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Thema: Sütterlin und andere Schriften - wer kann das lesen ?
Das Thema hat 3389 Beiträge:
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evwezel Am: 22.02.2024 18:29:30 Gelesen: 16515# 3290 @  
@ volkimal [#3289]

Hallo Volkmar,

die Korrekturen waren, wie immer, sehr lehrreich. Vielen lieben DANK für Deine Hilfe!

Voller Mut fange ich wieder mit dem nächsten Feldpostbrief an!

Viele Grüße,

Emiel
 
evwezel Am: 23.02.2024 17:24:25 Gelesen: 16322# 3291 @  
Liebe Sammelfreunde,

ich habe heute wieder eine schöne Herausforderung für Euch. Die Vorarbeit habe ich natürlich schon gemacht. Obwohl ich Blut, Schweiß und Tränen in der Transkription dieser Feldpostbrief gesteckt habe, bin ich leider wieder an einigen Stellen gescheitert. Es wäre einfacher gewesen, wenn man in den Schützengraben eine Schreibmaschine benutzt hätte.

Viele Grüße,

Emiel

---

Seite 1

Hugstetten[1] i/ Freiburg, den 6/9. 16

Liebe Josefine u. Gertrud!

Soeben in Besitze deiner lb.
Zeilen, ist es mein erstes, Dich sowie
der lb. Gertrud allerherzl. für Deine bis-
herige Schreiben, sowie Gertrud ihre zu danken.
Es freut mich außerordentlich, daß es Euch
dort recht gefällt und mogt Ihr Euch noch
des öfteres dort recht vergnügte Tage machen.
Nun will ich kurz das Geschehen der letzten
Tage berichten. Am 25. Aug. wurde mir endlich
von S.E?M?[2] das Eiserne Kreuz verliehen sowie
noch einen Kanonier von meinem Zug[3].

Seite 2

Am 1. Sept. waren wir (…) die Hälfte von der
Stellung in (…) wegen Gasmasken, als uns
nachmittags um 4 Uhr der Wachtm[4]. befiehl sofort
in Stellung zu gehen, weil wir andern Tags weg-
kommen sollten. Gesagt, getan, wir waren
kaum oben, da ließen auch schon die Kano-
niere das Geschütz den Berg herunter und mußte
es wegen augenblicklichen Mangel an Pferden
bis M. bringen. Herauf wieder u. gepackt
und los, das war etwa um ½ 11. Die
ganze Nacht hatten wir nun für unser
vieles Gepäck zu sorgen, da wir nur ein Wagen
hatten zum Sachen aufladen. Ich kann Euch sagen,
das war noch schlimmer wie die Flucht nach
Ägypten. Andern Mittags wirkten wir auch

Seite 3

schon aus. Mit noch 4 Untffz[5]. ritten wir
vor bis Schlettstadt[6], einen wunder-
schönen Städtchen und begannen Quartiere zu
machen. Doch ein Telegramm kam uns zuvor u
nach einer kurzen Rast auf dem Marktplatz,
wurden wir dort um 12 Uhr nachts verladen
und kamen Sonntag Morgen in Freiburg an.
Von hieraus ging es zu einem Stadt wie
die Oberschrift schon sagt u. werden hier
wieder auf unsern alten Etat gebracht.
Alles schlechte wird ersetzt u neue Sachen
werden eingestellt. Von hieraus
werden wir sobald alles in Schuß[7]
ist zum Osten geworfen u zwar nach
Rumänien. Hurra, werden wir de(…)

Seite 4

Deutsche Knute(?) geben, das verl(…)kerte
Individium(?)[8]. Erst jetzt ist es ihnen glücklich
eingefallen uns den Krieg zu erklären,
ohne richtig zu wissen, was eigentlich Krieg
heißt.
Doch nun will ich schließen.
Indem ich Euch nochmals recht viel
Vergnügen wunsche u. für Eure lb.
Zeilen bestens danke,
grüßt Euch aufr.[9] herzlichst
in Liebe u Treue
Euer dankb. Bruder
Heinr.


