Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
volkimal Am: 22.07.2023 22:06:02 Gelesen: 110649# 3007@  
@ chris63 [#3006]

Hallo Chris,

gute Vorarbeit. Inzwischen war ich auch soweit, aber Du bist mir zuvorgekommen. Ein paar Worte lese ich anders als du:

Zufallstreffer bleibt und die Stellung leicht durch das Mündungsfeuer
verraten wird. Zur Beschießung der Flieger ist ein Netz leichter
Geschütze noch zieml. weit hinter uns aufgestellt. Diese vertreiben
allzu vorwitzige [10] Gesellen recht gut(?).
Dass unser Feuer drüben gute Wirkung haben muß, beweist
uns das Schießen der Franzosen. Sie wissen natürlich ungefähr unsere
Richtung und bestreichen daher unser Gegend wütend mit Schrapnell
und Granaten. Vorvorgestern schlugen die Dinger bedenklich nahe
von uns ein. Etwa 100 m seitwärts. Wir beobachteten aus
den Unterständen jeden einzelnen Schuß genau. Einmal jagten
sie 10 hintereinander auf ein und denselben Punkt. Eine Sonder-
beschäftigung von mir ist es dabei, die Gesichter der Leute zu beobachten.
Die Kerls lachen laut auf, wenn die Biester herangesaust kommen
und krepieren. Was soll das Lachen? Ist es ein Verlegenheitslachen,
ein Verbergen der inneren Unruhe, oder sind die Kerls aus Gewohnheit gegen
die moralische Wirkung des Feuers abgestumpft, sodaß sie eben aus
Stumpfsinn [11] lachen? Es ist mir noch nicht klar geworden, trotzdem
ich selbst mitlachen muß. Gestern hatten wir zum Abwechselung
eine Nachtschießerei, hervorgerufen durch eine Patrouillenknallerei
vor uns in den Schützengräben. Vor uns brennende Häuser, hinter
uns auch, unser eigenes Schießfeuer, dass bei jedem Schuß hell
aus dem Verschluß [12] emporloderte [13] und die Gestalten an den Geschützen
und die ganze Umgebung grell [14] beleuchtete, dazu der Höllenlärm-
Kinder, wirklich malerisch das Ganze! – Was ich Euch jetzt mitteile
ist etwas ganz persönliches, bleibt unter uns. Meinen Eltern sollen noch nichts davon
wissen, damit sie sich nicht unnötig beunruhigen. Ich mußte gestern zu ärztlichen
Untersuchung nach Nesle [15] (Feldlazarett I). Die Untersuchung ergab kurz: Eiterungs-
herd [16] in der Kieferhöhle [17] (unter der Stirnhöhle [18]) und dadurch bedingte Nasenwucherungen [19].
Entstanden ist das Ganze durch verschleppte [20] Erkältungen. Wahrscheinlich muß
ich in den nächsten Tagen auch in Nesle eine Operation unterziehen, durch die aber
nur die Wucherungen entfernt worden können. Viel Zweck hat die Geschichte nicht
da sie wieder nachwachsen. Der Eiterungsherd muß durch eine spätere Operation
die nicht im Feld gemacht worden kann beseitigt [21] werden. Mein Hauptmann
will mich nach Hause schicken. Ich soll mich dort operieren lassen und 4-5 Wochen
erholen. Ich persönlich möchte damit warten, bis ich Offizier bin, was vielleicht

Kopfüber
noch 2-3 Monate dauert. Seid mit den lb. Eurigen herzlichst gegrüßt von Eurem Vetter
Arnold

Ich hoffe, dass ich alle Stellen markiert habe.

Viele Grüße
Volkmar
 
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