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Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
Das Thema hat 971 Beiträge:
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filunski Am: 04.07.2023 14:16:18 Gelesen: 47375# 922 @  
@ bayern klassisch [#921]

Lieber Ralph,

ja, der Fall Kaufbeuren/Kaufbeuern ist schon interessant und dieses auch von dir beschriebene "orthographische Dilemma" kann man gerade an diesem Ort gut an Poststempeln verfolgen.

Im Winkler [1], einem zwar schon älteren aber immer noch zutreffenden Stempelhandbuch, finden sich bei Kaufbeuren noch ein paar Kuriositäten.

Bereits der erste gelistete Stempel ab 1801 zeigt die heute gültige Schreibweise, ein Zeilenstempel " V. Kaufbeuren". Danach wird es abenteuerlich, ab 1805 " R.3. KAUFBEYERN", 1808 " R.3. KAUF BEIERN". Dann kehrt erst mal Beruhigung ein und es folgen mehrere Stempel mit der "richtigen" Schreibweise KAUFBEUREN bis dann 1850 nochmals der "Ausrutscher" mit dem von dir gezeigten Stempel passiert!

Leider kann ich selbst keinen dieser "orthographisch" interessanten Stempel zeigen.

Viele Grüße,
Peter

[1] Handbuch der Bayerischen Poststempel, Dipl. Ing. Karl Winkler, Nürnberg 1951
 
bayern klassisch Am: 04.07.2023 14:34:34 Gelesen: 47370# 923 @  
@ filunski [#922]

Lieber Jürgen,

ja, diese Stempel gibt es, aber sie sind teils nicht häufig. Ich habe in meinen Sammlungen nur einen Einzeiler; die frühen Stempel mit Rayon-Angabe besitze ich leider nicht und kann sie auch nicht zeigen.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 04.07.2023 17:15:48 Gelesen: 47325# 924 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen recommandirten Portobrief der Staats-Schulden-Tilgungs-Special-Cassa in München vom18.7.1839 an den Magistrat der Stadt Eichstätt.

Der Brief war ursprünglich unten links mit dem Vermerk: "R.S. Mit Urkunde" versehen worden, wodurch er bis 1 Pfund (560 g) portofrei bei der Briefpost wiegen durfte.



Dann aber strich man das alles ab und notierte darüber: "recommandirt", wünschte also die portopflichtige Absendung als Einschreiben.

Dafür zahlte man dann 4 Kreuzer in bar für die Einschreibung und ließ den Empfänger 15 Kreuzer Porto berappen.

München-Eichstätt = 88 km = 11,8 Meilen = 4 Kr. einfach, aber dann kämen wir bei höheren Gewichten immer nur auf gerade Zahlen.

Rechnete man aber einen Tick über 12 Meilen, dann wäre das einfache Porto schon 6 x und bei den notierten 15 Kreuzer lag der Brief in der 4. Gewichtsstufe (über 1,5 bis 2 Loth).

Aber nicht nur, dass man in die Spalte für Briefe über 12-18 Meilen gerutsch war, statt über 6-12 Meilen, nein, man hat auch die Reco-Nr. vergessen und das war richtig schlecht.

Im Inhalt lesen wir, dass man in München eine Urkunde über 500 Gulden von Eichstätt zwar erhalten hätte, diese aber zu unterschreiben vergessen worden war, wodurch sie rechtlich nicht gültig war, weswegen München diesen Brief mit anliegender, unvollständiger Urkunde zurück nach Eichstätt schickte, verbunden mit der Bitte, dies umgehend nachzuholen und diese dann erneut in Vorlage zu bringen.

Tja, so ist das eben - wenn mal was schief läuft, dann aber richtig.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 04.07.2023 17:27:09 Gelesen: 47322# 925 @  
Liebe Freunde,

Ulm, die freie Reichsstadt, war vom 1.7.1808 bis 30.9.1810 bayerisch unter bayerischer Staatspost und erhielt den Stempel Rayon 3 Ulm, womit sie im 3. Entfernungsbereich ("Rayon") zu Frankreich lag.



