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Thema: Deutsches Reich 909-910 mit NS-Symbolen - Strafbefehl der StA Krefeld
Richard Am: 19.12.2023 09:08:17 Gelesen: 2499# 1 @  
Der Handel mit Briefmarken oder Münzen aus der Zeit von 1933 bis 1945

Wenn der Steuerzahler ins Portemonnaie greifen muss, weil der Gaul mit der Staatsgewalt durchgeht – eine wahre Geschichte

Dieter Mertens



Wer kennt sie nicht, die Marken des Deutschen Reiches mit den MICHEL-Nummern 909 und 910. Sie werden unter anderem bei eBay regelmäßig mit mehr oder weniger unkenntlich gemachten nationalsozialistischen Zeichen angeboten. Nachstehende Abbildung zeigt die Marken (mit einem für die Ausgabe typischen Falschstempel):



Derartige Zeichen sind auf zahlreichen Briefmarken und Münzen aus der Zeit des Dritten Reiches zu finden, aber auch auf ungezählten Poststempeln aus dieser Epoche der deutschen Geschichte.

Aus nicht wirklich nachvollziehbaren Gründen hält die Handelsplattform eBay an ihrer Vorgabe fest, wonach derartige Symbole in Angeboten abzudecken sind. Dabei handelt es sich jedoch um eine rein privatwirtschaftliche Norm, die strafrechtlich ohne jede Bedeutung ist.

Ein Verbandsmitglied hatte es in einem eBay-Angebot der oben gezeigten Marken versäumt, die NS-Zeichen unkenntlich zu machen und sah sich im Juli 2023 mit dem nachfolgend abgebildeten Strafbefehl konfrontiert:



Mit Unterstützung des APHV hat der Betroffene die Rechtsanwaltskanzlei Diesel | Schmitt | Ammer in Trier damit beauftragt, gegen den Strafbefehl vorzugehen.

Am 21.7.2023 wurde fristwahrend Rechtsmittel eingelegt.

Die Einsichtnahme in die Strafakte brachte keine besonderen Erkenntnisse. Auf dem „ Tatblatt“ sind unter der Rubrik „Anzeigenerstattung durch:“ keine Eintragungen.

Der behördlich betriebene Aufwand zur Verfolgung der vermeintlichen Straftat ist allerdings bemerkenswert. Mit der Sache waren auf Kosten des Steuerzahlers unter anderem befasst:

Verkehrspolizeiinspektion Fürth
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth, Staatsschutz
Kriminalpolizeiinspektion Fürth, K 5
Staatsanwaltschaft Krefeld (1)
Polizeipräsidentin Krefeld, Abteilung Staatsschutz
Polizei Nordrhein-Westfalen, Krefeld
Staatsanwaltschaft Krefeld (2)
Amtsgericht Krefeld


Von großem Engagement zeugen einige Einlassungen des Polizeioberkommissars, der die Sache bei der Verkehrspolizeiinspektion Fürth bearbeitet hat. Die beiden Briefmarken und die darauf erkennbaren nationalsozialistischen Zeichen hat der Polizeioberkommissar auf mehr als einer DIN A4 Seite detailliert beschrieben. Zudem stellt er die Schuld des Verkäufers fest. Die Feststellung einer Schuld ist nach deutschem Recht einem Richter vorbehalten. In den Ausführungen des Kommissars sind die nachfolgend wörtlich zitierten Passagen zu lesen:

Unabhängig von der politischen Motivation des Anbieters erfüllt er somit den Tatbestand des § 86a StGB, da er keinen sozialadäquaten Grund für die Darbietung vorweisen kann.

Die Verbreitung und Verwendung zum Zwecke des Verkaufs stellt nämlich ein kommerzielles Gewinnstreben dar und dient nicht der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder zu ähnlichen humanistisch gearteten Betätigungen. Sie dient allein der kommerziellen Gewinnerzielung.

Damit scheidet die Sozialadäquanzklausel aus. Eine geringe Schuld ist bei einem Gewinnstreben nicht zu erkennen.

Allerdings kann hier ggf. lediglich von bedingtem Vorsatz ausgegangen werden. Unter Angebotsnummer 285090191747 wurde z.B. das auf den Briefmarken befindliche Hakenkreuz jeweils komplett abgedeckt. Der Tatverdächtige wusste also durchaus um seine Pflichten und kam diesen z.T. auch nach. Zu den sichtbaren NS-Symbolen kam es demnach vermutlich aufgrund mangelnder Sorgfalt.


