema: Die berühmtesten und wertvollsten Briefmarken der Welt
Das Thema hat 931 Beiträge:
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Heinz 7 Am: 13.08.2017 16:58:19 Gelesen: 580221# 207 @  
Nachtrag zu [#205]

Ich stütze mich auf die Publikation "Statistisches Monatsheft" und "Historische Zeitreihen" der Schweizerischen Nationalbank vom November 2007, wenn ich Fremde Währungen umrechne oder Geldentwertungen berechne.

Es ist ein äusserst schwieriges Unterfangen, ein Resultat z.B. der Auktionen von Ferrary 1921-1925 mit demjenigen späterer Verkäufe (z.B. Burrus 1962-1967 oder Boker Altdeutschland 1985-2000) zu vergleichen. Währungen und Zinsen (real und nominal) haben sich in den verschiedenen Gebieten völlig anders entwickelt. Es spielt eine grosse Rolle, WELCHEN Ansatz man wählt, in welcher Währung man rechnet, u.s.w.

Die Methode: "Umrechnung des Ergebnisses in Schweizer Franken und jährliche Verzinsung des Wertes" liegt mir als Schweizer Bürger natürlich nahe und eignet sich meines Erachtens auch gut, weil die Schweiz doch ein wirtschaftlich stabiles Land war und ist. Seit 1900 gab es in der Schweiz keine Hyperinflationen und die Währung war stabil.

Ich habe die Werte für GB£ und US$ seit Januar 1914 und alle möglichen Zinssätze für die Schweiz seit 1900. So kann ich Werte des XX. Jahrhunderts umrechnen in CHF und danach verzinse ich sie; so gelange ich zu Vergleichswerten.

Das XXI. Jahrhundert ist ökonomisch eine "völlig andere Welt", verglichen mit den vielen Jahrzehnten davor. Negativ-Zinsen auf breiter Front ist etwas, mit dem sich die Ökonomen erst gründlich auseinandersetzen müssen. Es scheint mir aber angezeigt, heute mit anderen Ansätzen (weiter) zu rechnen, als die hundert Jahre zuvor. Das macht die Sache nicht einfacher.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 13.08.2017 18:06:13 Gelesen: 580200# 208 @  
@ BD [#2]

Auf unserem Weg, die ersten 30 der Liste Schubert vorzustellen, kommen wir zum zweiten Mal auf eine Briefmarke aus der Schweiz zu sprechen. Nachdem wir, vielleicht eher überraschend, die "Waadt 4" auf dem höchsten Platz 1913 vorgefunden haben, darf ich heute eine wohlbekannte Briefmarke vorstellen: die berühmte Doppelgenf!



Hier sehen wir gleich drei Exemplare: eine ungebrauchte (aus der oberen rechten Bogenecke!), eine gestempelte und eine verkehrt geschnittene!

Die Doppelgenf konnte ja für zwei Zwecke eingesetzt werden: Nahbereich: 5 Centimes; dazu genügte eine halbe Doppelgenf; Fernbereich: 10 Centimes = eine ganze Marke. Die Marke war natürlich noch ungezähnt. Nun kam es einige Male vor, dass der Postbeamte (oder der Absender) eine Doppelgenf falsch schnitt: anstatt links/rechts (mit intakter Inschrift oben) wurde rechts/links (mit zerschnittener Inschrift oben) abgegeben und auch verwendet. Diese sogenannten "inverti" sind sehr selten; es gibt nur eine Handvoll davon, allerdings auch zwei senkrecht zusammenhängende halbe Doppelgenf, u.s.w. - auch das gibt es.

Nun ist es meines Erachtens ein Fehler, die "Inverti" als eigene Marke aufzuführen, wie Schubert 1913 es tat. Die Inverti ist streng genommen ein Einheit von zwei (zusammenhängenden) Marken: Michel 1 HR + Michel 1 HL zusammenhängend. Sie gehört daher nicht auf die Liste der seltensten EINZEL-Marken! Sonst müssten wir auch andere Paare mit berücksichtigen, zum Beispiel Paare mit einer Marke kopfstehend, sogenannte "tête-bêche"-Paare. Davon gibt es mehrere sehr teure! Doch davon später.

Betrachten wir die Notierungen in Senf 1913:

Genf Senf 1. 5+5 C. gelbgrün, Doppelmarke: 1600.- (*) bzw. 650.- (gest.) Mark
Genf Senf 1I. 5+5 C. verkehrt: 2000.- (*) bzw. 700.- (gest.)
Genf Senf 2. 5 C. gelbgrün (halbierte Nr. 1): 200.- (*) bzw. 110.- (gest.)

Damit erreichte die Doppelgenf bei Schubert den Platz 24 (1I.) und 31. (1.).

2010 wurden diese Marken wie folgt gelistet (Michel 2010, Raritäten):

Genf Michel 1: Euro 65'000 (*) bzw. 40'000 (gest.)
Genf Michel 1 HL/1 HR: Euro 20'000 (*) bzw. 8'000 (gest.)

Die "Inverti" ist im Michel Raritäten-Katalog erwähnt, aber nicht bewertet.

Der Blick in den Händler-Katalog der Schweiz (SBK) zeigt folgendes Bild:

Nr. 3: CHF 100'000 (*) bzw. 55'000 (gest.)
Nr. 4L/4R: CHF 32'000 (*) bzw. 10'000 (gest.)
Nr. 3/vw: verkehrt geschnitten, waagrecht: 100'000 (gest.)
Nr. 3/vs: verkehrt geschnitten, senkrecht: 225'000 (gest.)

Ungebraucht werden diese 2 Spezialitäten nicht gelistet, obwohl sie theoretisch aus Paaren oder grösseren Einheiten fabriziert werden können.

Die obigen 3 Lose stammen übrigens aus der Auktion vom 8.12.1989, als Harmers of New York in Zürich die Sammlungen von Louise Boyd Dale und Alfred F. Lichtenstein verkaufen konnte (in Zusammenarbeit mit Harmers Auctions S.A., Lugano).

Die drei Lose erzielten gute Resultate:

Los 15: CHF 60'000 + 15 % = CHF 69'000
Los 16: CHF 34'000 + 15 % = CHF 39'100
Los 17: CHF 80'000 + 15 % = CHF 92'000

Diese Resultate liegen jetzt aber auch schon wieder fast 28 Jahre zurück. Aber so schöne Exemplare wie hier, sieht man nur sehr selten.

Heinz
 
StefanM Am: 14.08.2017 08:28:08 Gelesen: 580110# 209 @  
Hallo Heinz,

ich möchte nur einmal zum Ausdruck bringen, wie sehr ich deine Beiträge hier schätze. Ein großes Dankeschön dafür.

