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Thema: Österreich: Briefmarken, die besser nicht erschienen wären
Richard Am: 12.03.2024 15:55:21 Gelesen: 183# 1 @  
In der an die Mitglieder verschickten Zeitung des Wiener Briefmarkenvereins Favoriten fanden wir folgenden Beitrag:

Kunst oder Kitsch - Besser, diese Briefmarken wären nie erschienen

Kunst und Kitsch haben nicht nur den Anfangsbuchstaben des Wortes gemeinsam, sie sind enge Verwandte: Kitsch steht zumeist abwertend gemeinsprachlich für einen aus Sicht des Betrachters minderwertigen Gefühlsausdruck. In Gegensatz gebracht zu einer künstlerischen Bemühung um das Wahre oder das Schöne, werten Kritiker einen zu einfachen Weg, Gefühle auszudrücken, als sentimental, trivial oder kitschig. Lässt ein Kunstwerk den Spielraum für Interpretation zu und fordert sogar Interpretation, ist Kitsch nicht auslegbar.

Unsere erste Briefmarke erschien am 4. September 1964 zum „100. Jahrestag der Arbeiterbewegung“: Der am Neujahrstag 2018 verstorbene Entwerfer Prof. Otto Stefferl, Schöpfer zahlreicher künstlerisch hochwertiger Briefmarken, hat bei diesem Motiv den guten Geschmack verlassen, indem er arbeitende Menschen zu einer Pyramide aufgeschlichtet hat, noch dazu halbnackt, mit geschultertem Hammer und Frau und Kind, es fehlt nur mehr das Gipfelkreuz und der Berg im vollen Sonnenschein ist fertig. Er wartet direkt darauf, bestiegen zu werden.



Leider passierte ihm mit der Sondermarke „XV. Internationaler Kongress für Arbeitsmedizin“ (erschienen am 19. September 1966) ein ähnlicher Ausrutscher: ein ganz kleines Stückchen noch, und die Hose wäre herunter! Auch wieder halbnackt und muskulös, wie wenn man nicht angezogen in voller Montur arbeiten würde. Woran der ärmste arbeitet und leidet, wenn er seine Augen bedeckt und die Nasenlöcher weitet, ist nicht zu erkennen. Erst die Betrachtung der Marken unter der Lupe lässt die völlig unnötigen Details, die mit Medizin nichts gemein haben, erkennen.



Das wohl hässlichste Briefmarkenmotiv erschien am 22. Oktober 2014 im Rahmen „Junge Kunst in Österreich“. Das Künstler(?)kollektiv Gelatin versuchte sich in einer Gemäldeinterpretation (!!) der Mona Lisa von Leonardo da Vinci. Diese Interpretation ist an Hässlichkeit wohl kaum zu überbieten, sie ist ein Zerrbild der Frau, als Draufgabe die entblössten Brustwarzen zu unförmig mit Botox aufgespritzen Lippen, die weit aufgerissenen Augen: man kann sie getrost als eine Verspottung des weiblichen Geschlechts auffassen. Was das Farbgekleckse im Hintergrund mit Kunst wohl gemein hat, wird schwer zu erklären sein, insgesamt: eine Zumutung der Post!



Einer Verspottung des Weihnachtsfestes gleicht die am 27. November 2018 ausgegebene Briefmarke. Sie sollte zum Nachdenken über Sinn und Zweck dieses Festes anregen, war jedoch als Gruss- und Glückwunschmarke völlig ungeeignet. Der Rentierkopf sollte wohl an den Coca-Cola Santa Claus aus USA erinnern, der dort seit dem Jahr 1931 sein Unwesen treibt.



Am 11. November 2016 taucht er dann endlich (!) auch auf einer unserer Briefmarken auf in der Reihe der Blockausgaben „Comic-Puzzle“, in der man sich bereits am 14. Oktober 2013 mit dem Kitsch rund um ein altes keltisches, besonders in Irland gefeiertes Erntedankfest auseinander gesetzt hat. Was es heute noch mit Kürbissen, Gespenstern und Schabernack zu tun hat, ist nicht überliefert. Der Name Halloween ist die Abkürzung des englischen „(All) Hallows' Even(ing)“, dem Vorabend des hierzulande am 1. November begangenen Allerheiligentages.



Insgesamt ist diese 2012 mit „Madagascar“ begonnene und 2017 mit „Geburtstagsparty“ hoffentlich beendete Blockserie keine Visitenkarte unseres Landes und unserer Kultur.



Am 26. April 2008 wurde dem Tiroler Landestrachtenverband zum 100. Jahrestag eine Briefmarke gewidmet, sie ist wohl die zweite Steigerungsstufe zum Wort „lachen“, nämlich lächerlich! Man fragt sich als Betrachter unwillkürlich: Lachen mich die beiden an oder aus? Die Briefmarke soll der Tracht, der Bekleidung gewidmet sein und diese abbilden, davon ist wenig zu sehen. Sie wirkt aber dabei (lachend aus zahnlosem Mund im Hintergrund) lächerlich = kitschig.


 
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