Eine rationale Betrachtung des Sachverhalts ruft bei Briefmarkensammlern oder unbeteiligten und redlichen Normalbürgern ungläubiges Kopfschütteln hervor.

Mit Schreiben vom 28.8.2023 hat Rechtsanwalt Dr. Frank Tenbrock, Sachbearbeiter in der Kanzlei Diesel | Schmitt | Ammer in Trier, den Einspruch gegen den Strafbefehl wie folgt begründet.

Unser Mandant hat sich unter keinem Gesichtspunkt strafbar verhalten. Der Beschuldigte ist ein seit Jahrzehnten angesehener Berufs-Philatelist. Er ist Mitglied des renommierten und seit März 1949 bestehenden Bundesverband des Deutschen Briefmarkenhandels APHV e.V., Universitätsstraße 5 in 50937 Köln, an. Der APHV zählt zu den wenigen Berufsverbänden, denen das Bundesamt der Justiz die förmliche Genehmigung erteilt hat, im Wettbewerb unzulässige geschäftliche Handlungen im eigenen Namen auch gerichtlich zu verfolgen.

Die hier verfahrensgegenständlichen und von unserem Mandanten angebotenen Briefmarken sind dagegen Zeitzeugnisse, die seit jeher erlaubterweise am antiquarischen und philatelistischen Handel teilnehmen. Die hier angesprochenen aber auch andere Briefmarken aus der Zeit von 1932 bis 1945 werden deshalb seit vielen Jahrzehnten unbeanstandet in allen Briefmarkenkatalogen, Auktionskatalogen und über Handelsplattformen abgebildet und angeboten. Abdeckungen nationalsozialistischer Zeichen werden hierbei ausschließlich von der amerikanisch geprägten Handelsplattform eBay gefordert. Eine rechtliche Grundlage hierfür besteht jedoch nicht, insbesondere nicht im deutschen Strafrecht.

Die ganz herrschende Auffassung weist insoweit zutreffend darauf hin, dass in die Vorschrift des § 86a Abs. 1 StGB eine Tatbestandsbegrenzung hineingelesen werden muss. Im Wege der teleologischen Reduktion ist der Anwendungsbereich der Vorschrift tatbestandlich auf solche Handlungen begrenzt, die nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sind, bei objektiven Beobachtern den Eindruck einer Identifikation des Handelnden mit den Zielen der verbotenen Organisation zu erwecken (vgl. Fischer, StGB, § 86a Rdn. 18 ff). Als Anlage 1 überreichen wir die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft Bonn vom 19.12.2017 im Ermittlungsverfahren zu Az. 555 Js 423/17 P gegen einen Bonner Münzen- und Briefmarkenhändler. Den zutreffenden Gründen dieser Einstellungsverfügung schließen wir uns vollinhaltlich an.

Eine solche (erforderliche) Identifikation ist bei unserem Mandanten weder gegeben, noch kommt sie in irgendeiner Weise zum Ausdruck. Unser Mandant vertreibt Briefmarken aus zahlreichen Epochen, so eben auch solche aus der Zeit des sogenannten Dritten Reiches. Die Annahme einer Identifikation mit irgendwelchen auf Briefmarken dargestellten Symbolen aus dieser Zeit ist lebensfremd. Es wäre ebenso absurd, Briefmarken aus dieser Zeit aus dem Angebot herauszunehmen, obwohl diese seit vielen Jahrzehnten in Katalogen oder Vordruckalben aufgeführt und abgebildet sind.

Ausgenommen vom Tatbestand des § 86a Abs. 1 StGB sind richtigerweise solche Handlungen, die dem Schutzzweck der Norm erkennbar nicht zuwider-laufen. Hierzu hat z.B. das Landgericht Koblenz (Koblenz, StV 09, 90 L) zu-treffend entschieden, dass ein Verkaufsangebot für Reichsmarkmünzen mit Hakenkreuzabbildungen im Internet nicht tatbestandsmäßig ist.

Das hier vorliegende Angebot von historischen Original-Briefmarken, die zu-dem im anerkannten MICHEL-Katalog beschrieben und bewertet sind, ist des-halb bereits aus Gründen der Tatbestandsbegrenzung des § 86a Abs. 1 StGB straflos.