Die Analyse und Betrachtung des Marktes von Raritäten hat zwar für die meisten eher einen akademischen Wert, doch eröffnet deine Herangehensweise Perspektiven, die ich zuvor noch nie bedacht habe und die auch die Beschäftigung mit philatelistischer Materie außerhalb meiner Reichweite sehr interessant macht.

Gruß
Stefan
 
bayern klassisch Am: 14.08.2017 09:02:50 Gelesen: 580100# 210 @  
+ 1 !
 
Richard Am: 14.08.2017 09:33:09 Gelesen: 580087# 211 @  
@ Heinz 7 [#206]

Im Michel Europa Katalog (2010) finden wir die Marke schnell, sie hat dieselbe Nummer wie Senf 97 Jahre früher: Mi D 47. Ihr Katalogwert ist (2010) Euro 30'000 bzw. 16'000

Hallo Heinz,

im Michel Europa 1016 ist der aktuelle Katalogwert mit Euro 60.000 für * und Euro 25.000 für o angegeben.

Schöne Grüsse, Richard
 
Heinz 7 Am: 14.08.2017 12:53:28 Gelesen: 580048# 212 @  
@ StefanM [#209]
@ bayern klassisch [#210] und [#25]
@ Richard [#211]

Lieber Stefan,
lieber Ralph,

vielen Dank für die anerkennenden Worte.

Es hat mich selber fasziniert, wie aufschlussreich solche Studien sind. Ich habe solche vor vielen Jahren schon einmal durchgeführt; sie haben mir wesentlich geholfen, als ich ein neues Sammelgebiet suchte und mich aufgrund der Erkenntnisse meiner Studien auf "Rumänien" festlegte. Rumänien war zum Zeitpunkt, als ich meine neue Sammlung anfing, sehr attraktiv; als Land top, 1A, mit vielen hochwertigen Raritäten, im aktuellen Preisgefüge (damals) aber stark unterbewertet!

In den letzten 25-30 Jahren hat sich dann Rumänien preislich stark entwickelt. Ich konnte vor vielen Jahren einige "Raketen" kaufen, die ich mir heute nicht mehr leisten könnte. Ich habe Weltklasse-Stücke bekommen zu relativ sehr günstigen Preisen. So konnte ich eine Weltklasse-Sammlung aufbauen, mit Mitteln, die mir bei anderen Top-Gebieten "nirgendwohin" gereicht hätten.

Das ist mein ganz konkreter Nutzen meiner Studien. Ich habe dabei aber sicherlich auch Glück gehabt. Andere Gebiete haben eher "geflopt" und sich eher negativ entwickelt. Zudem ist mein konkreter Nutzen aber auch nur theoretisch, denn ich will meine Stücke ja nicht verkaufen, sonst habe ich keine schöne Sammlung mehr.

Als zentrale Erkenntnisse meiner Studien möchte ich aber sagen:

a) gute Briefmarken hatten immer schon einen beachtlichen Wert! (Ausnahme: früher nicht erkannte Raritäten). Ich spreche hier für die Zeit ab 1900 bis heute. Zahlen des XIX. Jahrhunderts sind zwar auch interessant, aber es wird dann sehr kompliziert und mit vielen "wenn und aber". Ausserdem waren die Philatelisten damals noch stark auf der Suche und wussten vieles noch nicht.
b) gute Briefmarken waren in ihrem Wert SEHR OFT erstaunlich stabil! Unglaublich stabil sogar, vielleicht mehr als alles andere auf der Welt! Selbst Gold schwankte in den letzten 120 Jahren im Wert oft stärker als ausgewählte Briefmarken! Das gibt natürlich Vertrauen in die kleinen Papierchen.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 14.08.2017 15:32:22 Gelesen: 580004# 213 @  
@ Richard [#211]

Lieber Richard,

ich realisiere erst jetzt, dass Du mir den Wert der Great Britain, I.R. Official (Michel D 47) geliefert hast.

Ich sehe mit Erstaunen, dass Michel den Preis offenbar stark erhöht hat!

2016 = 200 % von Michel 2010 *
2016 = 156 % von Michel 2010 gest.

Solche Preiserhöhungen sind ungewöhnlich, doch nehme ich an, dass der neue Preis gut abgestimmt (begründet) ist.

Freundliche Grüsse
Heinz
 
Heinz 7 Am: 14.08.2017 21:13:25 Gelesen: 579954# 214 @  
Nachtrag zu Beitrag [#207]

Wenn ich heute die beiliegenden hübschen "Münzkarten" zeige, dann bedeutet dies nicht, dass ich nun auch zu den Numismatikern gewechselt habe (wie so mancher Briefmarkenauktionator!) sondern ich zeige diese Karte, um auf die Währungssituation anfangs des XX. Jahrhunderts hinzuweisen. Vielen Lesern dürfte dies kaum bekannt sein.



Die Karte wurde meines Wissens ca. 1905 produziert und zeigt uns Interessantes:

20 Schweizer Franken hatten den Wert von 16 Mark und 20 Pfennig
20 Schweizer Franken hatten aber auch den Wert von 20 Französischen Francs oder 20 Italienischen Lire!
20 Schweizer Franken hatten den Wert von 7 Rubel 50 Kopeken

Dazu muss man wissen, dass 1865 einige Länder der sogenannten "Lateinischen Münzunion" gründeten: Frankreich, Belgien, Italien und die Schweiz gründeten die "L.M.", der sich 1868 auch Griechenland anschloss. Die Währung war an Silber und Gold gebunden. Sie wurden zum frei umlaufenden und allgemein akzeptierten Zahlungsmittel innerhalb der Staaten der Union.

Das Deutsche Reich übernahm 1871 den Goldstandard. Silbermünzen wurden zuhauf liquidiert, aber das Gold wurde knapp. So verschoben sich die früher festgelegten Wertverhältnisse (ursprünglich galt ein Gold-Silber-Verhältnis von 1:15,5). Auch die Länder der L.M. stellten darum ab 1880 die Prägung von Silbermünzen ein. So galt auch für die L.M. faktisch nur noch das Gold als Wert-Vergleichs-Masstab. Aber bis zum 1. Weltkrieg bestand die L.M. fort, und erst 1920 kam es zu Auflösungserscheinungen. Mit dem Ausbruch des 1. Weltkrieges kam auch der sogenannte Goldstandard schwer unter Druck.

Noch 1910 galt für Standardgoldmünzen folgende Umrechnungen(siehe: Liste der Wechselkurse (Goldstandard), gemäss Wikipedia):

Schweiz: 1 Franken = 0.81 Gold-Mark
Frankreich: 1 Franc = 0.81 Gold-Mark
Griechenland: 1 Neudrachme = 0.81 Gold-Mark
Belgien: 1 Franc = 0.81 Gold-Mark
Italien: 1 Lira = 0.81 Gold-Mark

Es stimmt also alles!