[1] Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/March_(Breisgau)
[2] Seiner ? Majestät?
[3] Zug - unter dem Kommando eines Zugführers stehende kleinste militärische Abteilung
[4] Wachtmeister
[5] Unteroffiziere
[6] Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/S%C3%A9lestat#:~:text=S%C3%A9lestat%20%5Bsel%C9%9Bs%CB%88ta%5D%20(deutsch%20Schlettstadt,vollst%C3%A4ndig%20als%20Ganzes%20erhalten%20ist%20(
[7] Alles ist in Schuß = Alles ist funktionsfähig und betriebsbereit
[8] Rechtschreibung ist Individuum
[9] aufrecht



 
DERMZ Am: 23.02.2024 18:42:37 Gelesen: 16296# 3292 @  
@ evwezel [#3291]

Hallo Emiel,

wenn der gute Heinrich mit Maschine geschrieben hätte, wo wäre dann die Hearausforderung für uns geblieben ? - ich versuche mich mal wieder Seite für Seite

Seite 1

Hugstetten[1] by Freiburg, den 6/9. 16

Liebe Josefine u. Gertrud!

Soeben in Besitze deiner lb.
Zeilen, ist es mein erstes, Dich sowie
der lb. Gertrud allerherzl. für Deine bis-
herige Schreiben, sowie Gertrud ihre zu danken.
Es freut mich außerordentlich, daß es Euch
dort recht gefällt und mogt Ihr Euch noch
des öfteren dort recht vergnügte Tage machen.
Nun will ich kurz das Geschehen der letzten
Tage berichten. Am 25. Aug. wurde mir endlich
von S.Ex. [2] das Eiserne Kreuz verliehen sowie
noch einen Kanonier von meinem Zug[3].

[2] Seiner Exzellenz
 
DERMZ Am: 23.02.2024 18:54:52 Gelesen: 16291# 3293 @  
@ evwezel [#3291]

Seite 2

Am 1. Sept. waren wir (…) die Hälfte von der
Stellung in Umkirch wegen Gasmasken, als uns
nachmittags um 4 Uhr der Wachtm[4]. befiehl sofort
in Stellung zu gehen, weil wir andern Tags weg-
kommen sollten. Gesagt, getan, wir waren
kaum oben, da ließen auch schon die Kano-
niere das Geschütz den Berg herunter und mußte
es wegen augenblicklichen Mangel an Pferden
bis M. bringen. Herauf wieder u. gepackt
und los, das war etwa um ½ 11. Die
ganze Nacht hatten wir nun für unser
vieles Gepäck zu sorgen, da wir nur ein Wagen
hatten zum Sachen aufladen. Ich kann Euch sagen,
das war noch schlimmer wie die Flucht nach
Ägypten. Andern Mittags rückten wir auch
 
DERMZ Am: 23.02.2024 19:03:39 Gelesen: 16286# 3294 @  
@ evwezel [#3291]

... Seite 3 ...

schon aus. Mit noch 4 Untffz[5]. ritten wir
vor bis Schlettstadt[6], einem wunder-
schönen Städtchen und begannen Quartiere zu
machen. Doch ein Telegramm kam uns zuvor u
nach einer kurzen Rast auf dem Marktplatz,
wurden wir dort um 12 Uhr Nachts verladen
und kamen Sonntag Morgen in Freiburg an.
Von hieraus ging es zu einem Vorort wie
die Überschrift schon sagt u. werden hier
wieder auf unsern alten Etat gebracht.
Alles schlechte wird ersetzt u neue Sachen
werden eingestellt. Von hieraus
werden wir sobald alles in Schuß[7]
ist zum Osten geworfen u zwar nach
Rumänien. Hurra, werden wir denen
 
evwezel Am: 23.02.2024 20:17:26 Gelesen: 16263# 3295 @  
@ DERMZ [#3293]

Guten Abend Olaf,

Du warst wieder sehr schnell! An „Umkirch” habe ich nicht gedacht, aber das könnte stimmen. Jedenfalls liegt dieser Stadt (übrigens ist die Bezeichnung „Stadt” vielleicht zuviel Ehre für einen Fleck von 6000 Einwohner) in der Nähe von Freiburg.

Der Satz „Am 1. Sept. waren wir (…) in Umkirch wegen Gasmasken” kommt mir besonders merkwürdig vor. War Heinrich in Umkirch um Gasmasken aufzutreiben???

