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Thema: Schnörkelbriefe: Petschaftsstempel als Zeichen für Portofreiheit 1797
roteratte48 Am: 12.06.2013 18:27:13 Gelesen: 3963# 1 @  
Zwar fehlt das Inhaltsblatt des im Bild gezeigten Schnörkelbriefes, jedoch sind alle wesentlichen Angaben aus Vermerken ersichtlich. Es handelt sich um ein Schreiben an Carl Theodor (IV), Pfalzgraf bei Rhein, seit 1778 auch Herzog und Kurfürst von Bayern, der seit diesem Zeitpunkt auch seine Residenz von Mannheim nach München verlegte; anzunehmen daher, daß der Brief "zum Churfürstl. HofKriegsrath" ebenfalls dorthin lief. Präsentiert wurde er am 26. September 1797, geschrieben laut rs. Inhaltsvermerk von Anton von Gronsfeld mit unterthänigster Bitte, seinen 14-jährigen Sohn gegen Bezahlung als Cadet aufzunehmen.

Was mir ins Auge fiel ist der vorderseitige kleine Petschaftsstempel, der sich mir in seiner Bedeutung nicht erschließt - bei Feuser/Münzberg werden solche Stempel als Zeichen für Portofreiheit (z.B. in Leipzig seit 1715) erwähnt. Ich habe unter vielen hundert Schnörkelbriefen einen solchen Stempel adreßseitig noch nie gesehen - kann das geballte Wissen der Forumsmitglieder mir hier helfen? Danke im Voraus!

Gruß an alle - Rolf



 
bayern klassisch Am: 13.06.2013 11:36:53 Gelesen: 3915# 2 @  
@ roteratte48 [#1]

Lieber Rolf,

ich repräsentiere sicher nicht das geballte Wissen des Forums, aber meine private Meinung dazu will ich dir nicht verschweigen.

Poststellen hatten zur Prüfung, ob Schreiben aufgegeben wurden, die keine besonderen, adressseitigen Portofreiheitsvermerke (Franchisen) aufwiesen, aber dennoch portofrei zu belassen waren, immer eine Liste von Petschaftsabschlägen im Original vorliegen, nach deren Abgleich Briefe folglich portofrei oder portopflichtig gemacht wurden. Dies hat die Aufgabepost offensichtlich mit dem Ergebnis getan, dass in der Portofreiheitsliste das für mich schwer zu erkennende Siegel vorhanden war. Damit war der Brief offiziell als portofrei zugelassen.

Zu Zeiten derer von Thurn und Taxis, als die Briefspionage noch gang und gäbe war, waren die amtsbekannten Stempelschneider sogar verpflichtet, was der Auftraggeber gar nicht wusste, zwei identische Siegel anzufertigen. Der Auftraggeber bekam aber nur seines, das andere bekamen die Handlanger von Thurn und Taxis. Damit konnte man einen Brief der Persönlichkeit, die ihn aufgab, problemlos öffnen, ihn lesen und kopieren. Die Kopie wurde nach Wien geschickt (oft an von Metternich). Danach wurde er mit dem zweiten Petschaft verschlossen und kein Mensch konnte ahnen, dass es erbrochen worden war. Diese taxischen Geheimdientstellen nannte man die schwarzen Kabinette.

Zurück zu deinem schönen und interessanten Brief. Weil damals niemand spaßeshalber ein Siegel irgendwo vorn oder hinten abschlug, halte ich es für äußerst wahrscheinlich, dass der Absender portobefreit war und dies durch den Abschlag seines Siegels bestätigen wollte. Die Aufgabepost akzeptierte das und alle nachfolgenden Posten hatten den Brief ohne Taxbelastung von der Aufgabepost zukartiert bekommen und wussten daher, dass er auch ohne Transitporto weiter zu leiten war.

Auch hätte der Empfänger einen mit Porto belasteten Brief überhaupt nicht angenommen, denn die Majestäten seiner Zeit zahlten bekanntlich nichts.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
roteratte48 Am: 13.06.2013 14:57:17 Gelesen: 3899# 3 @  
@ bayern klassisch [#2]

Lieber Ralph,

auch wenn Du Dein Licht wieder mal unter den Scheffel stellen willst - ich denke, daß Du mit Deiner Erklärung so ziemlich ins Schwarze triffst. Vor wenigen Minuten habe ich mit Peter Feuser in Stuttgart telefoniert - er sieht die Sache ähnlich und bestätigt die Verwendung solcher Petschaften, gerade in Bayern und gerade im Zusammenhang mit Carl-Theodor, vornehmlich zwischen 1780 und 1795. Die erwähnten Leipziger Abschläge seien da viel weniger klar - der "Rat der Weisen" streitet noch. *gg*

Hab einmal mehr Dank für Zeit und Mühe!

Gruß - Rolf
 
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