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Thema: China: Neue Experten am Briefmarkenhimmel
Richard Am: 12.01.2013 08:32:34 Gelesen: 8889# 1 @  
Neue „Experten“ am Briefmarkenhimmel - Eine Anmerkung des Vorstandes der FCP

forge-china.de - Derzeit findet eine aufwändige Werbekampagne statt. Mit kostspieligen An-zeigen in allen deutschen philatelistischen Zeitschriften rät ein neu am Briefmarkenhimmel aufgetauchter Experte für China und im Speziellen für chinesische Briefmarken, „sich von China Marken zu trennen“. Damit gibt er den Rat, „man solle sie ihm verkaufen, denn die Preise seien spekulativ überhöht,“ dies auch mit der Behauptung „Die tatsächliche Auflagenhöhe…ist nicht glaubwürdig dokumentiert,“ [1]

Da diese Aussagen nicht in der existierenden Form stehen bleiben können, möchten die Mitglieder des Vorstandes der Forschungsgemeinschaft China Philatelie nach Rücksprache mit anderen Kennern der Materie, diese Aussagen klarstellen. Schon die im ersten Absatz genannte Aussage, ist nicht richtig. Das Gesamtbild des Briefmarkenmarktes in China zeigt ein komplett anderes Bild.
Was die Auflagenhöhe betrifft: Die Auflagen der chinesischen Briefmarken sind bekannt und seit Jahrzehnten in chinesischen Katalogen veröffentlicht.

Seit Erscheinen der Michel Nr. 1594, dem roten Affen von 1980 ist bekannt, dass die Marke eine Auflage 5 Millionen hat. Der postfrisch über 2000 Euro teure Fünfer-Streifen Mi.Nr. 1020-1024 von 1968 – eine Ausgabe aus der Zeit der Kulturrevolution – hat eine Auflage von 15 Millionen Stück. Vom 1962 erschienenen Theater-Block (Block 8) wissen wir seit langem, dass er eine Auflage von nur 20.000 Stück hatte. Noch seltener ist die geschnittene Serie dieser Ausgabe, Mi.Nr. 648-655, mit einer Auflage von 14.000 Stück.

Eine Besonderheit bei den sogenannten „Kulturrevolutionsausgaben“ muß berücksichtigt werden: Trotz der hohen Auflagen der Ausgaben der politisch sehr wirren Zeit Chinas (1966-1970) wissen China-Sammler seit 45 Jahren, wie schwer es von Anfang an war, diese Ausgaben zu bekommen. Im Gegensatz zu den Behauptungen der selbsternannten „Experten“ 2 waren diese Ausgaben in keinster Weise spekulativ zur Leerung der Geldbörsen der Briefmarkensammler, sondern sie dienten der politischen Propaganda Maos und der Kommunistischen Partei Chinas. Die Sondermarken kamen nicht an philatelistische Schalter, sondern wurden übers Land verteilt und verbraucht.

Der Export von Briefmarken und der Neuheiten-Versand waren gestoppt, selbst die DDR erhielt ab Mitte 1966 keine Neuausgaben mehr. Der staatliche philatelistische Handel fand nicht statt. Ausländische Kaufleute, Diplomaten und Touristen brachten die Neuheiten mühevoll ins Ausland. In China galt zu dieser Zeit die Philatelie als Zeitvertreib dekadenter Neureicher und Intellektueller. Zu dieser Gruppe sollte man besser nicht gehört haben. Top-Sammlungen wurden versteckt und zum großen Teil auch vernichtet. Einige kluge Philatelisten übergaben ihre Schätze Museen, um sie vor der Zerstörung durch die jugendlichen „Roten Garden“ zu retten, die damals bei ihren Hausdurchsuchungen prominente Philatelisten beschuldigten, „Anhänger des Alten“ zu sein.

Wenig Post aus der Zeit blieb erhalten. Denn eingehende Briefe und Briefumschläge verbrannte man häufig sofort nach dem Lesen, um Familienmitglieder und Freunde vor Drangsalierung zu schützen. Denn bei Hausdurchsuchungen wurde die Post durchgesehen, um Beweise für konterrevolutionäre Tätigkeit zu konstruieren.