Ein Brief aus Ulm vom 3.4.1809 nach Rheims kostete daher bei der Leitung über Strasbourg ("Allemagne par Strasbourg" total 12 Decimes.

Viele wird es aus dieser engen Zeitspanne nicht geben.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 14.07.2023 17:43:04 Gelesen: 44975# 926 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen mit 6 Kreuzer bar frankierten Privatbrief von Dingolfing vom 14.5.1842-49 an Herrn Bischof Valentin von Regensburg in Regensburg unter Recommandation, so dass der Absender total 10 Kreuzer zu bezahlen hatte.



Aber Bischofsbriefe interessieren mich nicht, im Gegensatz zu handschriftlichen Datumskorrekturen in Halbkreisstempeln (Winkler Type 11a, sog. "frühe Type"). Die Aufgabepost hatte mit Tinte den Tag im Zähler des Stempels offenbar annuliert, weil er falsch links eingesetzt worden war (der 14.). Aber jetzt hatte man ein seltsames Konstrukt geschaffen, das auch blöd aussah, nicht nur weil es ein wichtiger Brief war, wie alle Einschreiben, sondern auch der Empfänger nicht auf den Namen Hinz oder Kunz hörte. Ergo schrieb man den 14/5 nochmals rechts mit Tinte in den Halbkreisstempel und war offenbar jetzt endlich zufrieden.

Wie viele Briefe dieser Spielart mag es damals wohl gegeben haben?

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 24.07.2023 14:48:48 Gelesen: 42973# 927 @  
Liebe Freunde,

auch wenn der Titel hier nicht so ganz stimmt, sei mir folgender Brief hier zu zeigen erlaubt.

Portobrief aus Landau in der Pfalz, damals Teil des franz. Departements 67 Bas Rhin, verfasst von Guillaum (Wilhelm) Beker in Billigheim bei Landau "An Citoyen (Bürger) Brex....t S´amis Libraire here des Juifs (Juden) á Strasbourg.



Die Aufgabepost taxierte ihn mit 4 Decimes.

Das Datum ist ein bisserl verzwickt: Anno VIII. 5. Thermidor = im 8. Jahr der Revolution am 5. Thermidor (= 24.07.1800).

Pro memoriam: Ab 1800 wurde in Decimes und Centimes taxiert, zuvor in Sous bzw. Sols (2 Sols = 1 Decime).

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
SH-Sammler Am: 25.07.2023 10:12:29 Gelesen: 42790# 928 @  
@ bayern klassisch [#927]

Hallo Ralph,

zu Deinem Brief aus Landau in der Pfalz vom 5. Thermidor des Jahres 8 hier einige Ergänzungen zur Adresse:

Au Citoyen LESCAULT l’ainé, Libraire CHEZ des Juifs á Strassbourg
An Bürger Lescault der Ältere, Buchhändler bei den Juden, in Strassburg
Die ganze Adresse ist in lateinischer Schrift geschrieben, in Frankreich so üblich. Also kein B im Namen Lescault wie in der deutschen Kurrentschrift.

Zur Währung: Du hast recht, dass ab (22. März) 1800 die französische Währung auf Décimes umstellte. Die Distanzmessungen erfolgten neu in km, von Büro zu Büro auf dem kürzesten Postweg (gem. Buch Schäfer, Band VIII). Landau nach Strassburg ist im Bereich „bis 100 km“.



Der innerfranzösische Tarif von 4 decimes würde für einen Brief von 10 – 15 Gramm passen, siehe Tabelle.

Liebe Grüsse
Hanspeter
 
bayern klassisch Am: 25.07.2023 10:56:37 Gelesen: 42773# 929 @  
@ SH-Sammler [#928]

Lieber Hanspeter,

du bist der BESTE ! Vielen Dank für deine weiterführenden Angaben und dein Transkriptionsgeschick - mir sind bei alten englischen, italienischen, oder wie hier, französischen Handschriften oft die Hände gebunden.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 31.07.2023 16:37:36 Gelesen: 41536# 930 @  
Liebe Freunde,

als ausgewiesener Liebhaber der Bayern Porto Nr. 1 konnte ich diesen Brief erwerben, den ich für einen der Schönsten halte, die ich kenne.

