Thema: Altdeutschland: Belege, die Geschichte erzählen - Fundstücke und Beifang
roteratte48 Am: 16.11.2014 20:33:49 Gelesen: 7519# 1 @  
Ei gugge mol da - Fundstücke und Beifang

Schmuddelwetter - Briefmarkenzeit! Und wer sich dann, bei Auktionen oder auf Messen, durch die Kisten wühlt oder Sammellose in Bananenkartons ersteht, der stößt immer mal wieder auf die eine oder andere Besonderheit; die muß nicht "wertvoll" sein oder eine "Granate", aber interessant sollte sie sein - nicht alltäglich, ein bißchen fernab vom Üblichen.

Also war auch ich gestern unterwegs und habe ein paar Dinge erstehen können, die ich nun durchforste. Das erste, das mir im Blick auf Themen hier auf den Philaseiten auffiel, war ein Stück zur "Incoming mail Schweiz", dem Thread von Kevin zu seinem USA-Brief. Nicht USA, auch keine "Bombe" - aber hübsch, dekorativ und interessant:



Früher Rechnungsbrief einer Wuppertaler Tuchhandelsfirma nach Sankt Gallen, frankiert mit Dreierstreifen und Einzelmarke der 1 Groschen NDP Mi.4, vom 11.Januar 1868 (Einführung der NDP-Marken am 1. Januar 68). Dazu eine besonders hübsche Entwertung durch die vier recht klaren Hufeisenstempel von Elberfeld, Spalink 17-1. Eigentlich nicht "meine Baustelle" - aber den werde ich behalten. :o) Bleibt noch ein kleines Rätsel: Wie kommt der rückseitige Zugstempel BASEL - OLTEN mit Datum vom 16. Dezember 1867(!) auf den Brief ?

Nummer zwei der kleinen Trouvaillen ist diese württembergische Ganzsachen-Postkarte aus Calw, auffrankiert mit 10 Pfg zur Abdeckung der Nachnahmegebühr. Freundlicherweise nahm man eine 10 Pfg Germania des Deutschen Reiches und schuf so eine nette Mischfrankatur. Der rosa Nachnahmezettel und die Tatsache, daß die Karte verweigert und umgehendst wieder zurück spediert wurde (siehe Vermerke mittig und links) tragen zur Freude des Sammlers bei!



Nummer drei ist dann schon eher das Sammelgebiet des alten roten Nagers - Ein Vorphila-Begleitbriefchen aus Eisenach 1829 nach Altenburg. Neben dem gar nicht so häufigen Stempel in Sonderform fiel mir das große rückseitige Lacksiegel des Fürstl. Thurn & Taxischen Postamtes auf - also Brief aufmachen und lesen! Und - ei gugge mol da - Geschichte pur und ein Traumstück für jeden Ronneburger! Im Jahre 1829 wurde das Herz der Stadt Ronneburg durch einen Großbrand, wie wir ihn uns heute kaum mehr vorstellen können, total zerstört - mehr als 200 Häuser brannten bis auf die Grundmauern nieder, 6 Menschen verloren ihr Leben und hunderte alles, was sie je besaßen. In allen deutschen Staaten wurde zu Spenden aufgerufen - ein Ruf, dem mit diesem Brief auch Fürst Maximilian Karl von Thurn und Taxis nachkam (regierender Fürst von 1827 - 1871). Er weist durch die T&T-Lehenspostamtkasse Eisenach den "Hülfsverein zur Unterstützung der Abgebrannten in Ronneburg" in Altenburg an, seine beigefügte Spende von 100 Gulden rheinisch für die Opfer der Katastrophe zu verwenden.



Genug für jetzt und heute - aber es warten noch einige kleine Besonderheiten, die ich in den nächsten Tagen zeigen werde. Ich hoffe fest und zuversichtlich, daß ich in diesem Thema nicht allein bleibe - bitte zeigt auch ihr Eure Fundstücke, an denen ihr euch freut und die ihr in Krabbelkisten, auf Messen, in Sammellosen als Beifang oder beim Vereinstausch gefunden habt, ganz gleich, aus welcher Zeit, ob klassisch oder modern - Hauptsache, es sind Belege, die bei euch ein "Klick" ausgelöst haben! Die Novemberabende sind lang - Zeit für unser gemeinsames Hobby!

Grüße ins Forum - Rolf
 
bignell Am: 17.11.2014 18:29:10 Gelesen: 7376# 2 @  
@ roteratte48 [#1]

Hallo Rolf,

gutes Thema. Diese Zeitungsseite hab ich mir nicht wegen der Marke gekauft, sondern wegen des Inhaltes: Bericht über den Besuch des Kaisers in Böhm. Leipa (heute Èeská Lípa, Tschechien).



Leider ist der Artikel nicht komplett, aber die beiden Seiten bieten einen guten Einblick.

Lg, harald
 
roteratte48 Am: 18.11.2014 12:04:36 Gelesen: 7260# 3 @  
@ bignell [#2]

Hallo Harald,

genau solche Dinge meine ich (und möchte ich gerne sehen) - Belege, die Geschichte erzählen und das besser als jedes Geschichtsbuch, Dinge, die erst beim zweiten Hinschauen an Wert gewinnen (auch, und vor allem, immateriell!), die kleinen Freuden des Sammlers wie Erstdaten, Stempelzufälligkeiten und, und, und. Und nochmal ausdrücklich die Bitte, auch modernes Material zu zeigen - ich habe sowas leider nicht.

