Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
volkimal Am: 05.08.2020 14:09:04 Gelesen: 503419# 1819@  
@ philast [#1817]

Hallo philast,

du schreibst: "Ab hier erschließt sich mir der Sinn nicht mehr so ganz, einzelne Wörter kann ich zwar lesen, aber da sind zu große Lücken drin für eine brauchbare Widergabe." Trotzdem ist es immer gut, wenn Du das angibst, was du lesen kannst. Es ist dann für mich trotzdem schneller, den Rest hinzuzufügen als alles abzuschreiben.

bis zum ersten Absatz auf Seite 5 bin ich gekommen. Jetzt muss ich erst einmal etwas anderes machen.

Seite 1:
Berlin 13.11.18
Meine allerbeste Hannel!
Anbei sende ich dir die Ausarbeitung des
gewünschten Themas. Ich weiß zwar nicht, ob es
deinen Anschauungen genügt und ob ich es richtig
erfaßt habe. Leider ist es nicht sehr umfang-
reich geworden, da ich es etwas zusammenge-
drängt habe. Ich habe mich gleich drüber gemacht,
damit die Arbeit zur rechten Zeit eintrifft, um
einmal richtig geprüft zu werden, denn
ich habe mich mit der Durcharbeit nicht erst be-
fassen können. Überhaupt habe ich nicht
gewußt, welche Arbeiten d. Frau im Kriege zu
leisten gehabt hat.
Liebe Hannel, hoffentlich hast du meine
Briefe erhalten, die dir Aufschluß über die
Berliner Lage geben. Jetzt muß ich dir mit-
teilen, daß ich keine Langweile mehr habe.
Im Gegenteil, Arbeit von Früh bis Spät
abends, da ich von der Kompagnie als Bei-
sitzender des Soldatenrates gewählt worden

Seite 2:
bin. Anfangs sträubte ich mit Händen und
Füßen, doch konnte ich auf eine derartige Weise
das mit entgegengebrachte Vertrauen nicht herab-
setzen. Also ist meine Anwesenheit hier dringend
notwendig. Hoffentlich werde ich bald abgelöst.
Liebe Hannel, verzeihe mir, daß ich dir einen
derartigen Wisch vorzulegen wage. (Ich komme bald
auf Schwarzens Sprünge). Auch meine Schrift muß
du etwas milder beurteilen, nicht wahr? Es ist
ja schon spät abends!
Nun „Gute Nacht“ mein herzensguter
Spatz!
Es grüßt und küßt dich dein treuer
Willy.

Seite 3:
Frauenarbeit im Kriege.
Gedankengang
I. Einleitung: Der Krieg, ein Gebiet großer
Entfaltung der Frauenarbeit
II. Ausführung:
A. Leistungen der deutschen Frau auf
dem wirtschaftlichen Gebiete
1. Für unser Frontheer
2. Für die Verhältnisse des Innenlandes
B. Leistungen auf dem Gebiete der Liebestätigkeit
der Frau
C. Leistungen auf dem Gebiete der Erziehung
III. Schluß: Ausblick

Seite 4:
I Einleitung: Es gibt eine alte Redensart, die besagt: eine
Frau sei umso mehr wert, je weniger von ihr gesprochen
würde. Und in der Tat gibt es zum Beispiel in der gesam-
ten Weltliteratur verschwindend wenige Dichtungen, die
von der Verherrlichung einer Frau berichten und die eben
vorhandenen, wie Gudrunlied usw., sind Jahrhunderte, ja
Jahrtausende alt. Man könnte aber mit gutem Grunde
von dem ebengesagten Satz gerade das Gegenteil behaupten,
wenn wir daran denken, welche überzeugende Anschauung
die deutsche Frau, die durch den Krieg auch eine Art Vater-
verteidiger(in) geworden ist und mit einer Eingebung
ohnegleichen ihren oft nicht leichten Posten ausfüllt, ver-
dient, daß man ihr Vertrauen schenkt und sie hoch einschätzen
muß. Sie muß wahrhaftig viel geleistet haben, daß man jetzt
so mit stolz auf sie blickt, darum ist es keine Zeitver-
schwendung, wenn im folgenden das Thema „Frauenarbeit im
Kriege“ eingehend erörtert wird.
II. Ausführung: Die erste Zeit nach der Mobilmachung hat
mit ganz besonders harter Hand in die wirtschaftlichen Ver-
hältnisse des deutschen Volkes hineingegriffen. Sehr viele
Maßnahmen, die voreilig ergriffen worden sind, machten
sich später von selbst wieder unnütz und wurden auf-
Gehoben. Und bis die neue Regelung erfolgte, geriet
vieles ins Stocken und viele Existenzen waren äußerst
bedroht. Die Betriebe, die für das Material
des Krieges sorgten, nahmen einen ungeheuren
Aufschwung, der auch die Tätigkeit der deutschen Frau
mit in Anspruch nehmen. Hier waren es namentlich
die Arbeiterfrauen. Ehe England daran dachte die Frauen

Seite 5:
zur Arbeit in den Geschoßfabriken zu bitten, waren in
Deutschland schon längst die Frauen zu hunderttausen-
den bei der Arbeit. Sie hatten ohne sich, wo ihre
körperlichen Kräfte es ermöglichten, an den Platz ge-
stellt, den der Mann verlassen hatte um mit dem
Gewehr in der Hand sich an den heiligem Kampfe des
Vaterlandes zu beteiligen.

Viele Grüße
Volkmar
 
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