Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
evwezel Am: 06.02.2022 15:45:19 Gelesen: 325900# 2613@  
Liebe Sammelfreunde,

Ich bitte bei nachfolgenden Brief mal wieder um Hilfe. Wer kann den fett markierten Text entziffern / erklären?

Viele Grüße,

Emiel

——-
Soldin[1], den 28.10.17

Lieber Franz!

Vielen Dank für Deinen l. Brief vom
14 dss. Ich erhielt denselben erst vor einigen Tagen
bei meiner Rückkehr aus dem Lazarett. Meinen
Brief ab Lüstein[2] vom 14 dss wirst Du inzwischen
auch wohl erhalten haben und sage ich Dir nochmals
recht herzlichen Dank für dein so überaus wert=
volles Paket. Die Freude war unbeschreiblich als
ich die schöne Butter sah und muß ich deine Überwindung
wirklich anstaunen[3] denn Du hättest dieselbe doch
in jetziger Zeit doch auch sehr dringend brauchen
können. Nun ich werde Dir diesen Liebesdienst nicht
vergessen. Ich wünsche nur daß Du vor weiterem
Soldatenland bewahrt bleibest denn mir ist es eine
reine Hölle bei m. Gesundheitszustand.
Von Lüstein wurde ich da ich doch nicht heilbar sei
entlassen. Da Schutum(?)-Untersuchungen das fehlen
von Tuberkel ergaben mußte ich, da ich nicht an=
sterkungsfähig bin, wieder zur Truppe und be=
kam ich als Trost zu hören, daß die Armierungs=
soldaten ja alle krank seien. Ich würde vom
Lazarettarzt sogar verwendungsfähig für
die Etappe geschrieben und kanns mir blühen[5]
daß ich in einigen Wochen eine Gasmaske

[1] Soldin = Myślibórz (Siehe https://de.m.wikipedia.org/wiki/Myślibórz)
[2] Lüstein???
[3] anstaunen = mit Staunen/Verwunderung ansehen
[4] Tuberkel, der = knötchenförmige Geschwulst, besonders bei Tuberkulose
[5] Was bedeutet “Es kann mir blühen”?

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umgehängt bekomme und ins Feld muß, denn
alle Armierungssoldaten auch die nur für
Etappe geschriebenen erhalten hier beim Ausmarsch
ihre Gasmaske und kommen in sehr gefährdete
Gebiete. Ich bin nun zwar vorläufig wieder
hier auf der Schreibstube und will nun ver=
suchen ob ich mich hier nicht so unentbehrlich machen
kann, daß ich nicht mit abgeschoben werde.
Es fält[6] allerdings schwer weil eine Verordnung
besteht wonach alle Feld und Etappe Leute von den
Schreibstuben abzulösen sind.
Wenn man aber so hinter die Kulissen schaut
wie ich hier, so ist’s empörend[7] diese Schiebungen[8]
und Machenschaften[9] alle zu sehen die vorgenommen
werden um diese Verordnung illusorisch zu
machen. Sollte ich nun trotzdem ins Feld kommen
so werde ich dort, da ich diese Strapatzen wohl kaum
eine Woche aushalte, hoffentlich wieder schnell
ins Lazarett kommen ehe mein bischen Gesund=
heit gänzlich und endgültig untergraben ist.
Ja ich kann Dir sagen, daß es für mich die
reinste Hölle bedeutet Soldat sein. Aber wenn
ich all die Krüpfel u. Kranke sehe die hier
herumwanken(?) so harkt immer das Mitleid u.
Grauen.[10] Trotzdem werden die armen Menschen
rücksichtlos ins Feld abgeschoben.

[6] Heinrich hat sich hier vertan. Es fällt schwer...
[7] empörend = unerhört, skandalös
[8] Schiebung, die = ungerechtfertigte Bevorzugung, Begünstigung
[9] Machenschaft, die = sich im Verborgenen abspielende, unlautere Handlung, Unternehmung, mit der sich jemand einen Vorteil zu verschaffen oder einem anderen zu schaden sucht
[10] Grauen, das = Furcht, Entsetzen vor etwas Unheimlichem


 
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