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Thema: Deutsches Reich Feldpost WK 2: Ruhrkesselmarke und Post aus dem Ruhrkessel
Pilatus Am: 16.01.2012 22:39:28 Gelesen: 17676# 1 @  
Mal keine Spottkarte, aber eine Absonderlichkeit wohl doch. Was haltet Ihr von diesen Marken ?

fragt Pilatus


 
Kalmimaxiss Am: 16.01.2012 22:48:45 Gelesen: 17674# 2 @  
@ Pilatus [#13]

Dieser Markenaufdruck ist als "Ruhrkesselmarke" bekannt:

http://www.bdph.de/forum/showthread.php?6082-F%E4lschungen-quot-Ruhrkessel-quot-Marke

Bei den 2 Marken dürfte es sich um Aufdruck-Fälschungen handeln, da der Aufdruck in fetter Form vorliegt, siehe auch hier:

http://www.philaforum.com/forum/thread.php?postid=264629
 
Pilatus Am: 17.01.2012 01:58:29 Gelesen: 17657# 3 @  
@ Kalmimaxiss

Hallo,

wenn Dir sonst nichts weiter auffällt, solltest Du Dir eine Brille kaufen. Zum Vergleich ein weiteres Paar.

Gruß Pilatus


 
Kalmimaxiss Am: 17.01.2012 07:06:08 Gelesen: 17643# 4 @  
@ Pilatus [#3]

Eine Brille habe ich schon - Danke für den Hinweis!

Was soll mir auffallen? Dass es sich um Fälschungen handelt ist klar - was noch? Bitte dein "Geheimnis" preiszugeben! Nur weil bei der 2. Marke der Aufdruck auf dem Kopf steht, bleibt es eine Fälschung. Warum sind die Marken "Absonderlichkeiten"? Müßte dann eine Stalin- oder Lenin-Marke nicht auch eine "Absonderlichkeit" darstellen?

Bin auf deine nächsten tiefgreifenden "Informationen" an die Forumler gespannt.
 
Siegbert Am: 17.01.2012 17:59:22 Gelesen: 17599# 5 @  
Diese Marken sind zur Zeit massenhaft auf dem MARKT: Echt oder nicht echt, kann niemand beweisen. Habe auch einen 4-Block als Zugabe bei einem Kauf erhalten, mit kopfstehenden Aufdruck. Da ich mich seit 40 Jahren mit Kriegsgeschichte befasse, ist nach meinen Denken es kaum möglich gewesen diese Marken im Ruhrkessel zu drucken, die Reichsdruckerei hat die Marken auf keinem Fall überdruckt. Da ich mit leider verstorbenen Kämpfern in Verbindung stand, musste ich hören, dass nicht einmal Dienstpost aus dem Kessel ging, alles ging nur über Funk, da Model keinen Ausweg mehr kannte, hat er sich erschossen. Warum die gezeigten Marken was besonderes sein sollen, kann ich nicht erkennen. Diese Marken kamen ja auch sehr spät in den Handel. Ich halte voon diesen Marken nichts und habe diese auch nicht in meiner Sammlung als echt hervorgetan. Vignetten sind es aber nicht, da die Marken ja Freimarken sind, postgültige.
 
Lars Boettger Am: 17.01.2012 18:14:49 Gelesen: 17592# 6 @  
@ Siegbert [#5]

Bei den vorgestellten Marken handelt es sich um primitive Aufdruckfälschungen. Die echten Marken zeichnen sich durch eine sehr feine Ausführung der Buchstaben aus, die schwarz und deckend in der Farbe ist. Echt gebraucht wird nicht geprüft.

Beste Sammlergrüsse!

