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Thema: Schweiz: Gedanken zur Marktlage 2016
Richard Am: 15.01.2016 09:12:15 Gelesen: 3660# 1 @  
Wie in den letzten Jahren zitieren wir hier mit Erlaubnis des Autores die "Gedanken zur Marktlage" der Honegger Philatelie AG aus Schmerikon. Dieser Beitrag stellt keine Werbung und keine Empfehlung dar.

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Liebend gerne würde ich die folgenden Betrachtungen unter den Gesamttitel «philatelistische Marktlage Schweiz» stellen. Leider ist dies jetzt genauso wenig möglich, wie in all den vergangenen 10 – 20 Jahren. Denn die Marktlage bei den Ausgaben des 20. Jahrhunderts erweist sich dem Vernehmen nach als deprimierend. Ganz im Gegensatz zum Bereich Alt-Schweiz, wo sich kaum jemand aus dem aktiven Geschäftsleben über den Geschäftsverlauf beklagen wird. Wir befassen uns bekanntlich ausschliesslich mit dem Gebiet Alt-Schweiz, also den ersten Markenausgaben der Schweiz von 1843 bis etwa 1870. Diesem Gebiet gelten meine Ausführungen.

Wenn einem das Glück hold ist, man erneut ein Millionenobjekt angeboten erhält und es dann auch gleich en bloc neu platzieren kann, so bläst dies bei einem normalen Händler den Jahresumsatz ganz ordentlich auf. Den Gewinn natürlich nicht entsprechend, denn bei einem En-bloc-Verkauf geht es weit mehr um eine Vermittlungs-Provision, einen Sonderpreis also und nicht um einen normalen Lagerverkauf zu marktwirtschaftlich normalen Konditionen. Aber auch abgesehen davon dürfen wir einmal mehr von einem sehr guten Geschäftsjahr sprechen. Die Nachfrage nach Alt-Schweiz-Briefmarken ist nicht nur nach wie vor hoch, sondern in gewissen Bereichen sogar unglaublich rege. Dies kann ich selbst angesichts der Tatsache sagen, dass dieser Jahresrückblick aus verschiedenen Gründen schon Anfang Oktober verfertigt werden muss. Also rund ein Vierteljahr vor Jahresende. Noch gar nicht enthalten sind demzufolge die meist bedeutenden Jahresendverkäufe!

Wenn man nichts Neues zu sagen hat, sollte man sich kurz fassen. Daran halte ich mich, weil es wenig sinnvoll scheint, meine Kommentare aus dem letztjährigen Katalog ausführlich erneut nochmals zu wiederholen. Es hat sich nämlich kaum etwas geändert. Alle meine Annahmen sind eingetroffen oder nach wie vor gültig

Im Alt-Schweiz-Bereich sind sehr schöne, gute Stücke nach wie vor gesucht. Bei gewissen Kantonals (Basler Tauben!) kann man sogar von Rekordpreisen für schöne Briefe sprechen.

Rayons sollte man nicht aus den Augen verlieren. Es gibt neue Sammler, die sich an die Rekonstruktion von Typentafeln der verschiedenen Drucksteine machen. Bei den dunkelblauen Rayons sollten sich die Sammler vermehrt der verschiedenen (höchst interessanten!) Farben annehmen, solange man die Drucksteine noch nicht voll rekonstruieren kann. Hier ist aber Felix Fischer auf diesem Weg schon weit fortgeschritten. Wir wünschen ihm dazu weiterhin viel Erfolg und vermitteln interessierten Sammlern gerne den Kontakt zu ihm.

Bei den roten Rayons harzt es nach wie vor bei den Briefen der kleinen Ziffern und der Centimes. Obgleich diese wesentlich seltener sind als die Briefe sämtlicher «kleiner» Kantonalmarken (!), werden diese zu niedrigeren Prozentzahlen nach Katalog gehandelt als sonst üblich. Damit dieses Verhältnis wieder ausgeglichen ist, sollte man möglicherweise diese Briefpreise im Katalog etwas reduzieren. An den Nettopreisen würde dies gar nichts ändern, da diese wie gesagt jetzt in Prozenten tiefer als bei allen andern Alt-Schweiz-Nummern liegen. Diese Massnahme würde sich allerdings erübrigen, wenn sich ab sofort eine vermehrte Nachfrage nach solchen Briefen der Nummern 18 und 19 einstellen würde! Viel ist davon nämlich gar nicht auf dem Markt!

