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Thema: Auslagestempel von Bayern
bayern klassisch Am: 09.10.2014 16:56:10 Gelesen: 4163# 1 @  
Liebe Sammlerfreunde,

Als sich Bayern im Jahre 1808 von Thurn und Taxis gelöst hatte, begann es sukzessive Postverträge im eigenen Namen abzuschließen. Diese Stempel sollen ab 1815 (Augsburg) erstmals im Einsatz gewesen sein, wobei ich noch keine aus 1815 gesehen habe, nur ab 1816 kenne ich sie. Aber es mag sogar noch frühere geben.

Da Bayern nicht auf einen Grenzfrankozwang bestand, also nicht von ausländischen Korrespondenten verlangte, stets bis zur bayerischen Postgrenze zu frankieren, konnten Briefe aus dem Ausland entweder ganz unfrankiert, teilfrankiert oder ganz frankiert vorkommen.

Briefe, die ganz frankiert waren, bedurften keiner Auslagestempel.

Briefe, die bis zur bayer. Postgrenze teilfrankiert waren, bedurften ebenfalls keiner Auslagestempel.

Briefe, die in keinem Postgebiet portopflichtig waren (Briefe der Regenten, Dienstbriefe u. ä.) bedurften ebenso keiner Auslagestempel.

Nur Briefe aus dem Ausland, auf denen ein Porto haftete, durften/sollten/konnten einen Auslagestempel erhalten.



Den modus operandi zeigt uns das 1. Briefbeispiel aus Walldürn nach Ühlfeld bei Neustadt an der Aisch. Die Aufgabepost in Baden taxierte in schwarz "4" Kreuzer mittig bis zur bayerischen Grenze. Diese Berechnung war Bayern egal, es hatte nur dafür zu sorgen, dass dieses fremde Porto, das man Baden schuldete, nicht in Bayern vergessen wurde. Daher stempelte die bayerischen Post in Würzburg, wohin das badische Briefepaket geschickt worden war, seinen roten Auslagestempel auf dieser fremden 4 ab, zog einen Bruchstrich als Trennung vom bayerischen Porto, das auch 4 Kreuzer betrug und sandte den Brief so nach Neustadt an der Aisch weiter.

Erst dort strich man mit Rötel die beiden Vierer durch und notierte mit 8 Kr. oben das Gesamtporto. Nachdem man vom Empfänger diese 8 Kr. kassiert hatte, überwies man diese 8 Kr. an Würzburg, von wo aus man ja mit 8 Kr. belastet worden war. Würzburg behielt 4 Kr. für sich und gab 4 Kr. an Baden weiter, das damit seine Forderung als erledigt ansah.



Das 2. Briefbeispiel zeigt uns, dass allein schon die Höhe der Gebühren ausreichen kann, die Zuordnung der Taxen zu den entsprechenden Postgebieten zu erleichtern; etwas, was gerade Anfängern und weniger Fortgeschrittenen größte Probleme macht.

Ein Brief aus Ysni (heute Isny) in Württemberg nach Würzburg wurde in Ysni mit nur 1 Kr. in Rötel taxiert. In Bayern gab es damals keine Briefporti von nur einem Kreuzer. In Augsburg wurde der württembergische Kreuzer zuerst ungläubig gestrichen, dann aber rechts neu notiert und auf ihm der Auslagestempel abgeschlagen als Zeichen der Belastung der Augsburger Post mit 1 Kr. durch die Post in Ysni. Augsburg setzte darunter einen Bruchstrich zur Trennung der beiden Gebühren und notierte 12 Kr. bayer. Porto dazu. Die unter der Rötel "1" notierten 12 Kr. strich man ab, weil man keinen Anspruch auf 24 Kr. hatte.

Auch machte man gleich Nägel mit Köpfen, indem man beide Gebühren schon in Augsburg zu 13 Kr. addierte und die bereits zuvor notierten 13 Kr. strich. Hier haben wir also einen Brief mit 2 Rechnungen vor uns - die 1. wurde gestrichen, weil man KEINEN Auslagestempel zur Hand hatte, dann, als er sich fand, wurde er eingesetzt und die gleiche Rechnung erneut aufgemacht.