Besonders interessant für mich ist natürlich, dass auch Rumänien in diesem festen Verbund seinen Platz hatte. Das zeigt nicht zuletzt die oben gezeigte Münzenkarte Rumänien! Die Standardgoldmünze für Rumänien 1910 war der "Carlo d'or" = 20 Lei. Sein Wert wurde mit 16.20 Mark angegeben, also genau dieselbe Relation 1 = 0.81.

NACH dem Jahre 1920 wird alles komplizierter. Doch davon später.

Heinz
 
10Parale Am: 14.08.2017 22:35:19 Gelesen: 579927# 215 @  
@ Heinz 7 [#208]

Ich wohne ja nur einen Katzensprung oder eine S-Bahn-Fahrt entfernt von der währungsstabilen Schweiz und lese deine Beiträge hier mit großer Begeisterung. Wahrlich, ich verstehe nicht alles und grüble im Moment noch sehr über die Rolle der Zinsen bei der Umrechnung von Auktionsergebnissen früherer Zeiten in vergleichbare Werte von heute.

Zu deinem Beitrag über die berühmte Doppelgenf der Schweiz zeige ich noch einen 20-er Block aus dem Bogen mit dieser schönen Gebrauchsanweisung in französischer Sprache. Er befindet sich wohl in Privatbesitz. Der einzig noch erhaltene Bogen dieser wunderschönen Marke soll sich im Postmuseum in Genf befinden.

Wie ich nachlesen konnte, ist dieser Bogenabschnitt zuletzt 1929 gehandelt worden und dann im Privatbesitz verschwunden. Einer der Vorbesitzer war der nicht weniger berühmte Sammler Henry J. Duveen (1856-1919).

Ich freue mich über weitere spannende Berichte und Analysen, super.

Liebe Grüße

10Parale


 
Heinz 7 Am: 15.08.2017 00:06:45 Gelesen: 579907# 216 @  
@ 10Parale [#215]
@ BD [#132]

Lieber 10 Parale,

Du zeigst uns hier ein Superstück der Schweizer Philatelie, ganz klar. Grosse Blockstücke von Kantonalmarken sind grosse Seltenheiten. Ich werde das Stück irgendwann gerne einmal besprechen, ich kenne es.

Wenn wir nach der Liste Schubert vorgehen, so finden wir diese Marke aber nicht auf seiner Liste. Mit einem Katalogwert von nur 90 Mark (ungestempelt) erreichte die Senf Nr. 5 die Mindestlimite von 100 Mark knapp nicht, um auf die Liste aufgenommen zu werden.

Bernd zeigte uns, dass gemäss Studie Schubert 1049 Marken fand, die im Senf mit Mark 100 oder höher bewertet wurden. Unsere schöne Genfer Marke schafft es also nicht einmal unter die "Top 1000"! - Aber im grossen Bogenteil ist sie dennoch sehr teuer.

Ich werde dies auch an anderen Beispielen zeigen können.

Doch vorerst möchte ich Euch zumindest die Top 30 der Liste Schubert fertig vorstellen.

Aber nicht mehr heute.

Zu Deiner Frage betreffend Zinsen: Ich möchte Auktionsergebnisse und Katalogpreise aus ganz verschiedenen Jahren miteinander vergleichen. Im Zeitverlauf gibt es aber eine Geldentwertung (wenigstens galt dies für die Jahre 1900-2010). Ein Schweizer Franken 1960 hat klar mehr Wert als ein Schweizer Franken 2000. Um einen Vergleich anzustellen, können (auch) Zinssätze als Aufrechnung in Betracht gezogen werden. Wie würdest Du vorgehen?

Heinz
 
Heinz 7 Am: 15.08.2017 22:42:03 Gelesen: 579738# 217 @  
Nachtrag zu [#196]

1913 war die "Waadt 4" 2500 Mark wert. 2500 Mark entsprachen 1913 CHF 3'086 (vgl. Beitrag 214). Rechnen wir den Wert 1913 in den Wert Ende XX. Jahrhundert um (Ende 1999) oder nehmen wir das Jahr 2010, so müssen wir den Wert irgendwie vergleichbar machen.

Nehmen wir den Landesindex der Konsumentenpreise (= LIK) der Schweiz. Zum Glück finden wir offizielle Zahlen. https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/preise/landesindex-konsumentenpreise.gnpdetail . Wir finden Zahlen für 1914-2016, und, separat 1899-1913. Damit lässt sich arbeiten.

Am 1.1.1900 stand der Index (1914) bei 84.3
am 31.12.1999 stand der Index (1914) bei 952.2
Das ist eine Steigerung von 1129.5 %
das ist pro Jahr eine Verzinsung von 2.154 % pro Jahr.

Natürlich verlief in der Schweiz die wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung der LIK nicht linear. Wenn wir es genau nehmen, sollten wir das XX. Jahrhundert in 6 Perioden teilen (mein Vorschlag):

1900-1914 = moderate Steigerung des LKI (ca. 1 %) = 15 Jahre
1915-1920 = Kriegsfolgen. Böse Preissteigerungen (ca. 14.5 %) = 6 Jahre
1921-1935 = Nachkriegszeit und Weltwirtschaftskrise; Preissenkungen (ca. - 3.5 %) = 15 Jahre
1936-1970 = Nach-Weltwirtschaftskrise und Nachkriegs-Wirtschaftswunder (ca. 3 %) = 35 Jahre
1971-1992 = Wirtschafts-Überhitzung und geopolitische Krisen, Währungskrisen (ca. 4 %) = 22 Jahre
1993-1999 = Ende Hochzinspolitik (ca. 1.5 %) = 7 Jahre.

Seit 2000 können wir ergänzen: Tiefzinspolitik!

Die risikolosen Zinsen in der Schweiz lagen in diesen 100 Jahren höher. Auch hierzu bestehen verlässliche Zahlenreihen der Schweizerischen Nationalbank. Die "Zinssätze für Spareinlagen" werden seit 1907 geliefert. Für die Jahre 1900-1906 verwende ich die Zahlen: "Rendite von Obligationen der Eidgenossenschaft". Diese liegen fast immer höher als die
"Zinssätze für Spareinlagen". Wurden am 1.1.1900 so CHF 1000 angelegt, so vermehrte sich theoretisch der Betrag bis 31.12.1999 auf CHF 26'823. Das gibt eine jährliche Durchschnittsrendite von 3.344 %. In den Jahren 1921-1935 wurden gute Zinsen bezahlt (zwischen 2.98 - 4.55 %), sodass Leute mit Geld doppelt profitieren konnten (da gleichzeitig sinkender LIK!). Für die Zeit 1936-1999 lagen dann die Zinsen für Spareinlagen gesamthaft UNTER der Entwicklung des LIK. Mit (sicheren) Schweizer Obligationen liess sich aber auch für diese Zeit eine ansehliche Rendite erzielen (4.15 % p.a.), die deutlich über der Zunahme des LIK lag.