Darüber hinaus greift zugunsten unseres Mandanten die Sozialadäquanzklausel gemäß § 86a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 4 StGB ein. Als „ähnliche Zwecke“ im Sinne dieser Vorschrift sind z. B. anzusehen

• der antiquarische Handel mit Büchern (BGHZ 29, 84);
• das Ausstellen eines Schmuckstücks in Hakenkreuzform (Celle NStZ 81, 221);
• das Ausstellen von NS-Militaria im Rahmen einer Versteigerung mit „seriösen Kunden“ (BGH 31, 384 und
• das Briefmarkensammeln (vergl. Fischer, a. a. O., Rdn. 22 mit Nach-weisen).

Auch nach dem Inhalt der sog. Sozialadäquanzklausel sind die Angebote unseres Mandanten danach erlaubt. Wir verweisen zudem auf die vom Bundesamt für Verfassungsschutz herausgegebene 86-seitige Informationsschrift – Stand September 2022 – die unter der URL

https://www.verfassungsschutz.de/SharedDocs/publikationen/DE/rechtsextremismus/2022-02-rechtsextremismus-symbole-zeichen-organisationen.pdf?__blob=publicationFile&v=2

abrufbar ist. Dort verweisen wir insbesondere auf die Ausführungen auf Seite 18 der Schrift.

Aus der Begründung im Verfahren 2 Qs 87/08, 30 Gs 2.747/08 – AG Koblenz, 2090 Js 18.639/08 zitieren wir wie folgt:

„Die seitens des Beschwerdeführers geschaltete eBay-Anzeige diente ersichtlich dem Zweck, die zu verkaufenden Münzen einem weiten Personenkreis anzubieten und dadurch einen höchstmöglichen Verkaufserlös zu erzielen. Diesem Zweck lässt sich auch die Bildbeigabe ohne weiteres zu- bzw. unter-ordnen. Zum einen werden Angebote im Internet, die mit einer Abbildung des zu verkaufenden Artikels versehen sind, nach der allgemeinen Lebenserfahrung häufiger aufgerufen und damit einem größeren Publikum zugänglich gemacht. Zum anderen kommt es gerade beim Verkauf von Münzen, aber auch Briefmarken, auf eine detaillierte Abbildung an, da sich zahlreiche Kaufinteressenten, namentlich Sammler, in erster Linie über den genauen Zustand des Artikels informieren wollen, um dessen Echtheit und Wert einschätzen zu können."

Bei Münzen und Briefmarken, auch solchen aus der Zeit des Dritten Reiches, handelt es sich um Sammlerobjekte mit historischem Wert. Das Sammeln dieser Münzen und/oder Briefmarken ist, ebenso wenig wie deren Erwerb und Besitz, strafbar, sondern stellt eine allgemein gebilligte und sozial adäquate Verhaltensweise dar (vgl. für das Sammeln von Briefmarken aus der Zeit des „Dritten Reiches“: Bonefeld, DRiZ 1993, 430 <435>; Lüttger, GA 1960, 129 <144>; Wilhelm, DRiZ 1994, 339 <340>). Münzen und Briefmarken aus der Zeit des Dritten Reiches finden sich wegen ihrer starken Verbreitung als zur damaligen Zeit allgemein gebräuchliche staatliche Wertgarantien noch heute in zahlreichen Haushalten. Auch der Handel mit diesen, heute historischen Sammlerwert besitzenden Gegenständen ist nicht strafbar und bewegt sich im Rahmen der – grundrechtlich geschützten – Handlungs- bzw. Unternehmerfreiheit.

Wir weisen darauf hin, dass das gegen unseren Mandanten eingeleitete Verfahren mittelbar die gesamte Berufs-Philatelie mit ihren begleitenden Leistungserbringern (z.B. Verlage) in Frage stellt.

Die Angelegenheit muss deshalb grundsätzlich entschieden werden.


Im Rechtsmittelverfahren hatte das Amtsgericht Krefeld zunächst für den 12.1.2024 einen Termin zur Hauptverhandlung anberaumt. Offenbar hat sich irgendwann dann doch ein Richter mit dem Sachverhalt befasst und dem Treiben ein Ende bereitet.

