Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
evwezel Am: 05.03.2024 11:45:42 Gelesen: 14019# 3332@  
Liebe Sammelfreunde,

Soldaten an der Front warteten natürlich sehnsüchtig auf Nachrichten aus der Heimat. So auch Unteroffizier Heinrich (siehe u.A. Beitrag [#3315]). Der folgende Brief wurde geschrieben am 25. Oktober 1915 durch seine Schwester Helene und Josefine. Persönlich finde ich die erste Handschrift (von Helene) sehr schön und auch am einfachsten zu lesen. Josefine hatte dagegen die Neigung, überall in ihrem Brief Abkürzungen zu benutzen. An einigen Stellen war ich wieder nicht ganz sicher.

Viele Grüße,

Emiel

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Seite 1

Waldniel, den 25/10. 15

Mein lieber Heinrich!

Zunächst herzlichen Glück-
wunsch zu Deiner Beförderung zum
Unteroffizier. Heute Morgen kamen
wir im Besitze deiner l. Zeilen und
waren wir froh, mal näheres von Dir
zu hören. Das Geld schicken wir telegraph-
isch und wirst Du es wohl bekommen
haben. Es waren 100M und kannst Du
ja schreiben, wenn es nicht ausreichen
sollte. Dürft Ihr privat wohnen? Gestern
war ich in Arsbeck[1], mit Onkel geht es
momentan sehr gut und hoffen wir

Seite 2

daß die Besserung anhält. Er freute
sich über Deine Beförderung und kannst
Du ihm gelegentlich ja auch einmal
einen Kartengruß senden. Der Umzug
muß noch verschieben[2] worden, weil
das Schreiben von Cöln noch nicht retour
ist. Richard Waters kam gestern nach
Hause und ist er wegen dringender
Familienverhältnisse für 14 Tage beur-
laubt worden. Sei nun bitte so gut
und teile uns eben mit, ob wir gleich
ein größeres Paket mit Fourage ab-
schicken können. Hast Du Karl Deine
Adresse mitgeteilt? Jetzt muß ich
Schluß machen, denn Jos[3]. möchte Dir auch
einige Zeilen schreiben. Tausend beste
Grüße & einen Kuss in tr.[4] Schwesterliebe
Deine Helene

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Mein lieber Heinrich!
Endlich im Besitze deiner Adresse gekommen,
können wir Dir die Grüße aus der Heimat
in gewohnter Weise wieder senden. Es
freut uns, daß Du bis jetzt so wohlauf
bist. Hier ein Gleiches der Fall, wie Du auch
aus Gertruds “Vaterszeilen” bereits ersehen
hast. Solltest Du in vornem Unterz.(?)
etwas benötigen, teile es uns umgehend
mit, Cigarren folgen in der ersten Tagen.
(….)sachen erbeten wir uns auch womöglich
vorher Bescheid, da wir nicht wissen ob Du
auswerfest(?) oder wie Du’s dort machst.
Alfons (…) liegt i/Frankr. beim Res. Inftr. Rgt. 68
u. lernt die Strapazen des Schützengrabens
schon kennen. Otto Schrag(?) ist auch bereits i/Westen
als Artl.[5] Allerdings noch immer nicht befördert.
Für heute tausend herzliche Grüße in aller
Liebe
Dein stets tr. Schw.[6] Josefine

Seite 4

Heinrich Waters ist heute wieder ins
Feld geschickt. Karl habe ich Deine
Adresse mitgeteilt, hoffentlich findet er
bald Zeit Dich ein Lebenszeichen
zu übersenden. Hier ist’s recht unfreundlich
u. sehr regnerisch, der Herbst zeigt sich
in der Natur besonders sehr.

In Eile

d. J.[7]

[1] Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Arsbeck.
[2] verschieben – an einen anderen Ort schieben
[3] Josefine
[4] in treue
[5] Artillerist
[6] treue Schwester
[7] Deine Josefine



 
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