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Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
Das Thema hat 969 Beiträge:
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bayern klassisch Am: 21.05.2018 13:36:53 Gelesen: 283148# 270 @  
Liebe Freunde,

keine Schönheit, aber sie hat etwas besonderes, weswegen ich sie mir schnappen musste:

Ein Brief aus Nürnberg vom 22.4.1866 zeigt 3 Marken zu 3 Kreuzer nach Reichenbach im Vogtland/Sachsen, die nötig waren, denn die Entfernung betrug 156 km und lag somit knapp im 3. Rayon über 20 Meilen.



Offenbar war man sich aber in Nürnberg nicht sicher, was reichen würde, denn alle Marken wurden vor der Aufgabe aufgeklebt und wieder abgenommen. Später klebte man sie wieder auf, wobei links neben den beiden rechten Marken die Anhaftung des Gummis der jetzt ganz links platzierten Marke noch gut zu erkennen ist.

Warum tat man dies? Nun, möglich wäre ein Versand durch Güte z. B. nach Hof, von wo aus es unter 10 Meilen nach Reichenbach waren und daher 3 Kreuzer ausgereicht hätten. Wir werden es leider nie mehr heraus finden, aber Briefe mit abgenommenen und später wieder aufgeklebten Marken darf man immer nehmen, denn viele gibt es nicht.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 22.05.2018 16:22:07 Gelesen: 282901# 271 @  
Liebe Freunde,

folgendes, von Herrn Sem attestiertes (!) markenloses Feldpostbriefchen Heimat - Front aus Füssen vom 12.11.1870 darf ich zeigen.





Adressiert war es an "Seiner Excellenz Herrn Ritter Wilhelm von Walther Königl. bayerischern Generallieutnant u. Commandant der K. 3ten Infanterie Division 2. K. bayer. Armeecorps zu Malabry bei Paris Frankreich".

Gemeint ist sicher der hier:

https://de.wikipedia.org/wiki/Friedrich_Wilhelm_Walther_von_Walderst%C3%B6tten

Dort lese ich, dass von Walther am Vortrag des Aufgabetages dieses Kuverts das Großkomuturkreuz des Militärverdienstordens und das Eiserne Kreuz 2. Klasse verliehen bekommen hatte.

Bei Postaufgaben von Füssen, immer unter Chargé, muss ich sonderbarerweise immer an unseren Ludwig II denken. Ich meine, dass die Schrift dazu passt - leider kann ich das grüne Siegel hinten nicht deuten, aber auch das sieht nicht nach einem vom Bäckermeister Fröhlich aus.

Was glauben die anderen Royalisten hier?

P.S. Ein Sterblicher hätte nur 7 Kreuzer für die Chargierung bezahlen müssen - die Majestät natürlich nichts.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 01.06.2018 14:20:43 Gelesen: 277433# 272 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Laufzettel (LZ), von dem ich nicht geglaubt hätte, ihn jemals sehen zu dürfen, geschweige denn zu besitzen, doch das Laufzettel - Wunder geschah.





Eine Fahrpostsendung von Augsburg an einen in bayerischen Diensten stehenden Militär in Frankreich war dort scheinbar nicht angekommen (was Wunder!), so dass der Absender in Augsburg zu seinem Oberpostamte lief, um Beschwerde zu führen. Diese nahm sich der Sache an und sandte ein Schreiben mit der Manualnummer 1 an ein "K. bayer. Feldpostamt in Frankreich ibi ubi" unter Chargé. "Ibi ubi" bedeutete hier kein französischer Ort, sondern war lateinisch für "wo immer das sein sollte", weil man ja in Augsburg nicht wissen konnte, wo das passende Feldpostamt lag.

Historie: Mit dem böhmischen Heer des österreichischen Feldmarschalls von Schwarzenberg marschierten bayerische Truppen unter General von Wrede ab Januar 1814 nach Frankreich, nachdem Napoleons Armeen geschlagen worden waren. Die Feldpost war auf 2 Feldpostdetachements aufgeteilt worden, weil die Grenzlinie zu lang für eines gewesen wäre. Zwischen Basel und Epinal mussten daher Feldpostrelais installiert werden. Erst nach dem Frieden vom 30.5.1814 zog sich das Feldpostamt aus Frankreich zurück, verblieb jedoch weiterhin mobil, weil der Lage angemessen.