Der Brief datiert innen vom 15.7.1868 und wurde am 22.7.1868 bei der Post eingeworfen in Hersbruck. Gerichtet war er an das Pfarramt Happurg, 4 km entfernt, also ein klassischer Lokalbrief.



Da der Brief als P.S. = Partei-Sache unfrankiert aufgegeben wurde, wurde er mit der Postaufgabe portopflichtig.

Wer auch immer taxierte ihn mit 7 Kreuzer in blauer Kreide als unfreien Brief im Fernverkehr. Dann aber kam das Korrektiv und man strich die falsche, blaue 7 ab mit Rötelstift. Danach klebte man die Portomarke auf und entwertete sie perfekt mit dem geschlossenen Mühlradstempel 199 von Hersbruck.

Was mich umtreibt: Warum waren hier bei der postalischen Behandlung 2 Hände im Spiel, evtl. sogar drei?

Ich hätte erwartet, dass der, der den Briefkasten leert morgens den Brief taxiert und im Falle eines Fehlers die falsche Taxe auch wieder mit seinem blauen Stift annulliert. Aber dem war wohl nicht so ...

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 12.11.2023 21:12:03 Gelesen: 18938# 931 @  
Liebe Freunde,

heute habe ich einen Brief aus Ansbach vom 12.12.1854 geschnappt, der hinsichtlich seiner Adresse unüblich ist (auch beachtlich der überaus klare Abschlag des Ansbacher Halbkreisers):



"Herrn Herrn Rechtspraktikant Bernhard Sonntag in München Landwehrstr. N. 16/3

nach erfolgter Abreise in Pilgramsreuth bei Hof"

Nach dem Motto: Wenn er nicht hier ist, dann ist er sicher dort. Lt. Ankunftsstempel von München hat ihn der Stadtbriefträger dort aber noch erreicht, was schade ist, denn ich hätte ihn lieber als Abzugsbrief in der Sammlung, aber ich meckere hier auf hohem Niveau.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.11.2023 11:17:39 Gelesen: 18289# 932 @  
Liebe Freunde,

ein eingeschriebener Frankobrief aus Arnstorf vom 31.03.1869 lief an Herrn Michael Unutl in Simbach bei Landau an der Isar. Er erhielt die Reco-Nr. 31 und war schon am selben Tag dort, um ausgetragen zu werden.



Allerdings sträubte sich der Empfänger, die Annahme gegen Unterschriftsleistung im Botenbuch zu quittieren.

So notierte der Postbote Ramsteiner noch am selben Tag siegelseitig Folgendes: "wird nicht unfrankiert angenommen, Ramsteiner, Postbote".

Sehr gut gemacht und hier sieht man wieder, wie die Routine zuschlug, denn die Masse der Briefe wurden vor allem deshalb nicht angenommen, weil sie mit Porto belastet waren, weswegen sich unser wackerer Postbote den Satz eingeprägt hatte: Wird unfrankiert nicht angenommen.

Er strich das falsch Wort "unfrankiert" und notierte "Vert." für "vertatur" = bitte wenden und gab ihn seinem Expeditor zurück (Vermerk: "Retour").

Auf einen Ankunftsstempel bei der Rücksendung verzichtete der Postexpeditor in Arnstorf großzügig.

Um ihn zurückgeben zu können, musste man aber zuvor den Postschein Nr. 31 wieder vom Absender, der in Arnstorf offenbar durch Siegel oder Handschrift bekannt war, zurückfordern. Viel, viel Arbeit für gar nichts und 3 Kr. Franko mit 7 Kr. Reco waren auch noch perdue!

