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Thema: Entwicklungen in der deutschen Sprache
drmoeller_neuss Am: 04.06.2011 14:52:30 Gelesen: 4439# 1 @  
@ Martinus

"Bureau" war damals die gewöhnliche Schreibweise von "Büro". Mit den Rechtschreibreformen von 1901 und z.T. von 1996 wurden viele Fremdwörter eingedeutscht, z.B.

Coulisse → Kulisse;
Bureau → Büro;
Sauce → Soße;
Shawl → Schal;
Strike → Streik

Hier wird nur noch die "deutsche" Schreibweise verwendet.

Zum Teil halten sich auch noch beide Versionen gleichberechtigt (z.B. Friseur und Frisör), und dann gibt es Wörter, die noch nicht vollständig "eingedeutscht" wurden (Redakteur, Computer).

Übrigens haben uns die Franzosen immer noch mehr Fremdwörter beschert als die Angelsachsen. Schliesslich war das französisch die Hochsprache des Barocks. Mit dem Nationalismus kamen viele deutsche Wörter, und einige Wortschöpfungen sind ja nicht schlecht, wie Umschlag (statt Couvert), Bahnsteig (statt perron), Flugzeug, Hubschrauber. :-)
 
petzlaff Am: 05.06.2011 09:20:59 Gelesen: 4402# 2 @  
@ drmoeller_neuss

Kleine Ergänzung zur sprachlichen Evolution:

1) TANKE statt korrekt TANKSTELLE
2) UMKLEIDE statt korrekt UMKLEIDEKABINE
3) SELBSTPFLÜCKE (das Allerhärteste, was ich jemals auf einem Schild am Strassenrand gesehen habe) statt korrekt ? - meint jedenfalls einen Selbstbedienungsladen auf dem freien Acker. :-)

Fazit: Wenn jemand die deutsche Sprache kaputt macht, dann sind es die Deutschen selbst. Mir klappen sich bei derartigen Sprachverirrungen regelmäßig die Zehennägel hoch.

LG, Stefan
 
drmoeller_neuss Am: 05.06.2011 21:15:32 Gelesen: 4363# 3 @  
@ petzlaff

Was heisst kaputtmachen? Eine Sprache lebt.

Fährst Du auch mit dem Auto? Dann sage doch bitte korrekt "selbstbewegender Strassenwagen", was die Übersetzung des französischen Ursprungs "voiture automobile" aus dem 19. Jahrhundert ist. Irgendwelche jugendlichen Sprachbanausen haben das zu "Auto" verkürzt.

Zurück zu unserem Hobby: Auch "Post" ist eine solche fürchertliche Sprachverkürzung. Das Wort hat seinen Namen von den Relaisstationen der mittelalterlichen Postorganisationen, wo die Pferde gewechselt wurden. Diese Wechselstationen hiessen auf lateinisch "posita statio", daraus haben irgendwann einmal Sprachbanausen das Wort "Post" gemacht.
 
reichswolf Am: 05.06.2011 22:22:21 Gelesen: 4353# 4 @  
@ drmoeller_neuss

Schönes Posting! Ich gestehe, ab und an rollen sich auch meine Zehennägel hoch bei bestimmten Wortneuschöpfungen (z.B. "Personenvereinzelungsanlage"), aber eben weil Sprache lebt, muß man akzeptieren, daß das Deutsch der eigenen Kindheit nicht das der heutigen Jugend ist. Mit Sprachverirrungen hat das freilich wenig zu tun, sondern mit einer ganz natürlichen Evolution.

Dächten alle schon immer so wie petzlaff, wir hangelten uns noch heute durch die Baumkronen und grunzten dabei fröhlich. Davon abgesehen, wer sollte denn bestimmen, welcher Zustand des Deutschen bewahrt bleiben soll? Der von heute, von vor fünfzig Jahren, oder darf es ruhig etwas älter sein? Mittelhochdeutsch vielleicht? Ist es nicht schon verwerflich, ein Weib als Frau zu titulieren, wo doch eine Frau traditionell niemals unterhalb des zweiten Standes geboren sein kann?

Und wenn wir schon alles in ein starres Korsett gießen wollen, müßten wir uns zudem außer auf einen Zeitpunkt auch auf einen Ort festlegen, an dem das allein selig machende Deutsch angeblich gesprochen würde. Und das betrifft nicht nur die Aussprache, sondern es gibt innerhalb des Deutschen auch lexikalisch große Unterschiede zwischen den verschieden Regionen.

Im Grunde kann man fast so weit gehen und behaupten, dass die deutsche Sprache genauso eine relativ junge Idee ist wie die von der deutschen Nation. Leider wird uns beides gerne aus allen möglichen Ecken als naturgegeben verkauft, als habe es niemals Vielstaaterei in dem gegeben, was wir heute als Deutschland betrachten und als habe es nicht früher sogar im Schriftverkehr Verständnisprobleme gegeben, wenn dieser Verkehr ein überregionaler war.