Auf der Webseite [1] habe ich noch etwas über Umkirch im Ersten Weltkrieg gelesen:

In Umkirch waren die Kampfhandlungen im Oberelsass schmerzlich spürbar: Die Artilleriefeuer waren zu hören, viele fühlten sich von Luftangriffen und dem Einmarsch der Franzosen bedroht, Nachschubkolonnen zur Verpflegung der Frontsoldaten zogen täglich durch den Ort und es gab ein Kriegsgefangenenlager.

Vielen lieben Dank für die Korrekturen!

Emiel

[1] https://blog.rombach-verlag.de/2022/01/11/umkirch-und-der-breisgau-im-ersten-weltkrieg/
 
chris63 Am: 24.02.2024 07:41:39 Gelesen: 16146# 3296 @  
@ evwezel [#3295]
@ DERMZ [#3293]

Hallo,

Geographisch und vom Schriftbild her gesehen favorisiere ich:

die Stellung lag auf einem Hügel bei Markirch, von dort nach Schlettstadt geritten ~ 8 KM und von dort nach Hugstetten verladen ~ 50 KM

grüsse christof
 
evwezel Am: 24.02.2024 09:17:41 Gelesen: 16120# 3297 @  
@ chris63 [#3296]
@ DERMZ [3293]

Guten Morgen Christof und Olaf,

ich denke, Christof hat recht. Vom Schriftbild her passt “Markirch” besser als “Umkirch”.

Viele Grüße,

Emiel
 
DERMZ Am: 24.02.2024 09:53:59 Gelesen: 16108# 3298 @  
@ chris63 [#3296]

Ja, ja, da ist sie wieder gewesen meine Denk- und Leseschwäche - da war ich so stolz, daß ich einen vermeintlich passenden Ort gefunden habe und dann lese ich das auch immer wieder ... ist wahrscheinlich Altersturheit. Markkirch ist deutlich der richtigere Ort - Danke Chris.

... nun noch Seite 4 ...

Deutsche Knute geben, das verlodderte [xx]
Individium [8]. Erst jetzt ist es ihnen glücklich
eingefallen uns den Krieg zu erklären,
ohne richtig zu wissen, was eigentlich Krieg
heißt.
Doch nun will ich schließen.
Indem ich Euch nochmals recht viel
Vergnügen wunsche u. für Eure lb.
Zeilen bestens danke,
grüßt Euch aufr.[9] herzlichst
in Liebe u Treue
Euer dankb. Bruder
Heinr.

[xx] verloddern = durch Verwahrlosung in einen schlechten Zustand kommen.
[9] aufrichtig

Das ist meine Interpretation des Briefes. Die besten Wünsche Olaf
 
evwezel Am: 24.02.2024 10:12:34 Gelesen: 16102# 3299 @  
@ DERMZ [#3298]

Hallo Olaf,

“verlodderte” ist ein Volltreffer - darauf wäre ich nie gekommen!

Nochmals vielen Dank für Deine Hilfe.

Mit herzlichem Gruß aus den Niederlanden,

Emiel
 
evwezel Am: 24.02.2024 20:20:55 Gelesen: 16012# 3300 @  
Liebe Sammelfreunde,

ein Tag ohne Transkription ist ein verlorener Tag und deswegen zeige ich Euch mal wieder einen Feldpostbrief, geschrieben am 15. Juli 1915.

Es ist das erste Mal, dass ich schon bei der Anrede ahnungslos bin - lest ihr aber selbst.

Viele Grüße,

Emiel

--
Seite 1

Karlsruhe, den 15/7 15

feure(?)[1] Eltern u Geschw[2]!

Entschuldigt vielmals, dass ich nicht
schon gestern auf das schöne Paket geschrieben
habe. Ich hatte nämlich mit Karl Stall-
wache und war es mir deshalb nicht
möglich Euch einige Zeilen zu widmen.
Heute soll also das Versäumte nachgeholt
werden. Tausend und abermals vielen
Dank für all die Süßigkeiten, Kuchen u.s.w.
Soviel Schokol. u die Zigaren die ja ff[3]. sind.
Sodann[4] fühle ich mich gewogen für den schönen
Brief Gertruds, sowie für Eure Zeilen, mich
herzl. zu bedanken. Mit gleicher Post erhielt
ich auch einen Brief von Helene, der ja wieder
in Arsbeck(?) weilt, u eine Karte von Josef,
der die so lang ersehnten Ferien dringend
wünscht. Hoffentlich wird Euch also Karl in
Kürze für einige Tage besuchen um sich