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.11.2023 11:32:21 Gelesen: 18286# 933 @  
Liebe Freunde,

Vermittlungsbriefe aus Braunschweig mit Postaufgabe in Bayern findet man nicht jedes Jahr, schon gar keine mit 6 Kreuzer Frankaturen, die eigentlich von Braunschweig aus hätten 3 Groschen kosten sollen (= 10,5 Kreuzer).



Die Firma F. B. Denike & Co. in Braunschweig schrieb am 25.05.1864 einen einfachen Brief an ihren Kunden A. Leidescher in Landsberg am Lech. Hinten nur ein mies abgeschlagener Halbkreiser von Buchloe, sonst nichts.

Alle mir bisher bekannten Vermittlungsbriefe aus Braunschweig stammen von der Firma Denike - ob es noch mehr gab, die sich dieser kostensparenden Maßnahmen unterzogen?

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.11.2023 11:49:40 Gelesen: 18272# 934 @  
Liebe Freunde,

wollte ein Absender im 19: Jahrhundert seinen Brief frankieren, ob mit, oder ohne Marke(n), hatte er als Zeichen dieses Wunsches das Wort Franko, Franco, Frey, Frei usw. frontseitig unten links zu notieren, damit alle auf der Post wußten, worum es sich bei jenem Brief handelte.



Seit Anbeginn des DÖPV zogen un- und unterfrankierte Briefe deutlich höhere Kosten nach sich, weswegen es sinnvoll war, gänzlich frankierte Briefe zu verschicken, wobei man natürlich bei jedem Einzelnen von ihnen das Wort "Franco" usw. hätte manuell hinzufügen müssen.



Es gab nur ganz wenige Absender, denen diese Mühewaltung zuviel war - und so schafften sie sich Franco-Stempel an, die sie links unten anstelle des manuellen Vermerks abschlugen.

Da auch die Firmenstempel in den 1850er und 1860er Jahren immer mehr zunahmen, konnte man nun mit einem Stempelkissen und 2 Stempeln sowohl die gewählte Versendungsform, als auch den Absender vorderseitlich kenntlich machen, am besten natürlich damit, dass man eine Farbe wählte, die auffällig war, hier also ein schönes Blau. Die Firma J. Schneider & Diss in München verfuhr so, wie man an der exakt gleichen Farbgebung dieser 2 Stempel sehen kann.

Leider sind nur ganz wenige Briefe erhalten geblieben, die dieses Verfahren zeigen können - umso mehr freue ich mich, einen aus München vom 16.03.1863 nach Gera zeigen zu können, der 2 Tage später (kopfstehende 3 in Ankunftsstempel von Greiz als Bonus) dort ankam.

Und um die Sache komplett zur eierlegenden Wollmilchsau zu machen, lesen wir im Inneren noch: "P.S. 1 Muster von der obigen Thibet Qualität II liegt bei".

Geht noch mehr?

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.11.2023 12:03:50 Gelesen: 18248# 935 @  
Liebe Freunde,

in Weiler im schönen Allgäu schrieb man, die Unterschrift vermag ich nicht zu lesen, einen Brief am 22.04.1836 an Herrn Doktor Vogl, einen Advokaten in Lindau im Bodensee, den man siegelte und mit "frei" bezeichnete, damit Herr Dr. Vogl wusste, dass er dem privaten Überbringer nichts schuldete.



Im Inhalt ging es um eine beiliegende Anzeige um den Unfug des Kieswerfens ein für alle Mal abzustellen.



Erinnert mich irgendwie an Wilhelm Busch und Max und Moritz, diese beiden ...

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.11.2023 12:12:45 Gelesen: 18238# 936 @  
Liebe Freunde,

eine kleine Contravention darf ich heute zeigen - in Straubing wurde am 06.05.1874 ein sehr französisch gehaltener, einfacher Frankobrief mit 3 Kr. beklebt und an Herrn Carl Nüssler Sekondlieutenant im k. 14 Infanterie Regiment in Nürnberg Goßenhof Hauptstr. 37/44 bei Pfragner Stöcker residierend auf die Reise geschickt.



Elegant wurde "marqué" für "markirt" vermerkt, statt des schnöden, deutschen "frei".