Zwei weitere kleine Überraschungen aus dem Samstäglichen Beifang - eine nette Doppelabstempelung auf einem Briefchen 1866 nach Nienadowa im damals österreichisch-ungarischen Galizien (heute Karpatenvorland, südöstliches Polen). Genaues Hinsehen zeigt, daß die Marke wohl ursprünglich auf schwereres, weißes Papier geklebt worden war, dann wieder ausgeschnitten und auf dem blauen Briefpapier neu angebracht wurde.



Und auch über solche klitzekleinen Details kann ich mich auch heute noch freuen - ein postamtlicher Vermerk rückseitig auf einem Brief mit MiNr. 3 an Herzog Ernst zu Sachsen-Altenburg 1854: "Aufgesprungen angekommen und amtlich verschlossen; Altenburg, 3. März 54, Königl. Herzogl. Sächsischer Postmeister"



Gruß ins Forum - Rolf
 
22028 Am: 18.11.2014 13:45:47 Gelesen: 7231# 4 @  
Schon vor längerem habe ich einen Overland Mail Brief bei ebay für weniges Geld ersteigert. Erst vor kurzem, als ich den Brief dann beschrieb, um ihn der zukünftige Ausstellungssammlung zuzufügen, beschäftigte ich mich etwas näher damit.

Dazu folgende Hintergründe:

Die erste Erkundungsfahrt zwischen Baghdad und Haifa wurde im April 1923 durchgeführt und lief entlang den Richtungsfurchen welche die Englische Luftwaffe in den frühen 20er Jahren in der Wüste anbrachte und welche den Piloten als Richtungshilfe in der Wüste welche keinerlei Anhaltspunkte hatte, dienten.

Die erste Postbeförderung auf dieser Strecke erfolgte am 30 August 1923. Zwei Briefe von dieser Postbeförderung sind bekannt welche sich in der Sammlung von Zvi Alexander (Postmuseum Israel) befinden. Weitere Erprobungsfahrten wurden in der Folgezeit durchgeführt und zwei Briefe von der Erprobungsfahrt vom 16.10.1923 sind bekannt (Ebenso Sammlung von Zvi Alexander).

Der gezeigte und von mir entdeckte Brief ist von einer weiteren bisher nicht dokumentieren Erprobungsfahrt welche am 12 September 1923 stattfand. Diese Fahrt wurde in der Baghdad Times vom 10. September 1923 angekündigt. Interessanterweise trägt dieser Brief, datiert 10.09.1923 mit rückseitigem Durchgangsstempel Port Said 15.09.1923, bereits einen Leitwegstempel welcher bisher nicht registriert war.




 
roteratte48 Am: 18.11.2014 15:04:01 Gelesen: 7201# 5 @  
Gleich zwei Zuckerl auf einmal - Brief einer zuvor nicht belegbaren Fahrt plus neuer Stempel - da freut sich der Rainer - und ich mich übers Zeigen!

Danke und Gruß - wir lesen uns!
 
mumpipuck Am: 19.11.2014 02:19:01 Gelesen: 7123# 6 @  
Diese Postsache aus dem Jahre 1893, die der Postagent der Postagentur in Groß Grönau (südlich Lübeck im Kreis Herzogtum Lauenburg; 1900:469 Einwohner) an den Gutsherren auf Tüschenbeck (1900: 149 Einwohner) in seinem Zustellbezirk schrieb, sagt viel über die Verhältnisse bei der Post auf dem platten Land in dieser Zeit aus, auch wenn ich nicht alles entziffern kann. Offensichtlich beschwert sich der Gutsherr in seiner Antwort auf dem selben Schreiben, dass seine Post in die Nachbarorte nicht gleichtägig zugestellt wird und er seine Zeitungen nicht gleichtägig erhält. Die Einwendungen des nach seiner Auffassung bequemen Landbriefträgers, dass er zu spät nach Lübeck mit dem Zug zurückkäme lässt er nicht gelten. Sehr schön auch die Anmerkungen des armen Postagenten am Rande wie "0 je"!

Wer kann mir sagen was auf dem Siegel der Postagentur steht ? "K.D.POSTAGENTUR GROSS GRÖNAU" ?




 
Richard Am: 22.11.2014 09:35:27 Gelesen: 7009# 7 @  
@ roteratte48 [#1]
@ bignell [#2]
@ 22028 [#4]

Hallo zusammen,

sehr schöne Beiträge und Abbildungen, gerne mehr, doch unter dem Thema Ei gugge mol da sind sie später in der Forumsuche und bei Google & Co. kaum auffindbar.

Ich würde sie gerne in Themen einfügen, in die sie besser passen nach Gebiet, Zeitraum, Besonderheit usw. aufrufbar und bitte alle drei Schreiber, mich per Mail zu informieren, wo die Themen reinpassen oder wie die Themen zu den Beiträgen 1 bis 4 und 6 lauten könnten.

Bei inzwischen 87.000 Forumbeiträgen wird das Forum sonst unübersichtlich.

Schöne Grüsse, Richard
 
Claudius Kroschel Am: 22.11.2014 10:04:49 Gelesen: 6989# 8 @  
@ Richard [#7]

Hallo Richard und alle anderen Schreiber in dieser Rubrik: Das "Ei gugge mol da" finde ich zwar sehr originell, aber Richard hat recht. Hinter dem Bindestrich geht es ja mit "Fundstücke und Beifang" weiter und ich halte diesen Teil für einen richtigen Ansatzpunkt für die Benennung einer Rubrik, die zu einem passenden Titel führen könnte.