Neues Thema schreiben   Antworten     zurück Suche   Druckansicht  
Thema: Altdeutschland Bayern - Württemberg unterfrankiert
bayern klassisch Am: 20.02.2011 15:08:28 Gelesen: 4379# 1 @  
Hallo,

von besonderem Interesse für Sammler von AD sind unterfrankierte Briefe, deren Zustandekommen eher der Unwissenheit, als blankem Vorsatz zuzuschreiben sein dürfte.

Zwei Briefe sollen zeigen, wie vor dem Juli 1856 und danach (bis zum 31.12.1867) gerechnet wurde:

In Landshut schrieb man einen einfachen, unter 1 Loth (15,625g) wiegenden Brief nach Stuttgart. Der Absender klebte eine 6 Kr. Marke auf, die für Briefe über 20 Meilen in den Postverein nicht ausreichte. Die korrekte Frankatur hätte 9 Kr. betragen.

Weil im Postverein die Aufgabepost immer das Franko oder Porto allein bezog, hatte sie auch dafür zu sorgen, dass die Frankaturen stimmten und ggfls. zu korrigieren bzw. nachzutaxieren.

Am 4.3.1858 war dem auch so und man rechnete wie folgt: Kosten für einen unfrankierten Brief über 20 Meilen 9 Kr. plus Portozuschlag 3 Kr. = 12 Kr., abzüglich des Wertes der verwendeten Marke von 6 Kr. ergab eine Forderung der bayerischen Post von 6 Kr. an die württembergische Postverwaltung.

Am 7.3.1858 wurde er gegen Zahlung des auf ihm lastenden Nachportos zugestellt, welches später von Württemberg an Bayern überwiesen bzw. intern verrechnet wurde. Weil Bayern oft mit schwarzer Tinte (Tusche) schrieb, wie die Korrespondenten auch, unterstrich die württembergische Abgabepost in Stuttgart die notierten 6 Kr. mit blauer Tinte, der Farbe noch zu zahlender Gebühren, korrekt.



Die Frage ist nun, wurde schon immer so im Postverein gerechnet? Die Antwort ist: nein!



Vor dem Juli 1856 war die Haltung der Postverwaltungen restriktiver, was uns ein Brief aus Augsburg vom 20.9.1855 beweist. Er war nach Erolzheim in Württemberg gerichtet, aber leider auch nicht ausreichend frankiert. Man hatte ihn mit nur 6 Kr. beklebt bei der Hauptbriefpostexpedition in Augsburg am Bahnhof in den Briefkasten ("Boite") geworfen und damit seinem Schicksal überlassen.

Der Postbedienstete holte ihn heraus, wog ihn ab und stellte fest: " 1 Loth, Boite, 12". Im Klartext: Er wog 1 Loth und war damit in der 2. Gewichtsstufe, weil das Zollloth exklusive gerechnet wurde, kam aus dem Briefkasten und Bayern verlangte noch 12 Kr. von der württembergischen Postverwaltung.

Die Frage ist aber: wie war nun gerechnet worden? Der Brief war für die Entfernung von über 10 bis 20 Meilen ( 7,4 km war eine Postmeile) mit 6 Kr. zwar für die 1. Gewichtsstufe ausreichend frankiert, nicht jedoch für die 2. Gewichtsstufe, die weitere 6 Kr. gekostet hätte.

Damals war dann zu rechnen: 1. Gewichtsstufe über 10 - 20 Meilen unfrankiert 6 Kr. plus Portozuschlag von 3 Kr. und die 2. Gewichtsstufe unfrankiert 6 Kr. plus Portozuschlag von 3 Kr. ergaben total 18 Kr.. Von diesen waren die verklebten 6 Kr. abzuziehen, so dass tatsächlich noch 12 Kr. vom Empfänger einzuheben waren. Weil Bayern wieder nur schwarz geschrieben hatte, unterstrich man in Württemberg die 12 mit braunroter Tinte, damit die Forderung auch besser zu erkennen war.

Diese retardierende Maßnahme zeigt, dass die damaligen Postverwaltungen ihre Kunden zwingen wollten, korrekt zu frankieren, denn ein korrekt frankierter Brief hätte ja nur 12 Kr. insgesamt gekostet und nicht 18 Kr., die nun für ihn zu bezahlen waren.

Gerne sehe ich andere unterfrankierte Briefe zwischen diesen beiden Postgebieten.
 
  Antworten    zurück Suche    Druckansicht  
 
Wir benutzen Cookies um die Nutzerfreundlichkeit der Webseite zu verbessen. Durch Deinen Besuch stimmst Du dem zu.