Aber darunter schrieb er auch noch "Je Te Salu!" für "Ich grüße Dich!" und das hätte er, streng genommen, nicht gedurft, jedenfalls nicht auf der Außenseite des Briefes, denn wer wen grüßte, war nicht Teil der Adresse, sondern Teil des brieflichen Inhalts. Aber die Straubinger waren schon damals sehr herzliche und ganz liebe Menschen, was sich ja nicht im Geringsten geändert hat.

Aber damals wie heute sah man das nicht so streng, vor allem in so kleiner Schriftgröße, und so wurde er am Folgetag durch Nürnbergs Stadtbriefträger Numero 7 anstandslos zugestellt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
10Parale Am: 15.11.2023 15:43:37 Gelesen: 18099# 937 @  
@ bayern klassisch [#932]

obwohl du den Brief sehr gut erklärst, verstehe ich doch 2 Dinge nicht:

Weshalb hat der Empfänger die Annahme verweigert? War das Einschreiben mit 3 Kreuzer unterfrankiert? Du schreibst ja das Wort "unfrankiert" war falsch. Warum war das Geld "perdue"? also verloren? Gab es keine Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben?

Sorry, vielleicht klingt die Frage für Dich als Routinier etwas simpel, aber ich wage sie trotzdem zu stellen.

Gruß

10Parale
Stephan
 
bayern klassisch Am: 15.11.2023 15:58:03 Gelesen: 18096# 938 @  
@ 10Parale [#937]

Hallo Stephan,

sind doch gute Fragen.

weshalb hat der Empfänger die Annahme verweigert?

Das hat er nicht angegeben und musste auch nicht angegeben werden. Wie ich mittlerweile weiß, wurde er kurze Zeit später inhaftiert und evtl. hatte der Brief etwas mit dieser Sache zu tun.

War das Einschreiben mit 3 Kreuzer unterfrankiert?

Nein, sonst hätte vorne ein Nachporto von 8 Kreuzern notiert werden müssen, was nicht der Fall war.

Du schreibst ja das Wort "unfrankiert" war falsch. Warum war das Geld "perdue"?

Ja, denn der Brief war ja voll frankiert. Perdue war das Geld, weil der Absender total 10 Kr. ausgegeben hat, ohne einen Effekt dafür zu bekommen, weil der Empfänger ihn ja nicht entgegengenommen hatte.

Gab es keine Durchsetzung der gesetzlichen Vorgaben?

Die gesetzliche Vorgabe war die der Post, ihn zuzustellen. Gegen den Willen eines Empfängers konnte man ihn aber nicht zustellen damals. Danach war die ges. Vorgabe ihn wieder an den Absender kostenlos zu retournieren. Das hat man offensichtlich getan, auch wenn es keinen stempelmäßigen Beweis dafür gibt.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
bayern klassisch Am: 17.11.2023 11:38:04 Gelesen: 17818# 939 @  
Liebe Freunde,

einer der ganz wenigen Funde in Ulm war dieser hier: Reco-Brief aus Öttingen vom 29.03.1871 nach Ichenhausen bei Günzburg an Herrn Isr(ael) Roschland. Pflichtgemäß wurde unten links neben dem Franko-Vermerk "7X rec(ommandirt)" vermerkt.



Schön zu sehen die Arbeitsweise bei Reco-Briefen auf dem flachen Lande:

Zuerst wurde der Postschein ausgefertigt, dann auf dem Brief die frisch gezogene Reco-Nummer notiert (rechts neben der Marke die 52), dann die Marke appliziert, dieselbe entwertet und der Aufgabestempel beigesetzt, ehe man bemerkte, dass die Entwertung der Marke dafür gesorgt hatte, dass die Reco-Nr. 52 nicht mehr gut zu lesen war und man sie oben mittig der Deutlichkeit halber wiederholte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 21.11.2023 10:03:40 Gelesen: 17455# 940 @  
Liebe Freunde,

der Begriff "hässliches Entlein" wäre wohl noch eher ein Euphemismus bei dieser Vorderseite aus München vom 06.03.1855 an Herrn Herrn Carl Berchem k. b. Appel- Gerichts Rathe wohlgeboren in Neuburg an der Donau. Der Absender notierte "Gegen Aufgab und Retour Recepisse", also gegen Postschein = Chargé und Rückschein.