Zu allen Zahlenreihen lassen sich Einwände finden. Man kann auch weitere Kennzahlen zu Rate ziehen, wie die Wirtschaftsleistung eines Landes (pro Kopf), aber wir müssen es uns nicht zu schwer machen.

Da die Zinsen auch in den Jahren 1921-1935 hoch lagen, halte ich es für vertretbar, für das GANZE Jahrhundert nur eine einzige Zahl zu verwenden. p = 3 (also 3 % pro Jahr) soll meine Berechnungsbasis sein. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Für das XXI. Jahrhundert nehme ich (per heute) 4 Promille.

Dies bedeutet nun also, dass unsere Briefmarke "Waadt 4" wie folgt bewertet wird:

1913: CHF 3'086
1999: CHF 39'210
2010: CHF 40'970
oder 2016: CHF 41'963

Der Katalogwert der "Waadt 4" lag bei Euro 35'000 (Michel 2010). 2010 war der Euro noch hoch bewertet gegenüber dem Schweizer Franken 1.2806. Das heisst die Euro 35'000 ergaben CHF 44'821 (Ende 2010).

Damit können wir feststellen: die "Waadt 4" notiert "heute" (2010) 9.4 % höher als vor (rund) hundert Jahren (Senf 1913) und zählt damit zu den GEWINNERN der letzten 100 Jahre.

Notiz am Rande: Der Euro-Kurs ist heute deutlich tiefer: CHF 1.1054 per Juli 2017. Stieg der Michel-Kurs bis 2016? Wir könnten die Vergleiche auch auf 2016 aktualisieren, nur fehlen mir dazu die aktuellen Michel-Kataloge.

Ich hoffe, meine Berechnungen seien verständlich und überzeugend.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 15.08.2017 23:02:10 Gelesen: 579728# 218 @  
@ Heinz 7 [#217]

Wenn also im Katalog
Senf 1913 ein (Mark)-Betrag von 2'500 steht
dann ist bei Michel 2010 eine (Euro)-Betrag von Euro 31'993 notwendig, um die Geldentwertung bis 2010 zu kompensieren.

=> Der Faktor (nominal) ist also 12.8

Die Marken, die diesen Faktor übertreffen, haben im Wert ZUGELEGT, die Marken, die ihn nicht erreichen, haben im Wert VERLOREN. Es ist interessant, die Unterschiede bei den Marken der Liste Schubert zu sehen.

Nehmen wir die "Blaue Mauritius", (= die beste Marke nach Schubert): Beitrag 117
Senf 1913: Mk. 25'000
Michel 2010: Euro 625'000 (gestempelt)
Faktor 25

= klarer Gewinner!

Ich hoffe, alles sei verständlich und klar.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 15.08.2017 23:44:41 Gelesen: 579711# 219 @  
@ Heinz 7 [#218]

Nach so viel "Theorie" zum Abschluss noch ein konkretes Portrait. Die folgende Marke wurde bei Schubert an 24. Stelle klassiert (zusammen mit 5 anderen Marken). Es ist erfreulicherweise wieder eine Marke aus Europa:

1851. Österreich, Zeitungsmarke. 6 Kreuzer zinnoberrot. Senf Nr. 14. Wert: Mark 2'000 (für *)



Diese Michel Nr. 9 wurde 2010 wie folgt bewertet: Euro 40'000 (für *).

Sie erreicht also "unseren" Bewertungsfaktor 20 und zählt damit zu den Gewinnern der letzten hundert Jahre!

Diese gezeigte Marke ist aber etwas Besonderes: Es ist ein gestempeltes Stück! Davon sind NOCH weniger bekannt, als von den ungebrauchten, und der Katalogwert beträgt sogar Euro 100'000 (Senf 1913: -.- (nicht bewertet)). Das Stück wurde 2011 vom Hause Schwanke angeboten (333. Auktion), Los 135. Angeblich gibt es nur 7 gebrauchte Marken der Michel Nr. 9 und im Text ist vermerkt:

"Das Stück zeigt den typisch "engen" Schnitt, der bei allen bekannt gewordenen sieben gebrauchten Exemplaren auftritt".

Wir haben es hier also mit einer Weltrarität zu tun! Es wäre spannend, zu wissen, welches Resultat das Los erreichte. Wer weiss es?

Heinz
 
merkuria Am: 15.08.2017 23:52:58 Gelesen: 579705# 220 @  
@ Heinz 7 [#219]

Das Ergebnis bei Schwanke war 68'000 Euro!

Gruss
Jacques

https://www.philasearch.com/de/auction_results_table.html?set_anbieter=9255&set_auktion=84
 
Heinz 7 Am: 16.08.2017 12:55:10 Gelesen: 579616# 221 @  
@ merkuria [#220]

Lieber Jacques,

besten Dank für Deine Ergänzung. Wenn ich das richtig sehe, war dies der Zuschlagpreis, zu dem ja wohl noch ca. 20 % (?) Provision kamen. Damit wären wir bei Euro 81'600, also mehr als 80% des Katalogwertes.

Es gibt viele Briefmarkensammler, die rechnen für ihr Sammelgebiet mit 20 % des Katalogpreises, manchmal noch weniger. Es mag für sie interessant sein, dass für einige Gebiete (oder für besondere Raritäten) solches "Kleinrechnen" nicht zum Ziel führt. Man kriegt NICHTS, aber auch GAR NICHTS, wenn man nur so wenig bezahlen will. Viele Sammler zahlen darum gerne 60, 80 oder auch 100 % des Katalogpreises, wenn sie dafür Material ihres Sammelgebietes tatsächlich erhalten.

Das gilt insbesondere für Ganzsachen, die nach wie vor zum Teil lächerlich (unter-) bewertet sind in den Katalogen.

Dass andererseits bei vielen "traditionellen Sammelgebieten" eigentlich eine sehr kräftige Katalog-Korrektur (nach unten!) angezeigt wäre, sei aber auch erwähnt!

Wie gesagt - das Studium des Briefmarkenmarktes ist nicht eine Sache, die "so nebenbei" in kurzer Zeit erledigt werden kann, sondern braucht viel Zeit und Erfahrung.

Liebe Grüsse

Heinz
 
10Parale Am: 16.08.2017 22:47:22 Gelesen: 579529# 222 @  
@ Heinz 7 [#216]

"Ein Schweizer Franken 1960 hat klar mehr Wert als ein Schweizer Franken 2000. Um einen Vergleich anzustellen, können (auch) Zinssätze als Aufrechnung in Betracht gezogen werden. Wie würdest Du vorgehen?"