Seite 2

sein Heimatsstädtchen seit langer Zeit
wieder einmal zu betrachten.
Von den Herrn hier soll ich Euch besonders
vielmals grüßen. Am Dienstag habe ich
mit dem Herrn Futtermeister einen Spa-
zierritt nach Neureuth[5] gemacht, u. hat
mir selbiger ein tadeloses[6] Pferd zur Ver-
fügung gestellt. Auf unserem Heimweg
haben wir eine Art Wettrennen gemacht u
zwar ritt er den schönen Fuchs, den Vater
bei seinem Hiersein ja direkt auffiel.
Wir waren aber noch keine 30m galoppiert,
als ich ihn überholte und von da ab stets
die Tete[7] hielt. Wir wollten eine Karte
geschrieben haben, aber im Augenblick
dachten wir nicht daran. Selbiger dankt
nochmals für alles u grüßt aufs freundlichste.
Morgens reiten die Unt. u Wachten – die
jungen Remonten[8] und bin ich schon

Seite 3

Längere Zeit als Tetenreiter bei ihnen
angestellt. Da hackt man aber jeden Tag
von 7 – ½ 10 Uhr auf den Gaul u muß
hier seine Changierungstieren für den
Haupt. Maj. u Oberst reiten, sodaß es
heißst sich zusammenreißen. Der Herr
Feldw[9]. Leutnant Gilbert, der vor einigen
Tagen von seiner Schießübung zurück-
gekehrt ist, kam zu mir u bedankte sich
ebenfalls sehr. Eine Vortrag besteht noch
nicht, da wir keine Leute haben, welche
daran teilnehmen. Wir müssen denn
noch mit Geduld abwarten, was
dann kommen kann.
Wie ich aus Eurem Schreiben gesehen, ist der
Brandm. ja felddienstfähig u wird wohl
bald Waldniel verlassen müssen da er
zu den Fahnen gerufen wird. Es soll auch

Seite 4

jetzt gerade wieder alles beisammen
kommen u kann mir denken
wie es Vater ergehen wird. Die Sorgen
werden von Tag zu Tag in jeder Beziehung
größer. Und wie ist es nun mit
Matz? Hier dürfen die Wirte nur an
einigen Stunden am Tag Bier ver-
schenken usw. Waren(?) wir(?) z. B. am Sonntag-
mittag um 1 Uhr bei Moninger[10], wo wir
kein Bier mehr bekamen. Es wird solange
nicht mehr dauern, dann geschieht das gleiche auch
am Niederrhein. – neues gibt es sonst nicht wie
gewöhnlich.
Empfanget also nochmals Ihr lieben Alle vielen
Dank für Euer Entgegenkommen u schließe nun
mit dem Wunsche, daß es Euch noch lange recht
gut ergehen möchtet u seid alle vielmals gegr.
von Eurem stets dankb. u treuer
Sohn u Bruder
Heinr.

Entschuldigt schlechte Schrift
Gruß Karl

[1] Keine Ahnung was Heinrich hier geschrieben hat. “Treue” hätte ich mir vorstellen können, aber das passt vom Schriftbild her gar nicht.
[2] Geschwister
[3] Hier reichen meine Deutschkenntnisse leider nicht aus. Meiner Meinung nach, ist "ff" die Abkürzung eines Wortes (aber welches?), das "vortrefflich" oder "vorzüglich” bedeutet.
[4] sodann = hier: außerdem
[5] Siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Neureuth
[6] Rechtschreibung ist “tadelloses”.
[7] Spitze
[8] Remonte = junges Militärpferd.
[9] Feldwebel
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Hatz-Moninger_Brauhaus



 
volkimal Am: 24.02.2024 20:29:44 Gelesen: 16007# 3301 @  
@ evwezel [#3300]

Hallo Emiel,

auf die Schnelle, der Brief ist vermutlich gerichtet an "teure Eltern u. Geschw.".

Das t in teure sieht allerdings sehr ungewöhnlich aus.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 24.02.2024 20:34:32 Gelesen: 16001# 3302 @  
Hallo Emiel,

noch eine Ergänzung: Auch das kleine "b" am Wortanfang hat vorne eine Unterlänge. Zum Beispiel beim "besuchen" ganz unten auf der ersten Seite.

