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Thema: Deutsche Lokalausgaben 1945 Wasungen Spendenblock (Privatausgaben)
bernhard Am: 10.06.2023 19:16:20 Gelesen: 1152# 1 @  
Spendenblock Wasungen

Richard bat mich zu diesen Marken einen kleinen Beitrag zu schreiben.

Wasungen an der Werra (Kreis Meiningen), eine kleines Städtchen mit 4800 Einwohnern in Thüringen, Sowjetische Besatzungszone.



Spendenblock der Stadt Wasungen. 10 Mark Abgabepreis, die Auflage war gleich mit angegeben

Im Michel Deutschland Spezial-Katalog sind die Spendenmarken in Blockform unter „Nichtamtliche Ausgaben / Privaterzeugnisse“ gelistet, also unter den Marken, welche von der Postbehörde nicht anerkannt wurden und schlechtesten falls reine Privaterzeugnisse waren. Die Marken wurden und werden nicht geprüft!



Auszug aus dem Michel Deutschland Spezial-Katalog, Band 2, 2015
Hinweistext: … ist keine amtliche Ausgabe!



Auszug aus dem Michel Deutschland Spezial-Katalog 1970

In früheren Michel-Ausgaben war dieser Block abgebildet, ohne Katalognummer, jedoch in Klammern war ein Handelspreis angegeben. Hinweistext: Es handelt sich keinesfalls um ein Postwertzeichen (40,-).

So ähnlich stand es dann Jahrzehntelang im Michel. Übernommen vom Müller Deutschland Spezial-Katalog 9. Auflage 1961. Eigentlich jahrelang widersprüchlich; im Michel aufgeführt, aber kein Postwertzeichen, keine Katalognummer, jedoch eine Handels-Bewertung!

Die „Ausgabe“ dürfte so im April/Mai 1946 gewesen sein. Die in Blockform hergestellten Spendenmarken von Wasungen wurden von einer Wasunger Briefmarkenhandlung initiiert die den Bürgermeister beeinflussten. Die Stadt hatte wie viele andere Städte mit Geldproblemen zu kämpfen. Außerdem ist so eine Spendeninitiative wohl auch eine gute Tat.

Schon in der damaligen Fachpresse 1946 als Spekulationsausgabe/Schwindelausgabe erkannt, gab es in Briefmarken-Zeitschriften entsprechende Warnmeldungen. Offenbar wurden die Blocks nach Bekanntgabe der bevorstehenden Ausgabe von der Post verboten und beschlagnahmt. Geringe Mengen sollen in den Handel gekommen. Die Kriminalpolizei war eingeschaltet.
 
bernhard Am: 11.06.2023 08:50:27 Gelesen: 1098# 2 @  
In der Tagespresse jener Zeit wurde mehr und ausführlicher darüber berichtet und auch Ross und Reiter genannt. Verpackt als „Kochrezept und Kochgericht“ zum schmunzeln. So z.B. in der Weimarer „Abendpost“ vom 15. August 1946:

„Rezept zu Millionen. Man nehme:

1. eine kleine Stadt, möglichst mit einigen malerischen Denkmälern vergangener romantischer Zeiten (gibt es glücklicherweise immer noch in reichlicher Zahl);

2. einen vertrauensseligen Bürgermeister, dessen heißester Wunsch es ist, seine Stadt von der drückenden Schuld zu befreien (so romantische Bürgermeister gibt es auch in weniger romantischen Städten in rauer Menge);

3. fünfundzwanzigtausend Blatt Papier in Postkartengröße, prima, prima (reinweiß, selbst wenn es schwarz erhandelt sein sollte);

4. ein paar briefmarkenähnliche Zeichnungen der romantischen Sehenswürdigkeiten besagten Städtchens, und

5. die große Gemeinde der Briefmarkensammler, die sich auf jedes neuerscheinende Postwertzeichen stürzt, zumal wenn es im lockenden Gewande eines Blocks mit so beschränkter Auflage erscheint, wie es nur 25 000 Stück sind (bei Millionen Sammlern – und noch mehr Spekulanten?).

Kalkulation: Unkosten 25 000 Blatt Papier, die Klischees, Druckerlohn, einige Anzeigen in Zeitungen (die weitere Propaganda machen ja die Sammler von sich aus!); Einnahmen 25 000 mal 10 Mark (so viel hat man gleich als „Nominale“ auf den Block gedruckt) macht rund zweihundertfünfzigtausend Reichsmark. Dafür dem beglückten Bürgermeister für seine Stadtkasse einen Anteil, der Post – ja, die brauchen wir gar nicht dazu; den Verkauf besorgen wir selbst spielend – nichts; der Rest für die den Alleinvertrieb besorgende Firma.

So dachten sich zwei Briefmarkenhändler in dem reizenden Städtchen Wasungen an der Werra. Sie dachten sogar noch weiter, in der richtigen Erkenntnis, daß ein solcher Fischzug so bald nicht wieder beginnen könne. Warum sich mit Provisorien und den späteren Preissteigerungen zufrieden geben? Man erhöht gleich den „Ausgabepreis“von sich aus aufs Doppelte, auf 20 Emmchen, und schon sind garantiert zweihundertfünfzigtausend Mark Superverdienst in die eigene Tasche kalkuliert. Da aber ein Markenblock in einer solch kleinen Auflage (ein richtiges „Fressen“ für den Sammler) in wenigen Wochen auf mindestens 200 Mark klettert (siehe Thüringer Weihnachtsblock, Brückenbaublock und andere), wird das Gericht noch schmackhafter.

