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Thema: Deutsche Besetzung WK 1 Belgien Basisinformationen
Bendix Gruenlich Am: 26.08.2024 22:03:38 Gelesen: 767# 1 @  
1914 – der Erste Weltkrieg ist ausgebrochen. Im Westen hat Deutschland Frankreich den Krieg erklärt.

Konzeptionell war ein rascher Sieg im Westen geplant (Schlieffen-Plan) in dem die französischen Truppen durch einen überraschenden Vorstoß durch Belgien umgangen werden, in Nord-Ost-Frankreich eingeschlossen und dann vernichtet werden sollten.

Es ist anders gekommen, die Operation war nicht erfolgreich, die Neutralität Belgiens und Luxemburgs war verletzt, was Großbritannien als Vorwand für einen Kriegseintritt diente.

Wesentliche Teile Belgiens wurden im Laufe des August 1914 durch Deutschland besetzt, ein durch Flutungen unzugänglich gemachter Teil südlich Ypern blieb in belgischer Hand.

Deutschland setzte entsprechend der Haager Konvention eine Besatzungsregierung ein und bildete das Generalgouvernement Belgien.

Am 01.10.1914 wurden Briefmarken für die Post im Generalgouvernement Belgien herausgegeben. Es handelt sich um Ausgaben der „Kaiserlich Deutschen Post- u. Telegraphenverwaltung in Belgien“ (PTB) für die Zivilbevölkerung des besetzen Gebietes. Die deutschen Truppen nutzten Feldpost und für Zusatzleistungen Marken des Deutschen Reichs oder Bayerns ohne Aufdruck.

Die Markenausgabe machte man wie folgt bekannt:



Ich zeige jetzt Marken Michel-Nr. 1-7 – das sind Marken des Deutschen Reichs in der Zeichnung „Germania“ mit Überdruck „Belgien“ und der ausgeschriebenen Münzbezeichnung „Centimes / Franc“.



An dieser Stelle lade ich dazu ein, die Stempel zu betrachten

• Links oben: typischer Stempel des Besatzungsregimes – neue Stempel zeigen eingedeutschte Ortsbezeichnungen

• Marken zu 10 Centimes, sowie die Stempel Mons und Luttre: es wurden eben auch belgische Stempel weiterbenutzt.

Hans Linz beschreibt in seiner Publikation „Deutsche Post in Belgien 1914-1918“ dass Spezialisten diese Unterscheidungen sammeln und das deutsche und belgische Stempel nebeneinander und belgische Stempel auch zum Teil bis Ende 1918 genutzt wurden.

In der Publikation geht es um Umlaufzeiten und Bewertung von Marken, er erläutert, warum verschiedene höhere Werte selten sind. Auch spannend: die Marken waren am Sammlerschalter in Berlin erwerbbar. Einige Teilauflagen zum Ende der Besatzungszeit sollen nur dort erhältlich gewesen sein.

1916 wurden für das Generalgouvernement neue Marken mit abgekürzter Münzbezeichnung eingeführt.



Persönlich gefallen mir die zahlreichen sichtbaren Farbvariationen.

(….wird fortgesetzt….)
 
Lars Boettger Am: 27.08.2024 13:06:59 Gelesen: 675# 2 @  
@ Bendix Gruenlich [#1]

Hans Linz beschreibt in seiner Publikation „Deutsche Post in Belgien 1914-1918“ dass Spezialisten diese Unterscheidungen sammeln und das deutsche und belgische Stempel nebeneinander und belgische Stempel auch zum Teil bis Ende 1918 genutzt wurden.

Hallo Bendix,

anbei einer meiner absoluten Lieblingsbelege aus dem "Generalgouvernement Belgien". Aufgeben in Mechelen (Malines), erhielt der Brief einen alten Balkenstempel aus der belgischen Klassik als Entwerter. Man warf einfach nichts weg.

Beste Grüsse!

Lars


 
Regis Am: 27.08.2024 16:17:55 Gelesen: 637# 3 @  
Hier ein Beispiel für die parallele Nutzung belgischer und deutscher Stempel

Paket mit Einschreiben von BRÜSSEL 2 Nordbahnhof 5.8.1918 nach CINEY; Ankunft CINEY / 17-18 / 6 6.8.18-18 (B-Postamt Ciney 1 ) Zustellung des Paketes auf A-Postamt CINEY / 2 / 6.8.18 Abholung durch den Empfänger CINEY / 2 / -7. 8.18.6-7N



Mit der Marke zu 10 Centimes wurde die Benachrichtigungskarte bezahlt.
 
Bendix Gruenlich Am: 18.09.2024 20:39:10 Gelesen: 504# 4 @  
Teil 2

Währungssituation: die Umrechnung war durch den bis zum Kriegsausbruch herrschenden Goldstandard recht einfach.

