Thema: (?) (275) Belege aus der eigenen Familiengeschichte
10Parale Am: 30.12.2020 23:40:34 Gelesen: 107656# 261@  
Kurze Geschichte eines Briefes:

meine Mutter hatte 4 Halbbrüder von der ersten Frau Ihres Vaters. Den Kontakt zu Ihnen hatte sie nie gehabt, außer zu dem Jüngsten der Vier, der war aber im 2. Weltkrieg früh gefallen. Ich erinnere mich an ein Bild von ihm, ein hübscher junger Mann, viel zu jung, um im Krieg zu sterben, dachte ich immer als Kind. Ihr Schicksal war nicht einfach: Geburt vor dem 2. Weltkrieg, Grundschule, der Traum vom Klavierspielen nur kurz, verbotene Klavierstunden in Freiburg im Breisgau, dann früher Tod Ihrer Eltern und der Pflegevater benutzte sie als Arbeitstier in der Landwirtschaft. Klingt hart, ist aber wahr.

Zeitsprung:

1993 arbeitete ich bei einem Arbeitgeber, der mit einer gebürtigen Amerikanerin verheiratet war. Aus Erzählungen meiner Mutter wusste ich, dass ich einen sagenhaften Onkel (Halbonkel) in Amerika hatte, vermutlich in Ohio. An einer Betriebsfeier erzählte ich die Geschichte. Ein paar Wochen später schleppte die Frau meines Chefs sämtliche Telefonbücher von Toledo und Umland an und wir fingen an zu blättern. Meine Mutter hieß mit Mädchenname Gross. Da gab es unzählige Personen mit diesem Namen. Meine Mutter erinnerte sich, dass ein Bruder, der Albert hieß, vor dem 2. Weltkrieg mit der großen Auswanderungswelle nach Amerika geflohen war, um sich eine bessere Zukunft aufzubauen.

Wir riefen alle Albert Gross an, die wir finden konnten und hatten Glück! Der Bruder war noch am Leben. Spontan wie Amerikaner manchmal sind setzte er sich im Alter von 84 Jahren in einen Flieger und es kam zu einem Familientreffen von 2 Menschen, die den selben Vater hatten. Ich erinnere mich noch, wie die beiden auf dem Balkon saßen und Albert gemütlich eine Pfeife rauchte.

Heute fand ich im Keller noch ein paar Briefe aus dem Briefwechsel der Beiden. 1 Dollar kostete der Brief, schöner Stempel vom 31. August 1994.

Albert hatte als Bäckermeister reüssiert und konnte sich ein Haus und ein gutes Leben leisten. Er ist vor ein paar Jahren gestorben und ich weiss, dass es ihn sehr glücklich gemacht hat, sein Halbschwester zu treffen. Der Frau meines ehemaligen Chefs bin ich ewig zu Dank verpflichtet.

Ich muss diese Geschichte niederschreiben.

Schöne Grüße

10Parale


 
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