Dafür waren zu zahlen: 3 Kr. Franko bis 12 Meilen und 1 Loth inklusive, 6 Kr. Chargé und 6 Kr. für den Rückschein = 15 Kr. in toto.

Was man Mitte der 1850er Jahre allerdings kaum noch bei Privatbriefen sieht, ist ein Präsentationsvermerk (oben mittig: "Praes. 08.03.1855") und das war auch ein Grund, sich dieses Entleins zu erbarmen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 21.11.2023 10:13:00 Gelesen: 17453# 941 @  
Liebe Freunde,

seit altersher waren verstellbare Stempel, also Datumsstempel, vor Beginn der Aufnahme postalischer Tätigkeiten auf ihre korrekte, aktuelle Einstellung hin zu prüfen und gfs. zu aktualisieren.

Hierbei sollte ein Probeabschlag des Morgens dienen, an dessen Abdruck man ersehen sollte, ob das Datum und gfs. die Uhrzeit korrekt eingestellt worden waren.



Hin und wieder finden wir solche Abschläge auf den Siegelseiten durch die Aufgabepost und nicht etwa durch die Abgabeposten, die dieses Verfahren erst ab dem 31.01.1843 auszuführen hatten.

Ganz wenige Briefe, vor allem ohne Sonderdienste wie Chargé, Express, poste restante usw., kenne ich aus der Vormarkenzeit, die dieses Procedere aufweisen.

Hier einer davon aus Bayreuth mit dem grünen Zweizeiler BAIREUTH 26. JUL 1819 der Königlichen Regierung des Obermainkreises, Kammer des Inneren, an das kgl. Rentamt Lichtenberg, als K.D.S. natürlich portofrei zu befördern.

Siegelseitig wurde genau diese "Probeabschlag" ausgeführt und als gut empfunden, wiewohl Rayon-Stempel damals schon lange keinen Sinn mehr machten. In Grün ist es der erste Testabschlag, den ich kenne.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 21.11.2023 10:46:37 Gelesen: 17445# 942 @  
Liebe Freunde,

was es nicht alles gab ...

Am 20.12.1852 fertigte die Redaction des kgl. Intelligenzlbattes von Unterfranken und Aschaffenburg mit Sitz in Würzburg eine "Liquidation" aus für die Gemeindeverwaltung in Nordheim, für die 35 Kreuzer zu zahlen war.



Am Folgetag kam der Brief als R. S. kostenlos zur Aufgabe. Doch irgendetwas links in sepia Tinte Geschriebenes, das ich nicht lesen kann, änderte wohl das Ganze und man frankierte 6 Kr.

Unten lesen wir dann aber: "Gehört nicht nach Nordheim v. d. Rhön, sonddern a. Main".

Als Zeichen einer neuen Postaufgabe fügte man in Fladungen am 25.12.1852 (ja, damals wurde auch dann noch gearbeitet) einen Halbkreise bei und ließ den Brief über Mellrichstadt und Volkach nach Nordheim am Main retour laufen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 24.11.2023 18:30:17 Gelesen: 17119# 943 @  
Liebe Freunde,




ich möchte diesen portofreien Dienstbrief aus Neu-Ulm nach Deidesheim in der Pfalz hier zeigen, weil er uns ein wenig schlauer macht.

Verfasst am 01.12.1864 wurde er am 04.12. erst vom Bezirks-Amt zur Post gegeben. Offenbar gab es einen direkten Kartenschluß in die Pfalz nach Ludwigshafen (also über Württemberg und Baden), denn einen Tag später war der Brief bereits dort.