Der Verkaufspreis wird selbstverständlich täglich der Marktlage angepaßt, sodaß wir einen Durchschnittserlös von mindestens 100 Mark je Block zu erwarten haben; macht netto die Kleinigkeit von RM 2 500 000,- oder zweieinhalb Million Mark. (Man kalkuliert, wie viele Menschenleben z.B. Aufbauarbeit zu 60 Rpf. Die Stunde leisten müßten, um diese Einnahmen zu erzielen!)

Allerdings- etwas ungenießbar erscheint das Gericht, weil einstweilen die schönen Aufbaublocks (von den verkauften abgesehen) vom Gerichte beschlagnahmt wurden. Den Köchen, den Herren Voigt & Hösel, Briefmarkenhandelsfirma in Wasungen (der erste als Briefmarkenhändler hier zugewandert; sein Kompagnon ehemaliger Polizeigewaltiger mit noch guten Beziehungen im Städtchen), erscheint die eingebrockte Suppe nun etwas versalzen. Man glaubt nicht mehr so recht an ihre gemeinsame Fürsorgetätigkeit.“




Die ursprüngliche Zeitungsmeldung, abgedruckt im Rundbrief der ArGe Thüringen Nr. 9/1945 (leider nicht so gut lesbar)
 
bernhard Am: 12.06.2023 15:13:35 Gelesen: 1031# 3 @  
Typen:

Vom Block sind zwei Typen bekannt, die sich im Druckvermerk unterscheiden, möglicherweise auch verschiedene Papiersorten. Die Unterschiede beim Druckvermerk sind auffallend. Ob es sich dabei um 2 verschiedene Auflagen handelt oder einem Druckbogen mit 2 unterscheidbaren Blocks (ähnlich Finsterwalde), entzieht sich meiner Kenntnis. Ich vermute aber die absichtliche Herstellung von 2 verschiedenen Typen. Beim einen Block wurde der Druckvermerk zusammen mit dem Rahmen gedruckt, beim zweiten zusammen mit der schwarzen Marke.

Mehrere Typen steigern den Absatz und den Preis. Beide Typen sind schon aus dem Jahre 1947 bekannt. Weitere kleine Abweichungen können nicht verifiziert werden, ob ursprünglich oder späterer Fake.



Druckvermerk mit Firmensymbol



Druckvermerk mit „G“ statt Firmensymbol (und in scharzer Farbe)

Es würde mich nicht wundern, wenn bei der Herstellung diverse weitere Abarten absichtlich in Auftrag gegeben wurden. Selbst die angegebene Auflagezahl ist zu hinterfragen.
 
bernhard Am: 13.06.2023 17:08:29 Gelesen: 950# 4 @  
Blocks auf Brief:

Diese Blocks sind auch auf E-Brief mit Ankunftsstempel bekannt. Ob es „durchrutscher“ oder Fälschungen sind ist mir nicht bekannt. Machwerke sind es auf jeden Fall. Das Stempeldatum ist auf der schlechten Abbildung nicht erkennbar. Der Empfänger ist im Text angegeben; Absender nicht lesbar; R-Zettel aus Meiningen.



Abb aus LOKNOT Rb. 1974/18

Desweiteren liegen mir mehrere Fotokopien von R-Briefen mit Ankunftstempel aus Walldorf (Werra) vor, mit Stempeldatum 12.12.46 und gleichem Ankunftsstempel (siehe Abb.).



R-Brief aus Walldorf. Der Empfänger ist auch von anderen Spendenblättern und Blocks bekannt.

Beide Orte sind Nachbarorte von Wasungen. Spätestens am 31.10.1946 endete die Gültigkeit von Lokalausgaben, falls nicht schon vorher für ungültig erklärt. Im Fall Wasungen lag überhaupt keine Gültigkeit vor.


Fortsetzung folgt!
 
bernhard Am: 14.06.2023 16:42:15 Gelesen: 885# 5 @  
Der Block von Wasungen ist zugegeben reizvoll. In den 1980/1990-er Jahren, als ich noch Lokalausgaben sammelte, wollte ich, trotz des Wissens um diese Marken, einen (billigen) Block erwerben (so auf die Art: was es damals sonst noch so alles gab). Sie wurden mir aber zu teurer gehandelt, ich kam nicht zum Zuge.

Die Problematik heute, vielleicht mehr als damals: Da es Faksimiles, vermutlich auch Nachdrucke und Fälschungen gibt, und auch keine geprüften Werte, weiß der Käufer überhaupt nicht was er da eigentlich für ein Stück buntbedrucktes Papier kauft! Ob ein Original-Machwerk aus 1946 oder ein größeres Machwerk aus neuerer Zeit!

Auch gibt es Hinweise, dass die Auflage später wieder freigegeben wurden (siehe Abbildung, damalige Käufer berichten über den regulären Kauf). Spendenmarken produzieren durfte man ohne Erlaubnis einer Postbehörde, nur nicht als Briefmarken verkaufen. Für den Druck benötigte man damals eine Genehmigung der Militärregierung, diese lag laut seinerzeitigen Meldungen der phil. Fachpresse nicht vor.



Katalog von Ernst Barth und Dr. Vico Montovani "Briefmarken und Postkarten der vier Besatzungszonen Deutschlands vom 8. Mai 1945". Schreibmaschinen-Manuskript 1947

Vorläufiger Schluß der Beitragserie

Viele Grüße
Bernhard
 
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