Thema: Bund: Die fünfziger Jahre - Erfahrungsaustausch zum Sammeln in dieser Zeit
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Bendix Gruenlich Am: 09.09.2021 21:48:55 Gelesen: 4067# 1 @  
Liebe Sammlerkollegen,

ich lese immer, Briefmarkensammeln, das ist ja nur was für alte weiße Männer (leider oft mit einer Konnotation, als handele es sich um das personifizierte Böse, was man - wäre man weniger wohlmeinend - als diskriminierend begreifen könnte). Bin über fünfzig, was unter Briefmarkensammlern ja als frischer Zwanzigjähriger durchgeht.

Gut, wenn wir also alt sind, dann sollten wir unsere Lebens- und Sammlererfahrungen teilen.

Mich treibt folgendes um: ich blätterte jüngst durch meine Sammlung und den letzten Michel-Deutschland-Katalog und wunderte mich über die Preise der frühen Jahrgänge der 50er Jahre.

Da trifft man Sondermarken mit Auflagen von 1 bis 5 Mio., sogar Wohlfahrtsmarkenhöchstwerte mit Auflagen von 6 Mio. 1949)

Wie kann es also sein, dass mindestens deutlich hohe zweistellige Euro-Werte als Katalogwert ausgewiesen werden.

Als Kaufmann interpretiere ich die Werte einmal. In jenen buttercremetortenschweren Zeiten, wurde auch verstärkt wieder bürgerlichen Beschäftigungen nachgegangen, wozu natürlich auch das Briefmarkensammeln gehört. Die Sammlerschaft nahm zu, meines Wissens kontinuierlich bis zum Ende der achtziger Jahre, von wo sie seitdem langsam abbröckelt.

Wenn immer mehr Sammler hinzukommen, die Auflagen aber verglichen mit den sechziger Jahren, wo diese zwischen 10 und 30 Mio. lagen, niedrig waren, mussten die fünfziger Jahre in den Boomjahren ja fehlen oder schwerer zu beschaffen gewesen sein. Der Handel, der ein Interesse an einem Sentiment der Knappheit hat, wenn er selbst auf hohen Beständen sitzt, dürfte ein Übriges zu dieser Gemengelage beigetragen haben.

Keine Frage, die seinerzeitigen Nominalbeträge scheinen uns heute gering. Bedenken sollten wir aber auch, dass das Jahresdurchschnittseinkommen seinerzeit DEM 4.000 betrug – heute verdienen wir 23 mal so viel. Also, für eine seinerzeitige DEM 0,45 (0,30+0,15) Wohlfahrtsmarke wären heute demnach rund EUR 5, für eine 90er Posthorn EUR 10 und für eine Heuss DEM 3,00 sogar EUR 34 fällig.

Wahnsinn, wenn ich daran denke, dass ich vor wenigen Jahren für eine postfrische Bund-Sammlung 1949-2000 EUR 300,00 (allerdings ohne die hohen Posthorn-Werte) gezahlt habe, 30% Nominalwert ohne Inflationseffekte. Das wären 1950 DEM 25,00 gewesen. Mir ging es vor allem um die Jahrgänge 1949-1955, die Marken von 1981-1998 habe ich selbst immer brav um die Ausgabetage herum zum Postpreis am Schalter erworben (tja, im Nachhinein ein wirtschaftlicher Fehler, bereue ich aber nicht, hat einfach wahnsinnig Spaß gemacht).

Aber lassen wir diese Überlegungen einmal beiseite.

Ich würde gerne von Euch hören, wie war das in den 1950ern

1. Wie habt Ihr seinerzeit die Neuausgaben bezogen?
2. War das (künstlich) verknappt?
3. Wurde an jedermann verkauft?
4. Musste man in einem Verein Mitglied sein, um begünstigt zu sein?
5. Wie habt Ihr das wahrgenommen?
6. Wie sah seinerzeit Eurer Wahrnehmung nach der Alltagsposteingang aus (privat und im Beruf)?
7. Oder kann jemand aus seinerzeitigen Quellen zitieren (Fachpresse oder ähnliches)?

Schauen wir doch einmal, was da herauskommt. Ist das interessant, kann man das auf andere Gebiete und / oder andere Jahrzehnte ausweiten.
 
wuerttemberger Am: 09.09.2021 22:43:58 Gelesen: 4051# 2 @  
Du sprichst die Jahrgänge 1935 und älter an. Wie viele sind hier im Forum präsent?
 
uli Am: 10.09.2021 09:29:21 Gelesen: 3996# 3 @  
@ Bendix Gruenlich [#1]

Du sprichst Sammler an, die deutlich älter als mein Vater sind. Wenn diese damals schon erwachsene Menschen mit Geld für ein Hobby gewesen sein sollen, werden sie nicht mehr unter uns sein.

"Wie kann es also sein, dass mindestens deutlich hohe zweistellige Euro-Werte als Katalogwert ausgewiesen werden. Als Kaufmann interpretiere ich die Werte einmal. In jenen buttercremetortenschweren Zeiten, wurde auch verstärkt wieder bürgerlichen Beschäftigungen nachgegangen, wozu natürlich auch das Briefmarkensammeln gehört. Die Sammlerschaft nahm zu, meines Wissens kontinuierlich bis zum Ende der achtziger Jahre, von wo sie seitdem langsam abbröckelt."

Stimmt, aber die Anzahl der Sammler war trotzdem sehr klein. Die Menschen hatten direkt nach dem Krieg andere Sorgen und Gelüste, als teures Papier in einem Buch zu horten. Vor allem postfrisch sammeln war selten, wenn ich einem längst verstorbenen Sammler glauben darf, den ich Ende der 1970er-Jahre kennen gelernt hatte. Sieht man ganz prima an den Preis-Differenzen des erwähnten Posthorn-Satzes (gesammelt wurde damals ganz überwiegend "aus dem Bedarf") und dem Preisrückgang mit Beginn des Wirtschaftwunders. Die Marken konnte man "immer" problemlos bei der Post bekommen, wenn man mir keinen Blödsinn erzählt hat.

Ein paar weitere Dinge sollte man nicht übersehen:
- Auflagenhöhe bedeutet nicht verkaufte Menge; m.W. kennt man diese in den seltensten Fällen.
- der Katalogpreis für gestempelte Marken setzt eine Stempelqualität voraus, die damals sehr unüblich war.
- viele Sammler nutzten damals Falze, auch für postfrisch erworbene Ausgaben.

Diese Liste für Erklärungen zu Katalogpreisen für die frühen Bund-Marken ist ganz sicher unvollständig.

Gruß
Uli
 

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