Beste Grüße,
Christoph
 
petzlaff Am: 10.07.2011 12:48:59 Gelesen: 4226# 5 @  
@ drmoeller_neuss [#3]

War ja primär auch ironisch gemeint.

Trotzdem: Sprache und Schrift sind Kulturgüter und sollten meiner bescheidenen Meinung nach geschützt werden.

Es kann nicht angehen, dass ein "importierter" Sprachgebrauch die natürliche Evolution dieses Kulturguts innerhalb kürzester Zeit gefährdet und partiell in Frage gestellt wird. Nicht umsonst hat es Jahrhunderte gebraucht, bis lateinische oder französische (was ja letztlich auch größtenteils Latein ist) durch entsprechende deutsche Begriffe ersetzt wurden. Traurig stimmt mich im Vergleich dazu die zunehmende, in keinster Weise mundartlich oder Dialekt-geprägte Vergewaltigung der deutschen Hochsprache und Grammatik durch unsere seit über 20 Jahren dazugehörenden Freunde aus dem Osten. Sorry - aber das musste mal gesagt werden.

Stefan
 
doktorstamp Am: 10.07.2011 13:28:03 Gelesen: 4224# 6 @  
Als ich vor fast genau 40 Jahren nach Deutschland versetzt wurde, habe ich mich umgeschaut. Werbeplakate waren rein Deutsch, neulich in Berlin und Braunschweig mußte ich feststellen mehr als die Hälfte (eigentlich 75 %) waren in Englisch oder "Neudeutsch".

Als einer, der sich täglich mit der Sprache beschäftigt/kämpft, sind mir diese Entwicklungen mehr als bewußt. Durch immer schneller werdende Verbindungen ist die Aufnahme neuen (Fremd)Wörter keinen Halt zu gewähren.

Keiner entschuldigt sich mehr, durch das englische "Sorry" ersetzt. Man hat keine Schwierigkeiten mehr, er hat Probleme. Die Liste liesse sich ohne grosse Schwierigkeiten fortsetzen.

Dann gibt es auch die Verknüpfungen (vielleicht ist Verhunzung besser angebracht) aus der Englischen Sprache wie "wellness" und "geupdated", die in dieser Form in der Muttersprache nicht vorkommen.

Mehrere Länder haben in der Vergangenheit versucht ihre Sprache auf reine Art und Form zu halten, bisher ohne Erfolg. In vielen Fällen ist dies an der Bildung der Bevölkerung gescheitert. Die Geschichte von Englisch ist hier Beispielhaft.

mfG

Nigel
 
chuck193 Am: 20.12.2011 15:15:07 Gelesen: 3906# 7 @  
@ doktorstamp [#6]

Hi Nigel,

das Wort wellness gibt es in Canada auch, z.b. Wellness Centre (Pharmacy) oder Drug Store. Das Wort "geupdated" gibt es natürlich nicht, das ist einfach "updatet". Für das früher in den 50ger Jahren benutzte Wort "Hi Fi", das wurde in Deutschland auch so übernommen. Genauso, LP. Long Play. Das könnte wie schon betont, noch weiter gehen.

Schöne Fest Grüsse,
Chuck
 
Moppi Am: 25.12.2011 18:36:14 Gelesen: 3866# 8 @  
Genauso, LP. Long Play.

Für mich war eine LP immer eine Langspielplatte. Bei CD wird es dann schwieriger. Ich sage heute noch "Platte" oder "Album", auch wenn die musikalischen Ergüsse nur als "Silberscheibe" vorliegen.

Viele Grüße
Moppi
 
petzlaff Am: 30.12.2011 16:48:26 Gelesen: 3800# 9 @  
"CD" steht für Compact Disc.
 
stephan.juergens Am: 03.01.2012 01:21:36 Gelesen: 3755# 10 @  
@ doktorstamp [#6]

Man hat keine Schwierigkeiten mehr, er hat Probleme.

Sorry. Probleme gibt es nicht. Die heißen issues oder Herausforderungen.

Ich würde jede Wette drauf eingeben, das Probleme (oder problems) ein Wort mit lateinischen Wurzeln ist.

Aber prinzipiell hast Du recht. Wir Deutschen übertreiben es ein bisschen, indem wir Worte bewußt anglisieren, die dann von den "native speakern" nicht verstanden werden, wir aber denken, mit ihm english zu reden. Bestes Beispiel: Handys heißen cell(ular) phones oder mobiles.

Wo wir gerade beim Handy und Generationenkonflikten sind: Ein Kollege hat eine Geschichte mit eine kanadischen Ausstauschschülerin erzählt, die hier in Deutschland ihr erstes schnurgebundenes Telefon gesehen hat. Kommentar:
"Geile Idee, dann verliert man das nicht immer".

Oder wie ein deutscher Kaberettist es ausdrückt: Ich weiss nicht, was schwieriger ist: Meiner Oma zu erklären, was Google ist, oder meiner Tochter, wozu man eine Telefonzelle braucht.
 
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