Lars
 
Siegbert Am: 17.01.2012 18:41:01 Gelesen: 17578# 7 @  
Lieber Lars, für meine Begriffe sind alle Ruhrkesselmarken keine offiziellen Ausgaben. Wie ich oben schon bemerkte, bezweifele ich die Markenausgabe. Egal ob feiner oder grober Aufdruck. Ob diese Marken nun gestempelt geprüft werden, interessiert mich nicht, da ich, nochmals erwähnt, davon ausgehe, dass die Marken Mache sind und keinen Wert für einen Sammler haben. Auf Grund meiner über vierzigjährigen Forschung auf diesem Gebiet konnte ich noch keinen NACHWEIS über Feldpost aus dem Kessel erbringen. Auch Rücksprachen mit Soldaten und Offizieren, führten zu dem Ergebnis, dass es so gut wie nicht möglich war, Post herauszubringen. Es war auch meist nicht möglich den Funkverkehr aufrecht zu erhalten. Der Kessel war sinnlos, umsonst hat sich Model nicht erschossen. Die Kämpfer im Kessel hatten bestimmt etwas anderes zu tun, als Marken mit Aufdrucken zu versehen. Noch einmal: Die Aufdruckmarken sind für mich, egal ob echt oder nicht, keine offiziellen Marken.
 
Lars Boettger Am: 17.01.2012 19:36:07 Gelesen: 17568# 8 @  
@ Siegbert [#7]

Lieber Siegbert,

mir ging es im ersten Augenblick nicht um den Sinn, sondern um die Echtheit. Da hätte ich besser pilatus direkt angesprochen. Darum die Klarstellung, dass es sich bei den abgebildeten Marken um Fälschungen handelt.

Ich gebe zu, ich bin nicht sehr tief in der Ruhrkesselmaterie drin, kenne aber einige der einschlägigen Artikel. Analog zu den Inselpostmarken, den Kurland-, Kuban- und Helamarken kann ich eine gewisse feldpostalische Notwendigkeit für so eine Ausgabe erkennen. Militärisch war der "Käs gessa". Meine Gespräche mit Claus Petry bezüglich dieser Ausgabe liegen zu weit in der Vergangenheit, aber es wäre interessant, seine Kenntnisse als BPP-Prüfer zu diesen Marken zu hören.

Beste Sammlergrüsse!

Lars
 
Siegbert Am: 18.01.2012 20:44:52 Gelesen: 17474# 9 @  
Meine kurze Antwort: Die Marken sind Mache, falsch oder echt hat sich dann wohl erübrigt. Eine Notwendigkeit von Feldpostmarken im Kessel sehen Militärhistoriker nicht. Es wurden Feldpostsendungen nicht frankiert, raus kamen die höchstens mit Kurier, aber nicht mit der Post, weil es keine mehr gab. Auch die von Ihnen angesprochenen Kuban usw. Marken hatten keine Notwendigkeit. Notwendig war das Überleben im Kampf gegen den Feind, da Model keinen Ausweg mehr wusste, hat er sich, wie oben gesagt, erschossen, soll man hier noch denken, dass jemand an Feldpostmarken hatte.
 
hajo22 Am: 12.12.2013 18:37:34 Gelesen: 15862# 10 @  
Die unter [#13] und [#3] gezeigten Aufdrucke sind primitive Fälschungen.

Da noch niemand hier im Dialog eine echte "Ruhrkesselmarke" gezeigt hat, will ich das mit meinem Sammlungsexemplar nachholen (gepr. Hoffmann-Giesecke):



Die Ruhrkesselmarke war so unnötig wie ein Kropf. Ich spare mir weitere Kommentare und verweise auf folgende Literatur:

Alfred Meschenmoser: Der Ruhrkessel - 22. März - 17. April 1945 (1981, Poststempelgilde "Rhein-Donau e.V.)
Dr. Heinrich Wittmann: "Die Ruhrkessel-Marke" (DBZ 8/84 S. 1417 ff.; Auf Seite 1418 Abb. einer FP-Karte mit Marke)
Hanfried Müller: "Die "Ruhrkesselmarke" - Ein "Phantasieprodukt!" (DBZ 19/84, S. 3195/96)

Archiviert habe ich 2 Belege (DBZ wie oben und ein älteres Auktionsangebot).

Die "echte Ruhrkesselmarke" gibt es auch mit kopfstehendem Aufdruck (kann leider kein Exemplar zeigen, sie taucht aber immer mal in Auktionskatalogen großer Auktionshäuser auf).

Schönen Abend.
Jochen
 
Kieskutscher Am: 14.04.2017 11:11:37 Gelesen: 12933# 11 @  
Hallo und ein frohes Osterfest,

habe hier 4 Feldpostmarken "Ruhrkessel" - der Aufdruck ist bestimmt falsch.


