Thema: (?) (197) Ganzsachen aus den ersten 50 Jahren des Weltpostvereins
Jürgen Witkowski Am: 24.05.2009 18:16:25 Gelesen: 247915# 42@  
Ich gebe es ja zu: Ganzsachen-Postkarten interessieren mich eigentlich nur als ideales Trägermedium für frühe Maschinenstempel. Sie sind dazu wegen ihres weitgehend einheitlichen Formates und des stabilen Kartons bestens geeignet. Das nachfolgende Beispiel zeigt, dass es sich lohnt, sich mit Ganzsachen auch unter anderen Aspekten zu beschäftigen.

Erworben habe ich die Auslandspostkarte mit Germania-Wertstempel zu 10 Pf. wegen des Ankunftstempels von St. Petersburg, Rußland, einem Krag-Maschinenstempel ohne Stempelband, wie es auch in einem anderen Thema mehrfach gezeigt wurde. (http://www.philaseiten.de/cgi-bin/index.pl?ST=849&CP=0&F=1 Beiträge #63 und #65).



Routinemäßig habe ich im Michel-Ganzsachenkatalog nachgeschlagen. Es kamen die MiNr. P59 und die MiNr. P65 infrage. Da der senkrechte Aufdruck "Nur für die Adresse" unter dem Wort Postkarte steht, handelt es sich um die MiNr. 65. Nun ging es daran, zu ermitteln, ob die Karte ein Wasserzeichen hat. Die Informationen dazu sind im Michel leider in einer endlosen Bleiwüste versteckt und werden nicht bildlich dargestellt. Nach genauem Hinsehen entpuppten sich die von mir zunächst für Flecken gehaltenen Bereiche als 5B. Das war das gesuchte Wasserzeichen, die Karte ist eine MiNr. 65X.



Auch sonst hat die Karte noch etwas zu bieten. So wurden Teile der Anschrift noch einmal (in St. Petersburg?) in violett in kyrillischer Schrift dazu geschrieben, vermutlich, um eine korrekte Zustellung sicher zu stellen.

Der Aufgabestempel von Gotha zeigt den 28.11.07 an, der Ankunftstempel von St. Petersburg den 18.11.07. Wie ist diese Reise in die Vergangenheit zu erklären? Einen Stempelfehler hielt ich für unwahrscheinlich, da die Daten beim Austausch einzelner Ziffern wenig Sinn machen. Ich meinte aber mich erinnern zu können, das es zu dieser Zeit in Rußland einen anderen Kalender gab. Das war des Rätsels Lösung! Der bei uns gültige gregorianische Kalender wurde in Rußland erst 1918 übernommen. Bis dahin rechnete man mit dem julianischen Kalender. Der 18.11.1907 im julianischen Kalender entspricht also dem 01.12.1907 in unserem gregorianischen Kalender. Damit hatte die Postkarte eine Laufzeit von 3 Tagen.

Soviel für heute aus der Serie: Philatelie bildet!

Mit besten Sammlergrüßen
Jürgen
 
Quelle: www.philaseiten.de
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