Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
volkimal Am: 22.02.2024 09:24:53 Gelesen: 16712# 3289@  
@ evwezel [#3288]

Hallo Emiel,

nach zwei Seiten habe ich gestern gesehen, dass Olaf schneller war. Danach bekam ich Besuch, so dass meine Ergänzungen erst heute folgen. Dank der guten Vorarbeit von Emiel ist kaum etwas übrig:

Waldlager, den 7.V.16.

Liebe Josefine!

Sonntag-Abend wäre
es nun & erhielt ich Deine lb. Zeilen heute
Nachmittag zu meiner größten Freude.
Empfange vielen, herzlichen Dank dafür!
Zunächst war ich wirklich etwas überrascht,
als ich aus den Zeilen ersah, dass die lb.
Eltern nach Berlin seien. Nun es
freute mich auch wieder sehr, dass die
lb. Mutter einmal herausgekommen
ist & haben sie hoffentlich recht viel gesehen.
Dann ist es nebenbei auch von großem Vor- nicht "größtem". Das vermeintliche "t" ist das "g" aus der Zeile darüber
teil gewesen & hat sich die Reise wirklich
gelohnt. So sieht man auch vor allem, dass
der lb. Gott uns auch in dieser schweren
Zeit nicht verlassen hat & sind wir
Ihm allein dafür ewigen Dank schul-
dig. Wie ich aus Deinen Zeilen ersehe, kommt
jetzt auch bald für Euch die Zeit wo es
her(?) ist nach der Karte zu leben. Gewiss ist
es nichts leichter, aber verhungern wird
keiner dabei & kennt Ihr G.s.D. auch nicht
was von unseren tapferen Truppen geleistet
wird. Ein kleines Beispiel will ich an-

... Seite 2 ...
führen. Seit gestern Nachmittag liegen
die armen Kerls in einem Hagel von glühen-
dem Eisen & kann man es fast doppeltes
Trommelfeuer nennen. Jede Sekunde
fällt nicht ein, nein drei vier Schuß &
geht es noch ununterbrochen so weiter.
Um 4 Uhr heute Nachmittag war ausserdem
ein großer Sturm[1] auf Vaux(?) & was das
heisst auf solch einer befestigten Stellung
zu stürmen kann man in Worten nicht
mitteilen. Das ganze Gelände sah aus wie
ein Kohlenrevier[2] wo Zeche[3] an Zeche Hoch-
ofen an Hochofen ist. Alles ist in schwerem
Pulverrauch gehüllt & bekommt das Bild
eine kleine Abwechselung durch die Turm-
hohen Rauchsäulen der schweren Minen-
Explosionen die auch jede Minute statt-
finden. Dass die Erschütterung eine
sehr heftige sein muss ersiehst Du am
besten daraus wenn ich Dir sage, dass
meine Sachen die ich in meiner Bude
an den Wänden aufgehangen habe grössten-
teils heruntergefallen sind. So geht es
nun ununterbrochen weiter & meint man
es würde kein Ende nehmen. Nun
genug von diesem!

... Seite 3 ...
L. Josefine! Jetzt will ich auch auf Deinen
vorletzten Brief zurückkommen. Er hat
mir wirklich viel Freude gemacht, zumal
ich Deine Meinung & vor allem Dein Herzens-
wunsch daraus erkannt habe. Es ist
ja selbstverständlich dass ein jeder von uns
darauf bedacht ist, das Ziel, wofür er in
die Welt gesetzt ist auch zu erreichen; mit
dem Unterschied, dass die einen es leichter
& schneller nehmen & die anderen vor-
sichtiger & bedächtiger handeln. So ist
es nun auch bei Dir gewesen. Das Glück
kennt aber Geduld. Ich habe mein möglichstes
schon dazu getan & hoffe, dass der Erfolg
dazu nicht ausbleibt. Näheres will ich
& kann ich Dir noch nicht mitteilen da
ich den Lauf der ganzen Sache nicht stören
möchte & müssen wir es dem Geschick
vorläufig überlassen. Aber nach dem
Feldzuge, versichere ich Dir einen Herren
& zwar ein ganz patenter Herr in unserem
Hause vorstellen zu können. Beten
wir aber & richten wir unsere Bitte
vor allem zur lieben Gottesmutter die
auch mir den Weg zum Glück gezeigt

... Seite 4 bis Ende
& den ich auch wirklich gefunden habe.
Es ist ja auch mein Herzenswunsch
Dich meine lb. Schwester glücklich, ja recht
glücklich zu sehen & trifft es mich auch nicht unterstrichen (ist das F aus der Zeile darunter)
sehr, wenn es nicht der Fall ist. Also
ausharren & nicht verzweifeln, wie wir
es auch in den jetzigen Weltenringen
unseren trotzigen Feinden gezeigt haben
& weiter zeigen können.

Deshalb folge meinem
Rate & sei guten Mutes , was ich
mit meinen schwachen Kräften erreichen
konnte, habe ich versucht & hoffe es
auch zur Vervollkommnung bringen
zu können.
Indem ich Dir nochmals
recht herzlich für Deine lb. Zeilen
danke, bin ich in treuer Bruder-
liebe Dein Karl.
Viele Grüße an allen!
Das Geld schicke ich auch bei der ersten
Gelegenheit!

Viele Grüße
Volkmar
 
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