Viele Briefumschläge gingen zudem in die Papiersammlungen, denn Papier war kostbar. Ein Großteil der Menschen hatten nur Monatseinkommen von 15-20 Yuan (1 Yuan = 100 Fen), damals 20-25 DM, und sparten sich die 1-2 Fen für einen Briefumschlag, indem sie oftmals einen alten Umschlag von innen nach außen wendeten.

Das änderte sich in China erst langsam ab 1975. Bis dahin war viel Material vernichtet.

Briefbelege mit Marken der Ausgaben der Zeit zwischen 1966 bis 1970 sind heute gesucht. Umschläge mit Sondermarken aus Mi.Nr. 964 – 1025 sind in guter Erhaltung kaum unter 70 Euro je Umschlag erhältlich.

Es ist daher purer Unsinn, von „spekulativen Ausgaben von China (Kulturrevolution)“ [3] zu reden, und davon abzuraten „hier auf ein weiteres Wachstum des Marktes zu hoffen.“ Oder zu behaupten „Ich gehe davon aus, dass die Preise fallen werden“. Es grenzt - um es in harmloser Form zu beschreiben - an Scharlatanerie, den Sammlern zu raten, „sich von den China-Marken der Zeit von 1960 bis 1980 zu trennen, bevor die Preise verfallen.“ [4]

Viele Aussagen sind von den Grundzügen her gesehen einfach falsch. Sie berücksichtigen nicht, was sich tatsächlich in China entwickelt hat und es berücksichtigt schon gar nicht die Chinesen, in ihrer Art und in ihrer Menge. Beginnend Mitte der 80-iger Jahre hat es in China einen Wirtschaftsboom kaum vorstellbaren Ausmaßes gegeben. Viele neue Firmen entstanden, und damit auch immer besser bezahlte Arbeitsplätze. Produkte wurden entwickelt und hergestellt die auf ein riesiges Käuferpotential trafen. Diese Spirale zu mehr Wohlstand kann verglichen werden mit den 60-iger Jahren in Deutschland. Dies aber mit einem feinen Unterschied: In China erreichte der Wohlstand die 10-fache Menge an Menschen als in Deutschland.

Die Anlagemöglichkeiten von Geld ist in China begrenzt, begrenzter noch als andernorts, da keine Investitionen in anderen Ländern erlaubt oder zumindest sehr erschwert sind. Ausfuhr von Bargeld ist ohne Genehmigung verboten. Also sucht sich das Geld mögliche Anlageformen. Das waren anfangs Immobilien, doch schon bald auch Kunst, Münzen und letztendlich Briefmarken.

Besonders bevorzugt sind all die Objekte, die – neben dem Faktor Seltenheit –auch durch Schönheit glänzen und mit persönlichen Erinnerungen verbunden sind. Briefmarken, die von Markenbild und Farbgebung her den Sammlern schon in ihrer Jugend ins Auge fielen, erhalten damit ihren speziellen Wert, der die Nachfrage erhöht.

Man beachte, dass nicht nur die oft als „Propagandamarken“ denunzierten Kulturrevolutionsausgaben mit späteren Preissprüngen überraschten, sondern mit ähnlicher Tendenz auch die bekannten Motivserien wie Goldfische von 1960,Chrysanthemen von 1960/61, Keramik 1961, Huangshan-Berge 1963 oder die legendären und immer mehr gesuchten Pfingstrosen von 1964. Grafisch werden sich auch im internationalen Vergleich kaum Briefmarken finden lassen, die höchsten ästhetischen Ansprüchen mehr genügen als diese kostbaren „Mini-Kunstwerke“! Ein Grund mehr für den gestiegenen Run auf solche Raritäten!

Wenn man zur exquisiten Markengestaltung mit Motiven wie Berge/Landschaften noch das ideologische Element –symbolisiert durch Farbe Rot- hinzunimmt, erreicht man die typisch rotchinesische Mischung, die zum begehrten Blickfang in- und ausländischer Sammler wurde. Bestes Beispiel auch dafür der aus 4 Werten bestehende Satz „Bewässerungskanal Rote Fahne“ (Mi. 1122-1125) der von postfrisch 12 € noch im letzten MICHEL 2009/10 auf das 20-fache im aktuellen Katalog angehoben wurde! Geringe Menge, gestiegene Nachfrage und attraktives Markenmotiv sind somit Erfolgsgaranten für die weiter steigende Beliebtheit der Briefmarke als Anlageobjekt – selbst wenn der eine oder andere ‚Ausreißer’ jetzt über das Ziel hinausgeschossen sein mag.