Viele Grüße
Volkmar
 
volkimal Am: 24.02.2024 20:39:05 Gelesen: 15999# 3303 @  
Hallo Emiel,

noch eine Kleinigkeit. Es gibt die Redewendung, dass etwas aus dem ff ist. Siehe [1].

Jetzt muss ich erst einmal etwas reparieren.

Viele Grüße
Volkmar

[1] https://de.m.wiktionary.org/wiki/aus_dem_Effeff
 
DERMZ Am: 24.02.2024 21:04:42 Gelesen: 15977# 3304 @  
Hallo Emiel,

ich versuche mich wieder in Etappen:

Seite 1

Karlsruhe, den 15/7 15

teure [1] Eltern u Geschw[2]!

Entschuldigt vielmals, dass ich nicht
schon gestern auf das schöne Paket geschrieben
habe. Ich hatte nämlich mit Karl Stall-
wache und war es mir deshalb nicht
möglich Euch einige Zeilen zu widmen.
Heute soll also das Versäumte nachgeholt
werden. Tausend und abermals vielen
Dank für all die Süßigkeiten, Kuchen u.s.w.
Sowie Schokol. u die Zigaren die ja ff[3]. sind.
Sodann[4] fühle ich mich gewogen für den schönen
Brief Gertruds, sowie für Eure Zeilen, mich
herzl. zu bedanken. Mit gleicher Post erhielt
ich auch einen Brief von Helene, der ja wieder
in Arsbeck(?) weilt, u eine Karte von Josef,
der die so lang ersehnten Ferien dringend
wünscht. Hoffentlich wird Euch also Karl in
Kürze für einige Tage besuchen um sich
 
DERMZ Am: 24.02.2024 21:09:47 Gelesen: 15969# 3305 @  
Seite 2

sein Heimatsstädtchen seit langer Zeit
wieder einmal zu betrachten.
Von den Herrn hier soll ich Euch besonders
vielmals grüßen. Am Dienstag habe ich
mit dem Herrn Futtermeister einen Spa-
zierritt nach Neureuth[5] gemacht, u. hat
mir selbiger ein tadeloses[6] Pferd zur Ver-
fügung gestellt. Auf unserem Heimweg
haben wir eine Art Wettrennen gemacht u
zwar ritt er den schönen Fuchs, der Vater
bei seinem Hiersein ja direkt auffiel.
Wir waren aber noch keine 30m galoppiert,
als ich ihn überholte und von da ab stets
die Tete[7] hielt. Wir wollten eine Karte
geschrieben haben, aber im Augenblick
dachten wir nicht daran. Selbiger dankt
nochmals für alles u grüßt aufs freundlichste.
Morgens reiten die Unt. u Wachten – die
jungen Remonten[8] und bin ich schon
 
DERMZ Am: 24.02.2024 21:13:53 Gelesen: 15967# 3306 @  
Seite 3

längere Zeit als Tetenreiter bei ihnen
angestellt. Da hockt man aber jeden Tag
von 7 – ½ 10 Uhr auf den Gaul u muß
hier seine Changierungstieren für den
Haupt. Maj. u Oberst reiten, sodaß es
heißst sich zusammenreißen. Der Herr
Feldw[9]. Leutnant Gilbert, der vor einigen
Tagen von seiner Schießübung zurück-
gekehrt ist, kam zu mir u bedankte sich
ebenfalls sehr. Eine Vortrag besteht noch
nicht, da wir keine Leute haben, welche
daran teilnehmen. Wir müssen denn
noch mit Geduld abwarten, was
dann kommen kann.
Wie ich aus Eurem Schreiben gesehen, ist der
Brandm. ja felddienstfähig u wird wohl
bald Waldniel verlassen müssen da er
zu den Fahnen gerufen wird. Es soll auch
 
DERMZ Am: 24.02.2024 21:23:04 Gelesen: 15962# 3307 @  
Seite 4

jetzt gerade wieder alles beisammen
kommen u kann mir denken
wie es Vater ergehen wird. Die Sorgen
werden von Tag zu Tag in jeder Beziehung
größer. Und wie ist es nun mit
Matz? Hier dürfen die Wirte nur an
einigen Stunden am Tag Bier ver-
schenken u so waren wir z. B. am Sonntag-
mittag um 1 Uhr bei Moninger[10], wo wir
kein Bier mehr bekamen. Es wird solange
nicht mehr dauern, dann geschieht das gleiche auch
am Niederrhein. – Neues gibt es sonst nicht wie
gewöhnlich.
Empfanget also nochmals Ihr lieben Alle vielen
Dank für Euer Entgegenkommen u schließe nun
mit dem Wunsche, daß es Euch noch lange recht
gut ergehen möchtet u seid alle vielmals gegr.
von Eurem stets dankb. u treuer
Sohn u Bruder
Heinr.


