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Thema: BPP Vorstand Christian Geigle: 90 % der großen Händler sind unseriös
Richard Am: 06.05.2013 08:38:47 Gelesen: 12701# 1 @  
Eine so deutliche Aussage wie die von Christian Geigle, Briefmarkenhändler und Vorstand des Prüferbundes BPP [1] habe ich noch nie gelesen. Er geht in einem Beitrag auf Focus.de davon aus, daß bei 90 der führenden 100 Händler das Schummeln zum Geschäft gehört:

Mit gefälschten Briefmarken betrügen dubiose Händler deutsche Sammler um Millionen. In Hamburg ermittelt die Justiz

Viele Halbseidene seien unter Deutschlands Briefmarkenhändlern zu finden, warnt der erfahrene Gutachter. Unter den 100 bedeutenden arbeitet laut Geigle nur jeder zehnte wirklich seriös. Schummeln gehört offenbar zum Geschäft.

(Quelle: http://www.focus.de/panorama/welt/tid-30970/report-marke-eigenbau_aid_966700.html )

Was sagen Sie zu dieser Meinung von Herrn Geigle ? Immerhin dürften (von mir geschätzte) 90 % aller großen Händler Mitglied im Händlerbund APHV [2] und im Bund Deutscher Philatelisten Mitglied sein.

Schöne Grüsse, Richard

[1] http://www.bpp.de/de/impressum//
[2] http://a-p-h-v.de/59/Ehrenkodex.html
 
drmoeller_neuss Am: 06.05.2013 09:01:54 Gelesen: 12679# 2 @  
Dieser Focus-Artikel ist das Ergebnis des journalistischen Wahnsinns der heutigen Zeit: Ein vermutlich längeres Gespräch wurde auf ein Zitat reduziert, das komplett aus dem Sinnzusammenhang gerissen wurde.

Wer hat nicht einmal gegenüber dem Chef oder der Familie die Wahrheit verschwiegen? Ich würde behaupten, das fast 100% aller Menschen einmal oder bereits mehrmals in ihrem Leben zum Instrument der Notlüge gegriffen haben. Wer hat nicht in der Schule abgeschrieben, oder dem Lehrer treuherzig erzählt, das Heft mit den Hausaufgaben zu Hause vergessen zu haben, obwohl die Hausaufgaben nach dem Fussballspiel leider gar nicht gemacht wurden? "Schummeln gehört offenbar zum Leben", sagt drmoeller_neuss, und 90% aller Menschen sind unseriös.

Den zweiten Teil meines Beitrages übernehme ich aus dem BDPh-Forum:

Zwischen Geigles "wirklich seriös" und "Betrug" liegt eine grosse Grauzone, in der sich die meisten Briefmarkenhändler bewegen. Nicht alles, was rechtlich erlaubt ist, ist auch "seriös". So werden nachgummierte Marken eben nicht als postfrisch, sondern mit "schöner Gummierung" angeboten. In Auktionskatalogen liest man dann, "optisch ansprechendes Stück". Hier hat sich die Reparatur wirklich gelohnt - für den Anbieter. Fälschungen werden nicht aus Sammlungen herausgenommen, stattdessen wird der Posten als "entsprechend vorsichtig taxiert" oder als "urig und chancenreich" angeboten.

Das Internet hat es erst möglich gemacht, dass jeder zum Briefmarkenhändler werden kann. Die technischen Geräte wie Internet-Computer und Scanner sind in fast jedem Haushalt vorhanden. Als Privatanbieter spart man sich auch noch die Mehrwertsteuer und profitiert von der günstigeren ebay-Gebühr. Zeit spielt keine Rolle, ist ja schliesslich Hobby. Um als professioneller Händler überleben zu können, muss man entweder beim Einkauf den Sammler übervorteilen, und wertvolle Stücke "versehentlich" übersehen. Oder beim Verkauf werden eben Mängel verschwiegen.


Im Alltag ist es auch nicht anders. Geht doch einmal kritisch durch Euren Supermarkt. Gibt es dort auch Schokolade, die nur 85 Gramm anstatt der üblichen 100 Gramm wiegt, oder Chipstüten, die zur Hälfte aus Luft bestehen? Oder der Erdbeer-Fruchtjoghurt, in dem sich genau eine Erdbeere und ansonsten Chemie-Aroma befindet? Mit Geigles Zitat sind alle diese Supermärkte "unseriös". Trotzdem kaufen wir dort alle ein und leben noch immer.

Man sollte Geigles Zitat nicht auf die Goldwaage legen. Der Handel ist aber trotzdem gut beraten, an seinem Ruf einiges zu verbessern und sich auch mehr Gedanken über Kundenbindung zu machen. Ansonsten stellt sich das Problem "Kunde" nicht mehr, und der Handel schafft sich selbst ab.
 
