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Thema: Kulturgutschutzgesetz: Für den Erhalt des privaten Sammelns
Das Thema hat 78 Beiträge:
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Richard Am: 02.10.2015 09:34:43 Gelesen: 40511# 29 @  
Kulturgutschutzgesetz – Referentenentwurf - Aktionsgemeinschaft aus 12 großen Verbänden

BDPh Pressemitteilung (23.09.15) - Der BDPh hat sich mit 11 weiteren großen Verbänden zu einer Aktionsgemeinschaft zusammengeschlossen. Mit dieser Interessensgemeinschaft werden die Anliegen gebündelt und mit juristischer Unterstützung im politischen Berlin vorgetragen. Es finden regelmäßige Austauschrunden statt und es besteht Kontakt zu den Ministern der drei beteiligten Ressorts.

Es ist noch nicht zu spät …

Es ist anerkennenswert, daß Kulturstaatsministerin Grütters in dem nun vorliegenden Gesetzentwurf einige der schlimmsten Kanten geglättet hat. Doch der nach wie vor vorhandene Verbesserungsbedarf des Gesetzestextes ist enorm. Unter dem Motto „Es ist noch nicht zu spät für eine gerechtere Lösung“ haben sich zwölf große, vom Kulturgutschutz betroffene Verbände zu einer Aktionsgemeinschaft für ein besseres Kulturgutschutzgesetz zusammengetan.

„Allein Frau Grütters Versuch, das Gesetz zur Regelung der Rückgabe von unrechtmäßig verbrachtem Kulturgut und das seit 1955 bewährte Gesetz zum Abwanderungsschutz von Kulturgut zu einem Gesetz zu verschmelzen, bringt mehr Probleme als Lösungen mit sich.“, betont Hubertus von Dallwitz, einer der Sprecher der seit zwei Monaten bestehenden Interessensgemeinschaft.

Um das - wie die Kulturstaatsministerin in ihrer Pressemitteilung vom 15.09.2015 selber erklärt - "wichtige Gesetzesvorhaben" einer Neuregelung des Kulturgutschutzrechts in Deutschland ausreichend gründlich und unter angemessener Einbeziehung aller Betroffenen vorbereiten zu können, bedarf es mehr Zeit und einer breiteren Diskussion. Außer in Bezug auf die wenigen Regelungen, die gemäß EU-Richtlinie 2014/60 fristgebunden in deutsches Recht umgesetzt werden müssen, besteht keine Eile. Wir plädieren daher dafür, diesen Teil vorzuziehen und zeitnah vom Gesetzgeber zu beschließen. Das viel weitreichendere Vorhaben einer umfassenden Kodifikation des gesamten Kulturgutschutzrechtes, sollte dagegen gesondert und nur nach vertiefter Beratung erfolgen.

Dabei sollte sich Deutschland an besseren Modellen des Kulturgutschutzes orientieren. Diese gibt es zum Beispiel in England, Frankreich, in den Niederlanden und auch in Belgien. Hier tritt der Staat mit einem Vorkaufsrecht als Käufer auf, wenn er ein Kulturgut im Lande halten will. Die im Gesetzentwurf geplante Einführung einer weitreichenden Genehmigungspflicht nach Kontrollkriterien des Alters und des Wertes hat im Vorfeld zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust und zur Verunsicherung privater Sammler und Kunst sammelnder Unternehmen geführt, kritisiert die neu gegründete Interessensgemeinschaft.

Aktionsgemeinschaft Privates Denkmaleigentum
Berufsverband des Deutschen Münzenfachhandels e.V.
Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V.
Bund Deutscher Philatelisten e.V.
Deutsche Stiftung Eigentum
DGO - Deutsche Gesellschaft für Ordenskunde e.V.
Europäischer Versteigererverband EFA
International Association of Dealers in Ancient Art
Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V.
Kunsthändlerverband Deutschland e.V.
Verband der deutschen Münzenhändler e.V.
Verband Deutscher Antiquare e.V.
 
Francysk Skaryna Am: 14.10.2015 15:55:54 Gelesen: 40260# 30 @  
Moin,

im Gesetzentwurf ist von Aufzeichnunmgspflichten die Rede, wobei ich vielfach nicht sehe, wie diese zum Teil noch beigebracht werden sollen. Und in der Praxis ist das auch kaum handhabbar. Mit dieser Provenienz geht eine Wertgrenze von 2.500 Euro einher, bei Münzen sind es 100 Euro. Alle anderen (höheren) Wertgrenzen sehe ich erst mal als Wunschgedanken an.

Vielleicht hat jemand die Muße, sich die 110 Seiten der mündlichen Anhörung von Fachkreisen und Verbänden zur Novellierung des Kulturgutschutzes in Deutschland vom 22. April 2015 durchzulesen. [1]

Gruss

[1] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-09-15-kgsg-protokoll-muendliche-anhoerung.pdf?__blob=publicationFile&v=1
 
mljpk Am: 26.10.2015 18:55:58 Gelesen: 39930# 31 @  
@ Francysk Skaryna [#30]

Sehr geehrter Herr Skaryna,
liebe sonstigen mitlesenden Sammlerfreunde,

ich habe das Protokoll der Anhörung durchgesehen. Im Zusammenhang mit der bereits oben geprüften Frage, ob auch Briefmarken / Sammlungen / Belege von der Gesetzesnovelle betroffen sein werden, kann die Frage nun definitiv mit "JA" beantwortet werden. Briefmarken werden zwar nur an einer Stelle erwähnt (Seite 98, letzter Absatz), dort aber vom zuständigen Referenten im Ministerium, MinDir Dr. Winands, eindeutig mit den Münzen gleichgestellt und als vom Gesetz erfasst behandelt. Er verwies auf die "Blaue Mauritius" und sonstige "ganz teure Briefmarken".

Es ist weiter festzuhalten, dass seitens der Postwertzeichenhändler oder Briefmarkensammler keine Vertreter in der Anhörung anwesend waren. Der BDPh war möglicherweise gar nicht geladen, da aber die Münzhändler vertreten waren, gehe ich davon aus, dass der Postwertzeichenhändlerverband geladen war. Um so trauriger ist es, dass die Möglichkeit einer frühen Intervention - auch im Sinne der Sammler - nicht wahrgenommen wurde. Soweit seitens BDPh und Händlerverbänden eventuell schriftlich Stellung genommen wurde, hat man zumindest die Möglichkeit verpasst, Händler und Wissenschaftler aus anderen Fachbereich im direkten Vortrag dafür zu gewinnen, Briefmarken als nicht im Fokus stehendes "Randopfer" eines an sich guten Zieles zu sehen und aus dem Kategorienprinzip herauszunehmen. Mit Kategorienprinzip ist gemeint, dass Objekte nicht nach einer Eintragung auf einer Liste, sondern aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie mit bestimmten Alters- und Wertgrenzen als genehmigungspflichtig angesehen werden.