Zurück zu den Auflagen. Es gibt viele Marken die in brauchbarer Qualität nur in kleinen Mengen vorhanden sind und die wenigen Stücke treffen nun auf einen Markt der mehrere Millionen finanziell hoch potente Sammler, aber natürlich auch Kapitalanleger hat. Was passiert mit Block 8 und seinen 20.000 Stück? Ist ein Preis von 10.000 Euro hoch oder nieder? Jeder der die eingangs beschriebene Situation verstanden hat, kann abschätzen wie das weitere Wachstumspotential aussehen wird.

Wir haben einen Michel-Katalog 2011/2012 bekommen, der in vielen Bereichen aus den Fugen geraten war. VR-China, speziell die Marken der Zeit nach der Kulturrevolution, wurden in einem Maße erhöht wie es nicht der realen Situation entsprochen hat.

Nehmen wir den Satz Mi. Nr. 1074-1082. Von 140 Euro Katalogwert ging er auf 1200 Euro. Beide Werte waren niemals realistisch. Schon 2010 konnten für diesen Satz 200 Euro, in 2011 bereits 400 Euro Verkaufserlös erzielt werden. Heute sind es in etwa 300 Euro. Die Preisangabe im aktuellen Katalog war niemals diesen Werten angemessen.

Oft wurden in China die teuren Marken zuerst gekauft, danach kommt der Rest. Das würde dem gesunden Menschenverstand entsprechen. Ist diese Entwicklung nun schon eingetreten, dass nach den teuren Werten auch die billigen höher bewertet werden? Aktuelle Preise zeigen genau diese Tendenz. Die Ausgaben vor 1955 die oft als Altpapier bezeichnet wurden, haben viele Käufer gefunden. Die Nachfrage ist hoch; die Preise steigen.

Ein typisches Beispiel ist z.B. der Satz Mi. 176-179. Für den Satz in guter Er-haltung - im Wert von 2,80 Euro auf 8 Euro Katalogwert hochgesetzt - erhält man heute knapp 7 Euro. Diese Entwicklung ist auch bei Republik China und Mandschukuo beobachtbar. Andere Sammelgebiete wie FDC's der Zeit vor der Kulturrevolution liegen bei Marktpreisen von teilweise 100 % des Michelkatalogpreises.

Oft vergleicht man, wenn von Preisrückgang gesprochen wird, Preise von Marken mit bester Qualität wie z.B. Mei Lang Fan, heller Gummi, keine braunen Stellen, keine Fehler mit Marken weniger guter Qualität. Für sehr gute Qualität erhält man schon mal beim Verkauf 1500 Euro vielleicht sogar etwas mehr. Derselbe Satz mit braunen Striemen oder fleckigem Gummi bringt vielleicht 900 Euro und mit Falz oder Falzresten geht der Preis noch tiefer. Wenn jemand die 1500 mit den 900 Euro vergleicht sieht das nach massivem Preisrückgang aus. Ist es aber nicht, da die schlechtere Qualität noch nie höhere Preise erzielt hat.

Was stellen die MICHEL-Preise dar? [5] Wenn sich die Preise am Realwert orientieren sind sie in Teilbereichen der VR zu hoch. Die Marken der Republik sind im Katalog unterbewertet. Wenn man den „MICHEL-Wert“ im Vergleich zu den tatsächlichen Netto Ankaufs/Verkaufspreisen des Handels betrachtet, und hier zum Beispiel Deutschland mit China vergleicht, dann sind, dann sind die China Preise zu niedrig. Die Verwirrung muß aus den Katalogen und Preisdiskussion heraus. Sinnvoll ist, dass der erzielbare Erlös einer Marke mit 50 % des Katalogwertes angesetzt wird. Dann hätten wir weniger Unruhe über die Preise. Als Fazit liebe LeserInnen: Bleiben Sie ruhig, holen sie sich vor dem Verkauf zusätzliche Meinungen ein. Lassen sie sich von den teilweise aggressiven Verhaltensweisen der Aufkäufer nicht irritieren.

