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Thema: Altdeutschland Bayern: Briefe erklären
Das Thema hat 971 Beiträge:
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Erdinger Am: 17.04.2021 14:44:14 Gelesen: 179832# 697 @  
@ bignell [#694]

Hallo Harald,

ich lese diese Anschrift so:

Dem Hochedlen und Viel
geehrten Herr J[ohann] Philipp Keil,
Gräflich-Lehrbachischen Güter
Verwalter
Lehrbach
in Hessen

bezahlt bis
Frankfurt
P[ost] Amöneburg

Schwierig wird’s mit den Taxen. Mir liegt der Tarif von 1784 vor (Vertrag Thurn und Taxis mit dem Kurfürstentum Bayern). Darin werden allerdings nur Angaben für München, Landshut, Ingolstadt, Straubing, Amberg und Burghausen gemacht. Hier können wir beispielhaft München ansetzen.



Demnach wäre der Brief als doppeltes Gewicht mit 16 Kreuzern bis Frankfurt frankiert gewesen (sogenanntes Absatzfranko). Von Frankfurt bis Amöneburg und weiter nach Lehrbach bin ich aufs Raten angewiesen: Es könnten dann 3 bzw. 4 1/2 Batzen angefallen sein. Ich habe noch eine Portotabelle für Frankfurt von 1782:



Auf dieser Grundlage komme ich allerdings mit den vorderseitig notierten Porti ins Schleudern. Das Problem liegt darin, dass ab etwa 1790 unter dem Einfluss der Revolutionskriege mit Frankreich das Tarifsystem durch Verteuerungen ins Wanken gekommen sein könnte, teilweise aber nur regional.

Die restlichen Notationen kann ich nicht deuten.

Die Verbindung Freisings zu Lehrbach liegt vermutlich in der Person des Domherrn Damian Hugo Philipp von Lehrbach [1] begründet.

Viele Grüße
Dietmar

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Damian_Hugo_Philipp_von_Lehrbach
 
bignell Am: 17.04.2021 17:37:27 Gelesen: 179807# 698 @  
@ bayern klassisch [#696]

Hallo Ralph,

kein Thema, niemand kann alles kennen.

@ Erdinger [#697]

Hallo Dietmar,

vielen Dank, Deine Transkription ist super.

Bzgl der Taxen sieht es so aus als wären die Postbeamten ebenso unsicher gewesen, 4 1/2 durch 3 ersetzt, 3 gestrichen und durch 4 1/2 ersetzt. Das rechts oben könnte vielleicht sogar 20 1/2 bedeuten - entweder als Summe oder vielleicht hat man auch zuerst die rückseitig notierten 16 übersehen.

Liebe Grüße, harald
 
bayern klassisch Am: 19.04.2021 11:16:32 Gelesen: 179405# 699 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Bettelbrief eines Württembergers aus Oberndorf am Neckar, ein gewisser Büchsenmacher Ignaz Ade, der in München am 18.9.1851 dem Stadtschultheißen einen Portobrief (!) für 12 Kreuzer zusandte, indem er seine Krankheit und missliche, finanzielle Situation schilderte und um Unterstützung bat.



Ausweislich des Inhalts, eine der übelsten Sauklauen, die ich je gesehen habe, sandte man in Oberndorf dem Petenten 8 Gulden in 4 2Guldenscheinen zu, wobei dieser Brief dem späteren Wertbrief beigeschlossen war, denn unser Petent quittierte in ihm den Erhalt des Geldes. Hat man auch nicht alle Tage.

Postgeschichte: Württemberg wurde erst am 1.9.1851 Mitglied des DÖPV, so dass wir hier einen sehr frühen Brief vorliegen haben, der über 20 Meilen 9x Porto und 3x Zuschlag (gab es vorher noch nicht) = 12x kostete. Die Aufgabe erfolgte bei der bayer. Bahnpost am 19.9. durch Einwurf in den Briefschlitz des Bahnpostwagens. Der Halbkreisstempel, noch ganz frisch aussehend, zeigt im Sehnenkasten auch "MÜNCHEN" an.

