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Thema: Karton-Philatelie: Bedeutung und Werthaltigkeit
Richard Am: 02.10.2024 09:22:12 Gelesen: 552# 1 @  
Karton-Philatelie

von Willi Olschewski

Als Vereinsvorsitzender und langjähriger Sammler ist der Ausdruck “Karton-Philatelie” ein Begriff, ein fester Bestandteil der Sammler-Sprache. Leider aber kein Begriff der erfreulichen Seite; denn darunter verbirgt sich all das, was zu sammeln nicht unbedingt ratsam ist.

Sammeln ist ein Hobby und Hobbys sind nur selten umsonst zu haben. Pflegt man den Wintersport, z.B. den Skilanglauf, so benötigt man eine entsprechende Ausrüstung, Ski, Schuhe und Bekleidung. Wer nicht gerade in der glücklichen Lage ist in, an einem Wintersportort zu leben, der muss oft weite Wege fahren um seinem Hobby gerecht werden zu können, meist verbunden mit kostspieligen Aufenthalten und letztlich nicht unerheblichen Kosten für Skilift usw.. dieser komplette Kostenaufwand ist aufgebraucht, weg. Ähnlich ist es in anderen sportlichen Freizeitbeschäftigungen. Man hat seine Freude, in der Regel etwas für Fitness und Gesundheit getan.

Anders die Freizeitbeschäftigung “Sammeln”. Ganz gleich welche Sammlungsrichtung gegangen wird, ein gewisser finanzieller Aufwand ist immer gegeben. Dabei sollte man museale Sammlungen, Kunst-Sammlungen oder andere millionenschwere Sammlungsweisen hier nicht ins Kalkül ziehen; denn diese Richtungen sind meist professionell oder Überreichen vorbehalten. Hier sei an jene Sammler gedacht, die mit bescheidenen Mitteln einem Hobbys, einer Freizeitbeschäftigung frönen um im Alltag abschalten zu können.

Dazu zählt fraglos das Sammeln von Briefmarken. Ein Hobby für Sommer und Winter, für Jung und für Alt, bei Gesundheit oder gar Erkrankung. Mehr noch: Briefmarkensammeln bildet wie m.E. kein anderes Hobby, es fordert geradezu heraus Allgemeinkenntnisse u.v.m. sich spielerisch anzueignen, es bietet Beschäftigung zu allen Zeiten und es erwartet Mitdenken und fördert damit geistige Regsamkeit im Kampf gegen Burnout, Demenz usw.. Briefmarkensammeln hat zu allen Zeiten, und meist gar in den schwierigsten, die Menschen auf der ganzen Welt zusammengeführt, verbunden und so zur Völkerverständigung in kaum nachzuahmender Weise beigetragen.

Doch der dazu erforderliche Aufwand kann kalkulierbar, kann tragbar sein, wenn man richtig sammelt. Ein gesunder Gedanke könnte sein: 50% meines Aufwandes ist Hobby, Freude an der Freizeitbeschäftigung und 50% sollte wieder erlösbar sein. Dieser Gedanke muss kein Allheilmittel sein und nicht selten in der Gewichtung zu Mehrerlös verschoben, je nach Art und Weise der Sammlungsform, je nach Sammelgebieten.

Und damit wäre ich bei der “Karton“-Philatelie, von der jeder Vereinsvorsitzende stunden- und tagelang zu berichten in der Lage wäre. Monatlich, ja fast wöchentlich werden von nicht organisierten “Sammlern” oder Hinterbliebenen sogenannte “Sammlungen” vorgezeigt, vorgelegt, die geradezu strotzen mit wunderschön aufgemachten, mit Briefmarken, Stempeln und Bildchen hergerichteten Belegen. Meist sind es vom Handel angebotene “Komplett”- Sammlungen bestimmter Ereignisse, oder aber von der Post aufgelegtes “Sammelgut“!

Nicht selten sind solche Sammlungsvorlagen unterlegt mit Bezugsrechnungen, aufaddierten Ausgaben, und die Erben erwarten nun den Lohn für den finanziellen, aber auch zeitlichen Aufwand des Erblassers. Von sogenannten Einsteckbuch-Sammlungen mit “Marken aus aller Welt” (meist zusammengetragenes Grusskarten-Porto) sei hier erst gar nicht die Rede.

Und nun muss der angesprochene Vereinsvorsitzende oder gar der angesprochene Händler oder Auktionator dem “Erben” sagen, dass seine “Schätze” völlig unverwertbar sind, es dafür keinen Markt gibt. Ein über viele Jahre erbrachter Aufwand von 10.000.- DM - wertlos?

Es gab einmal Zeiten da konnte man dem Vorlegenden empfehlen vielleicht die Sammlung zu behalten, zu ordnen, ggf. für nachkommende Generationen aufzubewahren, anders, richtig zu sammeln, ihn vielleicht sogar als Sammler zu gewinnen.