Die berühmtesten und wertvollsten Briefmarken der Welt, die uns hier in aktuell 222 Beiträgen vorgestellt wurden und mit Spannung erwartet noch vorgestellt werden nehmen bei der Katalog-Bewertung meiner Ansicht nach eine absolute Sonderstellung ein. Eine Berechnung zur Ermittlung eines realen periodischen Wertzuwachses bzw. einer realen Wertminderung nach einem nationalen nichtlinearen LIK (dein genialer Beitrag #217) und nach periodisch schwanken Zinssätzen bis hin zu Minuszinsen in jüngster Zeit macht die Sache sinnvoll. Mein ganzer Respekt vor dieser Leistung!

Im Jahr 1893 gab es 116 Briefmarken und Ganzsachen, die damals mit einem Wert von größer = 400 Reichsmark angesetzt wurden (Quelle: Deutsche Briefmarken Zeitung Ausgabe Juni 1893, Autor: Lindenberg - rezitiert von Müller-Mark in Reflexionen über Philatelie)

Interessant dabei: Die One Penny orange Mauritius und ein ungebrauchter Ganzsachenumschlag von Finnland zu 20 Kop. wurde jeweils mit dem Höchstwert von 5.000 Mark bewertet.

All diese Briefmarken und Ganzsachen (insgesamt sind es 1274 Preise über 60 Mark, die von Lindenberg auf Basis des Senf Kataloges untersucht wurden) könnte man nun ebenfalls mit den kohärenten Algorithmen auf den realen Wert heute umrechnen. Ich überlasse es den Computern!

Interessant ist ebenfalls, dass man sich schon damals, gute 50 Jahre nach Herausgabe der ersten Briefmarke Gedanken über Preisansätze machte. Müller-Mark rezitiert in seinem Buch weiterhin die Gedanken von "Altmeister Lindenberg" - ich erlaube Lindenberg zu zitieren:

"Im Jahr 1863 waren die Preise, die man in Zeitungen und Katalogen anführte, stets Lagerpreise, d.h. man konnte die betreffenden Sachen zu den angeführten Preisen auch tatsächlich kaufen. Heute (1893) dagegen ist die bei weitem größte Mehrzahl aller Preise lediglich nominell, selbst die größten Händler sind nicht in der Lage, das, was sie in ihren Katalogen mit Preisen versehen, stets zu liefern und das Briefmarkensammeln gehört nachgerade immer mehr zu den Sammelgebieten, auf welchen sich eine Vollständigkeit unter keinen Umständen erzielen läßt, auf welchen gewisse Marken absolut aus dem Handelsverkehr verschwinden, und auf welchen es also unmöglich ist, den Wert gewisser Stücke, und sei es auch nur annähernder Schätzwert, festzustellen"


Dieser Text, 1893 verfasst, hat es tatsächlich in sich. Lindenberg hielt es also faktisch nicht für möglich, den Wert seltenster Marken und Ganzsachen auch nur annähernd festzustellen. Seiner Ansicht nach waren diese Raritäten dazu verdammt, vom Handelsverkehr zu verschwinden. War ja auch ein logischer Gedanke und wenn man mal den Geldbeutel des Otto-Normal-Sammlers betrachtet (zu denen auch ich gehöre), sind die Marken aus diesem Thread für uns ja wirklich verschwunden. Allerdings tauchen sie hin und wieder vereinzelt auf Auktionen auf und werden dem Sammlermarkt tatsächlich zum Kauf angeboten. Jedes einzelne Ergebnis solch einer Auktion ist eine wertvolle Information für uns Sammler und führt zum Studium des Briefmarkenmarktes. Ich würde deshalb deine Frage, wie ich vorgehe, folgendermaßen beantworten: ich lasse den Markt sprechen. Ich hoffe nur auch eines Tages den Markt genauer studieren zu können als jetzt.

Noch ein Hinweis zu Österreich Michel Nr. 9, der zinnober Merkur: Michel Online Katalog * 75.000 Euro, gestempelt: 150.000 Euro

Im Jahr 1942 stand er bei Michel auf Rang 1 (in Europa) mit 40.000 Mark.

Liebe Grüße

10Parale
 
Heinz 7 Am: 17.08.2017 12:40:57 Gelesen: 579416# 223 @  
@ 10Parale [#222]

Vielen Dank für die Anerkennung ("genialer Beitrag"). Ich habe mir viele Stunden den Kopf zerbrochen (auch schon in früheren Jahren), welcher Ansatz denn wohl der Beste sei und mir die Daten zusammengesucht, bin aber selber mit dem Ergebnis meiner Studien sehr zufrieden. Ich denke, der Ansatz:

1. Umrechnung des Wertes x in CHF
2. Aufrechnung des Wertes x mit Verzinsungsfaktor p=3 (3 %) für 1900-1999 bzw. p=0.4 (4 %o) für die Jahre 2000-2016 ist einfach und richtig (für die Schweiz).

Ich kenne die Studie von Altmeister Lindenberg sehr gut und habe diese Fleissleistung an anderem Orte auch bereits gewürdigt. Sie zeigt auch tatsächlich Interessantes & Erstaunliches. Trotzdem möchte und kann ich im Moment nicht vertieft darauf eingehen, weil:

a) die Jahre 1890-1905 sind Daten-mässig meines Wissens auf deutlich "dünnerem Eis", als die Jahre danach. Ich wüsste zur Zeit nicht, wie ich die Jahre 1890-1900 bewerten und aufrechnen sollte. Ich habe weder abgesicherte Umrechnungskurse (Fremdwährungen) noch Zinssätze "greifbar"
b) Lindenberg stützte sich bei seinen Arbeiten auf den Senf 1893, die zweite Ausgabe dieses Kataloges! Darin waren noch einige Unsicherheiten MEHR enthalten als im gleichen Katalog 20 Jahre später!

Ein wichtiges Problem ist die Zuteilung von Katalogpreisen für sehr seltene Marken, besonders bei Unikaten. Wie soll diese Marke bewertet werden? Nehmen wir als Beispiel die Marke der 81 Parale mit rotem Stempel (Beitrag [#124]). Diese Marke ist meines Wissens erst dreimal verkauft worden (2 x via Auktion) in den letzten 159 Jahren seit ihrer Herstellung! Wenn nun bei diesen Gelegenheiten der Wettbewerb nicht so heftig war, dann wurde die Marke vielleicht zu günstig verkauft? - Anderes Beispiel: wenn eine Marke EINMAL sehr teuer bezahlt wurde, bei späteren Verkäufen dann aber nur noch (deutlich) weniger einbrachte, sollte dann der Katalogpreis auf das neue Niveau gesenkt werden? - Diffizile Frage! - Viele Kataloghersteller "glätten" die Ergebnisse etwas aus; generelle Aussagen sind aber fast unmöglich.

