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Thema: Kunstbeirat - notwendig oder überflüssig ?
- Am: 01.09.2007 19:52:54 Gelesen: 10866# 1 @  
In Deutschland entscheidet bekanntlich der sogenannte "Kunstbeirat" über die Gestaltung der Briefmarken.

Ich halt dieses Gremium für überflüssig, ja sogar für unnütz. Es ist ein Wunder, dass trotz des Kunstbeirates gelegentlich deutsche Marken international gefallen. Marken sind klein, sie müssen also so gestaltet sein, dass der Betrachter den Ausgabeanlass erkennen kann.

Schauen wir uns also neue deutsche Marken an:

- Wisenschaftsrat, ein Thema das graphisch sicherlich sehr schwer zu gestalten ist. Was wird uns geliefert? Eine Marke, mit der niemand etwas anfangen kann. In der unteren Bildhälfte undefinierbare bunte Bildchen, rechts oben unter der Wertangabe gelbe Pünktchen und der Text "50 Jahre Wissenschaftsrat".

- Werkbund, auch kein gegenständliche Motiv. Gezeigt werden aufgeschichtete Platten mit dem Text: Werkbund, die Form. Beim ersten flüchtigen Betrachten, glaubte ich, daß es sich um aufgestapelte Bücher handelt würde.

- Freiherr vom und zum Stein: eine Person. Und was wird daraus gemacht? Man kann schon mal froh sein, daß keine der in Deutschland sonst üblichen Steckbrief-Portraitmarken gewählt wurde. Aber die gezeigte Lösung ist genauso Murks! Wenn man die jetzige Marke sich im Hochformat vorstellt, wo rechts und links die überflüssigen Flächen neben der Medaille abgeschnitten worden wären, wäre es eine gelungene Marke geworden.

Also, weg mit dem Kunstbeirat!
 


Richard Am: 02.09.2007 21:23:33 Gelesen: 10851# 2 @  
Wer ist der Vorsitzende des Kunstbeirats ? Ich habe bei Wiki nachgefragt und den bis 1997 in dieser Funktion tätigen gefunden:

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Karl Oskar Blase (* 24. März 1925 in Köln; lebt in Kassel) ist ein bedeutender deutscher Grafiker und Hochschullehrer. Er ist bekannt für seine zahlreichen Entwürfe von Briefmarken, Postern, Signets und Kataloggestaltungen.

Leben und Werk

Karl Oskar Blase studierte Grafik und Malerei in Wuppertal. Im Jahr 1950 gründete er zusammen mit Felix Müller das Atelier müller-blase. Von 1952 bis 1958 war Blase Leiter des Ateliers für die Ausstellungen der Amerikahäuser in Deutschland. Blase ist seit 1952 Mitglied des Deutschen Werkbundes. Im selben Jahr hatte er seine erste Einzelausstellung im städtischen Museum Morsbroich in Leverkusen. Er war als Gestalter zahlreicher prämierter Plakate tätig, zum Beispiel für den Atlas-Filmverleih.

Von 1957 bis 1968 entwarf das Atelier müller-blase das Layout für die Zeitschrift „form - Zeitschrift für Gestaltung", die 1957 vom Direktor der Kasseler Werkkunstschule Jupp Ernst, den Museumsdirektoren Willem Sandberg und Curt Schweicher sowie Wilhelm Wagenfeld gegründet wurde. Karl Oskar Blase entwarf bis 1968 fast alle Cover der Zeitschrift.

Von 1955 bis 1988 war Blase Entwerfer für Briefmarken der Deutschen Bundespost. Er gestaltete mehr als 50 Briefmarken. Im Jahr 1988 wurde er Mitglied des Kunstbeirates beim Bundesminister für Post und Telekommunikation, von 1992 bis 1997 war Blase Vorsitzender des Kunstbeirates.

Karl Oskar Blase war als Künstler Teilnehmer der documenta III (1964) und der documenta 8 im Jahr 1987 in Kassel in der Abteilung Graphik. In den Jahren 1968, 1972, 1977 und 1987 gestaltete er Plakate, Signets und Kataloge für die documenten (4. documenta, documenta 5, documenta 6 und documenta 8) in Kassel. In den Jahren 1972 und 1977 drehte er die Videodokumentationen in der 5. und 6. documenta.

Im Jahr 1958 wurde Blase Dozent an der Werkkunstschule Kassel. Seit 1964 ist Blase Mitglied der Alliance Graphique Internationale (AGI). Blase war seit 1966 Professor für Kunst und Visuelle Kommunikation an der Hochschule für bildende Künste Kassel, Universität des Landes Hessen, bis zu seiner Emeritierung im Jahr 1992.