Doch diese Zeiten sind vorbei. Die so unterrichteten “Erben” gehen frustriert von dannen. Sie sind so schockiert, dass sie im Leben keine Briefmarke mehr anfassen oder sehen können. Über uns haben sie nur ein mitleidiges Lächeln übrig.

Um auf die Aussage zu Beginn dieser Zeilen, den Skilangläufer dessen Kostenaufwand “einfach weg” ist, zu kommen, darf man natürlich auch hier sagen: für die Freude ist auch hier das Geld, der Aufwand nur weg.

Daher: lieber die Finger weg von der “Karton”-Philatelie, es sei denn man sucht nur Freude und will die Anbieter, Hersteller glücklich machen, teilhaben lassen an seiner eigenen Freude.

Doch nun, mir erst seit dem 23. März 2014 bekannt, als ich dem Vortrag des neuen BDPh-Präsidenten, Herrn Decker beim LV-Tag des LV Hessen lauschen durfte, wird diese “Karton”-Phila-teile endlich salonfähig; denn der BDPh schließt sich der Herausgabe solcher “Sammlerstücke” in einer einmaligen Editions-Ausgabe an, begonnen mit einem Beleg mit der Zuschlagsmarke für die “Stiftung zur Philatelie und Postgeschichte”, der “Saxonia”-Marke. Es ist unbestritten, dass wir, die Philatelisten, uns mehr der eigentlich nur für uns herausgegebenen Zuschlagsmarke widmen und sie kaufen sollten, so wie es die Wohlfahrts- und Jugendverbände auch tun (der Sport hinkt dem, wie wir, hinterher).

Doch, muss das gleich mit der Salonfähigkeits-Machung der “Karton”-Philatelie einhergehen? Ich glaubte nach diesem Vortrag in einem falschen Film zu sein, war nahe dabei vom Glauben abzufallen, was allerdings in der Bischofsstadt Limburg auf Verständnis stoßen könnte.

Ich habe mich dann, ein wenig derer in Erinnerung denen ich in jüngster Zeit immer häufiger die Erbschaftssammlungen “vermiesen” musste, einmal der “Philatelie aktuell”, Vorratsliste II. Quartal 2014 der Deutschen Post AG Weiden angenommen und sie “zerlegt”, mit einem mich fast umwerfenden Ergebnis.

Ich unterteilte diese Vorratsliste in 5 Teile

• 1. Portoverwertbare Dauer-, Sonder- und Zuschlags-Marken, nass- und selbstklebend
(jede Marke 1mal zu Sammlerzwecken ohne Zuschläge), € 151,28

• 2. für “Komplett”-Sammler (10er-Bogen, 5er-Streifen von allen Rollengrößen, Set’s
und Steckkarten, nass- und selbstklebend (jede Ausgabeform 1mal) € 716,41

• 3. Bücher € 294,05

• 4. Jahrbücher € 159
• 5. “Karton”-Philatelie:
Philatelistische Gedenksets, Erinnerungsblätter, Künstler-Blätter, Ersttags-
blätter, Stempelsammlung, Ersttagsbrief-Sammlung, Ersttagsbriefe mit dem
Plus, Jubiläumsbriefe, Messeganzsachen, Gedenkganzsachen, Besondere
Belege, Maximumkarten, Internat. Messebelege, Numisblätter, Numisbriefe,
Numisfolder, Münzensets - “Münze und Marke”, Gedenkblätter, Gedenk-
briefe und Münzbriefe, Kalender, Grußkarten, Kunstgrafiken € 2.810,39
€ 4.131,93
 



(die Berechnung erhebt keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit und ist nach bestem Wissen und Gewissen erstellt)

Eigentlich müsste man diesen Zahlen nichts mehr hinzufügen oder gegenüberstellen, oder gar Worte darüber verlieren. Doch 79% “Karton”-Philatelie, € 3.264.-- für die man niemals mehr auch nur noch € 100,- erhält, sprechen für sich.

Mehr noch:

• Wer alle Marken 1 mal sammelt, nass- und selbstklebend (da in der Größe und Zähnung bedeutsam abweichend) muss nur € 151,28 aufwenden, also 3,66% (€ 35,96 Dauermarken -0,87%- und € 115,32 -2,79%- Sonder- und Zuschlagsmarken) des Gesamtangebotes.

• Der “Komplett”-Sammler, Sammler der Dauermarken-10er-Bogen und Rollenmarken-5er-Streifen aller Rollengrößen) muss dazu (für als Porto verwertbare Marken zusätzlich € 716,41 hinlegen (Dauermarken € 404,14, Sondermarken € 311,97 ohne 10er-Bogen).