Weiter mit unserem Stück: Irgendwann lief es per Feldpost nach Augsburg zurück, wo man den Inhalt an die K. Postwagensexpedition Obergünzburg (Schwaben) unter der Nr. 210 eingetragen hatte und unten links notierte man noch "Laufzettel Nro. 255". Wo die anderen 254 Laufzettel heute sind, weiß der liebe Gott (wenn er ein Bayernsammler ist, wovon ich mal ausgehe).

Nett auch der Verschluss des Oberpostamts Augsburg, der hier als Siegeloblate genutzt wurde und schon an sich äußerst selten zu finden ist - auf einem Laufzettel, noch dazu per Feldpost und nach Frankreich, kenne ich keinen weiteren.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 01.06.2018 14:28:07 Gelesen: 277430# 273 @  
Liebe Freunde,



unter dem 3.5.1815 fragte das Oberpostamt Würzburg, Abteilung Hauptbriefpostexpedition, beim K. B. Grenzpostamt Hof an, ob ein Einschreiben nach Leipzig denn auch richtig angekommen wäre. Da Hof ein multiples Postamt war, das für Bayern, Preußen und Sachsen gleichzeitig arbeitete, sandte man die Anfrage, die ein Laufzettel war, nach Leipzig weiter, wo sie bearbeitet wurde und das Untersuchungsergebnis, heute leider nicht mehr vorhanden, dem Postamt in Hof mitgeteilt wurde.



Hof faltete den Laufzettel um und adressierte ihn neu mit: "Laufzettel Nr. 67 retour An die königl. Oberpostamts - Brief - Expedition Würzburg" und vermerkte "KDS" = Königliche Dienst - Sache, um zu zeigen, dass hier keine Kosten angefallen waren, weil es sich um Leistungen für einen Dienstlaufzettel handelte. Desweiteren versah man in Hof am 27.5.1815 noch den LZ mit seinem grünen Chargé - Stempel, so dass ein ganz nettes Briefchen aus ihm wurde.

Dergleichen Belege blieben nur wenige erhalten und wir müssen dankbar sein, ein paar wenige besitzen zu dürfen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 01.06.2018 14:40:39 Gelesen: 277424# 274 @  
Liebe Freunde,

ein kurzer Abriss des Geschehenen, ehe man in Weiden einen Laufzettel bei der Fahrpost aufgabe:

Am 23.12.1825 sandte man einen Brief 4 Loth schwer mit 5 Gulden und30 Kreuzern an eine Zeitung in München. Selbstverständlich erwartete man die Zusendung einer entsprechenden Quittung und alles wäre gut gewesen. War es aber nicht, denn eine Quittung, oder irgend etwas anderes, das belegt hätte, dass die 5 1/2 Gulden gut in der Hauptstadt angekommen wären, vermisste man schmerzlich.





Daher ging man am 22.2.1826 zu seiner Post und verlangte einen Laufzettel abzufertigen, um zu klären, wo das Geld hingekommen sei. Dafür legte man den Original - Postschein bei (Risiko!!), formulierte seinen Antrag und ließ das Ganze nach Amberg abgehen. Amberg erhielt den LZ, las alles gut durch und quittierte den Erhalt der Sendung und die richtige Weiterleitung nach München. Dann lief er in die Hauptstadt, wo der Empfänger, die ortsansässige Zeitung, den Erhalt des Gelden rein quittierte. Sodann lief er wieder schnurstracks der Aufgabepost in Weiden zu, die ihn, noch immer mit dem Postschein (!!) aushändigte.

Das Zusammenbleiben von Postschein und Laufzettel ist eigentlich nur dann möglich gewesen, wenn die Sendung beraubt, gestohlen, verloren oder unterschlagen wurde. Das war hier nicht der Fall. Ich habe ca. 70 - 80 Laufzettel von Bayern gelesen und studiert - einen wie den hier kannte ich zuvor noch nicht, denn jetzt hatte der Postkunde sowohl den Postschein, wie auch den Laufzettel in der Hand und das durfte natürlich nicht sein, weil nach der Postvorschrift die Aushändigung des Laufzettels nur gegen den Postschein erfolgen durfte. Wieder eine Contravention und diesmal keine kleine ...

