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Thema: Albanien: Beiträge zur Geschichte des Landes
volkimal Am: 02.01.2016 17:52:45 Gelesen: 11759# 1 @  
Hallo zusammen,

vor längerer Zeit erhielt ich mehrere Belege aus Albanien aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Anhand dieser Karten möchte ich ein kleines Kapitel einer deutsch-albanischen Geschichte zeigen. Vielleicht könnt Ihr mir gleichzeitig helfen, noch ein paar Fragen zu den Karten zu klären.

Vom Ende des 15. Jahrhunderts an war Albanien für mehr als vier Jahrhunderte Teil des osmanischen Reiches. Im Laufe der Zeit traten die meisten Albaner zum Islam über. 1912, nach dem Ersten Balkankrieg wurde das Königreich Albanien in den heutigen Grenzen unabhängig.



Als erstes eine Ansichtskarte der griechischen Stadt Patras (Πάτρα). Sie trägt 5 Marken der Michel Nr. 29 aus Albanien. Ausgegeben am 1.Dezember 1913 ist es die erste Marke des letzten Satzes des unabhängigen Staates Albanien. Der Preis 2 Qintar entspricht der albanischen Währung.



Die Karte wurde am 10.01.1914 abgestempelt. Ich vermute, dass es sich um einen türkischen Stempel aus der Zeit vor der Unabhängigkeit handelt. Es ist ein zweisprachiger Stempel, oben in arabischer Schrift „چای اغزی“, unten steht der Name „Tchay-Aghzi“. Bisher habe ich nicht herausgefunden wo dieser Ort liegt und wie er heute heißt.

Im Internet fand ich Briefe mit diesem Stempel und dem handschriftlichen Zusatz „Medua“ im Stempel. Medua (Shëngjin) ist eine kleine Hafenstadt im Nordwesten Albaniens. Bei der Losbeschreibung wird Tchay-Aghzi als „kleiner Fluss“ bezeichnet. Aber wieso soll der Name eines Flusses im Stempel stehen?

Wer kann etwas zu dem Stempel „Tchay-Aghzi“ sagen?

Wenn ihr eigene Beiträge zum Thema Albanien einstellen wollt, wäre es nett, wenn ihr so lange wartet, bis ich alle vier Postkarten vorgestellt habe. Dann gibt das ganze eine zusammenhängende Geschichte.

Viele Grüße und ein schönes Wochenende
Volkmar
 
volkimal Am: 06.01.2016 11:03:57 Gelesen: 11678# 2 @  
Hallo zusammen,



Auf der zweiten Karte vom 14.01.1914 wurde die albanische Briefmarke mit einem neuen albanischen Stempel entwertet. Leider ist nur ein Stempelfragment zu sehen. Entsprechend der Ansichtskarte aus Valona (Vlora, Vlorë) könnte es der Stempel „VLONË / SHQIPËNIË“ sein. Vermutlich wurde die albanische Marke aber nachträglich aufgeklebt, denn der Stempel geht nicht über die Marke hinaus.



Die 2 Para Marke stammt aus der nicht verausgabten Tarabosch-Ausgabe aus dem Jahr 1913. Der Tarabosch ist ein Berg bei der Stadt Skutari (Shkodra). Dort befand sich zur Zeit des Ersten Weltkriegs das Fort Tarabosch.

Als drittes trägt die Ansichtskarte eine österreichische 5 Groschenmarke. Diese wurde mit einem Schiffspoststempel „KORFU - TRIEST“ entwertet. Leider ist nicht zu erkennen, was oben im Stempel steht. Auch im Internet habe ich keinen entsprechenden Stempel gefunden.

Der Österreichische Lloyd war die größte Schifffahrtsgesellschaft Österreich-Ungarns und des Mittelmeeres. Von Triest aus fuhren Schiffe durch die Adria, das Mittelmeer bis zum Schwarzen Meer. Außerdem gab es von Triest aus Verbindungen nach Indochina und Japan.

Wer kann mir sagen, was oben im Schiffspoststempel Korfu - Triest steht?