Das Anhörungsprotokoll zeigt, dass der gesamte Gesetzesentwurf sich sehr stark am Kunst- und Antikenmarkt orientiert. Drucke, Bücher, Briefmarken und Münzen (soweit keine Antiken) stande wohl eher nicht im Fokus. Daher ergab sich wohl die fehlende Sensibilität für den "Massenmarkt" Briefmarken mit regem grenzüberschreitendem Tausch-, Kauf- und Ausstellungsverkehr in mengenmäßig riesigen Dimensionen (wenn man sich am einzelnen Objekt orientiert), die die Mengen des gewöhnlichen Kunsthandels wohl weit überschreiten dürften, und bei der etwa eine durchgehenden Provinienzdokumentation aufgrund der schieren Menge wie auch durch das rege Verschieben der sehr "volatilen" Sammlungsgegenständen noch schwieriger als im Kunsthandel sein dürfte.

In der Anhörung wurde auch die von mir hier bereits beschriebene Kritik vorgebracht, dass für eine Klärung von Werten und dem Alter von Gegenständen im grenzüberschreitenden Verkehr der Sachverstand bzw. auch die "Manpower" fehlen wird (sog. Vollzugsprobleme), und es dadurch zu langen Bearbeitungszeiten kommen könnte. Ich sehe neben den Problemen im Genehmigungsverfahren bei den Kulturschutzbehörden selbst, noch das Problem beim Zoll, der bei einer Sendungskontrolle auch ausserhalb eines Genehmigungsverfahrens möglicherweise Sammlungen oder Marken zur Klärung von Alter und Wert zurückhalten wird, um zu überprüfen, ob eine Gehnehmigung erforderlich ist. Das Ministerium verwies hier meiner Meinung nach ungenügend auf die Möglichkeit einer "allgemein offenen Genehmigung" sowie auf das Vertrauen in die Verwaltung sich einarbeiten zu können, bzw. schnell Rat einzuholen.

Als Ziele des Gesetzes wurde die Bewusstseinsbildung in Händler- und Sammlerkreisen über die Bedeutung der Herkunft von Objekten und den möglichen Schaden ihrer Aktivitäten genannt (Stichwort Raubgrabungen durch den IS), und dabei ein Vergleich mit dem Elfenbeinhandel gezogen. Weiteres Ziel ist die Möglichkeit überhaupt erfassen zu können, was an möglicherweise schützenswerten Objekten zirkuliert. Das bisherige Listenprinzip sei ineffektiv gewesen, da in anderen Staaten kaum Listen über national bedeutsames Kulturgut geführt werden, und auch hierzulande unbekannte Objekte erst gar nicht in die Schutzlisten aufgenommen werden konnten. Rückführungen seine gescheitert, da international kaum nach dem Listenprinzip verfahren werden, bzw. keine in der Praxis ausländische Verwaltung bereits rein praktisch gar nicht in Listen erfassen können.

In der Diskussion wurde aber deutlich, dass die UN-Konvention 1970 für ihre Umsetzung nicht zwingend ein Kategorienprinzip erfordert, sondern auch ein Listenprinzip genügen lässt. Wenn wie in meinen älteren Beiträge geprüft davon ausgegangen wird, dass die UN-Konvention auch Briefmarken in den Schutzbereich einbezieht, dann könnte man diesen Anforderungen mit Blick auf den internationalen Massenmarkt "Briefmarken" dadurch genügen, dass es für sie beim Listenprinzip bleibt. Briefmarken oder Sammlungen würden nur dann einem Genehmigungsvorbehalt unterliegen, wenn sie in eine Schutzliste eingetragen sind. Die von Ministerialdirigenten genannten Beispiele zeigen ja, dass es sich ausgehend von einer Wertgrenze von 50.000 EUR - 100.000 EUR nur um sehr wenige Objekte handelt, bei denen in der Praxis bei einer einzelnen Marke die Wertgrenzen erreicht werden. Diese Marken dürften sich sämtlich bereits in bekannten Händen befinden, und könnten - so sie denn "national" wertvolles Kulturgut sind, also nicht einfach nur materiell wertvoll - binnen kurzer Zeit in eine deutsche Liste aufgenommen werden. Es verbliebe aber die Problematik der Einfuhr, wobei ich hier der Auffassung bin, dass die Zahl einzelner eingeführter Marken mit einem Verkehrswert von über 50.000-100.000 EUR so gering ist, dass die Verhältnismäßigkeit bei einer Beibehaltung des Kategorienprinzips nur aufgrund einer Hand voll potentiell über den Wertgrenzen liegender einzuführender Marken nicht gewahrt ist.

Eine Beibehaltung des Listenprinzips für Briefmarken würde aus meiner Sicht auch nicht mit den Zielen des Gesetzes kollidieren, da Briefmarken nicht wie (auch wertlose) Münzen im "Fundzusammenhang" Erkenntnisse vermitteln, sondern der "Fundzusammenhang" der Briefmarke selbst folgt (als Beleg) oder die Marke selbst der gesamte Zusammenhang ist (etwa Marke + aufgebrachtem Stempelabschlag / Plattenfehler / Druckabweichungen usw.), insofern die Verbringung einer Marke keine wissentschaftliche Erkenntnis zunichte macht. Weiterhin sehe anders als bei Antiken derzeit keinen ausreichenden Markt, der Briefmarken als Finanzierungsinstrumente für den Waffenkauf oder andere terroristische Aktivitäten interessant erscheinen lässt.

In der Anhörung, die vor dem Referentenentwurf stattfand, wurde seitens des Ministeriums bei Briefmarken und bei Münzen versprochen, auf die Besonderheiten dieser Massenmärkte Rücksicht zu nehmen. Ich konnte im Wortlaut des danach vorgelegtent Gesetzesvorschlages aber keine Erleichterungen oder Ausnahmen für Briefmarken erkennen. Daher ist es nun seitens der Händlerverbände und des BDPh aus meiner Sicht angesagt, nochmals ordentlich auf eine Nachbesserung zu drängen, etwa nach meiner Anregung dahingehend, dass es für Briefmarken und Briefmarkensammlungen bei dem bisherigen Listenprinzip bleibt, sie also vom Kategorienprinzip ausgenommen sind.