Württemberg unterstrich in typischer Tinte die bayer. Forderung, damit man sie nicht übersah (und strich NICHT das Wort "Neckar", wie man fälschlicherweise auch meinen könnte).

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 12.05.2021 11:58:58 Gelesen: 175687# 700 @  
Liebe Freunde,

ein Brief von Martin Reichel aus Würzburg vom 11.6.1868 war an Firma Apian - Bennewitz in Leipzig adressiert, wofür die verklebten 3 Kreuzer ausreichten (bis 1 Loth). Aber er trug auch den Vermerk "Anhängend Muster". 1868 gab es die altbekannte Portomoderation des DÖPV schon lange nicht mehr, als je 2 Loth einfach kosteten, daher war der Vermerk für die Berechnung des Frankos nicht von Belang. Sehr wohl von Belang wäre aber gewesen, wenn der Brief ohne Muster in Leipzig eingetrudelt wäre, von daher machte er natürlich Sinn.



Nett ist in diesem Zusammenhang die Entwertung der Marke mit dem dafür nicht vorgesehenen Bahnposthalbkreisstempel der Linie 15 ohne Ortsangabe(n) im Sehnenkasten. Hierbei oblag nun der postalischen Besatzung eines Bahnpostwagens die Überprüfung, ob der Brief mit seinem Muster auch wirklich nur 1 Loth wog und ob das Muster tatsächlich auch eines ohne jeden kommerziellen Handelswert war.

Ich kann mir gut vorstellen, dass im Sommer 1866 in einem Abteil sitzend, in dem Helligkeit eher ein Fremdwort war, Wiegekünste nur im Stillstand Erfolg versprachen und Warenwertprüfungen nicht zu den Lieblingsübungen der Bahnpostler gehörten, die Annahme eines solchen Briefes nicht lustig, aber Pflicht war. Jedenfalls sind mir nicht viele Muster-ohne-Wert-Briefe mit Bahnpoststempeln bekannt, noch dazu, weil bei diesem die Entwertung mit dem offenen B.P. - Stempel hätte vorgenommen werden müssen - aber das wäre wohl zu viel des Guten gewesen.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 14.05.2021 16:57:34 Gelesen: 175273# 701 @  
Liebe Freunde,

ein portofreier Dienstbrief des k. b. Landgerichts Neu-Ulm vom 17.6.184? war zuerst gerichtet an das k. w. Oberamtsgericht zu Neresheim unter der Justiz-Nr. 2658. Der Inhalt mangelt und siegelseitig wurde er auch damals nur einmal geöffnet.



Eine andere Hand, wohl in Neresheim, änderte die Adresse in "Gerichtsnotariat Kirchheim" ab. Da man bekanntlich die Adresse nur dann mit Tinte abändern kann, wenn einem ein Brief ausgehändigt worden ist, den Postweg also verlassen hatte, hätte ich gedacht, dass er Zeichen dieses Vorgangs aufweisen müsste und zwar seitens eines Empfängers und seitens der neuen Aufgabepost - aber dem ist nicht so.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 14.05.2021 17:08:20 Gelesen: 175268# 702 @  
Liebe Freunde,

eine eierlegende Wollmilchsau kündigte sich an und hier ist sie, auch wenn sie total harmlos daher zu kommen scheint ...



Vom k. Landgerichte Wassertrüdingen schrieb man eine A.S. = Armen - Sache An den k. Advocaten Herrn Frobenius in Ansbach - und zwar am 12.6.1864.

Max II Joseph, der bayer. König, war am 10.3.1864 verstorben und eigentlich waren in Bayern alle amtliche Schreiben für die Dauer von 3 Monaten mit Trauerrand zu benutzen bzw. schwarz als Zeichen der Staatstrauer (die damals nicht angeordnet werden musste, weil die Leute ihren König liebten) zu siegeln.

Hier trauerte man noch ein wenig länger - wer könnte es den Wassertrüdingern verdenken?

Siegelseitig lese ich auch einen Insinuationsvermerk: "Ins. am zwölften Juny 1864 der K. Post auf der Eisenbahn, Unterschrift". Das hatte ich noch nie zuvor gelesen, dass man einen Dienstbrief bei der Eisenbahn insinuiren konnte/durfte/musste.