 
Markus Pichl Am: 14.04.2017 11:41:18 Gelesen: 12925# 12 @  
Hallo zusammen,

nachstehend hinterlege ich hier einmal eine echte Ruhrkessel-Marke, Feldpostmarke MiNr. 17, geprüft von den Herren Dr. Dub und Petry.



Der Aufdruck der echten Marken wurde im Buchdruck angebracht. Der Buchdruck gehört zu den Hochdruckverfahren, Druckfarbe wird von innen nach außen verdrängt und an den Rändern der Drucktypen (siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Letter ) entstehen Quetschränder.

Hier ein Detailbild vom echten Aufdruck, an allen Typen sind Quetschränder zu erkennen (siehe Pfeile, die beispielhaft auf solche zeigen) und der Aufdruck prägt auf der Rückseite leicht durch.



Sind die Merkmale eines Buchdruck nicht gegeben, ist der Aufdruck immer falsch und mit einem Flachdruckverfahren oder einem Gummistempel angebracht.

Es gibt auch einfache Fälschungen mit falschen Prüfzeichen. Daher nachstehend ein Detailbild der beiden echten Prüfzeichen, die sich auf der von mir gezeigten Marke befinden.



MfG
Markus
 
Markus Pichl Am: 23.09.2018 23:07:30 Gelesen: 10029# 13 @  
Feldpostmarken II. Weltkrieg: Michel-Nr. 17, die "Ruhrkesselmarke"

Hallo,

unter Feldpostmarken Michel-Nr. 17 ist die sogen. "Ruhrkesselmarke" im Michel-Katalog gelistet.

Sie war als Zulassungsmarke für einen geregelten Luftfeldpostdienst, der im Ruhrkessel eingeschlossenen Soldaten, vorgesehen. Infolge der sich überstürzenden Kriegsereignisse konnte ein solcher Luftfeldpostdienst nicht mehr realisiert werden. Es kam aber wohl dennoch damals zur Verteilung von Marken an Soldaten.

In postfrisch sieht eine echte Michel-Nr. 17 so aus:



Nun kam ein aus dem Ruhrkessel stammender portofreier Feldpostbrief, auf dem die Zulassungsmarke aufgeklebt und mit Feldpostnormstempel "c 13.4.45" abgestempelt wurde, während der 164. Dr. Reinhard Fischer Auktion zum Ausruf. Der Ausrufpreis war mit Euros 5.000.- taxiert und das Los bzw. der Brief konnte für einen Zuschlagspreis von Euros 5.300.- versteigert werden. Der vollständig erhaltene Inhalt des sehr seltenen Briefs datiert ebenfalls auf den 13.4.1945.

Bildquelle: Auktionshaus Dr. Reinhard Fischer (die Abbildung von dem Attest, des Prüfers Herrn Axel Dörrenbach VP, habe ich auf drei Bilder aufgeteilt).





Herrn Dörrenbach kenne ich seit der IBRA 1999 und seinen Sachverstand für Feldpostbelege aus dem II. Weltkrieg habe ich mehrfach positiv zu schätzen gelernt. Schon vor langer Zeit erzählte er mir über seine empirischen Untersuchungen zur Ruhrkesselmarke und den zeitgeschichtlichen Geschehnissen im Ruhrkessel selbst. Persönlich habe ich keinerlei Zweifel, an der Richtigkeit der im Attest gemachten Feststellungen und den Schlußfolgerungen.

Hier noch die vollständige Losbeschreibung, zu Los-Nr. 4858 der 164. Dr. Reinhard Fischer Auktion.