In diesem Sinne hoffe ich, dass der BDPh und die Händler hier noch tätig werden, sofern er dieses bisher nicht bewusst unterlassen wurde, da sie mit der Novelle d´accord gehen, und sich möglicherweise durch die Einreihung von Marken neben die "hohe" Kunst und Antiken als geadelt ansehen.

Einen schönen Herbstabend Ihnen allen ! mljpk
 
Reinhard Fischer Am: 28.10.2015 09:55:03 Gelesen: 39784# 32 @  
@ mljpk [#31]

Ich war am 30.09.2015 als einziger Vertreter der Philatelie (für den Bund deutscher Briefmarkenversteigerer) beim Gespräch für Vertreter des Münzen- und Briefmarkenhandels mit Dr. Winands im Bundeskanzleramt. Von Seiten der Münzenleute waren 17 Personen da, auch zahlreiche Vertreter der Münzsammler.

Das "Gespräch" habe ich eher surrealistisch in Erinnerung. Es wurde 2 1/2 Stunden z.T. sehr aggressiv über antike Münzen diskutiert, ohne dass von Seiten Dr. Winands irgendeine Bereitschaft zu erkennen war, auf die Sorgen der Sammler und Händler einzugehen.

Ich habe es dann doch geschafft, die Problematik des § 30 (Verpflichtung zur Mitführung "geeigneter Unterlagen" bei der Einfuhr) anzusprechen. Ich habe konkret gefragt, was man denn machen solle, wenn man Ware importiert, für die seitens des Ausfuhrlandes keine Ausfuhrgenehmigung nötig sei. Mir wurde erklärt, dass sei doch vollkommen klar, man brauche dann natürlich keine Papiere, der § 30 sei im Zusammenhang mit § 28 zu sehen. Auf mein Insistieren, ich könne das aus dem Gesetzestext nicht herauslesen, wurde mir "zugesagt", eine Klarstellung in die Gesetzesbegründung (!) zu schreiben.

Nach Meinung unseres Justitiars Dieter Löhr (der sich mit der Materie seit Jahrzehnten beschäftigt) ist das auch überhaupt nicht klar, sondern der klassische Fall einer unklaren Gesetzesformulierung.

Allgemein wurde uns bedeutet, dass der Referentenentwurf nicht mehr geändert werden würde. Änderungen sind also nur noch im parlamentarischen Prozess möglich (das Gesetz geht jetzt so ins Parlament), wobei man davon ausgehen kann, dass das Gesetz mit Sicherheit nicht zum 1.1.2016 in Kraft treten wird (also vermutlich 1.7.2016).

Gruß

Reinhard
 
mljpk Am: 28.10.2015 11:38:14 Gelesen: 39746# 33 @  
@ Reinhard Fischer [#32]

Sehr geehrter Herr Dr. Fischer,

erfreulich dass Sie als Vertreter der Philatelie von der Versteigererseite anwesend waren. Dies wurde aus dem Protokoll nicht klar, ich bitte daher um Nachsicht, diesen Umstand nicht erwähnt zu haben. Es bleibt aber bedauerlich, dass kein Interesse bei den anderen Verbänden bestand.

Sie erwähnen, dass in der Gesetzesbegründung eine Klarstellung zur Befreiung von Ausfuhrnachweisen erfolgen soll. Im Referentenentwurf steht jedoch auf Seite 50, Ziff.5, letzter Absatz: "... Können keine gültige Ausfuhrgenehmigung oder sonstige Belege für die rechtmäßige Ausfuhr vorgelegt werden, soll das jeweilige Kulturgut als unrechtmäßig verbracht gelten und ist an den Herkunftsstaat zurückzugeben."

Auf Seite 101, zu § 30 findet sich auch kein klarstellender Hinweis dazu, dass bei Nichtausfertigungen von Ausfuhrnachweisen im Herkunftsstaat eine Ausnahme von der Nachweispflicht gelten soll.

Es ist festzuhalten, dass diese Aussagen "Kulturgut" generell betrifft, also nicht nur nationale wertvolles Kulturgut, also auch generell Briefmarken betrifft. Es ist weiterhin eine generelle Dokumentationspflicht für jedes Kulturgut herauszulesen. Dies hätte nach meinem Textverständnis zur Folge, dass zumindest ein Mindestnachweis, etwa in Form eines Gesetzestextes, eines Rechtsgutachtens o.ä., dazu erforderlich ist, dass das betreffende Kulturgut im Herkunftsstaat keiner Ausfuhrgenehmigung bedarf. Von einer Erleichterung oder "Selbstverständlichkeit" also an dieser Stelle der Begründung keine Spur. Mithin wurde die Zusage nicht eingelöst und ein Aussenstehnder der mit dem Gesetz und der Begründung arbeiten muss, hat hier von einer bestehenden Nachweispflicht zumindest darüber auszugehen, dass etwa die Briefmarke aus Brasilien im Herkunftsstaat keiner Ausfuhrgenehmigung bedarf. Eine sehr aufwendige Lösung für den Massenmarkt Briefmarken. Vielleicht können die Gedanken bei der Stellungnahme gegenüber der Parlamentariern helfen.

Mit freundlichen Grüßen

Jens
 
Francysk Skaryna Am: 29.10.2015 20:53:42 Gelesen: 39665# 34 @  
Moin,

da schwebt ja wohl immer noch sehr viel Pulverdampf über dem Schlachtfeld!

Politiker wollen Kunstschätze vor Ausverkauf schützen während sich der Kunsthandel bedroht fühlt und sich Galeristen vor großen Problemen sehen [1]. Norbert Lammerts Vorwurf, der Kunsthandel setze pekuniaere Interessen über den Schutz kulturellen Erbes, ist dann doch etwas platt. Ein Gesetz macht man eben nicht für den Einzelfall [2]. Das geplantes Kulturschutzgesetz bedeutet einen erheblichen Wertverlust für den Eigentümer, erläutert Philipp Herzog von Württemberg, Europa-Chef des Auktionshauses Sotheby’s, seine Vorbehalte. Er sieht eine massive Behinderung des deutschen Kunstmarkts. [3] Im Gegensatz zu Raubgrabungen ist die Frage berechtigt, ob der derzeitig betriebene Kultur - Protektionismus und Schutz des kulturellen Erbes durch einen Eingriff in die Eigentumsrechte der Bürger mit der Begründung des national wertvoll zeitgemäß ist.