Die ungebrauchten Alt-Schweiz-Nummern erfreuen sich einer seit Jahrzehnten nicht mehr dagewesenen Beliebtheit. Viele Sammler haben jetzt realisiert, dass diese gegenüber den gestempelten Marken ein grosses Aufholpotenzial haben. Da aber auf dem Markt nur sehr wenig von diesen Nummern angeboten wird (niemand hat hier ein grosses Lager), besteht keinerlei Gefahr einer Überhitzung. Die Preise sind nach wie vor absolut in einem empfehlenswerten Kaufbereich.

Sehr empfehlenswert sind nach wie vor Heimatsammlungen, also Sammlungen der Entwertungen eines Kantons, eines Bezirkes oder auch nur einer Ortschaft. Das ist für die meisten Sammler eine billigere Variante, eine Alt-Schweiz-Sammlung zusammenzutragen, als wenn man alles nach Katalog sammelt.

Nicht zu vergessen die Geburtstagssammlungen, wo man ein bestimmtes Datum ganz verschiedener Jahre sammelt. Als Einstieg für einen jungen Sammler (dem man möglicherweise einmal sein eigenes Objekt vererben möchte) sind ein paar Seiten mit seinem eigenen Geburtstagsdatum geradezu ideal, indem er zur ganzen Sammlung dann eine persönliche Beziehung erhält, die er nicht so leicht aufgeben wird, indem er die geerbte Sammlung einfach «versilbert»

Auch bezüglich der Aussichten für die kommenden Jahre gibt es kaum etwas zu ergänzen oder abzuändern. Das Geld ist nach wie vor vorhanden und anlagewillig. Daran dürfte sich auch im nächsten Jahr nichts ändern. Die traditionellen Anlagen (Anleihen, Aktien) sind nicht jedermanns Sache heute. Mit Negativzinsen schreckt man grosse Anleger natürlich ab. Die Notenpressen laufen nach wie vor und auch wenn die Zinssätze 2016 langsam wieder steigen werden, so wird man dies nicht als hemmend einstufen müssen. Die weltpolitische Lage ist alles andere als rosig. Die Konflikte werden uns noch einige Zeit begleiten und die Flüchtlingsströme ebenso lange noch anhalten. Dieser Punkt der Sorge hat politische Ursachen, die die Flucht in die Sachwerte eher fördern als hemmen.

Einen konjunkturellen Aufschwung sehe ich nach wie vor eher von Asien und Amerika aus kommen, weniger von Europa, wo sich der Marktführer (Deutschland) ein gewaltiges Eigengoal geleistet hat (VW-Skandal). Was für Auswirkungen dies haben wird, werden wir sehen. Eine Delle im EU-Aufschwung würde nicht überraschen. Dennoch: nicht nur ältere Menschen fragen sich, warum sie sich nicht einen Kauf heute leisten sollen, der effektiv Freude bereitet. Das ist überhaupt nicht zu vergleichen mit blossem Geld-Ausgeben. Wenn man Freude an den klassischen Schweizer Marken hat, sind diesbezügliche Ausgaben keineswegs «weg». Es handelt sich vielmehr um eine Investition, einen Tausch sozusagen, gegen etwas, was einem nachhaltig Freude bereiten kann. Hand auf’s Herz: Ist Ihnen denn eine wenn möglich lebenslange Freude an einer Sache nichts wert? Darf die nichts kosten? Bei einem Verkauf von klassischen Schweizer Marken kommt eines Tages ja durchaus auch etwas zurück! Je mehr und je besser Sie sich darüber laufend informieren, wird Ihre Freude nachhaltiger werden! Ich wünsche Ihnen solchermassen viele schöne Stunden und höre sehr gerne von Ihnen, wenn wir Ihnen mit Rat oder Tat behilflich sein können.