3 Pfg Hitler mit Aufdruck "Feldpost", Aushilfs-Zulassungsmarke für den Postverkehr der Heeresgruppe B, so genannte Ruhrkesselmarke auf Feldpostbrief, einer der ganz wenigen echten Briefe mit dieser Marke. Wir zitieren aus dem extrem ausführlichen Attest Dörrenbach VP (2018): "auf portofreiem Feldpostbrief des Obergefreiten Konrad Bömelburg ab Feldpostnummer 17 477 ( = Kranken-Kraftwagen-Zug 363) an seine Familie in Gräfinau-Angstedt (Thüringen). Der Kranken-Kraftwagen-Zug 363 gehörte zur 363. Volks-Grenadier-Division, die noch am 07.04.1945 an der Sieg südwestlich der Linie Waldbröl-Morsbach eingesetzt war und sich von dort in Richtung Gummersbach absetzte. Die vom Armeefeldpostmeister der 15. Panzerarmee veranlasste und durch Aufdruck ,Feldpost" auf 3-Pf-Hitler-Freimarken entstandene Zulassungsmarke ist in diesem Raum nachweislich verteilt worden. Die vorliegende Zulassungsmarke sowie der Feldpoststempel sind echt. Der Feldpostbrief - rückseitig mit Kalender - zeigt innen noch seinen vollständigen Mitteilungstext, der in seiner Plausibilität alle Nachprüfungen standhält ... Darüber hinaus konnte dank intensiver Nachforschungen die Schwiegertochter des Absenders ausfindig gemacht werden, die die Handschrift des Briefschreibers als die Ihres Schwiegervaters wieder erkannt und einerseits durch Vorlage einer Handschriftenprobe, andererseits anhand der familiären Details des Briefinhalts - insbesondere die darin genannten Personennamen - vollumfänglich bestätigt. ... Aufgrund der plausiblen Darstellung durch die Zeitzeugin ist der vorliegende Brief ... als bedarfsmäßige Verwendung des Ruhrkessel-Provisoriums anzuerkennen. Marke und Brief stellen somit eine große Seltenheit der deutschen Philatelie dar und sind zugleich ein bedeutendes postgeschichtliches Zeugnis vom Ende der militärischen Auseinandersetzung im Westen Deutschlands Mitte April 1945. Die Erhaltung des Feldpost-Faltbriefes- Zwei rückseitige leichte Falzspuren sind vorbehaltlos zu tolerieren - ist als einwandfrei zu bezeichnen." Laut Attest Dörrenbach gab es bisher keinen Beleg, dass diese Briefmarke als Luftpostmarke vorgesehen war, der Text im Brief spricht aber davon, dass die zugeteilten "Luftpostmarken ... einmal wieder ein Trost" seien. Dieser Brief "ist heute - nach mehr als 73 Jahren - die erste bekannt gewordene schriftliche Indikation, dass diese "Feldpost"-Aufdruck-Marken auf den 3-Pf.-Hitler-Postwertzeichen kurz vor der deutschen Kapitulation doch mit dem Versprechen einer vermeintlichen "Luftpostbeförderung" (aus dem Gebiet des damaligen Ruhrkessels) verteilt worden sind. Aufgrund der plausiblen Darstellung durch die Zeitzeugin ist der vorliegende Brief ... als bedarfsmäßige Verwendung des Ruhrkessel-Provisiorums anzuerkennen. Marke und Brief stellen somit eine große Seltenheit der deutschen Philatelie dar und sind zugleich ein bedeutendes postgeschichtliches Zeugnis vom Ende der mitlitärischen Auseinandersetzungen im Westen Deutschlands Mitte April 1945. Die Erhaltung des Feldpost-Faltbriefes - zwei rückseitige leichte Falzspuren sind sind vorbehaltlos zu tolerieren - ist als einwandfrei zu bezeichnen."

Beste Grüße
Markus
 
Stefan Am: 27.12.2020 13:28:07 Gelesen: 6428# 14 @  
In einem größeren Belegeposten fand sich dieser Tage das nachfolgende (eher unscheinbare) Stück:



Ganzsache (Karte) aus Remscheid vom 30.03.1945 nach Rathenow (im heutigen Brandenburg gelegen)

Zum Ende des zweiten Weltkrieges versuchten westliche Alliierte (USA, Kanada, Großbritannien) unter Führung von General Dwight D. Eisenhower das Ruhrgebiet vom Rest des deutschen Reiches abzutrennen und militärisch zu besetzen. Eisenhower ging seinerzeit weiterhin von der Überlegung aus, dass das Ruhrgebiet trotz vorangegangener (flächendeckender) Bombardements der Alliierten aus der Luft weiterhin in der Lage wäre, kriegswichtige Güter zu produzieren. Vorherige Angriffe sollten Industriebetriebe sowie die Infrastruktur für den Transport (Verkehrswege) lahmlegen bzw. vernichten.