Der Berliner Jurist und Kunstexperte Peter Raue bezeichnet den Entwurf als ein Gesetz aus einer anderen Zeit und für den Schutz von Kultutgut ungeeignet [4]. Der Entwurf nehme nicht die Veränderungen seit Erlaß der Vorgängerregelung zur Kentnis. Zwischen liberalen und weltoffenen Regelungen wie dem freien Warenverkehr im geeinten Europa oder TIPP ist ein Kulturgutschutzgesetz, das glaubt, bestimmten Werken die Bleibepflicht in Deutschland verordnen zu müssen, ein Anachronismus. Das eigendliche Ziel des Gesetzes wird auch nicht erreicht, wenn national wertvolles Gut zwar nicht außer Landes gebracht werden darf, aber im Lande sehr wohl weitergegeben werde darf, ohne dass der Staat sein Vorkaufsrecht gelten machen kann. So eine Rgelung ist schon etwas kurios - um nicht zu sagen: sinnfrei.

Gruss

[1] http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Politiker-wollen-Kunstschätze-vor-Ausverkauf-schützen-id35884312.html
[2] http://www.tagesspiegel.de/kultur/monika-grütters-zum-kulturgutschutzgesetz-wir-reden-von-kunst-dem-handel-geht-es-ums-geld/12491766.html
[3] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/sotheby-s-chef-philipp-herzog-von-württemberg-im-interview-13875606.html
[4] http://www.tagesspiegel.de/kultur/peter-raue-zum-kulturgutschutz-ein-gesetz-aus-einer-anderen-zeit/12480668.html
 
Reinhard Fischer Am: 05.11.2015 14:32:09 Gelesen: 39466# 35 @  
@ mljpk [#33]

Ich war nicht bei der Anhörung im Frühjahr dabei, sondern es gab am 30.9.2015 noch ein ergänzendes Gespräch für Vertreter des Münzen- und Briefmarkenhandels bei Dr. Winands. In diesem Gespräch gab es auch die Zusage, eine Klarstellung zu § 30 ("Mitführen von geeigneten Unterlagen bei der Einfuhr") in die Gesetzesbegründung zu schreiben.

Inzwischen ist der Gesetzentwurf nach Kabinettsbeschluss vom 4.10.2015 online:

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-11-04-novelle-kulturgutschutzgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=4

Er unterscheidet sich nur unwesentlich vom Referentenentwurf vom 14.9.2015. Insbesondere ist der § 30 unverändert geblieben. Es gibt auch keine wie immer geartete Klarstellung in der Gesetzesbegründung, der gesamte Text zu § 30 ist vollkommen unverändert.

Als Bürger ist man da schon sprachlos, wie Politik gemacht wird.

Gruß

Reinhard
 
mljpk Am: 05.11.2015 15:22:25 Gelesen: 39442# 36 @  
@ Reinhard Fischer [#35]

Sehr geehrter Herr Dr. Fischer,

§ 30 wurde in der Tat weder im Wortlaut noch in der Gesetzbegründung im Abgleich des Regierungsentwurfes mit dem Referentenentwurf geändert. Auch der Verweis auf die Meldepflicht beim Import aus einem Staat ausserhalb der EU nur bei einem bestehenden Genehmigungsbedarf im Ursprungsstaat hilft nur begrenzt weiter, da es dennoch bei der grundsätzlichen Dokumentationspflicht gerade darüber bleibt, dass KEINE Genehmigung erforderlich ist, um etwa bei stichprobenkontrollen durch den Zoll eine fehlende Anmeldepflicht darzulegen.

Hier wäre zumindest noch ein Hinweis in der Gesetzesbegründung hilfreich, dass für den "Negativnachweis" die Aussagen in der geplanten Datenbank zur Rechtslage in den verschiedenen Staaten ausreichend ist (die auch vom kontrollierenden Zöllner eingesehen werden kann).

Bezüglich sonstiger Änderungswünsche ist es nach meinen - begrenzten - Erfahrungen hilfreich, wenn man sich direkt an die Fachpolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien wendet, und dabei ähnlich dem Regierungsentwurf gleich fertige alternative Gesetzesformulierungen mit entsprechenden Begründungen vorlegt, da dies dort die Arbeit vereinfacht und an die "technische" Denke angepasst ist. Zur Begründung der Änderungswünsche sind konkrete, lebensnahe Beispielsfälle hilfreich. Was nach dem Protokoll in der Anhörung von der Münzseite vorgebracht wurde, war leider, vorsichtig formuliert, nicht sehr geradlinig und evtl. auch etwas zu sehr händlerlastig und wenig aus der Sicht der betroffenen "Lieschen Müller" bzw. 08/15-"Bruno Briefmarkensammler" wie meiner Person dargestellt, der aber ebenso betroffen, und ggf. auch überfordert und verunsichert ist. Siehe die hiesigen Aussagen und Spekulationen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg, für den Briefmarken"massen"markt noch Erleichterungen, Ausnahmen oder zumindest Klarstellungen zu erreichen, da auch ich wenig davon angetan wäre, bei meinen gelegentlichen Tauschgeschäften mit Drittstaaten zu zwar alten, aber dennoch Allerweltsmarken für den Fall der Fälle die Rechtslage in den Drittstaaten prüfen zu müssen oder dies vom Tauschpartner zu verlangen bzw. mich überhaupt für den Fall einer Stichprobe auf Wertdiskussionen einlassen zu müssen.

Bei Antiken oder der großen Kunst mag dies für die einzelnen Objekte leistbar und nachvollziehbar sein, aber bei zigtausenden von Briefmarken im Tausch- und Handelsverkehr? Hier wird leider aus meiner Sicht die schlichte, und insbesondere verhältnismäßige Möglichkeit vertan, sich durch die Beibehaltung des Listenprinzips bei Briefmarken konventionskonform zu verhalten, und allein bei den im Fokus stehenden Objekten das Kategorienprinzip anzuwenden.

Hier darf aber aus meiner Sicht der schwarze Peter nicht auf die, ohne Fachkenntnisse dastehende Politik abgestellt werden, sondern ist dieser die Marktkenntnis durch eine direkte Intervention der Fachverbände bei den Fraktionen zu vermitteln (was wahrscheinlich bereits im Gange ist). Letztendlich können sich die Parlamentarier so auch gegenüber der Regierung durch eigene Verbesserungsvorschläge und Detailkenntnisse profilieren und Bürgernähe hineinbringen.

Mit freundlichen Sammlergrüßen
Jens
 
Francysk Skaryna Am: 08.11.2015 10:07:47 Gelesen: 39342# 37 @  
@ Reinhard Fischer [#35]

Moin,

wer aus den philatelistischen Verbänden hat denn überhaupt an den Anhörungen teilgenommen?