Karl gibt noch unten links in der Ecke seinen Gruss wie folgt:

Entschuldigt schlechte Schrift.
Gruß Karl


Lieber Emiel,

der Brief hat sich wieder gut lesen lassen, auch DANK Deiner Vorarbeit, alldieweil ich mich mit Pferden in Natur noch weniger auskenne, als mit den Pferden, die in vielen Autos ihre Arbeit verrichten.

Beste Grüße Olaf
 
evwezel Am: 24.02.2024 21:50:44 Gelesen: 15953# 3308 @  
@ DERMZ [#3307]
@ volkimal [#3303]

Lieber Olaf,

ich bedanke mich wieder ganz herzlich für Deine Überarbeitung. Du beherrscht die Sütterlinschrift aus dem Effeff!

@ Volkmar:

Diese Redewendung war mir völlig unbekannt. Siehe auch [1]. Es ist einfach toll, was man hier so alles lernen kann!

Viele Grüße,

Emiel

[1] https://www.swr.de/wissen/1000-antworten/warum-beherrscht-man-etwas-aus-dem-effeff-100.html
 
chris63 Am: 24.02.2024 22:44:22 Gelesen: 15942# 3309 @  
@ evwezel [#3308]

Hallo,

vermutlich ist mit ff flor fina - eine brasilianische Zigarrensorte - gemeint.

grüsse christof
 
evwezel Am: 24.02.2024 23:55:52 Gelesen: 15926# 3310 @  
@ chris63 [#3309]

Hallo Christof,

vielen Dank für Deine Lesung!

Heinrich war der Sohn von einem Bierbrauer und musste vertraut gewesen sein mit der Kaufmannssprache. Laut dem Duden-Band über Redewendungen stammt die Abkürzung ff aus der Kaufmannssprache. Dort steht der Buchstabe f für fein und ff für sehr fein.

Obwohl ich Deine Lesung sehr interessant finde, kann ich Deine Erklärung in diesem Fall nicht nachfolgen. Die Familie von Heinrich hatte das Paket in der Heimat zusammengestellt. Sie wusste genau was darin steckte. Heinrich brauchte also gar nicht zu erklären, dass er Fina Flor Zigarren empfangen hatte. Ich glaube es ist wahrscheinlicher, dass er seine Familie einfach mitteilen wollte, dass ihm die Rauchwaren (und die Schokolade!) sehr gut gefallen hatten. Sie waren ff - “sehr fein”!

Viele Grüße,

Emiel
 
evwezel Am: 27.02.2024 08:33:59 Gelesen: 15356# 3311 @  
Liebe Sammelfreunde,

hoffentlich habe ich endlich eine Transkription ohne Fehler gemacht. Aber wahrscheinlich ist das nur ein Wunschtraum...

Viele Grüße,

Emiel

---
Seite 1

Karlsruhe, den 21/9 15

Meine Lieben,

Hoffentlich habt Ihr mein
Schreiben von Samstag glück-
lich bei bester Gesundheit em-
pfangen. Mir geht es bei dem
schon stark einsetztenden[1] Herbst-
wetter noch sehr gut. Gestern
oder vorgestern war es, als Karl
die Kiste mit den Flaschen Cog.[2]
erhielt. Einer davon v.d. Sendung war zerbrochen
und habe ich ihn, da ich doch nicht
recht wußte was ich tun sollte,
eine 3/4l. Flasche gegeben u
mußt Ihr sehen, daß dieselbe
zurückgeschrieben wird. Die
Sache ist nämlich die, die M100

