Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
evwezel Am: 24.02.2024 20:20:55 Gelesen: 17606# 3300@  
Liebe Sammelfreunde,

ein Tag ohne Transkription ist ein verlorener Tag und deswegen zeige ich Euch mal wieder einen Feldpostbrief, geschrieben am 15. Juli 1915.

Es ist das erste Mal, dass ich schon bei der Anrede ahnungslos bin - lest ihr aber selbst.

Viele Grüße,

Emiel

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Karlsruhe, den 15/7 15

feure(?)[1] Eltern u Geschw[2]!

Entschuldigt vielmals, dass ich nicht
schon gestern auf das schöne Paket geschrieben
habe. Ich hatte nämlich mit Karl Stall-
wache und war es mir deshalb nicht
möglich Euch einige Zeilen zu widmen.
Heute soll also das Versäumte nachgeholt
werden. Tausend und abermals vielen
Dank für all die Süßigkeiten, Kuchen u.s.w.
Soviel Schokol. u die Zigaren die ja ff[3]. sind.
Sodann[4] fühle ich mich gewogen für den schönen
Brief Gertruds, sowie für Eure Zeilen, mich
herzl. zu bedanken. Mit gleicher Post erhielt
ich auch einen Brief von Helene, der ja wieder
in Arsbeck(?) weilt, u eine Karte von Josef,
der die so lang ersehnten Ferien dringend
wünscht. Hoffentlich wird Euch also Karl in
Kürze für einige Tage besuchen um sich

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sein Heimatsstädtchen seit langer Zeit
wieder einmal zu betrachten.
Von den Herrn hier soll ich Euch besonders
vielmals grüßen. Am Dienstag habe ich
mit dem Herrn Futtermeister einen Spa-
zierritt nach Neureuth[5] gemacht, u. hat
mir selbiger ein tadeloses[6] Pferd zur Ver-
fügung gestellt. Auf unserem Heimweg
haben wir eine Art Wettrennen gemacht u
zwar ritt er den schönen Fuchs, den Vater
bei seinem Hiersein ja direkt auffiel.
Wir waren aber noch keine 30m galoppiert,
als ich ihn überholte und von da ab stets
die Tete[7] hielt. Wir wollten eine Karte
geschrieben haben, aber im Augenblick
dachten wir nicht daran. Selbiger dankt
nochmals für alles u grüßt aufs freundlichste.
Morgens reiten die Unt. u Wachten – die
jungen Remonten[8] und bin ich schon

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Längere Zeit als Tetenreiter bei ihnen
angestellt. Da hackt man aber jeden Tag
von 7 – ½ 10 Uhr auf den Gaul u muß
hier seine Changierungstieren für den
Haupt. Maj. u Oberst reiten, sodaß es
heißst sich zusammenreißen. Der Herr
Feldw[9]. Leutnant Gilbert, der vor einigen
Tagen von seiner Schießübung zurück-
gekehrt ist, kam zu mir u bedankte sich
ebenfalls sehr. Eine Vortrag besteht noch
nicht, da wir keine Leute haben, welche
daran teilnehmen. Wir müssen denn
noch mit Geduld abwarten, was
dann kommen kann.
Wie ich aus Eurem Schreiben gesehen, ist der
Brandm. ja felddienstfähig u wird wohl
bald Waldniel verlassen müssen da er
zu den Fahnen gerufen wird. Es soll auch

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jetzt gerade wieder alles beisammen
kommen u kann mir denken
wie es Vater ergehen wird. Die Sorgen
werden von Tag zu Tag in jeder Beziehung
größer. Und wie ist es nun mit
Matz? Hier dürfen die Wirte nur an
einigen Stunden am Tag Bier ver-
schenken usw. Waren(?) wir(?) z. B. am Sonntag-
mittag um 1 Uhr bei Moninger[10], wo wir
kein Bier mehr bekamen. Es wird solange
nicht mehr dauern, dann geschieht das gleiche auch
am Niederrhein. – neues gibt es sonst nicht wie
gewöhnlich.
Empfanget also nochmals Ihr lieben Alle vielen
Dank für Euer Entgegenkommen u schließe nun
mit dem Wunsche, daß es Euch noch lange recht
gut ergehen möchtet u seid alle vielmals gegr.
von Eurem stets dankb. u treuer
Sohn u Bruder
Heinr.

Entschuldigt schlechte Schrift
Gruß Karl

[1] Keine Ahnung was Heinrich hier geschrieben hat. “Treue” hätte ich mir vorstellen können, aber das passt vom Schriftbild her gar nicht.
[2] Geschwister
[3] Hier reichen meine Deutschkenntnisse leider nicht aus. Meiner Meinung nach, ist "ff" die Abkürzung eines Wortes (aber welches?), das "vortrefflich" oder "vorzüglich” bedeutet.
[4] sodann = hier: außerdem
[5] Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Neureuth
[6] Rechtschreibung ist “tadelloses”.
[7] Spitze
[8] Remonte = junges Militärpferd.
[9] Feldwebel
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Hatz-Moninger_Brauhaus



 
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