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 01.06.2018 14:51:54 Gelesen: 277421# 275 @  
Liebe Freunde,

dank Peter Feuser ging mir dieses Vögelchen ins Netz und ich möchte es euch nicht vorenthalten, ist es doch das zweite von dreien, die ich kenne und die alle aus derselben Korrespondenz stammen.





Lorenz von Lerchenfeld Aham schrieb am 15.10.1849 in Speyer "Mademoiselle Fanny de Lerchenfeld Aham à Wurzbourg, Dominikanerplatz No. 242, Militairbrief franco" folgendes:

"Liebe theure Fanny!
Eben erhalte ich deine leibenZeilen. Mit
welcher Freude sie mich erfüllen, kann ich
dir nicht sagen. Ich will eilen, vielleicht
geht dieser Brief noch mit fort.
Vor 8 Tagen kann ich jetzt hier nicht weg,
ausgenommen es wäre dringend nöthig.
Die Taufe laßt vornehmen.
Es muß sich ohnehin in dieser Zeit entscheien,
ob wir länger hier bleiben.
Der Armeebefehl brachte nichts, bis ganz
getröstet darüber.
In größter Eile
Dein Lorenz
Küsse Marie innig".

Natürlich habe ich weder den Absender, noch die Empfängerin und das Kind (Marie?), das wohl im Oktober 1849 in Würzburg geboren wurde, im Netz gefunden.

Siegelseitig sehen wir ein bayer. Militärsiegel, weswegen der Brief portofrei laufen konnte und den Ankunftsstempel von Würzburg vom 17.10.1849.

Kleiner Brief mit großem Kino - einfach mal nachlesen, was 1849 so in Baden (Speyer liegt ja am Rhein direkt gegenüber der badischen Seite) so alles los war.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 12.06.2018 16:16:14 Gelesen: 276009# 276 @  
Liebe Freunde,



Neu - Ulm 17.6.1851 nach München für 6 Kreuzer als bayerischer Inlandsbrief über 12 Meilen. Von Ulm aus hätte es 2 oder 3 Kreuzer württembergisches Franko bis Neu - Ulm gekostet, zu denen 6 Kreuzer für Bayern gekommen wären (Tarif 1.12.1810 über 12 - 18 Meilen, tatsächlich 16 Meilen).

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 16.06.2018 11:21:12 Gelesen: 275801# 277 @  
Liebe Freunde,

würde man die Häufigkeit recommandirter Sendungen klassifizieren müssen, wäre das gar nicht mal schwer:

1. Fernbriefe in Bayern - häufig.
2. Fernbriefe in den Postverein - recht häufig.
3. Fernbriefe ins Ausland - ziemlich selten.
4. Briefe im Ort - ziemlich selten.
5. Briefe in den Lokalbezirk - sehr selten.



Heute zeige ich einen Brief aus München vom 10.8.1866 mit vollem Inhalt (schwer lesbar für mich) der Firma Geist & Breuninger in München and Herrn Heinrich Liebermann "hier". Die Aufgabe erfolgte am Bahnhof mittels einer 1 Kreuzermarke für die Frankatur als Ortsbrief, während die Reco - Gebühr von 6 Kreuzern bar bezahlt werden musste. Die Aufgabepost im Bahnhof stempelte mit ihrem roten Chargé - Stempel und vergab die Reco - Nummer 419.

Er lief jedoch nach München - Stadt und wurde dort ankunftsgestempelt mit dem Einkreisstempel, den wir oft auf Münchener Briefe finden, die recommandirt wurden, von wo aus er mit der Reco - Nummer 28 versehen dem Stadtbriefträger mit der Nr. 28 zugeteilt wurde. Schon toll, dass man wusste, welcher Liebermann es in München sein sollte, zumal das ein populärer Nachname war, oft auch mosaischen Ursprungs.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 23.06.2018 11:00:28 Gelesen: 274431# 278 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen von Peter Sem attestierten Brief aus Ulm vom 15.10.1867 der Firma Johann Christian Laux & Compagnie dortselbst mit Postaufgabe vom Folgetag in Neu - Ulm unter Verwendung einer Nr. 15 von Bayern mit 2 Plattenfehlern: Oben rechts war die Ecke abgebrochen und unten links bahnte sich ein ähnliches Schicksal an. Ich erwähne dies deshalb, weil Peter Sem allein hierfür einen Befund anfertigte, während der Postbetrug von Ulm Richtung Neu - Ulm keine Erwähnung fand, so dass ich das hier für die Allgemeinheit nachholen darf.