Von 1966 bis 1978 entwarf Blase die Plakate und das visuelle Erscheinungsbild für das Staatstheater Kassel. Im Jahr 1967 war er Mitglied des Gestalterteams für den deutschen Pavillon auf der EXPO in Montreal. Von 1976 bis 1981 war Blase, zusammen mit Ben Wargin Initiator der Aktion „Baumpate – Grün ist Leben", in Berlin, Kassel und Basel.

Im Jahr 1997 entwarf er ein neues, zeitgemäßes Logo für die Stadt Kassel, das das seit den sechziger Jahren verwendete Kleeblatt ersetzte.

Im Jahr 1998 wurde Blase mit dem Bundesverdienstkreuz 1. Klasse ausgezeichnet. Im Jahr 2001 entwarf er seine Grabanlage in der Künstler-Nekropole Kassel. Er ist Verfasser zahlreicher kunsttheoretischer Texte. Karl Oskar Blase lebt und arbeitet in seinem Atelier in Kassel.

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Eine seiner mehr als 50 gestalteten Marken - die Lufthansa Marken aus 1955:
 


AfriKiwi Am: 03.09.2007 10:40:58 Gelesen: 10844# 3 @  
@ italiker [#1]

Hallo Klaus,

"Also, weg mit dem Kunstbeirat!"

Also wegen drei Marken !? Mir gefallen die auch nicht und so hat jeder sein Urteil.

Du kannst uns sicher noch mehr wie drei zeigen, die Dir gefallen.

Wundere mich nur warum Richard so ein 'Knochen' zeigte von der Lufthansa !

Erich
 


Fetzer Am: 03.09.2007 11:00:45 Gelesen: 10843# 4 @  
Hallo italiker,

gut, dass mal jemand die Markengestaltung in Deutschland kritisiert.

Hinzu kommen noch etliche fragwürdige Motive bzw. Themen: warum braucht eine Serie "Post" jährlich 4 Marken? Warum muss für jede angebliche Persönlichkeit, die fast keiner kennt (und ich bin nicht unbedingt ungebildet) eine Marke erscheinen? Warum sind Serien mit Zuschlägen so starr konzipiert? und, und, und...

Ausserdem können sich die deutschen Markenmacher mal eine Scheibe z.B. von den Österreichern abschneiden bezüglich Druckqualität und Motivwahl.

Oftmals habe ich ein lautlos stöhnendes "schon wieder" im Kopf, wenn neue Ausgaben auf die Menschheit losgelassen werden.

Aber nix für ungut würde man in Bayern sagen.
 
- Am: 03.09.2007 12:52:36 Gelesen: 10835# 5 @  
@ Fetzer [#4]

Hallo Fetzer,

da muss man schon unterscheiden: Der Kunstbeirat ist nur für die Gestaltung der Marken zuständig, d.h. er hat ein Vorschlagsrecht dem das Finanzministerium - und früher die Post - folgen.

Die Auswahl der Motive trifft ausschliesslich das Ministerium. Du hast aber recht, dass man darüber auch streiten könnte. Ich habe mich darüber hier im Forum auch schon mal geäußert!
 
- Am: 03.09.2007 13:05:27 Gelesen: 10834# 6 @  
@ Richard Ebert [#2]

Hallo Richard,

Die Tatsache, daß Herr Blase ein anerkannter Künstler ist, bedeutet ja noch nicht, daß er auch "schöne" Marken schaffen kann!

Die Briefmarken werden ja nicht für eine kleine Gruppe avantgardischer Künstler geschaffen, sondern für die breite Masse der Postbenutzer - und für die Außenwirkung. Und hier kann man mit den deutschen Marken im allgemeinen wirklich keinen Staat machen.

De Lufthansamarke würde ich nicht als ein sehr gut gelungenes Exemplar für Herrn Blases Kunst betrachten, aber man muß hier natürlich auch den Zeitgeist berücksichtigen. Aber auch 1955 hätte man das Thema: Flugdienstbeginn der Lufthansa graphisch besser gestalten können, zum Beispiel wie zum Thema: 50 Jahre deutscher Luftpostverkehr (auch von Blase).
 


- Am: 03.09.2007 14:39:43 Gelesen: 10831# 7 @  
Woher kommt es wohl, dass die Marken von Berlin durchwegs "gefälliger" sind, als die (bundes-) deutschen Marken?
 