Hiermit passt der Brief in folgende Sammlungen bei mir: Bahnpost, Insinuationsvermerke, Besonderheiten bei Dienstbriefen (Trauerrand) und Armensachen. Jetzt darf ich es mir aussuchen, oder 3 gute Kopien anfertigen ...

In Ansbach kam er am selben Tag an und wurde ausgetragen. Verfasst wurde der Brief lt. Inhalt aber schon am 8.6.1864, was die Benutzung des Trauerrandbogens Papier wieder erklärlich macht.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.05.2021 12:54:33 Gelesen: 175128# 703 @  
Liebe Freunde,



9 Stoffmuster lagen in einem Brief der Augsburger Firma Caspar Kek & Sohn, der am 21.2.1842 an Firma Louis Marx nach Lambrecht bei Neustadt in der Pfalz unfrankiert aufgegeben worden war, wofür der Empfänger dann 16 Kreuzer Postporto und 3 Kreuzer für den Kantonsboten in der Pfalz = 19 Kreuzer total zahlen durfte. Doch wie errechneten sich diese 16 Kreuzer? 298 km entsprachen ca. 31 Meilen, somit fiel der Brief in die Rubrik über 30 bis 36 Meilen und kostete 14x einfach plus für die kostenpflichtige Leitung über Württemberg und Baden i. H. v. 2x total 16x Postporto. Bei der Leitung eines Briefes aus Unterfranken über Frankfurt am Main in die Pfalz wären diese Transitkosten entfallen.

Musterbriefe in die Pfalz sind nicht häufig, weil es kaum verarbeitendes Gewerbe in der eher landwirtschaftlich geprägten Pfalz gab, daher bin ich sehr froh über diesen patinösen Brief.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.05.2021 13:02:17 Gelesen: 175126# 704 @  
Liebe Freunde,

ein Brief aus Wunsiedel nach Creußen vom 3.12.1834 zeigt durch eine äußere und innere Versiegelung, dass tatsächlich ein Zuckermuster (Zucker war sehr teuer damals!) dem einfachen Brief angehängt worden war, wofür der Empfänger 5x zahlen durfte, damit er wußte, in welcher Qualität zu liefern war.



Bei einer Entfernung von 35 km = 4,7 Meilen (bis 6 Meilen) kostete ein einfacher Brief ohne alles 3 x (Kreuzer), ein solcher jedoch nur die Hälfte, also 1 1/2 Kreuzer. Er progressierte um 1/2x bis 1 Loth und danach je weiteres halbes Loth um je 1x, so dass er mit dem Muster zusammen über 2 bis 2 1/2 Loth gewogen haben musste.

5 Kreuzer Porti sind sehr selten - so schön mit blauem, frischen Fingerhutstempel wird man nicht mehr viele finden.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 17.05.2021 11:50:24 Gelesen: 174774# 705 @  
Liebe Freunde,

heute kann ich einen weiteren Brief aus Neustadt an der Haardt nach Lambrecht vom 7.10.1841 zeigen, der von der Post mit 2x taxiert wurde und der dann dem Kantonsboten für weitere 2x zum Bestellung übergeben wurde, so dass der Empfänger total 4x zu zahlen hatte.



Schön zu sehen, dass sowohl der Absender, Firma Dacqué, als auch die Postexpedition in Neustadt (Pfalz) sich beim selben Anbieter von Stempelkissen bedient hatten. Häufig sind solche Briefe nicht und wer einen erhaschen kann, sollte nicht zögern, auch wenn es mal ein Zehnerle teurer wird, als gedacht.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 02.06.2021 13:47:12 Gelesen: 171584# 706 @  
Liebe Freunde,



ein kleiner Postbetrug in Ehren kann man keiner Gögginger Firma verwehren - meinte wohl am 30.11.1874 die Zwirnerei & Nähfadenfabrik in Göggingen bei Augsburg, als sie ein großes Kuvert an Carl Bauer, einer Firma in Mannheim, zukommen ließ und mit 3 x (x = Kreuzer) für die 1. Gewichtsstufe korrekt frankierte.