Mein Sohn ist derzeit dabei, nicht nur diesen Katalog, sondern parallel dazu auch noch einen kleinen Jubiläumskatalog zusammenzustellen, wie ich es selber niemals zustande gebracht hätte. Er möchte damit auf unser 50-jähriges Geschäftsjubiläum hinweisen, welches wir 2016 begehen. Aus diesem Anlass möchte er – zusätzlich zu unserem üblichen Angebot – ein paar Sachen zeigen, die wir ab sofort, resp. in den kommenden Jahren interessierten Kunden anbieten möchten. Sie können davon ausgehen, dass wir in gewissen Bereichen (vor allem bei den Einheiten der Rayons und Strubel) durchaus noch weitere, ähnliche Lose auf Lager haben. Es kann allerdings keine Rede davon sein, dass wir diese alle gleich veräussern möchten. Im Gegenteil: wir sind nach wie vor am Ankauf von grösseren Einheiten (Blocks, Streifen, lose und auf Briefen, gestempelt und ungestempelt) interessiert und erwarten gerne Ihre Preisofferte.

Wenngleich etwas verfrüht, aber nicht weniger herzlich möchte ich Ihnen für die zahlreichen Geschäftsbeziehungen in diesem Jahr meinen Dank aussprechen. Ohne Ihre ständig wiederkehrenden Käufe und Angebote wären wir gar nicht in der Lage, unser Geschäft im gewohnten Rahmen aufrechtzuhalten. Beide sind für uns extrem wichtig und wir sind dafür sehr dankbar.

Und da viele unserer Verkäufe aufgrund unserer Kataloge oder Listen zustande kommen, wissen Sie wohl, dass diese ohne die verlässliche Mitarbeit aus unserer eigenen Familie und von Verwandten bei der Herstellung und dem Versand niemals zu Ihnen gelangen würden. All diesen treuen Helfern fühle ich mich ebenso zu grossem Dank verpflichtet.

Alles Gute und viel Freude und Zufriedenheit im kommenden Jahr!

Ihr Gottfried Honegger

P.S.: Mittlerweile sind drei Wochen seit dem obigen Kommentar verflossen. Die Marken für die neuen Kataloge sind gescannt und damit für den Verkauf verfügbar. Um keine Risiken beim Druck einzugehen (dieser erfolgt in zwei Wochen), behalten wir die Lose aber nach Möglichkeit solange noch bei uns.

Um ein Beispiel der sehr guten Marktlage für Alt-Schweiz-Marken zu geben, lesen Sie in wenigen Worten, was sich eben zugetragen hat: Wir wurden angefragt, ob wir für die Ausstellung mit Börse in der Mustermesse in Basel vom 7./ 8. November 2015 zwei Rahmen Alt-Schweiz zeigen könnten. Mein Sohn hat dieses Jahr für unsere Kataloge eine ganze Anzahl von grösseren oder besonderen Stücken vorbereitet. «Quer durch den Garten» sozusagen, also aus etlichen Bereichen einige Beispiele. Aus diesen hat er 25 Blätter für die Basler Ausstellung ausgewählt.

Einem guten Kunden, der interessiert war, einige Stücke anzusehen, sobald der Katalog zusammengestellt sei, zeigten wir nun diese 25 Blätter für die Basler Ausstellung. Dies in der Erwartung, dass er beim einen oder andern sein konkretes Interesse anmelden würde. Es ist nicht zu leugnen, dass ihm die Sachen sehr gut gefallen hatten. Jedenfalls fragte er nicht nach dem Preis der einzelnen Blätter, sondern nach jenem für alle zusammen! Wir waren uns in zehn Minuten einig. Er hat sämtliche Blätter en bloc erworben!