Mit Schreiben vom 25.9.2023 teilte das Amtsgericht Krefeld nämlich mit, der Termin sei aufgehoben. „Grund der Aufhebung: Rücknahme der Anklage.“

Aus diesem „Grund“ gibt es deshalb leider keine konkret begründete Entscheidung in der Angelegenheit.

Resümierend kann man Verbandsmitgliedern [des APHV] nur dringend raten, sich zur Wehr zu setzen, wenn man mit derartigen Vorgängen konfrontiert wird. Auf gar keinen Fall sollten irgendwelche Kompromisse eingegangen werden.


Äußerst fraglich erscheinen in dem Zusammenhang häufig anzutreffende Haftungs-freizeichnungsklauseln (neudeutsch: „Disclaimer“) wie beispielsweise solche Formulierungen wie nachstehend zitiert:

"Ich versichere, dass die von mir angebotenen zeitgeschichtlichen und militärhistorischen Gegenstände aus der Zeit von 1933 bis 1945 nur zu Zwecken der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger und verfassungsfeindlicher Bestrebungen, der wissenschaftlichen und kunsthistorischen Forschung, der Aufklärung oder Berichterstattung über die Vorgänge des Zeitgeschehens oder der militärhistorischen Forschung angeboten werden, gem. Paragraph 86 und 86a StGB.

NS-Symbole auf Briefmarken und sonstige Objekte aus der Zeit des Nationalsozialismus werden von mir nur unter der Maßgabe des § 86 / 86a STGB ab-gegeben und dürfen nur für historisch-wissenschaftliche Zwecke genutzt wer-den. Hierzu verpflichtet sich der Käufer.“


Derartige Klauseln sind in aller Regel nutzlos und können im schlechtesten Fall sogar erst eine Haftung begründen, die zuvor gar nicht bestand. Dem deutschen Recht ist die Möglichkeit einer pauschalen Distanzierung von jeglicher Verantwortung für die eigenen Taten fremd. Wer also in einem Angebot den Nationalsozialismus verherrlicht, dem nützt auch eine noch so ausgefuchst formulierte Freizeichnungsklausel nichts. Für rechtswidrige Handlungen ist jeder grundsätzlich gemäß den allgemeinen Rechtsnormen verantwortlich – mit oder ohne Disclaimer.

Im Übrigen scheinen solche Klauseln eine Eigendynamik entwickelt zu haben. Beim Erstellen einschlägiger Angebote erinnert man sich, schon „mal etwas“ gelesen zu haben. Google führt dann zu der gewünschten Formulierung und schon findet sie sich in den eigenen Angeboten wieder. Hier gilt der alte Satz: „Weniger ist mehr.“
 
Richard Am: 26.03.2024 09:53:42 Gelesen: 394# 2 @  
Ermittlung wegen des Verkaufs einer Briefmarke aus dem Deutschen Reich

Es ist kaum zu glauben, im Internet, auf ebay, bei Auktionsfirmen und Händlern im ganzen Land und nicht zuletzt in der PPA-Auktion werden weiterhin nahezu jeden Tag Briefmarken des Deutschen Reichs mit Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, wie der SS-Rune, gezeigt. Nur wenige Millimeter hoch und kaum zu sehen aber immerhin so schwerwiegend, weitere Ermittlungsverfahren in Gang zu setzen.



Abart Deutsches Reich 910 II "heller Kragenspiegel" (Feld 3, Teilauflage), links neben dem hellen Bereich die SS-Rune / Zitat aus Michel Spezial 2023, Seite 484

Hat sich denn noch nicht herumgesprochen, dass bis zu acht Behörden mit der Ermittlung strafbarer Handlungen (wie dem Verkauf einer Briefmarke) beschäftigt sind und zahlreiche Mitarbeiter deren Ressourcen "verschwenden" ?



Es muss damit gerechnet werden, dass weitere bundesweite Ermittlungsverfahren eingeleitet werden.

Wir bitten alle, die hier mitlesen, uns über solche Ermittlungen zu informieren.

Wer anderswo oder hier in der hauseigenen und kostenfreien PPA-Auktion Lose aus dem Deutschen Reich anbieten möchte, kann und soll dies OHNE jede Abdeckung von was auch immer tun. Wie Dieter Mertens im Beitrag [#1] geschrieben hat, dürften alle Ermittlungen der Behörden erfolglos im Sande verlaufen.

Schöne Grüsse, Richard
 
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