Am Folgetag notierte der Empfänger hinten: Erhalten 1 Dezember 1874 Empfangsanzeigen für I. Bender Adolph Preis, so dass dem eigentlichen Kuvert 2 Schreiben für Mannheimer Kunden beilagen.

Aus dieser Korrespondenz kenne ich nur diese krummen Hunde und nicht einen einzigen Briefe ohne "Einlage", wie man das früher nannte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 13.06.2021 11:49:13 Gelesen: 169600# 707 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Brief aus Hof in Bayern, der am 27.4.1848 von der Firma Wilhelm Poh... an die Firma Heinrich Schmidt in Oelsnitz im Vogtlande gerichtet war und den Absender 6 Kreuzer kostete. Ich kaufte ihn, weil er die große Besonderheit "mit Briefen d(er)Herren Balz & Comp(agnie)" zeigt und Briefe mit Briefen sind ausnahmslos sehr selten.



Transkribiert man den Inhalt, klingt es für mich aber eher nach einer Kurzbeschreibung militärischer bzw. bürgerrechtlicher Umstände, daher will ich diese euch nicht vorenthalten (und ALLES aus dieser Zeit 1848-49 ist brieflich äußerst selten, weil das Land darnieder lag und man nicht wußte, wie es weitergehen könnte, bzw. ob es so weitergehen konnte):

"Werther Herr Schmidt !

Im Auftrage des Herrn Lienhardt soll ich bei Ihnen anfragen, wo Sie die Rechnung vom Herrn Küntzel in Schwarzenbach zugelegt haben, denn dieser war jetzt schon 2 mal da, und wollte sein Geld haben, konnte es aber noch nicht bekommen, da wir die Rechnung nirgends finden konnten. Sie werden wahrscheinlich in jetzger Zeit auch nicht viel zu thun haben, weswegen Sie recht bald einen Abstecher nach hier machen wollen.

Wir haben jetzt gar nicht viel zu thun, und Herr Prinzing würde Ihre Briefe längst beantwortet haben, wenn nicht das Frei Corps, bei dem Herr Prinzing als Junker ist, mit dem Exerciren fechten schießen etc so viel zu thun hätte.

Die Fahne des Frei Corps hat Gulden 100 - gekostet und ist mit Seide gestickt.

Indem ich Ihren Antwort recht bald entgegensehe, grpße ich Sie freundschaftlichst Wilhelm Pon....

Richter läßt Sie schön wohl grüßen"

Den Inhalt kannte ich beim Kauf nicht - umso mehr war ich erfreut, ihn kennen zu lernen, zumal auch die Probleme mit Inlagen von Briefen (hier: Rechnungen) erörtert wurden, was man zuvor nur ahnen konnte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 14.06.2021 10:50:37 Gelesen: 169575# 708 @  
Liebe Freunde,



eine optische Beule zeige ich heute und zwar ein Brief der Nr. 15 von Nürnberg der Firma Oscar Menningen nach Lüdenscheid vom 8.6.1868. Die Besonderheit wird sofort klar, wenn wir uns den rechten Zweikreisstempel betrachten, bei dem die Stundenangabe "2-3" weggelassen wurde. Nachdem das Versehen bemerkt wurde, stellte der Briefestempler in Nürnberg diese wieder ein und sorgte für einen 2., jetzt vollständigen Abdruck.

Zum Zustand von Marke und Brief (hinten blank!) sage ich besser nichts, denn mir ging es allein um den Stempel.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 14.06.2021 11:05:11 Gelesen: 169572# 709 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Lokal - Dienstbrief, portofrei als Regierungs-Sache, vom 11.1.1873, vom Bezirksamt Gerolzhofen an die Gemeindeverwaltung Rügshofen (2 km Entfernung nur).



Im Inhalt geht es um die Übermachung von 225 Gulden aus dem Armenfonds, kein kleiner Betrag also und die Erlaubnis der Gewährung als portofreien Dienstbrief. Dadurch passt er in meine Spezialsammlung "Armensachen", auch wenn äußerlich darauf wenig hindeutet.