"Der Markt" ist also grundsätzlich sicher der einzig "legitime" Bewertungsmass-Stab, nur gibt es zeitweise für bestimmte Gebiete über längere Zeitspannen keine (neuen) Marktdaten. Dann ist die Kunst gefragt, trotzdem eine einigermassen gerechte Wertfindung festzulegen. Gewisse Raritätenhändler oder Auktionatoren konnten dies meisterhaft! Sehr oft wurden die "allgemein akzeptierten Wert-Schätzungen" an konkreten Auktionen dann verblüffend gut bestätigt.

Im XX. Jahrhundert hatten die Philatelisten immerhin drei wirklich gute Gelegenheiten, das allgemeine Preisgefüge wieder einmal weltweit zu vergleichen, als die drei gewaltigen weltweiten Sammlungen von Ferrary, Caspary und Burrus versteigert wurden. Seither gab es aber keine solchen gleichzeitigen Anlässe mehr, und wir müssen uns mit mehr Einzelverkäufen ein Gesamtbild bauen (viele Mosaik-Steinchen ergeben auch wieder ein Gesamtbild).

Freundliche Grüsse
Heinz
 
Heinz 7 Am: 17.08.2017 23:08:23 Gelesen: 579339# 224 @  
@ 10Parale [#222]

Lieber Freund,

anhand einer Rarität will ich die Schwierigkeit aufzeigen, einen fairen ("richtigen") Katalogwert zu finden. Nehmen wir dazu die folgende Marke:

Postmeistermarke Mount Lebanon, Louisiana, 5 Cents rotbraun.



Diese Marke ist ein Unikat! Bis heute kennt man nur dieses eine Exemplar (auf Brief).

Die Marke war bereits im XIX. Jahrhundert bekannt, war bei Senf 1912/1913 aber nicht aufgelistet (damals waren nur 70 Marken katalogisiert, Senf 1-61, 63-71. Scott listete 2000 fast doppelt so viele: 137 verschiedene Hauptnummern auf, Scott 1-143, mit 6 Lücken).

Der legendäre Sammler Ferrary besass auch diese Marke! Sie wurde am 14.6.1922 angeboten, vermutlich das allererste Mal. Es war die 4. Ferrary-Auktion, Los 50. Ohne Startpreis, ohne Schätzpreis.

Die Marke (bzw. der Brief) wurde zu Francs 13'500 verkauft, dazu kamen 17.5 % Zuschlag = FRF 15'862.50. Ich kenne den genauen Umrechnungskurs vom 14.6.1922 nicht (FRF in CHF), darum behelfe ich mir mit der Angabe (gemäss Resultatliste): 1 GB£ = 50.90 FRF und erhalte also als Resultat = GB£ 311,64. (Die Umrechnung von 0,64 GB£ in Shilling und Pence erspare ich mir). Im Juni 1922 war der Kurs des GB£ zu Schweizer Franken 1 GB£ = CHF 23.355. Damit errechnen wir einen Wert von CHF 7278.36. Bis 31.12.1922 erhöhte sich der Betrag um CHF 118.88 (Verzinsung um 3 %, 196 Tage). Damit ergibt sich ein "theoretisch richtiger" Katalogwert von CHF 7'397 Ende 1922. So weit, so gut. Per Ende 1999 wären dann daraus CHF 72'031 geworden.

Erst 34 Jahre später wurde der Brief wieder verkauft (3. Caspary-Auktion, Los 287). Der Katalogwert betrug damals offenbar US$ 3'500 (Scott No. 60 X 1). Der Brief wurde immerhin zu US$ 5'500 verkauft. Die Auktionsfirma (H.R. Harmer, New York) verlangte damals kein Aufgeld zum Zuschlagpreis.

Machen wir unsere Rechnung aufs Neue. Ein US$ galt im März 1956 CHF 4.285. Daraus errechnen wir einen Kaufpreis von CHF 23567.50. 6.3.1956 bis 31.12.1956 ergab dies Zinsen von CHF 577.40, Ende 1956 war der Brief theoretisch also CHF 24'145 wert. Hochgerechnet auf Ende 1999 erhalten wir einen theoretischen Katalogwert von CHF 86'065.

Im LIFE-Artikel war der Brief übrigens erwähnt, und mit US$ 5'000 bewertet (1954), erstaunlich nahe am tatsächlichen Verkaufspreis rund 2 Jahre später.

Erst 43 Jahre später, am 28.9.1999 kam die Sammlung Kilbourne zum Verkauf, bei R.A. Siegel (Sale 815). Das Los erzielte einen horrenden Preis von US$ 350'000 + 10 % = US$ 385'000 und löste so meines Wissens den berühmten "Livingston"-Brief als teuerste Einheit aller Zeiten der Konföderierten Staaten ab. Im Scott Katalog "2000" war der Brief damals noch mit US$ 100'000 katalogisiert; die Kilbourne-Auktion war nach dem Redaktionsschluss dieses Kataloges.

Der US$ war damals bewertet mit 1 US$ = CHF 1.5246, daraus errechnen wir einen Kaufpreis von CHF 586'971 (per 28.9.1999). CHF 4'500 rechnen wir dazu (bis 31.12.) und erhalten so CHF 591'471.

Dieser dritte bekannte, echte Markt-Wert liegt also viel höher als derjenige von 1922 oder 1956!

1922: CHF 72'031
1956: CHF 86'065
1999: CHF 591'471 (alle Werte aufgerechnet per 31.12.1999)

Am 19.11.2009 wurde dieser Brief wieder verkauft (Spink Shreves New York). Der Erlös war "nur" US$ 220'000 + 15 % Aufgeld (20 % für die ersten US$ 2000) = US$ 253'100 (nach meiner Berechnung). Der US$ hatte nochmals kräftig an Wert verloren (1 US$ = CHF 1.0123). Wir errechnen also einen Kaufpreis von CHF 256'213 (November 2009), das sind nur noch 43.3 % des Preises 10 Jahre früher.

Welcher Katalogwert war also korrekt von 1900 bis heute? Die US$ 100'000 im Scott 2000 schienen vielleicht eher hoch, wurden dann aber nahezu Makulatur, spielten beim Verkauf der Sammlung Kilbourne keine Rolle mehr.

Wir haben meines Wissens in 110 Jahren nur 4 x einen Marktwert feststellen können.

Freundliche Grüsse
Heinz
 
Heinz 7 Am: 18.08.2017 14:37:26 Gelesen: 579293# 225 @  
@ 10Parale [#222]

150'000 Euro! Und das für eine einzelne, lose (gestempelte) Briefmarke! Das ist schon eine "Hausnummer"! Gut möglich, dass damit die Frage nach "EUROPA's Teuersten" entschieden ist! Zumindest, was die aktuelle Einschätzung der Michel-Redaktion betrifft.

Der "Streit", wer denn Europa's Teuerste ist, tobt schon während Generationen und wird NICHT einheitlich gesehen!