Vor der geplanten Besetzung des Ruhrgebiets sollte eine Überquerung des Rheins von West nach Ost erfolgen, wogegen sich die deutsche Wehrmacht auf Anweisung des Hauptquartiers in Berlin entsprechend sträubte und im März 1945 versuchte, mittels Rheinbrückensprengungen den Vormarsch der Kriegsgegner aufzuhalten bzw. zumindest zu verlangsamen. Dem in [1] gemachten Angaben (Bsp. Seite 7/8) nach waren die für die Abwehr zuständigen Angehörigen der deutschen Wehrmacht deutlich den Alliierten unterlegen, sowohl personell als auch in Bezug auf die Psyche und Physis. In Remagen (ca. 20 km südlich von Bonn gelegen) fanden die US-Amerikaner eine unbeschädigte Eisenbahnbrücke vor, welche bis zum 22.03.1945 als Brückenkopf ausgebaut und anschließend der Rhein überquert wurde. Am 23.03.1945 gelang es US-amerikanischen und britischen Truppen, bei Wesel (ca. 20 km nördlich von Duisburg gelegen) den Rhein zu überqueren. Diese beiden Rheinüberquerungen bildeten die Grundlage, um von zwei Seiten aus am Ruhrgebiet vorbeizumarschieren (Zangenbewegung) und es im nächsten Schritt zu umrunden (einzukesseln). Eine vereinfachte Darstellung der Truppenbewegungen befindet sich in [2].

Gemäß dem Handbuch in [1] (Seite 37) war Remscheid (zusammen mit diversen anderen Orten) am 29.03.1945 durch Truppen der Alliierten vom Rest des Deutschen Reiches weitgehend abgeschnitten. Die von Wesel im Norden bzw. von Remagen im Süden kommenden Alliierten Truppen trafen sich am 01.04.1945 (Ostersonntag) in der Nähe von Lippstadt - zuerst vorauseilende Truppenteile und am 02.04.1945 abends (Ostermontag) die Hauptteile der Truppen. Spätestens seit dem 02.04.1945 abends war der Ruhrkessel gebildet und das Ruhrgebiet inkl. der näheren Umgebung wie das Sauerland und das Bergische Land (u.a. Remscheid) vom Rest des Staatsgebietes des Deutschen Reiches abgeschnitten. Eine Verbindung auf dem Landweg war nicht mehr vorhanden.

Das Handbuch [1] beleuchtet nicht nur die militärische Vorgeschichte inkl. dem anschließenden Ablauf der militärischen Besetzung des Ruhrgebiets sondern befasst sich ebenfalls mit der postalischen Situation in dem sich ab Ende März 1945 anbahnenden Ruhrkessel, dies sowohl von der zivilen Seite (öffentlich zugängliche Postämter) als auch von der militärischen Seite (Feldpost). Als Beispiel wird in [1] die Stadt Essen ausgewählt, da das Hauptpostamt in Essen (Postamt Essen 1, schräg gegenüber vom Hauptbahnhof gelegen) eine Art Tagebuch führte und diese Aufzeichnungen erhalten geblieben sind. Nach [1] (Seite 29) kam am Abend des 29.03.1945 der Räumungsbefehl für das Postamt Essen 1, welcher zum 30.03.1945 gültig werden sollte. Das Postamt Essen 1 war zu schließen und in die Ausweichstelle in Neheim-Hüsten (heute als Stadtteile zu Arnsberg gehörend) zu verlegen. Demnach fiel spätestens am 30.03.1945 die postalische Infrastruktur, d.h. Sendungsannahme, -sortierung, -beförderung und -zustellung innerhalb von Essen in sich zusammen, so dass letzte gestempelte Belege aus Essen vom 29.03.1945 existieren dürften. Eine Beförderung und Zustellung dieser Sendungen vor Kriegsende ist zumindest fraglich. Essen war und ist (wieder) Hauptsitz des seinerzeit kriegswichtigen Konzerns Friedrich Krupp AG (heute ThyssenKrupp AG).