Bedenken sie auch, dass der Kurs des extrem stabilen RMB kontinuierlich gegenüber dem Euro und dem US$ an Wert gewinnt. Genießen sie einfach ihre Briefmarkensammlung. Das Sammeln und das Investieren ist eine der schönsten Kombinationen die es gib.

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1 Aus dem Anzeigentext in “Händler Spezial”, S. 13, Beilage zum Briefmarkenspiegel Mai 2012

2 Ironie: Die 2 beteiligten Händler (der Eine kauft in D, der Zweite verkauft nach China) waren 2006 beide von der CEPT-Marken-Spekulation der spanischen Firma AFINSA beteiligt und betroffen – demnach wissen sie eigentlich gut, was Spekulation ist.

3 Text zur Selbstdarstellung von V.M. in o.g. Veröffentlichung

4 Ebenda, S. 13, 4. Spalte.

5 Wir beziehen uns auf den aktuellen Michel-China-Katallog 2011/12. Er ist inzwischen im Handel vergriffen. Der Schwaneberger Verlag arbeitet an eine Neuauflage dieses Katalogs, der Ende dieses Jahres erscheinen soll. Insgesamt 8 Mitglieder der FCP arbeiten diesmal koordiniert an der Neuausgabe mit, in der Hoffnung, damit eine noch bessere Grundlage für unser Hobby zu bekommen

(Quelle: http://www.forge-china.de/uploads/artikel/153b.pdf )

Übernommen mit freundlicher Erlaubnis der Forschungsgemeinschaft China - Philatelie e.V., http://www.forge-china.de/main.php?startseite
 
ligneN Am: 01.03.2013 23:06:01 Gelesen: 8164# 2 @  
Hallo,

die oben in Anmerkung (5) erwähnte Neuauflage des Michel Übersee 9I (China) ist inzwischen erschienen.

Der in Zeitungsanzeigen von Händlerseite („“) angekündigte Preisabsturz ist nicht festzustellen.

Die Mi-Preise wurden auch durch ein Kommittee der FG China (Arge im BdPh) an der Marktlage überprüft. Endlich hat man bei den VR China Sätzen nicht mehr die alten Nominalpreise von vor 30-40 Jahren fortgeschrieben, sondern einzeln nach den realen Preisen von heute bewertet. So ist manche Niedrignominale (Inlandsporto) ** deutlich teurer als höhere Nennwerte, ein bekanntes Phänomen: Diese wurden weitgehend verbraucht.

Hintergedanke bei der Preisfestsetzung war: Man soll zu ca. 1/2 Michel = netto eine einwandfreie Marke bekommen können.

Selbstverständlich gibt es Ausnahmen, d.h. überdurchschnittliche Erhaltung bei ** oder/ Vollstempel /Randstück/ rarer FDC usw. kostet mehr. Unterdurchschnittliche Qualität kostet dementsprechend weniger.

Bei den Dezemberauktionen in China / Hongkong oder gerade eben bei Gärtner im Januar kann man anhand der Zuschlagspreise (diese stehen in den Ergebnislisten auf den Internetwebseiten der Anbieter) selbst nachprüfen, ob die Preise verfallen und nur edle DBZ-Inserenten die Rettung bringen oder ob man da nur Angsthasen erschrecken wollte.

Natürlich vertraut manch einer lieber seiner Panik, als einfach: misstrauisch nachzuprüfen.
 
Göttinger Am: 13.05.2013 11:15:37 Gelesen: 7857# 3 @  
Hallo,

aber die Preise für einige Stücke können sich wirklich sehen lassen. Gestern wurde bei einer bekannten Internetplattform ein Lot von 5 Blocks für immerhin 1.232 Euro verkauft

http://www.ebay.de/itm/300901344837?ssPageName=STRK:MEWAX:IT&_trksid=p3984.m1438.l2649

was, nach Angaben des Verkäufers, 50% Michel entspricht.

Viele Grüße

Göttinger
 
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