Thema: Münzsammeln als Hobby und Kapitalanlage
Richard Am: 22.03.2009 23:32:01 Gelesen: 1715# 1 @  
Hobby und Kapitalanlage

Von Wilhelm Müseler und Werner Strothotte

Die Welt (07.03.09) - Deutschland hat 400 000 Münzsammler, der Umsatz liegt bei 300 Millionen Euro im Jahr.

Das Sammeln von Münzen ist vermutlich beinahe genau so alt wie die Münzprägung selber, also mehr als 2500 Jahre. Seit im 7. Jahrhundert vor Christus die Könige von Lydien das aus dem Fluss Paktolos gewonnene Elektron, eine natürliche Legierung aus Gold und Silber, in Stücke annähernd gleichen Gewichts aufgeteilt und diese versehen mit ihrem Stempel als Tauschobjekte in Umlauf gebracht haben, hat sich diese den Handel und die Wirtschaft revolutionierende Erfindung in Windeseile über die ganze Welt ausgebreitet. Und dabei die Geschichte der Menschheit mehr als zwei Jahrtausende lang wesentlich mitbestimmt.

Handelspolitische Motive, aber oft auch der Aspekt des außenpolitischen Prestiges sorgten schon im klassischen Altertum für eine schier unübersehbare Menge der unterschiedlichsten Geldsorten mit Münzen verschiedensten Gewichts und Aussehens. Münzen wurden von Anfang an nicht nur als Gebrauchsgegenstände mit einem gewissen Tauschwert, sondern auch als Objekte eigener Qualität angesehen, die man um ihrer selbst Willen aufbewahren und unter ästhetischen, geographischen oder auch historischen Gesichtspunkten sammeln konnte. Der einzige direkte Hinweis auf das Sammeln von Münzen vor der Zeit der europäischen Renaissance, in diesem Fall auf eine Münzsammlerin, stammt indes aus Byzanz: Der byzantinische Gelehrte Michael Psellos (1018-1078) berichtet in seiner "Chronographeia" darüber, dass Theodora, die jüngere Tochter des Basileios II. Bulgarokronos und spätere Kaiserin, eine leidenschaftliche Sammlerin antiker Goldmünzen, namentlich persischer Dareiken, gewesen sei und für ihre Sammlung extra massive Bronzetresore anfertigen ließ.

Ansonsten haben wir leider nur indirekte Zeugnisse für das Sammeln von Münzen im Altertum und im Mittelalter. Nachweisen können wir das systematische Sammeln von Münzen erst für die Zeit der Renaissance. Das neu erwachte Interesse an den Ursprüngen der eigenen Kultur führte zu einer intensiven Beschäftigung mit allen Hinterlassenschaften des Altertums. Hier boten sich neben der literarischen Überlieferung in erster Linie die Münzen als authentische und in hohem Maße aussagefähige Zeugen der Vergangenheit an. So ist es kein Zufall, dass einer der ersten wichtigen Münzensammler, von dem wir wissen, der italienische Dichter und Philosoph Petrarca war, der das humanistische Denken der europäischen Renaissance ganz entscheidend mitgeprägt hat.

Als einer der ersten hat Petrarca Münzen dazu benutzt, Lücken in der Kenntnis der römischen Geschichte aufzufüllen. Aber schon damals stand er mit der Erkenntnis, dass es sich beim Sammeln von Münzen um eine bedeutsame antiquarische Tätigkeit handelt, sicher nicht allein da. Schon seit der Mitte des 15. Jahrhunderts gibt es Aufzeichnungen und Inventare zu bedeutenden Sammlungen von Münzen des klassischen Altertums, die sich in der Regel im Besitz großer fürstlicher Familien wie der Medici oder der Habsburg befanden.