Am 17.10. kam er in Plössberg bei der Firma J. M. Wild Sohn an und sparte so seinem Ulmer Absender 6 Kreuzer, denn von Ulm aus hätte es bei 229 km Luftlinie natürlich 9 Kreuzer gekostet, von Neu - Ulm aus nur deren 3. Erst mit dem 1.1.1868 waren diese Defraudationen sinnlos geworden, weil das Franko zwischen den Königreichen Württemberg und Bayern nur noch 3 Kreuzer bis 1 Loth und 7 Kreuzer über 1 - 15 Loth je Brief kostete.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 23.06.2018 12:10:32 Gelesen: 274418# 279 @  
Liebe Freunde,

bisweilen sehen wir Briefe, bei denen im Firmenstempel des Absenders das Wort "franco", "Frei", "franquirt" oder Ähnliches steht. Der Grund dürfte mit der Änderung der Gebührenstruktur vom 1.8.1850 zusammen hängen, als plötzlich und zum ersten Mal in Bayern und im ganzen Postverein Briefe, wenn man sie nicht frankierte, wesentlich teurer wurden und zwar um 3 Kreuzer je Loth und Entfernungsstufe.



Als der Postverein mit dem 1.1.1868 zu existieren aufgehört hatte, wurde es gar noch drastischer, denn gewöhnliche Frankobriefe kosteten nun 3 Kreuzer, dieselben unfrei aber 7 Kreuzer, so dass hier eine Steigerung der Frankorate von 133% vorlag, was wohl auch die allermeisten Korrespondenten dazu brachte, endlich Marken in die Hand zu nehmen und ihre Post damit zu bekleben, wie es die Postverwaltungen schon seit 1850 wünschten.

Ein Brief aus dem lieblichen Lindau im Bodensee vom 8.6.1869, Absender war die Firma J. G. Wartmann, wurde an die Firma J. Michael Wild Sohn in Plössberg/Oberpfalz frankiert verschickt. Im Inhalt desselben schreibt der Lindauer folgendes:

"Als Erwiderung auf Ihr Geehrtes v(om) 24. Mai pto = Porto ersuche ich Sie heimit mir als Probe ...".

Der Plössberger hatte also ein Schreiben nach Lindau unfrankiert abgehen lassen, welches im 1. Gewicht 7 Kreuzer, über 1 Loth sogar 11 Kreuzer gekostet haben musste. Diese waren dem Lindauer übel aufgestossen, denn er wollte nicht die o. g. 133% Aufschlag bezahlen. Da der Plössberger von 3 Artikeln sogar Proben schicken sollte, wollte man damit sicher gehen, dass diese frankiert abgesandt würden, um nicht noch mehr Postporto zahlen zu müssen.

Der sanfte Hinweis im Firmenstempel "fo" für franco und die entsprechende Angabe im Briefinhalt selbst dürften dafür gesorgt haben, dass man nun auch in Plössberg nur noch frankiert nach Lindau verschickte.

Weil sich Herr Sem mit einem Befund viel Mühe gegeben hat, wiederhole ich den Tenor desselben hier ganz kurz: PF XXVII (laut Vogel) = rechts unten Durchbalkung der "3". Schön, dass es diese Zugabe noch gab, genommen hätte ich ihn in jedem Fall auch ohne den Plattenfehler.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 23.06.2018 12:29:08 Gelesen: 274415# 280 @  
Liebe Freunde,

wie wir alle wissen, zog die bayerische Postverwaltung die Nummernstempel, die amtlich "Entwerthungs - Stempel" hießen (von uns heute Mühlradstempel genannt - ein Terminus, den man damals gar nicht kannte) zurück. Die Verordnung Nr. 1704 datierte vom 9.3.1869. Die nun nicht mehr benötigten Nummernstempel waren, wie auch die Controllverzeichnisse, alsbald (also sofort) an das vorgesetzte Oberamt zurück zu senden.

Nun gibt Peter Sem, auch der Michel und andere Abschreiber, genau diesen 9.3.1869 als Letzttagsstempel an, womit sich erklärt, dass Entwertungen nach dem 9.3.1869 zu Seltenheiten stilisiert werden.

Dabei vergisst man jedoch, dass diese o. g. Verordnung ja nicht separat veröffentlich wurde, sondern, wie die allermeisten Verordnungen in Bayern, gesammelt und dann in einem Verordnungsblatt summarisch publiziert.