Wo oder wann hat es so etwas denn schon gegeben? Ist es das, was andere, die gedanklich immer noch im Vereins- oder Geschäftsleben des letzten Jahrhunderts gefangen sind, unter «Preiszerfall bei Briefmarken» oder unter «Rezession» verstehen? Leider liest man häufig nur solche Negativmeldungen von überalterten Vereinen. Kein vernünftig denkender Mensch fühlt sich angesichts solcher Kommentare dann zu solch einem Hobby oder solch einem Verein hingezogen! Wäre es nicht ehrlicher, wenn man – so man sich schon berufen fühlt, damit publizistisch an eine breite Öffentlichkeit zu gelangen – den Leuten klar sagen würde, dass bei den Schweizer Marken jene des 20. Jahrhunderts darben und dass dies reine Sammlermarken sind. Also ungeeignet für jedwede Kapitalanlage. Und dass dem gegenüber aber bei den klassischen Marken in etlichen Bereichen ein Boomzustand zu verzeichnen ist. Freilich gilt dies nicht für alle Gebiete. Gewöhnliche Standardware verkauft sich auch bei Alt-Schweiz nur «anständig», wenn sie nicht zu zahlreich angeboten wird. Dennoch: dort, im klassischen Bereich, spielt heute die Musik und leider nicht mehr in jenen Sammlervereinen, wo jedermann schon «alles hat» und wo die Mitglieder langsam aussterben. Natürlich ist dies bedauerlich. Für uns Händler wäre es wunderbar, wenn wir an den unzähligen Vereinsbörsen (wie vor 50 Jahren, zu Beginn meiner eigenen Handelstätigkeit) auch heute noch die «Crème de la crème» der Sammlerschaft antreffen und dort auch heute noch Umsätze tätigen könnten. So, wie wir Händler heute selber neue Kunden suchen und finden müssen (die leider dann nur ganz selten Wert auf einen Vereinseintritt legen), sollten auch die Sammlerverbände mit guten und modernen Ideen versuchen, einen Sammlernachwuchs in die Vereine und an die Börsen zu bringen. Diese Aufgabe der Suche nach neuen Mitgliedern kann man weder den Händlern noch der Post allein überbürden. Das funktioniert nur, wenn alle drei Institutionen am gleichen Strick ziehen! Es kann nicht verschwiegen werden, dass diesbezüglich auch viele Händler, die erfahrungsgemäss 90% des Geschäftsumsatzes mit Marken des 20. Jahrhunderts oder mit Bedarfsartikeln generieren, heute die geschäftliche Zukunft wenig rosig sehen. Eigentlich handelt es sich bei ihnen gar nicht mehr um «Händler» im traditionellen Sinne, weil sie kaum noch Marken ankaufen und viel lieber einfach nur noch liquidieren möchten, was am Lager ist. Sie sind zu reinen Verkäufern mutiert, aus deren Geschäftsprinzip natürlich kaum grosse Zukunftschancen erwachsen.

Damit keine Missverständnisse entstehen: Überalterte Sammlervereine sind keineswegs aufzulösen! Sie erfüllen heute weniger eine philatelistische, denn eine soziale Komponente. Hier sind oft während Jahrzehnten kollegiale Freundschaften entstanden und gewachsen, die unbedingt weiter gepflegt werden sollen. Ein schönes Beispiel, zu welch positiven Entwicklungen die Philatelie führen kann (die heute im Computer-Zeitalter wohl eher zu kurz kommen)! Aber zukunftsweisend sind solche Vereine – philatelistisch gesehen – natürlich nicht mehr. Glücklicherweise gibt es nun aber heute durchaus sowohl Händler, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und recht erfolgreich neue Sammler finden und begeistern können, als auch Vereine, die mit viel modernen Ideen neue Mitglieder zu finden vermögen. Es sind dies Vereine, die auf ihre Mitmenschen zugehen und nicht warten, bis diese sich in ihrem Verein melden. Vereine, die Kurse anbieten und in solchen «Laien» zu Briefmarken-Interessenten machen. Und dies durch zweierlei Aktivitäten:

1. Jugendkurse: Diese sind überaus wichtig. Ideal, wenn man mit ganzen Schulklassen die Freude an den Briefmarken wecken kann. Zwar werden erfahrungsgemäss 90% der Schüler die Briefmarken als Hobby während der «Sturm- und Drang-Zeit» auf die Seite legen. Aber ein Wiedereinstieg mit 40 oder 50 Jahren erfolgt dann viel leichter.

2. Erwachsenenkurse: Solche sind bislang stark vernachlässigt worden. Zu Unrecht! Einmal haben Leute nach der Pensionierung statistisch gesehen in der Schweiz noch eine Lebenserwartung von rund 20 Jahren vor sich. Und die meisten davon hätten für ein Hobby dann Zeit. Ideale Voraussetzungen also für die Beschäftigung mit Briefmarken! Aber auch diese Leute muss man persönlich ansprechen. Von alleine melden sie sich nur selten in den existierenden Vereinen. Wir bitten um Mitteilung von Vereinen, die in diesen beiden Aktivitäten nicht nur Ideen haben, die sie dann irgendwann einmal realisieren möchten, sondern hier schon erfolgreiche Kurse durchgeführt haben. Dies, um abzuklären, ob und in welcher Form wir bei diesen Bestrebungen Hilfe leisten könnten. Gerne würden wir uns hier aktiv engagieren.
 
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