Man hat so den Eindruck, dass es da nur einen einzigen prominenten Teilnehmer gab. Ist das so und woran liegt es? Interessenlosigkeit? Fehlendes oder mangelndes Problembewußtsein? Oder ist die Thematik in den einschlägigen Verbänden noch gar nicht angekommen?

Gruss
 
Reinhard Fischer Am: 09.11.2015 00:34:29 Gelesen: 39268# 38 @  
@ Francysk Skaryna [#37]

Soweit ich weiß, hat an der Anhörung im Frühjahr dieses Jahres niemand von den philatelistischen Verbänden teilgenommen.

Ich denke, dass man sich sehr lange als "nicht betroffen" gesehen hat und auch heute die Thematik als nicht wirklich ernst angesehen wird. Es ist ja auch so, dass die für uns wichtigen Paragraphen wie der § 30 in der öffentlichen Diskussion kaum angesprochen werden, es wird eigentlich immer nur von Kunst im sechststelligen Wertbereich gesprochen.

Gruß

Reinhard Fischer
 
Francysk Skaryna Am: 09.11.2015 09:54:35 Gelesen: 39231# 39 @  
Moin,

nun ist es aber so, dass der Entwurf bei den Numismatikern sowohl bei den Sammlern als auch bei den einschlägigen Verbänden durchaus diskutiert wurde. Auslöser war zwar oft der Knackpunkt, dass historische Münzen eben vielfach aus Funden aber eben nicht zwingend aus Raubgrabungen stammen. Aber immerhin: Es wurden eben auch andere Aspekte angesprochen. Warum tut sich das philatelistische Lager damit so schwer?

Sollte der BDPh hier das Verfahren verschlafen haben, setzt er sich unnötig Fragen aus. Er hat derzeit ohnehin ein seltenes Talent, die Fettnäpfchen zu erwischen. Schade ist das, denn Potential hat er.

Mittlerweile ist die Novellierung verabschiedet [1] und veröffentlicht [2].

Gruss

[1] http://www.süddeutsche.de/news/kultur/kunst-kulturgutschutzgesetz-vom-kabinett-verabschiedet-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-151104-99-06354
[2] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-11-04-novelle-kulturgutschutzgesetz.html;jsessionid=31A4E6BF836DC8E0259068142AFED296.s1t1?nn=811092
 
mljpk Am: 09.11.2015 11:10:53 Gelesen: 39202# 40 @  
@ Francysk Skaryna [#39]

Sehr geehrter Herr Skaryna,

noch ist es nicht zu spät, Nachbesserungen im Sinne der Briefmarkensammler vorzunehmen. Die von Ihnen mitgeteilte "Verabschiedung" ist nur die Annahme des Referentenentwurfes durch das Kabinett, welcher nun als Regierungsentwurf dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt wird. Umso wichtiger ist es jetzt in der "heißen Phase" rasch seitens der Verbände gegenüber den Fraktionen im Bundestag tätig zu werden. Dies erwarte ich auch vom BDPh wenn er der Auffassung sein sollte, dass Handlungsbedarf besteht. Leider ist mir kein veröffentlichtes Meinungsbild des BDPh zu den Entwürfen bekannt (pro/contra, Nachbesserungsvorschläge etc.). Dies ist bedauerlich, da man so nicht weiß, ob der BDPh sich überhaupt aktiv mit der Sache befasst. Taktische Gründe, eine "stille Einflussnahme", dürften nicht der Grund sein, da zumindest eine grundsätzliche Positionierung, auch gegenüber den Mitgliedern, keine Möglichkeiten beschneiden würde.

Mit freundlichen Sammlergrüßen

Jens
 
Francysk Skaryna Am: 09.11.2015 11:39:59 Gelesen: 39196# 41 @  
@ mljpk [#40]

Moin,

Leider ist mir kein veröffentlichtes Meinungsbild des BDPh zu den Entwürfen bekannt

Die aktuelle Philatelie berichtet in einem Artikel von Wolfgang Maassen darüber. Das Heft habe ich - da im Ausland wohnend - noch nicht vorliegen. Das ist aber wohl der einzig mir derzeit bekannte Artikel zu diesem Thema, der zumindest über den Verband verbreitet wird.

Wie sieht es denn in den Vereinen und den Landesverbänden aus? Gibt es dort zu diesem Thema überhaupt Diskussionen? Die Kommunikation war ja in der Vergangenheit auch bei anderen Themen zumindest punktuell etwas ausbaufähig.

Gruss
 
mljpk Am: 09.11.2015 13:38:37 Gelesen: 39184# 42 @  
@ Francysk Skaryna [#41]

Sehr geehrter Herr Skaryna,

das Novemberheft liegt mit leider auch noch nicht vor. Interessant wird sein, ob Herr Maassen eine eigene Meinung vertritt, oder aus dem BDPh heraus berichtet. Einen Einblick in Vereine oder Landesverbände habe ich leider nicht. Vielleicht kann einer der Mitleser berichten?

Mit freundlichen Sammlergrüßen auch in die große Runde

Jens
 
mljpk Am: 11.11.2015 00:12:30 Gelesen: 39081# 43 @  
@ Francysk Skaryna [#41]

Sehr geehrter Herr Skaryna,

habe eben den Artikel von Herrn Maassen lesen können. Das Resümee ist, ohne alarmistisch zu sein, bedenklich beschwichtigend. Es wird suggeriert, dass Briefmarken evtl. gar nicht betroffen sind. Dies ist aber nach den Äußerungen des Ministeriums eindeutig doch der Fall (siehe oben), wie auch von der UNESCO-Konvention genannt (siehe ebenfalls oben). Falls Herr Maassen mit "entspannter reagieren" eine Position des BDPh wiedergibt, fällt meine Stirn in Falten. Es mag zwar richtig sein, dass Philatelisten mögliche Enteignungen und aufwendige Provinienznachweise etc. in der Mehrzahl der Fälle nicht fürchten brauchen, aber die oben beschriebenen Probleme im tagtäglichen grenzüberschreitenden Kauf-, Tausch- und Ausstellungsverkehr könnten bei einer couragierten Herangehensweise durch Klarstellungen oder eindeutige Befreiungen vermieden, zumindest begrenzt werden.

So versteckt sich die organisierte Philatelie in einer Interessengemeinschaft zwischen den anderen Beteiligten - so mein Eindruck -, nach dem Motto, die anderen stärker Betroffenen werden es schon regeln, und wir waren dabei. Mit anderen Worten, um in Ihrem Bild, sehr geehrter Herr Skaryna, zu bleiben, Pulverdampf liegt gar keiner über dem Schlachtfeld. Der Soldat Philatelie ist in der dritten Schützenreihe auf dem Feld angetreten, mag aber keinen Schuss abgeben sondern schnell zurück nach Hause. Dies ist im Bild ehrbar, konkret aber vielleicht auch nur Trägheit?