Am Folgetag lief er mit der Pfälzer Bahnpost nach Neustadt an der Weinstraße und von dort ins nahe Deidesheim, wo er noch am selben Tag ausgetragen wurde.



Im Inhalt bestätigte das Bezirksamt den Erhalt von 2 Gulden als Reisegeld für einen Neu-Ulmer.

Bisher kannte ich 2 Neu-Ulmer bzw. Ulmer Briefe in die Pfalz, die nicht direkt kartiert worden waren. Jetzt fehlt noch ein Ulmer Brief mit Postaufgabe in Neu-Ulm mit direkter Kartierung zu 3 oder 6 Kreuzer in die Pfalz. Aber so einer kommt auch noch.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 28.11.2023 19:07:55 Gelesen: 16125# 944 @  
Liebe Freunde,

heute darf ich eine Vorderseite zeigen, die es in sich hat: 2I vom 29.05.1858 aus Rosenheim mit gM 437 der 2. Verteilung nach München, wo am Folgetag hinten (und nicht im Attest beschrieben) Eingang gestempelt wurde.



Die Erstausgabe wie hier war in der Regel 1851 aufgebraucht und wurde schon im Spätsommer 1850 sukzessive durch spätere Ausgaben ersetzt. Ab 1852 spricht man von seltenen Spätverwendungen.



Belege aus der 2. Verteilung kenne ich keine Handvoll und Mitte 1858 ist schon ganz extrem spät für die 2I.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 11.12.2023 11:32:42 Gelesen: 13733# 945 @  
Liebe Freunde,

ein Portobrief aus dem schönen Würzburg wurde am 29.3.1855 bei der dortigen Hauptbriefpostexpedition aufgegeben mit der Anschrift: S. Wohlgeboren Herrn A. von Lipsky, Rittergutsbesitzer auf Lewkowo bei Ostrowo R. Posen.



Absender war ein N. Neumann in Würzburg, der sich segensreicherweise mit einem ungummierten Wapperl links oben verewigte und es mit Gummi arabicum auf der Adresseite anheftete (die teuereren Wapperl waren damals schon vorgummiert!). Siegelseitig sehen wir den Ausgabestempel (von wo?) vom 1.4.1855.

Da ich ja diese privaten Wapperl über die Maßen liebe, war das für den Kauf ausschlaggebend - aber nachdem ich ihn vor mir liegen habe, weiß ich die Chronologie der Taxierungen nicht recht einzuordnen:

Bayern notierte üblicherweise in schwarzer Tinte, blau kam erst später (von Ausnahmen abgesehen). Man könnte nun links eine 4 und eine 3 lesen, oder die "3" als Streichung der 4, warum auch immer. Mittig ist die 4 von preussischer Hand, aber sie wurde mit dünnem Tintenstrich, obwohl richtig, gestrichen, ohne ersetzt zu werden. Hinten gibt es keine Taxen. Erklärungen von preussischer Seite werden gerne zur Kenntnis genommen und 4 Sgr. für die bayerischen Post waren natürlich korrekt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 12.12.2023 22:17:27 Gelesen: 13553# 946 @  
Liebe Freunde,

von einem lieben Sammlerfreund aus dem Ländle gerade bekommen, darf ich dieses p.r. gestelltes Kuvert vom 23.3.1871 aus Regensburg an Fräulein Anna Stuckenberger in Landshut zeigen.



Ein Schriftpsychologe würde sagen, dass die dem Absender wichtigen Teile der Adresse besonders groß, deutlich, oder unterstrichen verfasst werden - und hier wurde nebem den Zielort und poste restante noch Anna und nicht der Nachname unterstrichen.

Nun kann man spekulieren, ob es noch mehrere Damen der Familie Stuckenberger in Landshut gab, wobei vlt. die ein oder andere mal ein Briefchen ausgehändigt bekommen hatte, das gar nicht für sie bestimmt war?

Jedenfalls sind private p.r. gestellte Briefe nicht häufig, auch wenn mangels Inhalt hier keine Antwort auf dieses kleine Rätsel wird gegeben werden kann.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 

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