Anfangs XX. Jahrhundert schien die Sache klar zu sein; Schubert und Haas setzten Rumäniens 81-Parale Marke zuoberst auf die Liste (siehe Beitrag [#124] und [#169].

Später entwickelten sich andere alte Europäer im Wert stärker, sodass der in Beitrag 219-221 gezeigte "Merkur zinnoberrot" plötzlich die Nase vorn hatte, oder auch andere, auf die ich später noch eingehen werde.

Anfangs des XX. Jahrhunderts wurden die Farbfehldrucke noch nicht sooo gewaltig hoch bewertet, wie es später der Fall war. Nimmt man diese Farbfehldrucke bei der "Europa-Wahl" hinzu, wird man kaum um die Baden 9 Kreuzer grün (siehe Beitrag [#5], [#159] + [#152]) oder den Schweden 3 Skilling-gelb-Fehldruck (siehe Beitrag 173) herumkommen. Aber es gibt noch weitere, sehr interessante und sehr seltene Fehldrucke, die wir bisher noch nicht besprochen haben.

Wir haben also noch einen weiten Weg vor uns, und sind immer noch dabei, uns zuerst ein "Grundwissen" anzueignen.

Lektion 1: Teuerste reguläre Marken Europas und der Welt (im Laufe der Zeit, seit 1900 - heute)
Lektion 2: Teuerste Abarten Europas und der Welt
Lektion 3: zusätzlich: Teuerste Einheiten Europas und der Welt (z.B. Viererblocks oder Paare, insbesondere Kehrdruck-Paare)
Lektion 4: zusätzlich: Teuerste Briefe Europas und der Welt
Lektionen 5 ff: zusätzlich: Teure Spezialitäten: Ersttag-Briefe, seltene Stempel, Destinationen, Frankatur-Kombinationen....

Für einen Abschluss als "Bachelor der Philatelie" müssen wir mindestens die ersten beiden Lektionen noch fertig studieren. Wer dann noch weiterlesen mag, der schafft es dann vielleicht auch zum "Master"?

All diejenigen, denen es jetzt schon schwindelig ist vor den vielen grossen Zahlen, sei folgende Erkenntnis in Erinnerung gerufen.

DIE TEUERSTE BRIEFMARKE DER WELT WAR UND IST DIE BRITISH GUIANA, 1856, ONE CENT (siehe Beitrag 2, 7-9, 14-16, 149).
DIE DREI BESTEN BRIEFE sind (meines Erachtens)

Mauritius, Post-Office-Buntfrankatur (Beitrag 164+165)
Hawaii, Dawson Brief, Bunt- und Misch-Frankatur der 1. Ausgabe (Beitrag 161+162, 167+168)
Rumänien, Bunt-Frankatur 1. Ausgabe, inkl. 81 Parale-Wert (Beitrag 169)

Mit diesem Wissen werden Sie schon den schönsten Small-Talk über Briefmarken mit Bravour bestehen! Würzen Sie das Ganze mit Erfahrungen zum eigenen Sammelgebiet, und sie können ganze Abende füllen mit interessanten Gesprächen.

Viel Vergnügen wünscht

Heinz
 
Heinz 7 Am: 19.08.2017 18:23:47 Gelesen: 579236# 226 @  
@ BD [#2]

Ich möchte bei unserem Streifzug durch die teuersten Marken nach der Liste Schubert eine weitere Marke vorstellen, die 1912 und 1913 mit 2000 Mark klassiert war (im Katalog Senf) und damit immerhin Platz 24 aller Marken weltweit erreichte, zusammen mit 5 anderen Marken. Ich gebe gerne zu, dass ich die Marke aus den USA nicht wirklich kannte.

Ich habe vor mehr als 25 Jahren eine ähnliche Studie (Wertvergleich der teuersten Marken weltweit über die Jahre) schon einmal gemacht, mich dabei aber auf die Liste Haas 1905 abgestützt (vgl Beitrag [#149]), nicht auf die Liste Schubert 1913. Die 50 bestplatzierten bei Haas kenne ich alle, die meisten ziemlich genau. Die Schubert Nr. 24.6 aber ist bei Haas nicht gelistet und ist mir in den letzten 20 Jahren nie speziell aufgefallen. Darum musste ich mich nun selber auf die Suche begeben.

Ich denke, ich habe die Marke gefunden! Sie sieht jedenfalls so aus, wie Abb. 8 in Beitrag [#2].



Ich werde noch nachprüfen, ob Senf 1913 noch mehr sagt zu dieser Marke (vielleicht meint Senf ja doch eine andere Marke, z.B. in einer anderen Farbe?). Bis auf Weiteres nehme ich aber an, es handelt sich bei dem gefunden Stück um die gesuchte Nr. 24.6 gemäss Liste Schubert.

Anbei die Losbeschreibung: Siegel-Auktion 1125 vom 5.5.2016, Los 838:
"(1c) Dull Blue, Franklin Carrier (LO1). Large margins to clear, detailed impression, trace of letters from a red cancel at bottom right and top right, few thin spots".

Die ungebraucht wirkende Marke trägt offenbar leichte Spuren eines Stempels und wird darum gelistet als "gestempelt". Das ist die teurere Variante (siehe Schubert).

Der Preis 2016 ist nun aber eine Riesenenttäuschung für einen Sammler von 1913: Katalogwert 2016 nur US$ 8'000, und Price realized nur US$ 1800 plus Aufgeld.

Damit hat diese Marke dramatisch an Wert verloren in den letzten 100 Jahren. Vielleicht wurden davon grössere Bestände nach 1913 gefunden? Ich weiss nicht, wie häufig diese Marke heute ist (wie viele Stücke sind bekannt?). An der besagten Auktion kamen nämlich offenbar gleich 5 verschiedene Exemplare dieser Marke zum Verkauf: 4 gestempelt, 1 ungebraucht. Die Resultate der anderen Lose waren aber auch nicht erheblich anders: Los 839: $ 2300, Los 840: $ 1900, Los 841: $ 3500, Los 842: $ 2300.

Dies wäre dann wohl die Marke, die am meisten an Wert eingebüsst hat seit 1912, seit wir unsere Studie hier ausbreiten.

Freundliche Grüsse
Heinz
 
LK Am: 19.08.2017 20:22:44 Gelesen: 579220# 227 @  
@ Heinz 7 [#226]

Hallo Heinz,

erstmal ein Lob für dein Engagement.

Bei dieser Marke irrst du leider.

Die abgebildete Marke ist nicht die aus der Liste von Schubert.

Dieser meint die Nr. 1 , 1 Cent orangebraun von der bis heute nur 3 gestempelte Stücke existieren.

Die Marke wurde umgehend zurückgezogen, da sie starke Ähnlichkeit in Druck und Farbe mit Mi 4 der Unionsausgaben hatte.