Richard Am: 05.09.2007 22:20:13 Gelesen: 10811# 8 @  
@ AfriKiwi [#3]

'Wundere mich nur warum Richard so ein 'Knochen' zeigte von der Lufthansa !'

Hallo Erich, Du hast vollkommen recht. Die Marke war auf Wikipedia beim Beitrag über Herrn Blase, ich habe sie einfach übernommen ohne auf die Zähnung zu achten.
 
AfriKiwi Am: 06.09.2007 01:09:35 Gelesen: 10804# 9 @  
@ Richard Ebert [#8]

Diese traurige Briefmarke zeigt dann nur, von wem dieser Bericht stammte für Wikipedia, keine Philatelie Etikette beachtete wenn es gerade über Kunst geht.

Erich

Unten:- Wo ist das Kunstwerk denn hier ? Der selbstklebende Kiwi ist 'weggeflogen'! Möglicherweise hat Herr Hundertwasser ihn erschreckt !
 


Francysk Skaryna Am: 25.10.2020 12:07:18 Gelesen: 3846# 10 @  
Moin,

nun ist es dreizehn Jahre später - und das Thema ist ja irgendwie immer noch aktuell.

Die Entwicklung der letzten Jahre setzt ein altes Dilemma fort:

Die Post hat die Philatelie zunehmend als Geschäftsfeld erkannt und beweist hier ein hohes Maß an Kreativität und Engagement, Aboprodukte auf den Markt zu drücken. Dabei tritt sie als Händler auf, da sie auch philatelistisches Zubehör vertreibt. Das ist zwar alles nicht verboten, hat aber mit ihrem eigentlichen Geschäftsfeld - namentlich der Brief- und Paketbeförderung - wenig zu tun. Die Briefbeförderung gestaltet sich hochgradig automatisiert und mit Label rationalisiert. Man könnte dies etwas süffisant als "Bedarf" abtun, das träfe zumindest den Punkt.

In sofern ist der Kunstbeirat überflüssig: Hinsichtlich der modern verfremdeten Motive zumindest einiger Ausgaben ist er bemerkenswert kritikfest (Anmerkung: Der Kunstbeirat wurde 1954 eingesetzt, nachdem es harsche Kritik an der Gestaltung der Briefmarken der jungen Bundesrepublik gab) und für mittlerweile wohl eher privatwirtschaftlich veranlasste Geschäftsfelder einer privatisierten Post einen Kunstbeirat aus öffentlichen Mittel zu unterhalten? Das kann das Unternehmen dann auch selber!

Rein betriebswirtschaftlich scheint ja die Post ohnehin kein Interesse an einer Markenfraktur zu haben. Erinnert sich noch einer an die kleinen Schautafeln, an denen die im Postamt verfügbaren Marken ausgehängt waren? Im laufenden Betrieb - wenn man sich das Filialkonzept so anschaut - scheinen diese Schaukästen wohl eher störend zu sein, wenn man nicht gerade einen eigenen Philatelieschalter hat, der dann aber vom Betrieb ausgegliedert ist.

Aber - und das zur Ehrenrettung: Vielleicht ist der Post die Gestaltung ja selber peinlich.

Gruss
 
drmoeller_neuss Am: 25.10.2020 12:15:19 Gelesen: 3840# 11 @  
@ Francysk Skaryna [#10]

Erinnert sich noch einer an die kleinen Schautafeln, an denen die im Postamt verfügbaren Marken ausgehängt waren? Im laufenden Betrieb - wenn man sich das Filialkonzept so anschaut - scheinen diese Schaukästen wohl eher störend zu sein, ...

Es gibt einige "Zumwinckelchen", wo DIN A3 Plakate der Deutschen Post AG mit den Abbildungen der Neuerscheinungen hängen.

Und die Neuerscheinungen sind auch tatsächlich erhältlich.
 
Lars Boettger Am: 25.10.2020 18:34:05 Gelesen: 3754# 12 @  
@ Francysk Skaryna [#10]

In sofern ist der Kunstbeirat überflüssig: Hinsichtlich der modern verfremdeten Motive zumindest einiger Ausgaben ist er bemerkenswert kritikfest.


Die Ausschreibung der Markenmotive erfolgt m.W. durch die Deutsche Post AG bzw. das Finanzministerium. Die kontaktierten Künstler reichen die Entwürfe ein. Oft hat der Kunstbeirat die unangenehme Aufgabe, unter mehreren Entwürfen das am wenigsten furchtbare Motiv auszuwählen. Ich bin sehr froh, dass es den Kunstbeirat gibt und die Marken oft ansehnlich sind.