Dies geschah auch hier, indem man mit dem 21. Verordnungs- und Anzeigeblatt vom 13.3.1869 "Entwerthung der Frankomarken" jeden Postexpeditor von dieser Neuerung unterrichtete.

Es ist davon auszugehen, dass am 13.3.1869, spätestens am 14.3.1869 diese Vorschrift überall in Bayerns Amtsstuben der Post vorlag und man sich danach richtete bzw. hätte richten sollen. In keinem Fall sind Entwertungen bis zum 13.3.1869 postgeschichtlich eine Besonderheit, allenfalls ab dem 14.3.1869 könnte man davon reden, wobei dann die uns bekannten Stücke schon sehr selten sind.



Als Beispiel für diesen Modus operandi zeige ich eine Drucksache aus München vom 12.3.1869 nach Plössberg, die am Folgetag dort ankam. Dieses Stück beweist auch, dass München nicht schon vor allen anderen von dieser Verordnung etwas wusste, weil sie sonst süätestens am 10.3. die dort im Einsatz befindlichen Mühlradstempel abgegeben hätten. Da sie aber noch am 12.3. (und wohl auch noch einen Tag später) die Marken auf der Briefpost bedruckten, gehe ich nicht davon aus.

Schön wäre es, wenn wir hier die Daten 9.3.1869 bis vlt. 14.3.1869 aus München, oder von anderswo, anhand netter Belege zusammen tragen könnten, um uns ein Bild von der tatsächlichen Rückgabe machen zu können.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 23.06.2018 12:39:40 Gelesen: 274414# 281 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Express - Frankobrief Chargé von Mühldorf, 13.10.1841, nach Marzoll bei Reichenhall. Inhalt war ein original Taufschein, der in Marzoll dringend benötigt wurde. Der Absender hatte sein Verlangen deutlichst formuliert:

"frei gegen Schein - Ist von der Post Reichenhall durch einen Expressen nach Marzoll zu senden".



Wir kennen nicht die Höhe der Gelder, die hier im Hintergrund geflossen sein müssen. Siegeleitig sehen wir 6 Kreuzer Franko von Mühldorf nach Reichenhall, eine Entfernung über 6 - 12 Meilen, für die der einfache Brief 4 Kreuzer, dieser hier aber über 1/2 Loth - 1 Loth dann 6 Kreuzer gekostet hatte.

Die Recommandation kostete 4 Kreuzer und unter der lfd. Nummer 30 wurde er im Mühldorfer Recommandations - Manual erfasst.

Extra kostete die Beschaffung eines Expressboten (bekam der Postexpeditor von Reichenhall vom Empfänger vergütet) und die Ganggebühr des Boten selbst, der hier ca. 5 Kilometer einfach zurück zu legen hatte. Ich denke, der Botenlohn dürfte ca. 1 Gulden betragen haben, wenn ich mir vergleichbare Leistungen andernorts vor Augen halte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
GR Am: 23.06.2018 13:05:04 Gelesen: 274406# 282 @  
Dieser Brief vom 10.02.1871 von Augsburg nach München ist mit der Nr. 23 frankiert und trägt einen roten Chargé Stempel. Die drei Kreuzer sind für einen einfachen Brief von Augsburg nach München wohl richtig. Die 7 Kreuzer für das Einschreiben wurden wohl gesondert über einen Postschein abgerechnet.

Was bedeutet die blaue handschriftliche "25" und das, was unter der Zeile "Recommandiert" steht?

Für jede Erklärung und Hilfe dankbar
Gerhard


 
bayern klassisch Am: 23.06.2018 13:07:35 Gelesen: 274403# 283 @  
@ GR [#282]

Hallo Gerhard,

ein schöner Brief!

Deine Annahmen sind alle richtig.

Die blaue "25" war die Reconummer von München - die schwarze "215" oben rechts war die Reconummer der Aufgabepost in Augsburg.

"Verehrliche ..." ist das Wort, das du suchtest. Empfänger war die Millykerzen- und Seifenfabrik in München.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
GR Am: 23.06.2018 14:02:38 Gelesen: 274396# 284 @  
Danke lieber Ralph,

wie immer neige ich mein darklooksches Haupt und bedanke mich für die schnelle Antwort. :-)

Liebe Grüsse
Gerhard
 
bayern klassisch Am: 23.06.2018 15:31:50 Gelesen: 274385# 285 @  
@ GR [#284]

Nichts zu danken, lieber Gerhard, mache ich doch gerne.