Da der Räumungsbefehl für verschiedene Städte (allerdings an unterschiedlichen Tagen) ausgesprochen wurde, überrascht es nicht, wenn die postalische (zivile) Infrastruktur sukzessive zusammenbrach - sowohl innerörtlich als auch regional (mit den benachbarten Orten) bzw. überregional. Dementsprechend sind lediglich wenige Belege aus der Zeit des Ruhrkessels (22.03.-17.04.1945) vorhanden. Die hier vorgestellte Karte wurde der zivilen Infrastruktur der Reichspost zur Beförderung und Zustellung übergeben, postalisch vermerkt (Tagesstempel) am 30.03.1945.

In [1] abgebildete vorhandene Belege (Seite 14 - 17) wurden nach dem Ende des zweiten Weltkrieges zugestellt (nach zuvor erfolgter militärischer Zensur) oder erhielten einen „Zurück“-Vermerk. Ein in [1] (Seite 16) abgebildeter Beleg vom 19.03.1945 wurde innerhalb des Ruhrkessels am 03.04.1945 zugestellt.

Lassen wir den Kartenschreiber an dieser Stelle selbst zu Wort kommen. Forumsmitglied volkimal war so lieb und hat sich den Text vorab angesehen (besten Dank dafür!). Nachfolgend die Wiedergabe des Textes - datiert auf den 29.03.1945 - in einer heutzutage leichter lesbaren Form:



Kartenrückseite:

Absender:
P.B. Bieler
22 Remscheid
Burgerstr. 29

Herrn
Peter Hansen
2 Rathenow
MN Arsenal

R 29. III. 1945
Lieber Peter!
Hab herzlichen Dank für
dein Unsgedenken. Es
freut uns zu hören, daß
es Dir noch gut angeht. Auch
wir können Dir mittei-
len, daß es uns Gott sei
Dank, noch immer gut geht.
Daß wir ein wenig nervös
werden, wirst Du in
unserer Lage wohl verstehen




Kartenvorderseite:

Können, denn einmal ist die Luft-
gefahr ziemlich brenselig und anderer-
seits rückt die Front doch immer näher.
An ein Verlassen der Heimat ist natür-
lich nicht zu denken. Fotogelegenheit
gibt es kaum noch und im übrigen
ist es nicht ungefährlich draußen zu
sein, wegen der Tiefflieger. Und den-
noch, einmal muß auch dieses Elend
aufhören und trotz allem ???. Er zu
unseren Gunsten! Wie, das weiß ich
freilich auch nicht. Aber in mir will die
Hoffnung auf einen sieghaften Abschluß
des Ringens nicht schwinden. Es gehört
allerdings viel Optimismus zu dieser
Hoffnung! Von den Kindern bekom-
men wir leider sehr selten Post. Es scheint,
daß sehr viel verloren geht, übrigens
kein Wunder. Vorgestern bekamen
wir eine Karte von Ruth vom 12.3.
Sie teilt mit, daß es ihr und den Jungen
noch gut geht. Werner war noch in Tr.
Hoffentlich ist er inzwischen zurück. Was
macht Ida? Kommt sie nicht hin und
wieder zu Dir? Mit herzlichen Grüßen
und Wünschen Deine Elisabeth u. Paul.


Die Stadt Remscheid wurde am 15.04.1945 von den Alliierten Truppen erreicht und besetzt. Damit ging der Krieg in Remscheid zu Ende.

Volkimal warf beim Vorablesen dieser Karte (berechtigt) die Frage auf, ob diese Karte vor Kriegsende überhaupt noch postalisch befördert wurde. Der Absender der Karte schreibt selbst allgemein von Angriffen tieffliegender Flugzeuge. Die Situation war alles Andere als förderlich für die Aufrechterhaltung einer zivilen Infrastruktur.

Eine gewisse Parallele hinsichtlich der fraglichen Beförderung von Belegen aus dem Thema [3] (Deutsches Reich Mi-Nr. 909/910 SA/SS) in der Endphase des zweiten Weltkrieges vor Ort ist nicht von der Hand zu weisen.