Es wird dabei aber auch verpasst, auf höchster politische Ebene die individuelle Bedeutung der Philatelie und deren Anliegen, aber auch deren Wirtschaftsfaktor und Beitrag für die Breitenbildung hervorzuheben, also die Gelegenheit zur "Bewußtseinsverankerung" der Philatelie im Allgemeinen zu nutzen. Sehr schade aus meiner Sicht. Vielleicht findet ja noch ein Umdenken statt.

Wenn ich überzogen argumentiere und ggf. im Hintergrund bereits seitens des BDPh die Fäden gesponnen und Interessen vertreten werden, bitte ich die Akteure bereits jetzt um Entschuldigung.

Grüße, auch in die große Leserrunde.

Jens
 
Heinrich3 Am: 11.11.2015 09:34:02 Gelesen: 39046# 44 @  
Hallo an alle interessierten und vielleicht betroffenen,

da ja nun offenbar diese Gesetzgebungs-Runde für uns Philatelisten verloren gegangen ist (das "Warum" ist oben ausreichend besprochen), sollten wir uns etwas abregen. Warten wir doch auf die ersten Probleme, damit wir dann ordentlich Rabatz machen können und eine evtl. nachträgliche Regelung in unserem Sinne bewirken.

Das hofft wenigstens
Heinrich
 
Francysk Skaryna Am: 11.11.2015 09:46:13 Gelesen: 39040# 45 @  
Moin,

unterstellen wir mal für einen Moment, der BDPh glaubt die Sammler zu vertreten, die ein paar bunte Bildschen wegstecken und mit kulturrelevantem Material weit mehrheitlich nichts am Hut haben. Dann wäre diese Sichtweise vielleicht erklärbar. Aber sie wäre dennoch unklug.

Was ist denn dann mit dem APHV? Der Handel bedient ja nicht nur den kleinen Sammler, den diese Novellierung vielleicht nicht betrifft sondern er handelt ja durchaus auch mit kulturgutrelevantem Material. Schläft der Händlerverband? Die Novellierung zu ignorieren wäre für ihn sträflich nachlässig.

Insgesamt geht es ja nicht um den monetären Wert von Kunst und dem Handel wird die Ware sicher auch nicht ausgehen. Das Problem ist aber doch das - vermeintliche oder tatsächliche öffentliche (national[historische]) Interesse daran. Hier geht es in der Novellierung darum, wichtige Kulturgüter dem Zugriff des internationalen Kunsthandels zu entziehen. Ist das nichts, worüber man mal nachdenken und diskutieren sollte? Nachher ist das Geschrei groß, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Gruß
 
bayern klassisch Am: 11.11.2015 09:48:37 Gelesen: 39038# 46 @  
@ Francysk Skaryna [#45]

Hallo Francysk,

sehr gut geschrieben - volle Zustimmung.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Richard Am: 17.11.2015 09:24:39 Gelesen: 38810# 47 @  
Interview mit Monika Grütters

Die Panikmache ist unverantwortlich

Handelsblatt (13.11.15) - Am 4. November hat das Bundeskabinett dem Entwurf für das neue Kulturgutschutzgesetz zugestimmt. Im Interview mit dem Handelsblatt erklärt Kulturstaatsministerin Grütters, worauf es bei der Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern künftig ankommt:

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2015/11/2015-11-13-gruetters-hbl.html

Das Wort Briefmarken kommt ausser in folgender Frage nicht vor:

Handelsblatt: Die Mitglieder der 16 Sachverständigenausschüsse müssten gleichzeitig Kenner sein von Briefmarken, Münzen, Archivgut, Landschaftsmalerei, Oldtimern und mittelalterlichen Handschriften - kurz "eierlegende Wollmilchsäue".

Grütters: Keineswegs. Bei Bedarf ziehen sie aus eigenem Antrieb weitere Experten hinzu, das ist längst gängige Praxis.

Schöne Grüsse, Richard
 
drmoeller_neuss Am: 17.11.2015 18:15:09 Gelesen: 38744# 48 @  
Richard, vielen Dank für den Hinweis auf das Interview im Handelsblatt, aus dem ich zwei Passagen herausgreifen möchte, um die Problematik des geplanten Gesetzes zu erörtern:

Handelsblatt: Neu sind aber die Sorgfaltspflichten.

Grütters: Auch die sind nicht neu. Jeder Händler muss beweisen, dass die Ware nicht gestohlen ist oder illegal erworben wurde. Das ist eine Selbstverständlichkeit.


Mein Kommentar: Das trifft genau nicht zu. Im Kulturschutzgesetz kommt es zu einer Beweislastumkehr. Auch ohne konkreten Verdacht muss der Händler den Beweis des redlichen Erwerbes erbringen und 30 Jahre aufbewahren. Im übrigen kann sich der Erwerber bei öffentlichen Auktionen auf gutgläubigen Erwerb stützen, siehe §979 Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber hat genau diese Ausnahme vorgesehen, um die besonderen Umständen von Auktionen zu berücksichtigen.

Handelsblatt: Wie viel Provenienzforschung muss künftig sein?

Grütters: Es geht um eine möglichst weitgehende Feststellung der Herkunftsgeschichte des Objekts - soweit der Aufwand wirtschaftlich zumutbar ist. Diskretion und der Quellenschutz bleiben gewahrt bis zum Konfliktfall.


§41 spricht von "erforderlicher Sorgfalt", von "außergewöhnlich niedrigen Preisen" und "vernünftigen Personen". Wie bei vielen Gesetzen üblich, redet man um den heissen Brei herum und überlässt die Festlegung der Details der Rechtssprechung. Auch die Staatssekretärin möchte sich nicht festlegen und redet von einer "möglichst weitgehenden Feststellung".

Viele Forenmitglieder beissen sich am Begriff der "Sammlung" fest. Einmal davon abgesehen, dass vieles eben keine "Sammlung" ist, wie ein Händlerlager oder eine Sammlung eben eine lockere Aneinanderreihung von einzelnen, in sich abgeschlossenen Teilsammlungen ist, greift hier die m.E. hohe Wertgrenze von 100.000 EUR. Wer Auktionskataloge studiert, wird merken, dass solche Objekte die Ausnahme auf dem Briefmarkenmarkt darstellen.