Man sieht - innen (und hinten auch) ist es immer wichtig zu schauen, worum es sich handelt, wenn es um thematische Sammlungen geht.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.06.2021 12:13:28 Gelesen: 169546# 710 @  
Liebe Freunde,



heute zeige ich einen Brief aus Blieskastel vom 14.3.1841, der nach Lambrecht gerichtet war, welches fußläufig ca. 80 km entfernt lag, also nicht gerade vor der eigenen Haustür. Absender war die Firma Neuberger in Blieskastel, Empfänger Marx Louis. Zum Inhalt:

Den Herren J. Marx Louis

Ich bin noch nciht im Besitz des bestellten Tuchs da ich solches sehr nöthig habe so bitte ich nun durch Bringer dieses des Fuhrmann Braun zu senden 3 Sätze blaues Tuch vom Preis zu 1 Gulden 28 Kreuzer bis 2 Gulden 1 Kreuzer je Elle; sollten Sie diese Sorte nicht vorräthig haben so bitte ich Sie den Herrn Jacob Georg oder Jacob Wagner von 2brücken diesen Auftrag zu ertheilen. Bestens grüßt Sie - Neuberger. P.S. Diese 3 bestellten Tuche müßen in 3 Qualitäten sein.

Hier hat man offensichtlich einen Brief durch einen Dritten in Lambrecht besorgen lassen, ein klarer Verstoß gegen das Postregal - sonst hätte die Post hier 3 Kreuzer Porto an ihm verdient.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.06.2021 12:14:27 Gelesen: 169544# 711 @  
Liebe Freunde,



ein Brief von Neustadt an der Haardt (heute: Weinstraße) vom 1.11.1843 (6 Jahre später wäre mir lieber gewesen ...) an Herrn Bürgermeister Marx in St. Lambrecht für mit 3x frankiert aufgegeben, was auf ein Gewicht über 1/2 Loth bis 1 Loth schließen lässt und schwere Orts- bzw. Lokalbriefe aus der Pfalz über 1/2 Münchener Loth hatte ich zuvor nie gesehen. Dazu 1x für den konzessionierten Boten ergaben 4 Kreuzer total, also eigentlich ein Teilfrankobrief, denn die Post in Neustadt machte nichts mit dem Brief und wartete, bis der Bote vorbei kam, um ihn dann diesem mitzugeben. Auf den Aufgabestempel verzichtete man bei dem lukrativen Geschäft auch noch - fauler und effizienter geht es wohl kaum.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 15.06.2021 12:15:11 Gelesen: 169543# 712 @  
Liebe Freunde,

dass es auch anders ging, zeigt ein Brief von Jacob Laib (innen untereschrieb er mit Leib) an Peter Gumpf in Lamprecht mit dem Vermerk "franco" aus Neustadt vom 15.3.1841, der vom Absender zwar versiegelt worden war, aber die lokale Post und das amtliche und private Botenwesen völlig umging.



Ich zitiere den Inhalt: Herr Gumpf seyen Sie so guth und besorgen Sie mir 2 Ehle (deutsch: 2 Ellen) Königsblau Tuch wenn Sie ein rest bekommen können darf es etwaß mehr oder weniger seeyn, doch schönes gutes Tuch. Wer es bringt, dem gebe ich gleich das Geld mit was es kost Sie müßen es gleich dekatiren denn ich brauche es sehr nötig. Ich griese Sie höflichst Jacob Leib (die Ehle darf 2 Gulden 24x bis 36x kosten).

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 16.06.2021 13:38:09 Gelesen: 169520# 713 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Brief des Bank- und Handelshauses Dacqué in Neustadt an der Haardt an Bürgermeister Marx in St. Lambrecht, der zwar den Absenderstempel trägt, sonst aber nichts mit der Post zu tun hatte und sogar unter Umgehung von Kantons- bzw. konzessionierten Boten zugestellt wurde.