Man hätte noch unten links seitens der Aufgabepost in Augsburg "7 Kr. recommandirt" schreiben sollen und hatte dafür sogar einen eigenen Stempel anfertigen lassen - aber der hielt nicht lange und es war viel zu umständlich, Prosa im Dienst zu verfassen, so dass die allermeisten Recobriefe, wie deiner auch, diesbezüglich jungfräulich blieben.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 25.06.2018 15:46:34 Gelesen: 274333# 286 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich eine Armensache, die portofrei von Nördlingen am 29.9.1818 nach Speyer in der Pfalz abgegangen ist, wiewohl das so nicht ganz richtig war, was die Dienstesvorschriften betraf. Aber egal, wichtig ist der Inhalt, den ich hier transkribiert habe:

"Das Königlich Baierische Polizei-Commissariat der Stadt Nördlingen benachrichtigt das Königlich Baierische
Oberbürgermeisteramt in Speier, daß Paul Steiger, Taglöhner von Raab in Ungarn gebürtig und in Speier wohn-
haft, am 12ten dieses Monats ganz entkräftet hieher gekommen, sofort in das hiesige Lazareth gebracht worden,
und hierauf vermög anliegenden Todtenscheins den 14ten gestorben seyn.
Seine Verlaßenschaft bestand bloß in 48 Kreuzer und wenigen Habseligkeiten im Werth von 8 Gulden, die durch
seine Beerdigung gänzlich absorbirt wurden.
Indem man die bei semselben vorgefundene Legimation anschließt, beharrt mit vollkommenster Hochachtung
Nördlingen den 29. Septbr. 1818
Der Königl. Landrichter und Polizei-Vorstand"



Heute, in einer Zeit nie gekannten Überflusses, kann man sich derlei Schicksale kaum vorstellen. Wer wohl seine ungarischen Verwandten informiert hat? Vermutlich gar keiner ... und hier wird wieder klar, dass man nicht alles und nicht jeden im Internet findet, denn Tagelöhner waren und sind Individuen, um die sich niemand kümmert - nicht im Leben und nicht im Tod.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 06.07.2018 12:08:03 Gelesen: 272150# 287 @  
Liebe Freunde,

telegraphische Depeschen hatten prinzipiell nichts mit der Briefpost zu tun - außer sie hätten jemanden erreichen sollen an einem Ort ohne Telegraphenstation; dann wurde das Telegramm von der diesem Zielort nähesten Telegraphenstation in ein Kuvert gesteckt und per Post an die näheste Poststelle geleitet, um von dort aus ausgetragen zu werden.





Des weiteren unterscheiden wir Staats - Depeschen, die kostenfrei waren und Privat - Depeschen, die dies eben nicht waren. Hier zeige ich eine PD = Privat - Depesche der Telegraphenstation Straubing vom 31.8.1858 an "H. Otto Schmutzer bei C. Arnold junior in Straubing".

Die Depesche hat noch vollen Inhalt, was sie für mich sehr wertvoll macht(e), denn ursprünglich stammte der Text aus Passau und wurde dort am selben Tag um 16.45 Uhr in die Feder diktiert, um 16.53 Uhr telegraphiert und war in Straubiing um 16.56 Uhr angekommen. Schon um 17.00 Uhr gab man in Straubing die eingetütete Depesche einem der dortigen Telegraphenboten zur Bestellung (nicht dem Postboten, weil das ja ein anderer Postdienst war!).

Als Text lesen wir:

"Otto Schmutzer bei C. Arnold junior Straubing
Beide Briefe erhalten. Näheres per post.
Max Wenz"

Demnach nutzte der gute Max aus Passau diese Depesche gewissermaßen als Rückschein bzw. Retour - Recepisse, die dem Absender den Erhalt von 2 sicher sehr wichtigen Briefen bescheinigte. Da die Depesche weder Gebühren noch Taxen aufweist, ist davon auszugehen, dass Herr Wenz alles in Passau bezahlt hatte bzw. ein entsprechendes Depositum hinterlassen haben musste.