Viel kritischer ist die Wertgrenze von 2.500 EUR, ab der die "Sorgfaltpflichten" greifen, wenn Kulturgut über die Grenze gebracht wird. Das bedeutet in erster Linie Bürokratie für Auktionshäuser, die international agieren. Viele bessere Belege überschreiten diese Preisgrenze und sind nur grenzüberschreitend abzusetzen. Dank der ungenauen Formulierungen im Gesetz besteht die konkrete Gefahr der staatlichen Schikane, die Auktionshäuser wirtschaftlich in die Knie zwängen kann, indem die Ware willkürlich festgehalten wird. Einlieferer und Bieter aus dem Ausland kommen dann nicht mehr zum Zug.

Hier muss nachgebessert werden, entweder muss der Begriff "anderes Kulturgut" im §42 Abs. 2 Satz 3 genauer gefasst werden, oder die Wertgrenze muss deutlich angehoben werden.

Auch die "Herkunft von Kulturgut" kann Fragen aufwerfen: Wie ist ein Preussen-Brief aus Breslau (Wroclaw) in die USA einzustufen? Ist das deutsches, polnisches oder gar amerikanisches Kulturgut, oder sind §32 Satz 2 die Regeln aller Staaten zu einzuhalten?

Und am Rande: Die Altersgrenzen verschiedener Kategorien von Kulturgütern werfen Fragen auf. Bei Sammlungen gibt es keine Altersgrenze, bei Gemälde eine Grenze von 70 Jahren und bei Verkehrsmitteln ist die Grenze 150 Jahre ! Da war wohl die Oldtimerlobby aktiv gewesen, da nur noch Pferdekutschen als Kulturgut geschützt sind, nicht aber alte Autos und Lokomotiven. Auch technische Denkmale, die nicht unter Baudenkmäler fallen, fallen durch das Raster.
 
mljpk Am: 17.11.2015 20:03:11 Gelesen: 38717# 49 @  
@ drmoeller_neuss [#48]

Sehr geehrter Herr Dr. Möller,

eine kleine Korrektur ist aus meiner Sicht veranlasst, um hier evtl. fehlerhaften Argumentationsketten vorzubeugen. Juristen sind auch bei einem richtigen Ergebnis manchmal etwas kleinlich wenn der Weg nicht nachvollziehbar ist. Ich bitte es nicht als Klugscheißerei aufzufassen, sondern als kleinen erläuternden Beitrag zu Ihrer Kritik.

§ 979 Abs.2 BGB gilt nach meiner Auffassung nur für sogenannten "Verkehrsfunde", d.h. in öffentlichen Verkehrsmitteln gefundene, beim Fundamt abgegebene Sachen. Im Falle einer öffentlichen Auktion von Kulturgütern dreht sich die Problematik wohl eher um die Frage des gutgläubigen Erwerbes des Eigentums durch den Auktionsgewinner. Hier kommen wir zu § 935 Abs.2 BGB der die Realauktion und durch den Verweis auf § 979 Abs.1a BGB bestimmte Internetauktionen von Fundgegenständen (hier nicht relevant) als Möglichkeiten eines gutgläubigen Erwerbes des Eigentums auch an gestohlenen und abhanden gekommenen Gegenständen vorsieht.

Frau Grütters stellt nach meinem Verständnis im Interview hauptsächlich auf den Handel "über den Tisch" ab. Hier ist es aus meiner Sicht tatsächlich so, dass ein Händler zwar rechtlich nicht gezwungen ist, einen Herkunftsnachweis zu erbringen, in der Praxis (des Kunst- und Antikenmarktes, bei höherwertigen Briefmarken und Belegen fehlt mir die Marktkenntnis) aber der Käufer einen solchen fordern wird, um sicherzustellen dass er kein gestohlenes oder abhanden gekommenes Kulturgut kauft, an dem er kein Eigentum erwirbt, und sich möglicherweise später Herausgabeansprüchen des Eigentümers ausgesetzt sieht, während er sich Rückforderungesproblemen gegenüber dem Verkäufer wegen des nichterfüllten Kaufvertrages ausgesetzt sieht (Verjährungsprobleme, Insolvenzrisiken ...). Ausserdem stellt sich natürlich noch die Frage einer Dokumentation um einem Hehlereivorwurf zu entgehen.

Bezüglich des Handels trifft aus meiner Sicht also Ihre Kritik voll zu. Es wird hier eine flexible "Praxis" im Handel mir nichts dir nichts zu einem "Muss", gerade auch in Märkten wie für Briefmarken und Belegen - mir fehlt wie gesagt die Marktkenntnis - bei denen im Handel Provinienznachweise gerade auch bei Belegen im Bereich der 2.500 EUR eventuell bisher bereits gar nicht üblich waren.

Bezüglich des Auktionswesens ist Ihre Kritik ebenfalls berechtigt, da die schwammige Formulierung nichtiger Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte bezüglich abhanden gekommener Kulturgüter in § 40 nunmehr erkennbar zur Streitfrage führen wird, ob die relative Sicherheit eines Zuschlages auf einer öffentlichen (Briefmarken-)Auktion überhaupt noch besteht? Soweit Frau Grütters hier auf eine möglicherweise bereits bestehende Praxis von Herkunftsdokumentationen durch die Auktionshäuser abstellt, kann dies in § 34b Gewerbeordnung begründet liegen, nach der der Auktionator eine persönliche Zuverlässigkeit aufzuweisen hat. Eventuell gehören hierzu bestimmte Prüfpflichten, um keine abhanden gekommenen Sachen in den (Auktions-)Verkehr zu bringen. Hier kann evtl. ein Leser aus den Auktionatorenkreisen zur Klärung des bisherigen Pflichtenkreises weiterhelfen.

Die Neuregelung kann jedenfalls auch in diesem Fall eventuell dazu führen, dass die bisher für die Wirksamkeit des Zuschlages an einen gutgläubigen Ersteigerer nicht interessierenden Frage unterlassener Prüfpflichten durch den Auktionator doch auf den gutgläubigen Ersteigerer durchschlägt, und dieser eben nicht mehr im Falle seiner Gutgläubigkeit wenigstens auf einer Auktion Sicherheit zu einem wirksamen Erwerb hat. Auch hier eine zu klärende Ungereimtheit.

Es sind mithin weitere von Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Möller, gut identifizierte Beispiele dafür, dass sich die Gesetzesmacher offenbar mit den "Randopfern" der eigentlichen Zielmärkte überhaupt nicht befasst haben. Eventuell weil hier die Marktkenntnisse mangels Input der betroffenen Kreise fehlte? Hier nochmals meine Kritik offenbar unzureichenden bis völlig ausgefallenen Inputs seitens der Verbände.