Die von dir gezeigte Marke ist die Nr. 2 in Farbänderung 1 Cent dunkelblau, und die ist nicht wirklich selten ( Auflage über 300.000 )

Derzeit wird die Nr. 2 (*) mit 5000 €, * mit 8000€ und gestempelt mit 5000 € bewertet.

Entsprechend sind die Auktionserlöse von Siegel nicht ungewöhnlich, ich habe für mein ungebrauchtes Exemplar mit Attest Jakubek nur DM 1200 ( 1989 ) gezahlt.

Zudem ist die Marke mit Vorsicht zu betrachten, da am 2.4.1875 ein ungezähnter Neudruck aufgelegt wurde der nur 50 € wertet.

Dieser unterscheidet sich nicht im Druck, sonder nur in der Papierfarbe Orginal auf lilarosa, ND auf rosa.

Bei der von mir gezeigten Marke soll es sich um ein Essay der sehr seltenen Nr. 1 handeln ( Quelle Kelleher Auktion USA )



Beste Grüße

LK
 
Heinz 7 Am: 20.08.2017 16:07:24 Gelesen: 579118# 228 @  
@ LK [#227]

Hallo LK,

Du hast natürlich recht! Zum Glück habe ich vorsichtig geschrieben, dass ich mir nicht sicher sei, ob die gezeigte Marke wirklich die "teure" sei, gemäss Schubert (Senf) Nr. 03 I (gestempelt). Im Katalog "Senf 1913" habe ich heute nachsehen können; da steht als Farbe der Marke "braunrot". Die in Beitrag [#226] gezeigte Marke in Farbe blau (Senf Vereinigte Staaten Nr. 3) war nur mit Mark 200 bewertet, nicht mit Mark 2000!

Ich war gestern den ganzen Tag unterwegs und hatte keinen Zugriff auf meine Kataloge und übrige Literatur.

Im Katalog "Michel; Valuable Tsamps of the World / Wertvolle Briefmarken aus aller Welt" von 2010 finde ich die Carrier-Marke der USA nicht.

Im Katalog: "Scott; 2000; Classic Specialized Catalogue of stamps & covers 1849-1940" folgen die Carriers' stamps im hinteren Teil der USA-Sektion. Die Franklin Marke in blau wird breit aufgelistet (Seite 27), aber keine Marke mit gleicher Zeichnung braunrot! Das wundert mich.

Wo ist denn diese alte Senf Nr. 03 I (braunrot) katalogisiert? Ich suche weiter.

Heinz
 
Heinz 7 Am: 20.08.2017 17:42:05 Gelesen: 579098# 229 @  
@ LK [#227]

Deine Information ist sehr interessant:

"Dieser meint die Nr. 1 = 1 Cent orangebraun von der bis heute nur 3 gestempelte Stücke existieren.

Die Marke wurde umgehend zurückgezogen, da sie starke Ähnlichkeit in Druck und Farbe mit Mi 4 der Unionsausgaben hatte."

Woher hast Du diese Information? Wie ist die Scott Nr. der alten Senf 03 I braunrot?

Caspary hatte sicherlich eine der besten US-Sammlung mit "Carriers and Locals" aller Zeiten (wenn nicht gar "die beste"). Der Auktionskatalog 1957 ("Carriers and Locals", H.R.Harmer Inc., New York, sales 1069, 1070, 1071, 1072) umfasste 1046 Lose! Doch auch hier kann ich keine braunrote Franklin-Marke gestempelt finden! Los 1 und 2 waren zwei ähnliche Lose, ein Einzelstück und ein Sechserblock, aber ungestempelt:



Katalog-Beschreibung: "1 c orange on wove paper, trial color plate proof (L01aTC4), in horiz. block of 6. Excellent color (...). Unlisted as block and believed to be the only one in existence."

Das Resultat dafür reisst uns jetzt nicht von den Stühlen, nur US$ 170 ist als price realized vermerkt.

Derselbe Block kam 42 Jahre später wieder zum Verkauf: Siegel sale 817: "the David Golden collection of United States Carriers & Locals". Aus diesem Auktionskatalog stammt auch das obige Foto mit der Losbeschreibung (Los 10):

"(1c) Franklin Carrier, Orange Trial Color Plate Proof on Wove (LO1TC4a). Positions 12-14/22-24, block of six, large margins to just in at left, folded horizontally between top and bottom rows, slight bend thru bottom row

FRESH AND VERY FINE APPEARANCE. THE LARGEST RECORDED MULTIPLE OF THE RARE ORANGE TRIAL COLOR PROOF.

Ex Worthington, Caspary and Middendorf".

Wenn die Marke Senf 03 I (1913) als "Trial Color Plate Proof" identifiziert wurde, dann verstehe ich, dass der "proof" in den Standard-Katalogen nicht aufgeführt wurde. (Er hätte dann wohl auch nicht in den Senf 1913 gehört, meine ich). Dann ist aber erstaunlich, dass es von dem "Ding" drei GESTEMPELTE Exemplare geben soll. Proofs kamen nicht zur Ausgabe, sollten also gestempelt auch nicht vorkommen.

Schwierig - wer weiss mehr?

Übrigens auch bei Siegel erreichte dieser Sechserblock kein sehr hohes Ergebnis: US$ 3'000 war offenbar der Zuschlagspreis.

Heinz
 
BD Am: 20.08.2017 17:56:56 Gelesen: 579088# 230 @  
Hallo Heinz,

anbei Auszug Michel-Spezial USA 1992.

Beste Grüße Bernd


 
LK Am: 20.08.2017 18:31:45 Gelesen: 579075# 231 @  
@ Heinz 7 [#229]

Hallo,

BD hat die Quelle in seinem Posting schon genannt.

Die Orginale dieser Marke sind bis heute nur in 3 gestempelten Exemplaren bekannt.

Eines davon soll sich im Nationalen Postmuseum in Washington DC befinden, auch die anderen 2 sind in den letzten Jahrzehnten nicht gehandelt worden.

Auch von dieser Marke gibt es Neudrucke die von abgeschliffener Platte hergestellt wurden, und dazu zähle ich auch den von dir gezeigten 6er Block.

Dieser präsentiert sich im Gegensatz zu deiner gezeigten Nr. 2 im verschwommenen Druck auf weißem Papier, Orginal bräunlichweiß im sauberen Stichtiefdruck.

Vergleich bitte mal nur die Ornamente und das Mittelstück, (ohne Schraffur) die Nr.2 wurde von der gleichen Platte gedruckt, nur in Farbänderung.

Der erzielte Auktionserlös sagt eigentlich schon alles aus.

In jeder besseren USA Sammlung befindet sich solch ein Neudruck. Über die Auflage ist nichts bekannt.

Beste Grüße

LK
 

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