Einen weiteren Beleg dieser Art kenne ich bisher nicht. Wenn man sich die Kosten hierfür überlegt, ahnt man auch, warum wohl.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 06.07.2018 13:06:12 Gelesen: 272145# 288 @  
Liebe Freunde,

ein Hoch auf die Pfalz - Philatelie, bescherte sie mir doch einen der ganz wenigen Briefe "mit Briefen ..."



Leider ohne Inhalt (wie so oft bei dieser seltenen Species!), aber aus Landau in der Pfalz mit treffendem geschlossenen Mühlradstempel 267 in erster (großer = 5,2mm) Type abgeschlagen, die Peter Sem vom 9.2.1858 bekannt ist, ehe wohl zum Mai 1860 der offene 267 Einzug hielt. Über die Marke 9 Kreuzer Type II d) können wir nicht datieren, aber er sollte aus 1857-1859 stammen und das ist ja auch ein gerüttelt Maß an Präzision der Datierung, mit der ich gut leben kann.

Empfänger war Hermann Westerkamp mit Briefen d. Herrn Braselmann & Breck in Schwelm b. Elberfeld.

Vlt. kann uns ein Kenner der dortigen Materie wertvolle Hinweise auf das Versandjahr geben?

In jedem Fall wog der Brief mit seinen Briefen als Inhalt weniger als 1 Loth, was erstaunlich, aber gewöhnlich ist.

Das Absendersiegel trägt Psalm 92.11 und eine dreizinnige Krone - auch da bin ich leider überfragt. Das Einhorn kenne ich als Laie nur von Hannover her, aber ob das hier zutraf?

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 12.07.2018 18:25:51 Gelesen: 271115# 289 @  
Liebe Freunde,

ich zeige einen Brief aus Redwitz (noch ohne eigene Post) mit Aufgabe in Wunsiedel am 5.12.1840 an Poschacher in Tittmoning. Ausweislich des Inhalts übermachte der Absender "Hosenzeuchproben" und bat um gefl. Beachtung derselben und Erteilung eines Auftrages an die Firma Schwarz.



Da ich ja eine Mini - Sammlung von Wunsiedel mein Eigen nenne (eine Heimatsammlung ist es nicht, weil Wunsiedel halt leider nicht meine Heimat ist), passt er sowohl in diese, als auch in eine andere, kleine Sammlung über Muster (Proben) ohne Wert(h).

Die Aufgabepost taxierte hier 17 Kreuzer. Die Entfernung von Auf- zur Abgabepost beträgt 227 km = 30 Meilen. Demnach kämen in Frage über 24 - 30 Meilen mit 10 Kreuzer einfach, oder 30 - 36 Meilen mit 12 Kreuzer einfach. Jeder routinierte Postgeschichtler erkennt damit auf den ersten Blick, dass weder von der Basis einer 10 Kreuzer Taxe, noch von einer 12 Kreuzer Taxe ein Betrag von 17 Kreuzern erreichbar ist, da je Gewichtsstufe immer 50% auf das einfache Porto aufgeschlagen wurden (also 10, 15, 20 usw. bzw. 12, 18, 24 usw.).

Demnach müssen die Muster dem Brief angehängt worden sein, so dass eine Portomoderation zum tragen kam. Die Verordnung sagte aus, dass Drucksachen und Muster ohne Wert die Hälfte der Taxe des einfachen Briefes kosteten. Demnach hätten wir bei bis 30 Meilen 5, 7.5, 10, 12.5, 15, 17.5 Kreuzer vor uns. Dieser hier hätte also in der 6. Gewichtsstufe gelegen, wobei von 17,5 Kreuzern auf 17 Kreuzer abgerundet worden wäre.

Ob ich so schnell einen zweiten Muster ohne Wert - Brief mit 17 Kreuzern Taxe finden werde? Vermutlich eher nicht und wenn überhaupt, dann sicher keinen mehr aus dem lieblichen Wunsiedel. :-)

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 12.07.2018 18:34:00 Gelesen: 271109# 290 @  
Liebe Freunde,

Briefe aus den 1850er Jahren an Carl Möller in Würzburg darf man auch gerne mal öffnen und nachsehen. Nicht intime Dinge sind darinnen zu gewärtigen, aber ab und zu auch einmal ein nettes Muster aus der Zeit, wie dieser Sofortkauf beweist (leider nicht zum Schnäppchenpreis, aber was nichts kostet, ist auch nichts). :-)



Im wunderschönen Dinkelsbühl am 13.12.1851 geschrieben, schickte man eine Probe aus Stoff der Firma Adam Kellermann an Carl Möller und gab ihm nach inliegendem Muster einen Auftrag, 1 Pack rothe Battist Band nach Muster in Baumwolle anzufertigen und per Post ihm zukommen zu lassen. Hier also kein Muster zum Verkauf, sondern ein Muster zum Kauf bzw. zur Herstellung.