Warum erklärt uns der Inhalt:

"Neustadt a/H den 19. December 1844

Ich bin so frei Ihnen einliegend zwei Scheine zu behändigen, nämlich

Gulden 10 auf Franz Becker in Grevenhausen - Lumpensammler

Gulden 7 auf Step(han) Becker in Grevenhausen - Lumpensammler

wovon ich Sie ersuche, den Eingang zu meinen Gunsten besorgen zu wollen. Sie ersehen daraus daß diese bösen Zahler schon längst ihre Schuldigkeit entrichtet haben sollten, und wenn es Ihrer Autorität als Bürgermeister nicht gelingt die Zahlung zu erhalten, so möchte ich den Leuten Kosten machen. In einliegendem Schreiben an die Leute, sage ich, daß Sie die Beträge an Zahlungsstatt von mir erhalten hätten.

Entschuldigen Sie die Ihnen hierdurch entstehende Mühe und verfügen Sie dagegen über meine Ihnen gerne gewidmeten Dienste. Mein Ergebenes vom 2 October noch bestättigend, grüße ich Sie achtungsvoll!

ppa Dacqué - franco"

Ich denke, der Text bedarf keine weiteren Erklärung. Der Faltbrief war zweifach verschlossen - erst zum Lesen für den Bürgermeister Marx, dann mit eingeheftetem Inhalt, wie oben beschrieben. Selbstverständlich war dies eine Contravention, die mal die Brief- mal die Fahrpost betraf, wenn man den Wert der Schuldscheine in Betracht ziehen möchte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 20.06.2021 10:33:32 Gelesen: 169194# 714 @  
Liebe Freunde,

wenn man erfahrene Sammler fragt, was alles zu einer korrekten Anschrift auf unseren Briefen gehört, schaut man fast immer nur in fassungslose Augen.

Um diesem Missstand ein für alle Mal abzuhelfen, darf ich die Vorgaben hier vorgeben:

Vor- und Nachname

Stand des Empfängers

wenn bekannt Straße bzw. Behausung oder vorläufiger Wohnort

Ort (wenn unbekannt bzw. sehr klein mit Präzisierung "bei" oder "Landgerichtsbezirk XY").



Am 4.3.1864 sandte man einen Brief an "Herrn I. Stahl junior in Nürnberg" mit 3x frankiert ab, der auch am Folgetag dort ankam, aber dann mehrere Tage nicht an den Mann gebracht werden konnte. Letztlich gab man in Nürnberg auf, strich "Nürnberg" vorne und vermerkte "retour" und gab hinten als Grund an "Ohne Standesbezeichnung nicht zu ermitteln Einwohnerbureau". Darunter befindet sich ein kleiner Ovalstempel, den ich so noch nie gesehen habe mit dem Titel "Einwohner Bureau".

Der Brief war also vorübergehend zur Ermittlung der Anschrift dem heutigen Einwohnermeldeamt Nürnberg übermacht worden, aber auch diese konnten nicht feststellen, welche Person gemeint war und man gab ihn wohl am 8.3. der Hauptbriefpostexpedition zurück. Diese sandte ihn retour nach Neustadt an der Aisch, vo er am 9.3. ankam.

In Anbetracht der Tatsache, dass ich seit über 30 Jahren einen Brief gesucht habe, bei dem wegen des fehlenden Standes (also Uhrmacher, Küfer, Hufschmied usw.) ein Brief unanbringlich war, habe ich über den Markenschnitt großzügig hinwegsehen können, zumal ich mit einem Ovalstempel des Einwohnerbüros auch keinen weiteren kenne.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 20.06.2021 10:44:35 Gelesen: 169193# 715 @  
Liebe Freunde,

Peter Schickendanz aus Zweibrücken in der Pfalz sandte, wie wissen wir nicht, einen Brief geschäftlichen Inhalts am 13.81841 an den Bürgermeister Marx in Lambrecht in der Pfalz und versiegelte ihn trocken. Die Entfernung war zu Fuß knapp 60 km, so dass einer, der gut zu Fuß war, den ganzen Tag laufen musste, um den Brief abzugeben und dann wieder einen Tag zurück brauchte (ohne Pause!) - ein Spaziergang im wohl eher heißen August war das also nicht. Trotzdem wollte man sich 4 Kreuzer Franko/Porto sparen und umging die Post.