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 10.01.2016 13:51:49 Gelesen: 11630# 3 @  
Hallo zusammen,

bevor ich zur dritten Postkarte komme wieder etwas zur Geschichte des Landes Albanien:

Nach langem Zögern und Verhandeln hatten die Großmächte 1913 auf der Botschafterkonferenz von London den albanischen Staat anerkannt, den die Albaner mit politischer und militärischer Hilfe Österreich-Ungarns nach der Niederlage des Osmanischen Reichs im Ersten Balkankrieg ausriefen. Die Großmächte bezweifelten, dass die Albaner sich selbst würden regieren können, und behielten sich deshalb das Recht vor, einen Fürsten zu ernennen. Die Wahl fiel schließlich auf einen deutschen Protestanten Wilhelm Friedrich Heinrich Prinz zu Wied, der auch von Österreich-Ungarn favorisiert wurde.

Österreich-Ungarn und Deutschland wollten mit der Einsetzung des Prinzen zu Wied vermeiden, dass Italien oder Serbien Einfluss auf Albanien erlangten. Zudem glaubte man, dass ein Fürst, der keiner der in Albanien vertretenen Religionen angehörte, als neutraler akzeptiert würde. Wilhelm zu Wied stimmte nach einigem Zögern auf Drängen seiner Frau zu.[1] So reisten 18 Honoratioren Albaniens unter Führung von Essad Pascha Toptani nach Neuwied, um in einer Zeremonie am 21. Februar 1914 dem Prinzen zu Wied die „albanische Krone“ anzubieten.

Am 7. März 1914 betrat der Fürst Wilhelm I. mit seiner Frau Sophie von Schönburg-Waldenburg und den beiden Kindern in Durrës (Durazzo), wo er residieren sollte, erstmals albanischen Boden. Es gibt zu diesem Anlass eine Briefmarkenausgabe mit einem entsprechenden Aufdruck. Da ich die Marke nicht besitze habe ich den Aufdruck aus dem Katalog auf die Marke kopiert:



Vom Land und den lokalen Verhältnissen wusste er sehr wenig, so dass er auf Berater angewiesen war. Es gelang ihm nicht, schnell beim Volk und den albanischen Machthabern Ansehen zu gewinnen, so dass die Machtkämpfe von albanischen Lokalherren und ausländischen Staaten, von deren finanziellen, politischen und militärischen Unterstützung er abhängig war, bald den Alltag beherrschten.

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs wurde die Lage noch auswegloser. Als der Fürst am 3. September 1914 Albanien verließ, hatte er es nach Meinung einiger Landeskundiger erstaunlich lange ausgehalten. Dadurch, dass er das Land verließ, kamen die Briefmarken mit seinem Abbild (Marke zu 25 Qintar) im September 1914 nicht mehr zum Einsatz.



2004 erschienen aber in Albanien 2 Briefmarken zu seinem Gedenken, die den Prinzen in der albanischen und in der deutschen Uniform zeigen.

Literatur: https://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_zu_Wied_%281876%E2%80%931945%29

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 15.01.2016 21:15:22 Gelesen: 11580# 4 @  
Hallo zusammen.



Zum 100-ten Jubiläum gab es einen Block, der Wilhelm Friedrich Heinrich Prinz zu Wied und seine Frau Sophie von Schönburg-Waldenburg zeigt.

Der deutsche Wilhelm zu Wied war 1914 für sechs Monate Fürst von Albanien, er konnte seinen Einfluss aber kaum über Durrës hinaus ausdehnen. In dem südlichsten, teils von Albanern, meist jedoch von Griechen bewohnten Stück Albaniens wurde die Herrschaft des Fürsten Wilhelm von Wied nicht anerkannt. In der Küstenstadt Chimarra (Himara) und der Hauptstadt Argyrokastro (Gjirokastra) riss der griechische Bevölkerungsteil die mach an sich und rief Anfang 1914 die Republik „Selbstständiges Epirus“ aus. Am 5. März 1914 gab es die ersten Briefmarken der selbstständigen Republik Epirus.