Am Folgetag kam der Brief in Würzburg an und wurde ausgetragen. Die milchigblaue 3 Kreuzer blau ist nicht die schönste Farbnuance, aber da der Brief in 2 meiner Mini - Sammlungen passt, sehe ich darüber guten Gewissens hinweg.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 17.07.2018 12:42:29 Gelesen: 270287# 291 @  
Liebe Freunde,

aus anderen Gründen, als unbedingt einen Bischofsbrief haben zu wollen, ist mir der hier ins Netz gegangen: Nr. 21 auf Brief aus Grafing an "Seiner Excellenz Hochwüdigsten Herrn Herrn Gregorius, Erzbischof von München-Freising, Patr: Rom:, Reichsrath, Großkreuz etc: etc: Meinem gnädigsten Herrn in München

Mit drey Beilagen

Zum hochwündigsten Ordinariate frei".



Der Brief datiert vom 17.9.1869, wie man aus dem siegelseitig perfekt abgeschlagenen Zweizeiler Münchens ersehen kann und damit wären wir auch bei der Besonderheit - nämlich dass 3 Beilagen dem Brief einst untergebunden waren und trotzdem die Abgabepost (solch) einen perfekten Ankunftsstempel setzen konnte. Oft sieht man es, dass bei Briefen mit Unterbund/Beilagen gar keine Ankunftsstempel zu sehen sind, weil es keinen Platz dafür gab, bzw. man hat aus Dokumentationszwecken den Ankunftsstempel vorne abgeschlagen hatte, was natürlich sachlich falsch, aber den besonderen Umständen geschuldet war.

Sem bewertet in seinem Band "BAYERN Ortsstempel 1849-1875" den Grafinger Stempel übrigens mit 90 DM Aufschlag zum Briefpreis, aber das erwähne ich nur am Rande, jedenfalls sind mir Briefe über 1 - 15 Loth mit Nr. 21 auf Bischofsbriefen noch nicht so häufig untergekommen, nicht einmal mit nur einer Beilage.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 24.07.2018 18:04:02 Gelesen: 269365# 292 @  
Liebe Freunde,

nach Jahren wieder mal einer im Angebot - und dann noch 2 Contraventionen; eine kleine, die unschwer zu sehen ist und eine sehr große, die man aber erst einmal erkennen muss. Wer findet die Besonderheit heraus? Nur Mut, denn Mut wird immer belohnt!



Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Gernesammler Am: 24.07.2018 19:37:44 Gelesen: 269337# 293 @  
@ bayern klassisch [#292]

Hallo Ralph,

hätte der Brief nicht als Partei Sache (PS) deklariert werden müssen und wofür waren die 30 Kreuzer die unterhalb stehen, ich kann leider das Kürzel nicht deuten.

Gruß Rainer
 
bayern klassisch Am: 24.07.2018 19:46:11 Gelesen: 269331# 294 @  
@ Gernesammler [#293]

Hallo Rainer,

du bist auf der richtigen Spur! Der Absender hatte notiert "30 Xr" für 30 Kreuzer, die in dem Brief waren, also haben wir einen Wertbrief vor uns.

Wertbriefe gehörten zur Fahrpost, nie zur Briefpost. Aber bei der Fahrpost konnte man mit Briefmarken nichts frankieren - hier hätte man das Franko der Fahrpost bar erlegen müssen. Im richtigen Leben wäre der Wert der Marke verfallen und der Brief hätte eingeschrieben werden müssen.

All das ist nicht passiert - wohl, weil man diesen Vermerk übersehen hatte; auf der anderen Seite hätte im Falle des Verlusts der Absender keine Ersatzleistung für diese 30 Kreuzer bekommen!

Die 2. (kleine) Contravention ist die Entwertung der Marke mit 2 Stempelabschlägen - es sollte immer nur ein Stempelabschlag mittig erfolgen.

Liebe Grüsse,
Ralph
 

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