Seite 2

habe ich dazu verwendet um
den Herrn jeder ein paar Kistchen
Cigarren zu kaufen, sowie noch
mit den anderen gut bekannten
Vizw(?)[3]. u Untffz[4]. Ein Glas Bier usw.
zu trinken. Die Flaschen waren
also einstweilen überflüssig,
werde also sehen, sie bei einer
anderen passenden Gelegenheit heraus-
zugeben. Im Voraus also allerherzl.
Dank für Euer Wohlwollen.
Gestern Abend habe ich auch an
Maria Bergermann geschrieben,
welcher ja mit Euch in Kevelaer
war. Unser Vortrag dauert noch
immer an und wird auch noch
eine Weile durchgeführt werden.
Besonders interessant sind die

Seite 3

Vorträge von unserm Herrn
Hauptmann, der uns praktische
Winke für ins Feld gibt u uns
natürlich sehr willkommen.
Vorigen Sonntag war ich ins
Hoftheater[5] und habe mir die
dramatische Oper Tiefland[6] angesehen,
welche durch die herrlichen Sanger-
künste großartig wirkte. – Nun
wie geht es denn sonst noch?
Wie lange reicht der Vorrat an
Malz noch und habt Ihr auch
schon einen Ersatzmann für
Franz Knops(?). Joseph u Gertr. werden
wohl wieder in ihren Elementen
sein und sich für das nächste
Zeugnis[7] vorbereiten. Karl schrieb
mir vor einiger Zeit, daß es

Seite 4

ihm sehr gut gehen werde, jeweils
aber auch an einen baldigen Frieden
hoffte. Hoffentlich hat es Frl. Thresi[8]
& Clarchen Bispink bei uns gut ge-
fallen, sodaß ich später auch einmal
Gelegenheit haben kann, sie persönlich
begrüßen zu können.
Mit dem innigen Wunsche auf
baldiges frohes Wiedersehen, ver-
bleibe ich an allen herzl. grüßend
Euer stets treuer u dankb.
Sohn u Bruder Heinr

An Alois u Dora ebenfalls viele
Grüße.


[1] Hier hat Heinrich sich vermutlich vertan. Rechtschreibung ist “einsetzenden”.
[2] Cognac
[3] Abkürzung für Vizewachtmeister?
[4] Unteroffiziere
[5] Das Hoftheater am Schlossplatz bestand von 1853 bis 1944. Am 28. Februar 1847 brach während einer Vorstellung ein Feuer aus, während dessen das Gebäude vollständig zerstört wurde. Der Nachfolgebau wurde 1853 fertiggestellt. Bei einem Fliegerangriff am 27. September 1944 brannte das Hoftheater erneut aus. Die Ruine blieb bis in die 1960er Jahre stehen. Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Badisches_Staatstheater_Karlsruhe.
[6] Oper Tiefland (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Tiefland_(Oper) ) wurde am 19. September 1915 im Hoftheater Karlsruhe gespielt. Siehe auch https://digital.blb-karlsruhe.de/blbtheater/periodical/pageview/3106936 .
[7] Schulzeugnis
[8] Kurzform für Theresia




 
volkimal Am: 27.02.2024 10:43:10 Gelesen: 15325# 3312 @  
@ evwezel [#3311]

Hallo Emiel,

super "übersetzt". Mir ist nur folgendes Aufgefallen:

Seite 2:
werde aber sehen, sie bei einer
Anderen passenden Gelegenheit heraus-

Seite 3:
welche durch die herrlichen Sanges-
künste großartig wirkte. – Nun

Viele Grüße
Volkmar
 
DERMZ Am: 27.02.2024 11:46:26 Gelesen: 15311# 3313 @  
@ evwezel [#3311]

Hallo Emiel,

Volkmar hat schon Korrektur gelesen, ich habe nur noch eine Kleinigkeit anzubringen:

Seite 1


die Kiste mit den Flaschen Cog.[2]
erhielt. Eine davon v.d. Sendung war zerbrochen
und habe ich ihn, da ich doch nicht


Ich würde meinen, Du hast das perfekt gelöst.

Die besten Grüße Olaf
 
evwezel Am: 27.02.2024 12:50:55 Gelesen: 15295# 3314 @  
@ volkimal [#3312]
@ DERMZ [#3313]

Hallo Volkmar und Olaf,

Vielen Dank für die Korrekturen. Perfekt war die Transkription nicht, aber est geht bestimmt bergauf!

Euer stets dankbarer

Emiel
 

Das Thema hat 3389 Beiträge:
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