Das 3. Briefbeispiel aus Verden an der Aller (Kgr. Hannover) nach Ansbach zeigt einen Dreiländerbrief. "Frei bis zur Grenze" hieß in Hannover, dass der Absender bis zur hannöverisch - preußeischen Grenze frankiert hatte, oder wie hier, bis dahin portofrei war. Das Franko wäre in roter Tinte neben den Frankovermerk zu schreiben gewesen, aber das ist hier nicht der Fall.

Statt dessen hatte Preußen seine Transitgebühr von 2 1/4 Gutegroschen in schwarzer Tinte daneben geschrieben. Diese entsprachen 9 Kr.. Jedoch konnte man nicht den Auslagestempel auf den preußischen 2 1/4 Ggr. abschlagen, weil in dieser Währung in Bayern niemand rechnete. Somit war diese fremde Gebühr zu reduzieren in rheinische Kreuzer (= 9), was man über Ansbach mit Rötel machte. Dann schlug man darauf den Auslagestempel ab und notierte darunter mit 9 Kr. das bayer. Porto ab der Grenze bis Ansbach.

In Ansbach addierte man beide Gebühren zu 18 Kr. Postporto und später wurden 19 Kr. vom Boten dem Empfänger in Rechnung gestellt.



Das 4. Briefbeispiel zeigt die (möglichen) Problematiken gleicher Zahlen, aber unterschiedlicher Währungen. Ein Brief aus dem preußischen Rauden nach Castell zeigt ein blaues preußisches Porto von 10 Silbergroschen an. Diese sind nur schwer zu erkennen. Bei seiner Ankunft in Hof wurde der 1 1/4 Loth schwere Brief mit der dort typischen rotenvioletten, eigentlich preußischen Tinte, mit 35 Kr. taxiert, die den 10 Groschen entsprachen. Hierauf wurde dann der letzte (sog. "späte") Hofer Auslagestempel abgeschlagen.

Weil die Inlandsgebühr für diesen Brief vom 18.4.1850 zufällig auch "10" war, aber jetzt Kreuzer und keine Groschen, unterstrich man die 35 Kr. und überschrieb sicherheitshalber die blauen preußischen Silbergroschen mit Rötelstift und kam so, nach Abstreichens, zur Summe von 45 Kr. oben rechts.

Hatten wir bisher 4 Briefe, die unfrankiert bzw. teilfrankiert nach Bayern liefen, so gab es auch Fälle, in denen Briefe mit Auslagestempel nur Bayern transitierten.



Das 5. und letzte Briefbeispiel zeigt einen Portobrief von Stuttgart über Bayern nach Bialokosz bei Posen, damals Preußen. Absender aus Württemberg konnte ihre Briefe nach Preußen wie folgt absenden:

1. Ganz unfrankiert (wie hier). Auslagestempel war abzuschlagen für das württ. Porto und das bayer. Porto bis zur bayer. Ausgangsgrenze.

2. Franko württ. - bayer. Grenze. Auslagestempel für das bayer. Porto bis zur bayer. Ausgangsgrenze war abzuschlagen.

3. Franko bayer - preußische Grenze. Kein Auslagestempel, da Bayern nichts ausgelegt hatte und nichts zu fordern hatte.

4. Franko Empfänger in Preußen. Kein Auslagestempel, s. 3..

Württemberg hatte hier 4x für den Brief bis zur bayer. Grenze gefordert. Auf diesen schlug Nürnberg seinen Auslagestempel ab und notierte unter dem Strich das bayer. Transitporto von 8 Kr.. Somit hatte Bayern eine Totalforderung an Preußen von 12 Kr..

Preußen reduzierte diese 12 Kr. in 3 1/2 Groschen und addierte 5 Groschen für seine Strecke dazu, so dass der Empfänger total 8 1/2 Groschen zu zahlen hatte.

Nach Kassierung dieser 8 1/2 Groschen gab Preußen 3 1/2 Groschen an Bayern zurück. Bayern reduzierte diese wieder in 12 Kr., behielt davon 8 Kr. und gab Stuttgart die restlichen 4 Kr. zurück.

Vlt. zeigt der ein oder andere noch Briefe mit bayerischen Auslagestempeln, für die ich eventuell eine Erklärung der Postverhältnisse und Porti geben könnte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
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