Informationen zu Epirus und zum Balkankrieg siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Epirus_%28historische_Region%29#Balkankrieg_und_Erster_Weltkrieg

Im Ersten Weltkrieg verlor Albanien seine Unabhängigkeit, das Land war von den kriegführenden Mächten besetzt: Österreicher, Deutsche, Bulgaren, Franzosen und Italiener.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 24.01.2016 15:21:05 Gelesen: 11492# 5 @  
Hallo zusammen,

inzwischen hat Fips002 meine Frage zum österreichischen Schiffspoststempel aus [#2] beantwortet:



Oben im Stempel steht kein Text, sondern es ist ein Dampfschiff abgebildet. Leider ist es bei meinem Exemplar nicht zu erkennen.

Jetzt aber zu meiner dritten Ansichtskarte aus Albanien:

Die beiden ersten Karten sind an Dr. Berghausen in Köln adressiert. Die dritte Karte hat Dr. Berghausen selbst am 09.03.1914 aus Durazzo in Albanien nach Köln geschickt. Dr. Georg Berghausen hatte zwei Tage vorher albanischen Boden betreten, denn er war der Leibarzt des Prinzen zu Wied und gehörte zu dessen Gefolgschaft.



Der Empfänger der Kare ist der Rittmeister Freiherr Spies von Büllesheim in Köln. Spies von Büllesheim ist der Name eines Uradelsgeschlechts aus dem rheinischen Herzogtum Jülich.



Dr. Berghausen hat die Ansichtskarte mit der Abbildung der Festung Skutari beim italienischen Postamt in Durazzo (Durrës) aufgegeben. Die italienische Freimarke trägt den entsprechenden Aufdruck „Durazzo / 30 Parà 30“. Die Marke für das italienische Postamt in Albanien (Michel-Nr. 9) wurde 1909 herausgegeben. Entwertet wurde die Marke mit dem italienischen Squared Circle-Stempel „DURAZZO / • (UFF. POSTALE ITALIANO) •“ vom 09.03.1914.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 06.02.2016 10:54:25 Gelesen: 11388# 6 @  
Hallo zusammen,

auch die vierte und letzte Karte aus Albanien vom 03.04.1914 hat Dr. Berghausen an den Freiherrn Spies von Büllesheim in Köln geschickt.



Er schreibt:

„Anbei wieder eine andere Marke. Brief erhalten beantworte wie ich Zeit habe. Mit bestem Gruß
Ihr ergebener Dr. Berghausen“


Dr. Berghausen hat in diesem Fall die Freimarke Nr. 43 verwendet, die einen Tag vorher erschienen ist. Es ist die 10 Qintar-Marke (albanische Währung), die mit 20 Para, der türkischen Währung überdruckt wurden. Die Marke ist mit einem typischen albanischen Stempel in blauer Farbe entwertet.

Viele Grüße
Volkmar
 
Nicepm Am: 05.03.2019 01:45:24 Gelesen: 6177# 7 @  
@ volkimal [#1]

Hallo Volkmar,

ich bin auf Deine Frage aus dem Beitrag [#1] gestoßen, was mit „Tchay-Aghzi“ gemeint ist. Ich habe tatsächlich doch noch was gefunden. Es handelt sich um den Ort Pulaj, heute Teil von Velipojë im Kreis Shkodra, am Fluss Buna.



Quelle ist eine Liste mit den türkischen, arabischen und lokalen Bezeichnungen der Orte im Osmanischen Reich [1]. http://doczz.biz.tr/doc/16343/i̇ndir

Viele Grüße
Emmanuel (Nicepm)

[1] http://doczz.biz.tr/doc/16343/i̇ndir
 
volkimal Am: 05.03.2019 09:24:39 Gelesen: 6147# 8 @  
@ Nicepm [#7]

Hallo Emmanuel,

Super - vielen Dank!
Auch der Link ist sehr interessant für mich.

Viele Grüße
Volkmar
 
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