Eine Versorgung des Ruhrkessels aus der Luft heraus per Flugzeug (mit entsprechenden Rückflügen) ist wahrscheinlich konsequent mit (kriegs-)wichtigeren zu transportierenden Dingen belegt worden als mit mitzunehmenden Postsäcken. Im besten Fall ist eher von der Mitnahme einzelner Postsäcke auszugehen (als Lückenfüller im Flugzeug); drei konkrete Flüge unter Postmitnahme (Feldpost) vom 04.04.; 07.04. und 12.04.1945 werden in [1] auf der Seite 51 aufgeführt. Ein Hinweis auf eine Beförderung ziviler Post ist an dieser Stelle nicht vermerkt.

Allerdings trägt die Ganzsache keinerlei Hinweise auf einen Überroller (von den Kriegsereignissen überrollt), Schwärzung der nach Kriegsende unerwünschten Frankatur, postalische Zensur der Alliierten, einen postalischen "Zurück"-Vermerk oder einen (handschriftlichen, privaten) Eingangsvermerk nach Kriegsende. Die Karte war nach Rathenow adressiert, welches nach Kriegsende im Mai 1945 in der Sowjetischen Besatzungszone lag.

Da es sich hierbei um eine ganz gewöhnliche Karte und nicht um eine nachweispflichtige Sendung (Bsp. Einschreiben) handelt, sind auch keine sonstigen postalischen Hinweise (Bsp. Durchgangsstempel) vorhanden bzw. wären diese auch nicht verpflichtend gewesen. Wäre nicht das Datum des Poststempels dieser Karte ungewöhnlich, würde diese Karte eher den üblichen Eindruck erwecken, als sei diese befördert und zugestellt worden (= als grundsätzliche Annahme bis zum Beweis des Gegenteils).

Sollte es diese Karte tatsächlich aus dem sich anbahnenden Ruhrkessel herausgeschafft haben, dürfte es sich vermutlich um eines der letzten Stücke vor Kriegsende in Remscheid handeln.

Andererseits ist grundsätzlich nicht auszuschließen, dass die hier gezeigte Sendung von den Kriegsereignissen überrollt und nach Kriegsende ohne eine weitere Kennzeichnung bei dem Empfänger zugestellt wurde.


Am 17.04.1945 beendete die deutsche Wehrmacht geplant die Kampfhandlungen im Ruhrkessel. Selbst der Termin der Beendigung wurde bereits einige Tage zuvor (13.04.1945) durch den befehlshabenden Generalfeldmarschall Model festgelegt (siehe [1] Seite 40), d.h. konkret wurde am 13.04.1945 die Auflösung der Heeresgruppe B auf den 17.04.1945 terminiert um damit einer formellen Kapitulation der Wehrmacht im Ruhrkessel zu entgehen.

Das Ergebnis ist gleich, es lief auf das von beiden Seiten vor Ort erwünschte Ende des zweiten Weltkrieges in den betroffenen Orten hinaus. Da die Ausführung des aus Berlin erwünschten Nero-Befehls (d.h. Zerstörung aller für die Alliierten nützlichen Industrie-/Versorgungseinrichtungen und Verkehrsinfrastruktur) vor Ort (weitgehend) verweigert wurde und es nicht zur Bildung von Partisanengruppen kam (Werwolf-Aktionen), ließ sich mit der zunehmenden Einstellung der Kampfhandlungen seitens der Wehrmacht eine weitere großflächige Zerstörung der Städte (Ausnahme u.a. Dortmund) im Ruhrgebiet und Umgebung vielfach vermeiden. Die bereits bis dato zerstörten Gebäude sowie Straßen- und Schienennetze sorgten bereits in dem bestehenden Umfang nach Kriegsende viele Jahre lang für einen Wiederaufbau.

Gruß
Pete

[1] Neue Schriftenreihe der Poststempelgilde "Rhein-Donau" Heft Nr. 91 des Autors Alfred Meschenmoser: "Der Ruhrkessel / 22. März - 17. April 1945 / - eine zeitgeschichtlich-philatelistische Betrachtung -" (http://www.poststempelgilde.de/downloads/Poststempelgilde%20Literaturliste.pdf )
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Ruhrkessel bzw. https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:Ruhrpocket.png
[3] https://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=2916&CP=0&F=1 ( "Deutsches Reich 909/910 SA/SS: Michel streicht die Briefnotierungen")
 
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