Wer nur die Dauermarken komplett mit Bogen, Rollenmarken-5er-Streifen sammelt, hat auch immerhin noch € 404,44 zusätzlich, 9,8% aufzuwenden, somit die “Blumen“ komplett (noch vorrätige) kosten € 440,44 = 10,65%. Alleine die Dauermarkenserie “Blumen” in den Erhaltungen: Einzelmarke, 10er-Bogen, Rollen-5er-Streifen, Set’s und Steckkarten “Blumensträuße”, nass- und selbstklebend, bisher 29 verausgabte Marken, bringt es auf die stattliche Summe von fast € 900.-, bei einer Nominale im Durchschnitt € 1,28 -gesamt € 37,15 - bedeutet das für jede der 29 Marken € 31,00)

• Damit beziffert sich das Angebot an “Karton”-Philatelie (einschl. ohnehin später unveräußerliche Jahrbücher und Bücher) auf € 3.264,24, sage und schreibe 79%. Nicht berechnet: ATM, Münzen, Kataloge, Bilderrahmen, Schreibwaren und Internationale Belege)

Wolle man nun meine Auslegung, 50% Hobby, 50% “Wiedersehen” versuchen anzuwenden, so müsste man sagen:

Für Porto verwertbare Marken € 867,69 21% *)
Maximaler Erlös für “Karton”-Philatelie € 3.264,24 79%
 



*) Würde das eintreten was bei Einführung des EURO geschah, nämlich Ende einer Umtauschphase DM-Marken gegen EURO-Marken, wäre…….

“Skilanglauf zu empfehlenswerter !”

Limburg, im März 2014

Willi Oschewsky (in 2014 Vorsitzender Briefmarkensammler-Verein Limburg e.V.)

[Zweitveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung unseres Mitglieds Erhard Moerschel zu seiner Zeit als Vorsitzender im LV Hessen]
 

prinzlodi Am: 02.10.2024 10:18:09 Gelesen: 520# 2 @  
Ich weiß nicht, was mit dieser Stichelei gegen "Kartonphilateie" bezweckt werden soll. Aber auch wenn der Autor des Artikels versuchte akkurat vorzugehen, indem er eine Vorratsliste nach Kategorien aufdröselte, hat er es sich mit dem großen Topf, was er für "Kartonphilatelie" erklärte, zu einfach gemacht:

1. Es ist mitnichten alles, was unter "Kartonphilatelie" gelistet ist, unverkäuflich: So haben dies meisten Numisbriefe ja zumindest den Nennwert der Münzen, den man i.d.R. auch einfach erlösen kann, sodass deren Wert sicherlich nicht auf Null fällt (und wer sich 2014 einen Gold-Numisbrief kaufte, ist vermutlich heute sogar fast im Plus damit, auch wenn man die Münze bei Direktkauf woanders billiger bekommen hätte)

2. Es ist nicht alles, was in Punkt 5 gelistet ist "Kartonphilatelie": Ganzsachen sind aus meiner Sicht Ganzsachen und keine Kartonphilatelie! (und haben ungestempelt gekauft auch noch ihren Portowert). Hier hätte der Autor feiner aufdröseln sollen.

3. Nicht jeder Sammler muss alles kaufen. "Kartonphilatelie" will unterschiedliche Zielgruppen erreichen, in manchen Produkten eher Nicht-Sammler: z.B. kauft ein klassischer Sammler eher nicht die Kunstgrafiken oder die (aus meiner Sicht unformatigen!) Kalender. Das kaufen eher Leute, die sich was Schönes an die Wand (und nicht ins Album) hängen wollen.

Um mal eine Analogie aufzubauen: Mit der gleichen Methode wie der Autor könnte man ein gutes (aber nicht überteuertes) Restaurant mit wenigen, aber guten, Hauptgerichten, welches aber gleichzeitig eine reichhaltige Karte mit erlesenen Wein- und Champagnerspezialitäten führt, als überteuerten Luxusschuppen brandmarken. Denn würde man hier in der Speisekarte alle Preise zusammenzählen, käme man bei den klassischen Gerichten auf ein moderate Summe, die dann aber von der Summe aller Edelweine übetroffen würde. Es ist aber so, dass mich beim Besuch des Restaurants mich niemand zwingt, etwas von der Weinkarte zu nehmen. Und wenn ich mich doch für einen Wein entscheide, werde ich mich nicht durch den ganzen Weinkeller saufen, sondern es bei einer Flasche belassen.

Ich persönlich finde, dass einer Sammlung offizieller Ersttagsblätter mehr Aura hat (ich sammle aber nicht selbst), als gestempelte Marken, die in einem Album zusammengepfercht wurden (und im Fall BRD ist der Wertverfall ähnlich zwischen diesen beiden Kategorien!). Denn das ETB liefert auch etwas Info zum Ausgabeanlass und zu Gesellschaftsgeschichte mit, und bietet somit einen informativen Mehrwert gegenüber einer Einzelmarke. Während man für die Zeit bis 2000 die BRD-ETBs noch einfach bekommt, ist die aktuelle Entwicklung (auch nach 2014), dass bei den neueren ETBs gar nichts soviel auf dem Markt ist (es besteht also bei den jüngsten Ausgaben eher ETB-Knappheit als Markenknappheit).
 
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