Durch den fehlenden "Frei" - Vermerk wußte der Empfänger auch nicht, ob er dem Boten etwas zu geben hatte, oder nicht. Entweder dergleichen war Routine, oder es war äußerlich schlampig initiiert worden - ich fürchte, wie werden es nie erfahren.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 02.07.2021 09:46:47 Gelesen: 167607# 716 @  
Liebe Freunde,

ein Dienstbrief des bayer. Stadtgerichts Bamberg vom 21.10.1865 war an das bayer. Landgericht Hofheim gerichtet. Bei portofreien Dienstbriefen war hier das Kürzel R.S. für Regierungs-Sache angebracht, bei allen anderen P.S. für Partei-Sache und somit waren jene portopflichtig, also entweder frankiert, oder mit Porto belegt.



Hier war man faul im Bamberg, weil man nicht die Absenderbehörde oben benannte, sondern einfach nur das Dienstsiegel vorne abschlug und auch R.S. bzw. P.S. wurde nicht notiert, nur die Expeditions-Nummer 104 und "Beilage". Die Aufgabepost taxierte ihn daher wie einen portopflichtigen Brief mit 12x über 1 bis 15 Loth mit 12x, wobei eine frankierte Aufgabe nur die Hälfte gekostet hätte.

Siegelseitig sehen wir den Ankunftsstempel von Hofheim selbigen Tages und den Insinuationsvermerk: Ins. den ein und zwanzigsten Oktober, Birzler.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 04.07.2021 09:05:46 Gelesen: 167354# 717 @  
Liebe Freunde,

heute zeige ich einen Brief mit Nr. 10 und Mühlradstempel der "Fürther Kreuzung", der ausweislich seiner Adresse "mit Briefen des Herrn Heinrich Bauer in Augsburg" verschickt wurde. Das Datum zu eruieren ist mangels Inhalt schwer, aber ich denke, dass der 6.1.1863-1865 richtig sein könnte. Der Empfänger Moritz Bauer erhielt also Briefe von Heinrich Bauer (Vater, Sohn?) und den eigentlichen Brief des Absenders



Sicher keine Schönheit, aber ich habe aus dieser Korrespondenz noch einen Brief und damit ist die Seite komplett.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 04.07.2021 09:12:42 Gelesen: 167353# 718 @  
Liebe Freunde,



ein simpler Portobrief aus Augsburg vom 28.8.1841 an Marx Louis in Lambrecht (Pfalz) wurde mit einem Porto von 16x taxiert (lustig: Im Text innen wurde mal 1840, mal 1841 geschrieben und das vorherige Jahr war Ende August ja doch ein bisserl lang vorbei - hätte man keinen datierbaren Stempel, könnte man aber auch 1840 unterstellen). Die Leitung erfolgte über Württemberg und Baden. In Neustadt an der Weinstraße angekommen, kamen noch weitere 3x für den Kantonsboten hinzu, so dass Marx Louis total 19x zu zahlen hatte.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 04.07.2021 09:38:41 Gelesen: 167348# 719 @  
Liebe Freunde,

der Anteil fehl- oder weitergeleiteter Drucksachen (DS) ist bei Bayern gering und über die Gründe hierfür mag spekuliert werden. Hier haben wir eine DS aus Offenbach an der Queich (bei Landau in der Pfalz) vom 1.3.1869 vor uns, die gerichtet war an "Löblicher Kgl. Oberförsterei in Forst bei Wernberg Oberpfalz & Regensburg".



Schon am 2.3. kam sie dort an, jedoch ergaben sich wohl Umstände, wie die Rückseite zeigt, denn nach diesem 2.3. sehen wir noch den Halbkreisstempel von Weiden 3.3. und Ambergs Zweizeiler ebenfalls vom 3.3.

Nun gab es mind. 20 Orte in Deutschland, die "Forst" hießen, darunter auch eines bei Landau, also ganz in der Nähe von Offenbach, daher brachte man die Ortspräzisierung sicher zurecht an, aber zustellen ließ sich die DS zuerst mal nicht. Später wurde "bei Wernberg" gestrichen und durch "Post Schnattenbach" ergänzt, wobei hier richtig zu schreiben gewesen wäre "Schnaittenbach", da etwas zwischen Amberg und Weiden liegt.

Welches Forst war es denn jetzt genau?