1 Mark = BEF 1,25

Dies galt übrigens auch im Hinblick auf den französischen Franc. 1 (alter) französischer Franc = 1 BEF = 0,80 Mark.

Unterscheiden muss man das Generalgouvernement Belgien (praktisch die befriedeten, nicht für Militäroperationen relevanten Gebiete) und das Etappengebiet West (militäroperativ relevant, unter Verwaltung durch die Armee).

Die nicht kriegerischen Handlungen bzw. nicht der Armeeverwaltung unterliegenden Landesteile waren Teil des Generalgouvernements. Das waren in 1915: die Provinzen Antwerpen, Brabant, Hennegau (teilweise), Limburg, Lüttich, Luxemburg, Namur und Ostflandern (teilweise).

Hier beispielhaft eine Karte vom 19.12.1915 (mit freundlicher Genehmigung von Rolf Jehke, gezeigt auf seiner Website territorial.de)



Ein schönes Beispiel für eine Verwendung von Marken des Generalgouvernements Belgien in Frankreich als Teil des Generalgouvernements Belgien im Gebiet Givet / Fumay (Vireux-Molhain liegt in diesem Bogen) - siehe auch obige Karte - hat Regis hier vor kurzem im Forum gezeigt. Interessant finde ich dabei die Landesbezeichnung „Frankreich“ im Stempel.

https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?PR=349853

Die außerhalb der Grenzen des Generalgouvernements liegenden besetzten Gebiete (Belgiens und Frankreichs) gem. Karte standen unter Verwaltung des Armeekommandos des Etappengebietes West.

Bis zum 01.12.1916 wurden die Marken mit Aufdruck „Belgien“ auch im Etappengebiet eingesetzt und waren dort bis 14.12.16 gültig (am 01.12.16 erhielt das Etappengebiet West eigene Marken).

1916 wurden für das Generalgouvernement neue Marken mit abgekürzter Münzbezeichnung eingeführt. Ich zeige einige Beispiele.



Erstaunlich ist, in welcher Intensität sich aktive Briefmarkensammler umgehend der Ausgaben angenommen haben. Ich habe Einblick genommen in eine Publikation von Walter Richter aus dem Jahr 1919 „Die Deutschen Kriegsmarken in Ihren Spielarten und Abarten“ – einsehbar in der Philatelistische Bibliothek Wuppertal -, die eine detaillierte Tafel aller gemessenen Farben und Hausauftragsnummern enthält. Die Farbvarianten sind umfangreich – für die 3 cent.-Marke werden alleine 7 Varianten berichtet. Damit geht Richter über den Umfang der Darstellungen des Michel-Spezial hinaus.

Auch die Zwischenraumvermessungen haben seinerzeit bereits stattgefunden und werden erläutert.

Zum Schluss, zur Auflockerung einige Marken (die meine persönliche Selektion nach Farben überstanden haben)



(…wird fortgesetzt…)
 
Bendix Gruenlich Am: 19.10.2024 17:56:20 Gelesen: 332# 5 @  
Zum Thema Belgien während des Ersten Weltkriegs hat die Bundeszentrale für politische Bildung einen umfangreichen Beitrag (Autor: Laurence van Ypersele) veröffentlicht. Hier der Link. In diesem vielseitigen Bericht werden auch die Härten und Folgen der Kriegsbewirtschaftung Belgiens für die belgische Bevölkerung deutlich.

https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/28199/belgien-im-grande-guerre/



Zum Schluss zeige ich ein paar Querformate, das beinhaltet bei dem BEF 1,25-Wert, die Typen I (Wertangabe unterhalb der Sternlinie) und II (Wertangabe in der Höhe der Sternlinie).

Alle Ausgaben sind (stempel-)fälschungsgefährdet. Es fällt auf, dass alle hier gezeigten Stempel das gleiche Datum, den 30.06.17, zu scheinen zeigen. Die Stücke sind ungeprüft.



Die Echtheit und Seltenheit von Entwertungen hat Philatelisten von Beginn an beschäftigt.

Hier ein Hinweis auf historische Artikel zum Thema (aus dem Kohl-Handbuch – mittlerweile gemeinfrei, da Autoren über 70 Jahre tot und vor über 70 Jahren aufgelegt).



Die Briefmarken blieben gültig bis zum Ende der Besatzung längstens bis 11.11.1918. In wenigen Einzelfällen ging die Verwendung über den 11.11. hinaus. Michel merkt an, dass das meiste Material gefälligkeitsgestempelt sei und als (teils undeutliche) Massenstempelungen vorkomme.

Wie man diese aber erkennen kann und wie diese vermarktet wurde, dazu habe ich leider bisher nichts finden können. Auch Hintergründe zu Stempelfälschungen (wer, was, wieso, mit welchem Stempelgerät, Vermarktung) wäre sicher eine systematische Darstellung / Ausarbeitung wert.

Damit beschließe ich meine Ausführungen.
 
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