Im 16. und 17. Jahrhundert gingen immer mehr Landesfürsten und freie Städte dazu über, Exemplare all der Münzen aufzubewahren, die im Namen ihrer Familie, respektive im Namen ihrer Staaten, herausgegeben worden waren. Als Hubert Goltzius, einer der ersten Numismatiker Deutschlands, in den Jahren zwischen 1556 und 1560 Westeuropa bereiste, fand er fast 950 Münzkabinette vor, darunter alleine in Deutschland mehr als 200. Die Numismatik, also die wissenschaftliche Münzkunde, hat sich seit dieser Zeit zu einer der wichtigsten Stützen der allgemeinen Geschichtswissenschaften entwickelt. Von der Erfindung der Buchdruckerei bis ins 19. Jahrhundert hinein gibt es kaum ein Buch zur Altertumswissenschaft, das nicht ausgiebig mit Münztafeln illustriert ist; und bis zum heutigen Tag gibt es wenig althistorische Werke von Bedeutung, die nicht in der einen oder anderen Weise auf das Zeugnis der Münzen zurückgreifen. Die Verbreitung von Büchern mit und über Münzen hat zur Popularität des Münzen-Sammelns beigetragen.

War das Sammeln von Münzen im 16. und 17. Jahrhundert noch überwiegend dem Adel vorbehalten - mit Christina von Schweden und Lieselotte von der Pfalz seien zwei berühmte Sammlerinnen erwähnt - so brachte es der Aufstieg des städtischen Bürgertums im 18. Jahrhundert mit sich, dass sich immer mehr Privatleute eigene Münzsammlungen zulegten. Schon zu Beginn des 18. Jahrhunderts tauchten die ersten populären Münzzeitschriften in Deutschland auf. Die bedeutendste Publikation dieser Art war "Köhlers Münzbelustigungen", die von 1729 bis 1750 in Nürnberg erschien und weiteste Verbreitung fand. Im 19. Jahrhundert hatte sich das Sammeln von Münzen und Medaillen schließlich zur Beschäftigung für ein breites und ständig wachsendes bürgerliches Publikum entwickelt. Zu den Sammlern gehörten auch Geistesgrößen wie Winckelmann oder Goethe. In der Folgezeit wurden nicht nur die staatlichen, sondern auch immer mehr private Sammlungen systematisch gesichtet und erfasst. Heute erfreut sich das Sammeln von Münzen und Medaillen aus den verschiedensten Epochen und Ländern einer ungebrochenen Beliebtheit. Wichtig beim Sammeln historischer Münzen und Medaillen bleibt der ästhetische Gesichtspunkt, das heißt, der Wunsch, schöne Beispiele der Kunst einer bestimmten Epoche zu besitzen. Insofern ist der Münzsammler auch immer Kunstsammler.

Hinzu tritt bei Münzen aber oft auch ein historisch-systematischer Aspekt. Seit jeher haben Münzen, die als Zahlungsmittel von Hand zu Hand gingen, auch als Träger von Nachrichten und politischen Aussagen jedweder Art gedient. Nicht nur die Porträts der jeweiligen Herrscher, sondern auch konkrete Ereignisse wie fürstliche Hochzeiten, Geburten und Todesfälle, Kriegserklärungen und Friedensschlüsse, Bau- und sonstige Projekte wurden so bekannt gemacht. Daher ist der Sammler nicht zuletzt Historiker. Das Sammeln historischer Münzen und Medaillen ist eine ebenso lehrreiche wie unterhaltende Tätigkeit, und Münzen gehören zu den wenigen Objekten von historischer Bedeutung, die nach wie vor verhältnismäßig einfach erhältlich und auch für den Privatmann erschwinglich sind. Die Preisentwicklung in den vergangenen zehn Jahren macht Münzen aber auch zur kapitalanlage.

Die Autoren sind Münzexperten des Auktionshauses Beate Strothotte in Gütersloh.

Dies ist der 3. Teil einer Serie in der 'Welt'. Wird fortgesetzt.

(Quelle: http://www.welt.de/welt_print/article3333908/Hobby-und-Kapitalanlage.html)