Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
volkimal Am: 30.05.2020 15:47:54 Gelesen: 514453# 1674@  
@ evwezel [#1672]

Hallo Emiel,

Richard schreibt manchmal etwas oberflächlich oder schnell und z.B. einige Endungen von Worten scheinen nicht ganz der Rechtschreibung zu entsprechen. Beim "jäden" würde ich trotzdem von "jeden" ausgehen bzw. es als "jeden" angeben.
Ich habe noch ein paar kleine Rechtschreibkorrekturen z.B. dem statt den, Kopf statt Post. Hier ist der ganze Text:

Im Felde, 5.6.17
Lieber Franz!
Zunächst vielen Dank f.d. Karten.
In den ersten Tagen erhältst du wenigstens
schon einige Abzüge, die Zeit muβ ich mir
allerdings dazu stehlen. Ich habe jetzt
die Adjutantur fest übernommen und
mich entschlossen, den Posten vorerst zu
behalten. Ein gutes hat nämlich die Sache,
man gewöhnt sich wieder am regelmäβige
Arbeit, was im Kolonnenbetrieb nicht der
Fall war, u. das ist gerade sehr wichtig ein
Gedanken an den kommenden Frieden.
Auch kann man, wenigstens auf dem Ge-
biete der Organisation und - non plus ultra -
der Intrigien sowie der Einschätzung von Menschen
noch furchtbar viel hinzulernen. Du glaubst
nicht, was für ein geplagtes Menschenkind
so ein Major-Adjutant ist. Alle
Bitten u. Wünsche sowohl der Offiziere

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als auch der Unteroffizieren u. Mannschaften werden
nimmer vertrauensvoll eröffnet, man wird poussiert
wie ein kleines Mädchen. Jedem möchte man
gefällig sein u. kann doch unmöglich jeden
Wunsch erfüllen.

6-6-17
Gestern bin mit dem Briefe nicht fertig
geworden, da wieder allerhand dazwischen
kam. Heute Morgen war ich schon früh
im Sattel u. zwar galt unser Besuch
dem hohen Stabsquartier des Führers unserer
201 Division Excellenz von Dickhut-Harrach.
Ich wurde so persönlich bekannt mit all
den Generalstabs-Onkels, mit denen ich tag-
täglich stundenlang am Fernsprecher unter-
handele. Es waren meist sehr nette Herren,
kaum ein Monokel-Träger war dabei,
die scheinen jetzt immer mehr zu verschwinden.
Von Sonntag bis Mittwoch wird unser
Train General Goeden bei uns wohnen
u. hier Besichtigungen abhalten. Natürlich
kommt man in den Tagen zu gar nichts.
Heute in der Mittagssonne habe endlich
einige Abzüge der Ferienbilder machen
können, ich schicke dir jetzt schon welche mit

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weitere sollen folgen, sobald die Zeit es ge-
stattet. Damit du mal siehst, worin mein
Dienst hauptsächlich besteht, schicke dir heute
so eine Bierzeitung mit, wie ich sie
Tag für Tag herausgebe. Um 4 Uhr
beginnt der Redaktions-betrieb, um 7
reiten die Meldereiter mit 20 Exemplaren
los. Es schwangt gewöhnlich zwischen 3
u. 4 Seiten, man muβ ordentlich den
Kopf zusammennehmen, um noch klug
zu werden aus den 1000 Verordnungen.
Das sind so die Leiden des Stellungskrieges.
Unstreitig haben wir hier allerdings das
schönsten Quartier, ein herrlicher Landsitz.
Vor mir liegt ein wunderbarer Park,
Wald, Wiese und Wasser. Auch davon
sollst du nächstens Bilder haben.
Doch nun Schluβ für heute,
der Major ruft schon wieder, es
läβt ihn kein Ruhe, er erinnert mich
sehr an Onkel Christian.
Mit herzl. Gruβ u. Kuβ bin ich
dein Bruder
Richard

Viele Grüße
Volkmar
 
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