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 17.07.2021 23:46:00 Gelesen: 164984# 720 @  
Liebe Freunde,

manche Briefe kommen unscheinbar daher - und wären es auch, wenn man nicht die Taxe zurück auf das ehemalige Gewicht rechnen könnte. Das sollte man aber als Postgeschichtler tun, denn es lohnt sich.



Hier haben wir einen portopflichtigen Dienstbrief aus Ansbach vom 20.6.1840 an das Landgericht in Pleinfeld vor uns, der mit 39 Kreuzern Porto belegt wurde. Allein schon die Zahl "39" ist kaum je einmal als Taxe auf einem Brief zu sehen und wir werden bald erkennen, warum das so ist.

Prinzipiell war bei Briefen von Privaten 4 Loth das Limit bei der Briefpost - und wir haben hier noch die Briefpost vor uns. Wegen der Entfernung von unter 6 Meilen war es auch die 1. Entfernungsstufe in Bayern, für die ein einfacher 1/2löthiger Brief 3 Kr. kostete, aber in der 2. Gewichtsstufe bis 1 Loth (17,5g) waren es schon 4 1/2 Kreuzer, dann je halbes weiteres Loth 1 1/2 Kreuzer mehr.

Rechnet man jetzt weiter, um auf 39 Kreuzer zu kommen, müssen wir uns die 25. Gewichtsstufe vorstellen (also über 12 bis 12 1/2 Loth = 210 g bis 217,5g ) und können somit klar erkennen, dass diesem Brief Akten beigebunden sein mussten, weil man sonst nicht auf ein so hohes Gewicht kommt. Bei Dienstbriefen wir hier - egalo ob portofrei, oder portopflichtig - war das Maximum auf 560g = 1 Pfund für die Briefpost limitiert, aber ein so schweres Gerät habe ich noch nie gesehen.

Man wird wohl Tausende von Briefen der Vormarkenzeit sichten müssen, um wieder eine 25. Gewichtsstufe zu finden und diese hier sieht ja nicht gerade übel aus.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
bayern klassisch Am: 18.07.2021 00:02:02 Gelesen: 164983# 721 @  
Liebe Freunde,

Bayern kam mit den beiden Währungen der thurn und taxisschen Postgebiete nie zurecht - mal lag der Zielort im Kreuzergebiet, man hatte in Bayern aber in Silbergroschen taxiert, mal war es genau anders herum.



Bei diesem Brief aus Würzburg nach Kassel vom 24.5.1867 verklebte man eine 6x Marke, die wegen der Entfernung (über 20 Meilen) leider nicht ganz ausreichte, weil man dafür hätte 9x verkleben müssen.

Daher fehlten 3 Kreuzer für das Franko und es gab noch 3 Kreuzer Strafporto obendrauf, also 6 Kreuzer total, die allein der Aufgabepost zustanden.

Weil man in Bayern nicht wusste, dass Kassel zum Groschenbezirk von Taxis zählte, notierte man 6 Kreuzer, statt 2 Silbergroschen, die der Empfänger zu zahlen hatte. Aber bei der Leitung über Frankfurt am Main erkannte man die falsche Währung und notierte 7 Kreuzer, dann korrekt 2 Silbergroschen, die paritätisch 7x entsprachen, postalisch waren sie nur mit 6x anzurechnen. Aber Taxis war clever - sie kassierten vom Empfänger einen Tag später 2 Sgr., gaben an Bayern aber nur 6x weiter und durch diesen Zwischenschritt blieb rechnerisch/haushalterisch 1/4 Sgr. in der Portokasse des Fürsten und Bayern war trotzdem zufrieden.

Ab 1.7.1867 übernahm ja als Folge des Krieges von 1866 Preussen die taxische Lehenspost und Preussen rechnete intern nur in Silbergroschen ab, auch wenn sie ab 1.7.1867 schweren Herzens Marken in Kreuzerwährung emittieren mussten.

Es wäre interessant zu sehen, wie ein unterfrankierter Bayernbrief in den Kreuzerbezirk Preussens in diesem halben Jahr taxiert wurde. Leider habe ich da keinen, obwohl ich sonst mit unterfrankierten Briefen gesegnet bin.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 

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