Beste Grüße!

Lars
 
Francysk Skaryna Am: 25.10.2020 20:24:47 Gelesen: 3707# 13 @  
@ Lars Böttger [#12]

Moin,

ft hat der Kunstbeirat die unangenehme Aufgabe, unter mehreren Entwürfen das am wenigsten furchtbare Motiv auszuwählen.

Okay!

Aber man könnte auch mal darüber nachdenken, andere Künstler / Grafiker mit einzubeziehen / zu beauftragen.

Gruss
 
10Parale Am: 25.10.2020 20:51:13 Gelesen: 3695# 14 @  
Guten Abend,

als ich kürzlich am Postschalter in der Schlange stand (Corona-Zeit!) kam mir der geniale Gedanke, den Brief nach Bern mit verschiedenen schönen Marken frankieren zu lassen. Als ich nach langem Warten endlich an einem der 3 geöffneten Schalter stand, bat ich den Angestellten, den Brief mit ein paar schönen Marken zu gestalten, eventuell künstlerisch tätig zu werden, Eckrandstücke und Sondermarken zu nutzen, eventuell Wohlfahrtsmarken zur Förderung des Sports oder ähnlichem. Ich zahle ja, bin ja Kunde, guter Kunde übrigens. Der Angestellte erwiderte höflich mit einer Armbewegung: Lieber Herr Schmid, Marken gibt´s nur am gegenüberliegenden Schalter.

Nein, noch mal in die Schlange zurück, das wollte ich mir nicht antun! Mein Körper sehnte sich nach frischem Atem, ich wollte die Maske los haben, Brillenträger haben sowieso noch mehr Probleme, das die Brille ständig anläuft. Dann nahm ich halt die 3,70 € in die Hand und zahlte für ein schnödes rechteckiges Label.

Soviel zum Thema Kunst. Vor diesem Hintergrund brauchen wir wirklich keinen Kunstbeirat mehr, obwohl der, wie Lars Böttger [#12] richtig ausführt, auch keine leichte Aufgabe hat.

10Parale
 
Wolfgang Lang Am: 26.10.2020 12:03:59 Gelesen: 3603# 15 @  
@ Francysk Skaryna [#13]

Es bewerben sich regelmäßig Künstler und Graphiker beim BMF, um Entwürfe einreichen zu dürfen. Einige davon werden nach vorheriger Prüfung durch das BMF zu Wettbewerben eingeladen. Der Kreis der zu den Wettbewerben eingeladenen ist bei keinem Ausgabeanlass gleich, umfasst 7 bis 8 Künstler, welche bis zu 3 Entwürfen vorlegen. Bei den "Neueinsteigern" erfolgt unabhängig vom Abschneiden eine gemeinsame Bewertung von BMF und 5 Professoren der Bildenden Künste, um die Eignung der Neuen festzustellen. Für einen Neueinsteiger ist es schwierig, einen Wettbewerb zu gewinnen, da fast jeder am Anfang noch Fehler macht, welche seinen Entwurf belasten.

Meines Erachtens sind nicht hauptsächlich die Entwürfe das Problem, sondern die umzusetzenden Themen. Je abstrakter ein Thema gewählt wurde, umso mehr quälen sich Entwerfer und Kunstbeirat um ein vermittelbares Motiv. Und da es "geborene" Vorschlagsrechte für einige Institutionen gibt, welche auch nicht vom Programmbeirat beeinflusst werden können, bleibt die Aufgabe schwierig und das Ergebnis diskutable (siehe "Lübecker Märtyrer").

Gruss
 
Francysk Skaryna Am: 27.10.2020 08:43:15 Gelesen: 3501# 16 @  
@ Wolfgang Lang [#15]

Meines Erachtens sind nicht hauptsächlich die Entwürfe das Problem, sondern die umzusetzenden Themen.

Moin,

da kommt ein Problem hinzu, dass man ganz ähnlich auch beim Computer - nämlich bei den Icons - hat: Wie setzt man eine Funktion in 32 x 32 Pixel um. Oder eben bei einer Briefmarke: Wie setzt man ein Thema auf 32 mm x 32 mm Markengröße um?

Muss man aber ein Thema um jeden Preis durchboxen? Wen sollen die Marken ansprechen? Einem kunstaffinen Publikum? Damit würde man den Gedanken unterwandern, ein Thema in die breite Öffentlichkeit zu tragen! Schade eigentlich.

Gruss
 
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