22028 Am: 07.05.2013 07:58:56 Gelesen: 12551# 3 @  
Ich sehe es mal so, 100 % der Händler betrachten sich selbst als zu der Gruppe der 10 % gehörend, Ergo, alles paletti.
 
bayern klassisch Am: 07.05.2013 08:08:14 Gelesen: 12549# 4 @  
Hallo in die Runde,

seriös ist seriös - alles andere ist das nicht, ob man nur ein wenig vom Pfad der Tugend abweicht, oder ein gerissener Halsabschneider ist. Ob es nun 90% oder nur 70% sein mögen, lasse ich andere entscheiden. Wenn ich von zahlreichen Tauschtagen und Messen ein Fazit zu ziehen hätte, käme ich auf einen geringeren Prozentsatz, aber immer noch auf einen leider sehr hohen.

Das war früher nicht anders als heute, wo sie fast alle in der Bucht aktiv sind, aber leichter als solche geoutet werden können.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Werner P. Am: 07.05.2013 10:24:04 Gelesen: 12507# 5 @  
Leider beweist dieser Artikel auch einmal wieder, wie unseriös die Presse selbst ist - sogar solche vermeintlich angesehenen Magazine wie "Focus".

Zitat daraus: weil manche mit einer Zähnung von 18 auf 32 nur fünf Cent wert sind, mit einer von 19 auf 34 jedoch Hunderte Euro.

Wenn auch nicht direkt durch Anführungszeichen als Zitat gekennzeichnet, schreibt der unbedarfte Leser diese Aussage dem armen Oskar Klan zu. Und der hat so einen Schmarrn sicher nie gesagt.

Daraus lässt sich leicht ableiten, wie der Rest des Artikels zustande kam. Man kann jetzt Vermutungen anstellen, wer welche Aussagen wirklich gemacht hat und wer nicht. drmoeller_neuss hat insofern ganz recht, dass erhebliche Zweifel bestehen, ob Herr Geigle diese Aussage so in ihrer Absolutheit getroffen hat.

Auch ich selbst war schon "Opfer" der Presse, die aus einem Interview von ca. 45 Min. sich einen Nebensatz rausgepickt hat und daraus völlig sinnverfälschend einen Artikel zusammengestrickt hat.

Auch im Fernsehen und diversen Zeitungen kann ich jedes Jahr zur Pilzsaison wieder haarsträubende Artikel über dieses andere Hobby von mir lesen - die zwar Mykologen zitieren, aber völlig falsche Fakten dazufügen. Die Interviewten bieten regelmässig der Presse an, ihre Artikel vor der Veröffentlichung noch einmal gegenzulesen auf Fehler hin. Das wird jedoch seitens der Presse fast nie genutzt - man strickt sich lieber reisserisch selber was zusammen.

Insofern wäre es angebracht, die Presse auch gleich mit in den Topf der 90% von 100% zu schmeissen und das wäre sicher sehr berechtigt.

Was die Tatsache selbst angeht - ich will über die Zahl 90% nicht streiten, halte sie aber durchaus für nicht restlos daneben. Auch in anderen Geschäftsbereichen wissen wir ja heute, dass der noch vor ca. 30 Jahren übliche "Anstand in den Geschäftspraktiken" heute selbst bei renommierten Firmen und Personen fast restlos abhanden gekommen ist - siehe Banken und Versicherungen, Politiker, Reaktionen auf Gewährleistungs- und Widerrufsfälle usw. Auch wenn ich nicht in jedem Fall 90% unseriöse Personen vermute, ist der Anteil doch erschreckend hoch. Ich frage mich immer, was aus den Werten und dem "Stolz ein anständiger Geschäftsmann zu sein" heute geworden ist. Und das betrifft bei Weitem nicht nur das Internet.

Viele Grüße,

Werner
 
doktorstamp Am: 07.05.2013 11:55:02 Gelesen: 12472# 6 @  
Anständigkeit und Ehrlichkeit, einst vorderstes Gebot, gehören leider längst der Vergangenheit an. Die Zahl der einem persönlich bekannten ehrlichen Händler kann man wohl heutzutage an den Fingern einer Hand zählen.

Das die Presse einige gespickte Aussagen aussucht, um daraus eine verlockende aber eigentlich verzwickte Reportage zu machen ist keineswegs neu. Der unbedarfte was die Philatelie betrifft wird sich freuen nicht eingestiegen zu sein, der eingefleischte dagegen wird wohl verzweifelt die Augen gen Himmel rollen. An sich ist der Artikel aber kein Canard, nur läßt er einiges zu wünschen übrig.

Bemerkenswert auf der Messe in Essen waren die Gelegenheiten mit Kredit- oder Bankkarte zu bezahlen sehr gering. Ich gebe freilich zu wenn die Möglichkeit mir zugestanden wäre, hätte ich wohl mehr ausgegeben. Aber nein, bares wie üblich herrschte. Dies hat auch seinen Grund, aber auf näheres gehe ich hier nicht ein.

mfG

Nigel
 
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