Beste Sammlergrüße in die Runde

Jens
 
Reinhard Fischer Am: 22.11.2015 16:04:00 Gelesen: 38585# 50 @  
Noch ein paar Ergänzungen:

Man kann an gestohlenem Gut Eigentum erwerben, wenn man sie auf einer öffentlichen Versteigerung oder auf einer Versteigerung nach § 979 Abs. 1a erwirbt (§ 935, 2). Der § 979 ist der von Jens oben angesprochene Fall der Verwertung durch eine Behörde (1a übers Internet), aber wichtiger ist die "öffentliche Versteigerung".

Hört sich klar an, also kann man an gestohlenen Briefmarken beim Kauf auf einer Briefmarkenauktion Eigentum erwerben ? Nein, denn der BGH hat in einem etwas abstrusen Urteil die "öffentliche Versteigerung" definiert als nur (!) die Auktion einer Behörde (z.B. Fundsachenversteigerung, Gerichtsvollzieher) oder eines "öffentlich bestellten und vereidigten Versteigerers". Nun kenne ich nur 3 Kollegen, die das sind, d.h. in den allermeisten Fällen kann ich eben auf einer Briefmarkenauktion, auch wenn die öffentlich ist, an gestohlenem Gut kein Eigentum erwerben.

D.h. das neue Kulturgutschutzgesetz würde den Eigentumserwerb von gestohlenem Gut auch bei diesen 3 Auktionatoren unterbinden, für alle anderen ändert sich nichts.

Sorgfaltspflichten: die gelten auch für den inländischen Handel, sowohl beim Ankauf wie auch beim Verkauf ("Inverkehrbringen"). Die meisten, aber nicht alle Sorgfaltspflichten gelten erst ab einem Wert von 2.500 EUR. Man hat aber keinen Legalitätsnachweis zu erbringen, es reicht, wenn man die Datenbanken nach gestohlenen Gütern durchsieht und ansonsten Verdachtsmomente usw. abklärt. Ob das dann den Behörden reicht, ist natürlich immer so eine Frage.

Beim Export braucht man zu den Sorgfaltspflichten innerhalb der EU ab 100.000 EUR, außerhalb der EU ab 50.000 EUR eine Exportgenehmigung, das gilt sowohl für Sammlungen wie für Einzelstücke. Zugegebenermaßen nicht wirklich ein Problem. Es gibt zwar recht viele Sammlungen über 50.000 EUR, als Auktionator teile ich aber in aller Regel auf, so dass 50.000 EUR nur selten überschritten werden. Ein Sammler, der aber z.B. seine Sammlung bei einem Auktionshaus in der Schweiz versteigern lassen will, kommt da schon eher in Schwierigkeiten.

Beim Import (§ 30) gibt es dagegen gar keine Wertgrenze, man muss beim Import für jedes (!) Kulturgut geeignete Unterlagen mitführen, die den legalen Export aus dem Herkunftsland belegen. Theoretisch also auch für die Frankaturbriefmarken, die man für die Urlaubspostkarten nicht aufgebraucht hat. Normalerweise sollen das die Ausfuhrgenehmigungen sein, aber der Gesetzgeber schweigt sich aus, welche es sind, wenn gar keine Ausfuhrgenehmigung nötig ist. Vorschläge vom BDB und auch von den Fossiliensammlern, doch den § 30 eindeutig zu fassen, sind bei Frau Grütters in die Ablage Rund (Papierkorb) gewandert, obwohl man uns ausdrücklich eine Klarstellung versprochen hatte.
 
Reinhard Fischer Am: 22.11.2015 16:12:54 Gelesen: 38580# 51 @  
Noch etwas zu der Frage der Provenzienz:

Bei den Briefmarken spielt das praktisch keine Rolle. Wenn ich im Katalog "ex Sammlung Ferrari" schreiben kann, ist das natürlich verkaufsfördernd. Für viele Sammelgebiete haben die Prüfer gute Datenbanken, wann ein Stück auf Auktionen aufgetaucht ist. Kein Kunde fragt aber nach der Provenienz, weil er Angst hat, gestohlene Ware zu bekommen, auch der Vorbesitzer will ja in der Regel nicht genannt werden und häufig darf der Versteigerer den Vorbesitzer auch gar nicht nennen (Datenschutz !).

Gestohlene Stücke sind auch so gut wie gar nicht am Markt. Ich habe in 30 Jahren Berufspraxis nur zwei mal unbeabsichtigt Hehlerware angekauft. Im ersten Fall hatte eine Sekretärin ihren Chef beklaut (ca. 1000 EUR), es handelte sich dabei um Gedenkmünzen. Im zweiten Fall waren Notgeldscheine und eine Münze aus Ebaypost gestohlen worden (Gesamt keine 100 EUR), der eigentliche Empfänger hatte dann die Stücke in unserem Online-Katalog gefunden. Da inzwischen praktisch alle Kataloge online sind und auch fast alles abgebildet wird, ist kaum vorstellbar, dass ein herausragendes Stück unbeobachtet verkauft wird.

Bei Münzen vor 1800 wird etwas mehr nach der Provenienz gefragt, aber eigentlich hauptsächlich als Echtheitsnachweis. Bei antiken oder auch mittelalterlichen Münzen kann es schwierig sein, einen Echtheitsnachweis zu erbringen und da ist es natürlich schön, wenn man weiß, dass ein Stück aus einem dokumentierten Fund stammt.

Gruß

Reinhard
 
Richard Am: 25.11.2015 09:13:49 Gelesen: 38452# 52 @  
Ende des freien Kunsthandels? Debatte um eine Gesetzesnovelle

Von Sigrid Hoff

Kunsthändler und Sammler laufen Sturm, Antiken-Experten sind vorsichtig optimistisch: der Gesetzentwurf zur Neuregelung des Kulturgutschutzes, das die Einfuhr illegaler Antiken und die Ausfuhr national bedeutender Kunst verhindern soll, hat das Kabinett passiert:

http://www.wdr5.de/sendungen/scala/kulturgutschutzgesetz-124.html

(Tonbeitrag, 13 Minuten)
 
Francysk Skaryna Am: 25.11.2015 09:34:28 Gelesen: 38444# 53 @  
Moin,

zwei Beiträge befassen sich damit, ob die Kulturgutschutz-Novelle eine Behinderung für die wissenschaftliche Paläontologie und paläontologische Sammlungen darstellt [1] und ob Deutschlands Münzsammler Opfer radikaler Kulturgutschützer sind [2].

Gruss

[1] http://http//http://www.romancoins.info/Kulturgutschutz%20-%20Druckfassung.pdf
[2] http://http//http://www.solnhofen.de/export/download.php?id=1607
 

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