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Thema: Kulturgutschutzgesetz: Für den Erhalt des privaten Sammelns
Ursula Kampmann Am: 23.07.2015 12:07:48 Gelesen: 43005# 1 @  
Petition für den Erhalt des privaten Sammelns

Die Novellierung des deutschen Kulturgutschutzrechts bedroht mit ihren Regelungen das Sammeln von jeder Form von Kulturgut. Betroffen sind alle, auch die Händler und Sammler von Briefmarken. So wie der Gesetzesentwurf jetzt vorliegt, muss ein Sammler in einem Streitfall für alle Briefmarken, deren Wert über 2.500 Euro beträgt, nachweisen können, wo diese sich 20 Jahre lang aufgehalten haben. Nehmen wir ein konkretes, wenn auch hypothetisches Beispiel: In der kroatischen Regierung ärgert sich ein Beamter darüber, dass in einer Auktion teure Briefmarken aus Zara angeboten werden. Er kann nun einen Antrag stellen, dass diese dem kroatischen Staat zurückerstattet werden müssen. Für diesen Antrag braucht es eine konkrete Beschreibung der Briefmarke (leicht zu machen mit dem richtigen Katalog), eine Versicherung, dass es sich um nationales Kulturgut handle, und eine Versicherung, dass das Stück gestohlen sei. Beweise sind im Gesetz nicht vorgesehen. Wer behaupten möchte, dass Beamte im Ausland dies nicht machen, dem muss ich leider sagen, dass wir in den vergangenen Jahren genug Beispiele für so ein Handeln hatten. Nun kommt die Anfrage an Deutschland, und der Sammler muss gerichtlich klären, ob er für 20 Jahre weiß, wo sich das Stück aufgehalten hat. Wenn er das nicht weiß, droht die entschädigungslose Enteignung sowie natürlich die Kosten des Gerichtsverfahrens. Der Händler, der das Stück in seiner Auktion hatte, kann dann wegen Verletzung der Sorgfaltspflichten zu bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt werden.

Wollen wir wirklich so ein Gesetz?

Dass dazu Sammlungen zu Spezialgebieten als nationales Kulturerbe auf behördliche Initiative eingetragen werden können, so dass die Sammlung als Ganzes bewahrt werden und im Inland verkauft werden muss, ist ebenfalls nicht wünschenswert. Ganz zu schweigen von den Dokumentationspflichten des Sammlers, der kostenlos der zuständigen Behörde eine detaillierte Beschreibung sowie adäquate Fotographien liefern muss.

Das Gesetz enthält noch viele weitere Kritikpunkte, die Im- und Export von Kulturgütern aus Deutschland erheblich erschweren werden. Deshalb unterstützen Sie bitte meine Petition. Sie können mit Ihrem Namen oder anonym unterzeichnen. Der Datenschutz ist gewährleistet.

https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-des-privaten-sammelns

Bitte helfen Sie, die Petition weiter zu verbreiten. Informieren Sie Ihre Sammlerfreunde! Wenn das Gesetz so in Kraft tritt, wie der Entwurf es vorsieht, wird nicht nur das private Sammeln so eingeschränkt sein, dass es keine Freude mehr macht, es werden auch alle Stücke, die keine lückenlose Provenienz haben, über die Jahre entscheidend an Wert verlieren.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre Ursula Kampmann
 
drmoeller_neuss Am: 23.07.2015 14:28:47 Gelesen: 42942# 2 @  
Die geplante Novelle definiert, was als "national wertvolles Kulturgut" zu definieren ist. Briefmarken und Briefmarkensammlungen gehören definitiv nicht dazu. Ganzsachen können in Einzelfällen darunter fallen, wenn sie zum Beispiel aus Korrespondenzen oder Archiven stammen. Die blaue Mauritius, sicher das wertvollste Stück aus dem Museum für Post und Telekommunikation in Berlin, habe ich in der Liste der geschützten Kulturgüter nicht gefunden.

http://www.kulturgutschutz-deutschland.de/

Die wesentliche Neuerung ist, dass auch zeitgenössische Kunst erfasst wird, und für die Ausfuhr in den EU-Binnenmarkt die gleichen Regeln zur Genehmigung gelten, wie sie bislang in Deutschland nur für einen Export in aussereuropäische Länder gelten. Deutschland setzt endlich eine EU-Richtlinie und eine Vorgabe der UNESCO um. In den meisten anderen EU-Ländern sind solche Gesetze bereits seit Jahren in Kraft, ohne dass der Auktionshandel zusammengebrochen ist.

Es ist allerdings Tatsache, dass zukünftig der Handel mit Kunstgüter aus "dubioser" Herkunft, zum Beispiel aus dem Nahen Osten, schwieriger sein wird. Die rechtmäßige Ausfuhr muss zukünftig nachgewiesen werden. Wir profitieren übrigens auch davon, wenn Kunstgüter aus deutschen Museen gestohlen werden.

Ja, die Novellierung des Kulturgutschutzrechts bedroht mit ihren Regelungen das Sammeln von antiker Raubkunst. Raubgräber werden es zukünftig schwerer haben, da ihre Kunden in Deutschland nicht mehr ungeschoren davon kommen. Kulturgüter gehören in die Länder, aus denen sie stammen, und nicht an die Orte mit den dicksten Portemonnaies.

Und bei Kunst ist von einer Grenze von 300.000 EUR pro Werk die Rede, ab der das Ausfuhrverbot greifen kann. Natürlich schränkt das neue Gesetz den Handel mit wertvollen Kunstwerken ein. Das betrifft aber nur die Spitzenwerke, die man besser in öffentlichen Museen als in privaten Wohnzimmern sehen möchte. Omas "röhrender Hirsch" kann weiterhin auf ebay auch nach Amerika verkauft werden.

http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/kulturgutschutzgesetz-worum-geht-es-bei-kritik-von-richter-a-1043753.html

http://www.kulturgutschutz-deutschland.de/

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/07/2015-07-15-statement-novelle-kulturgutschutzgesetz.html
 
Schwämmchen² Am: 23.07.2015 15:54:53 Gelesen: 42906# 3 @  
In China wurde das bereits umgesetzt. Briefmarken vor 1950 dürfen nicht mehr ausgeführt werden.

Wer sich damit an der Grenze erwischen lässt drohen empfindliche Strafen (ca. 15 Jahre Lagerhaft) und Beschlagnahme der Marken.
 
petzlaff Am: 23.07.2015 16:12:12 Gelesen: 42889# 4 @  
@ Ursula Kampmann [#11]

Liebe Uschi,

ich habe spontan unterschrieben - du weißt ja, dass ich mich seit Jahren auch dem Münzsammeln verschrieben habe, für das diese Petition eher als für Briefmarken relevant ist.

Ich habe vor Jahren bezüglich desselben Themas einen offenen Brief an den damaligen Niedersächsischen Ministerpräsidenten, späteren Bundespräsidenten Christian Wulff geschrieben, mit der Aufforderung, dem bezogenen Gesetz im Bundesrat die Zustimmung zu verweigern. Die darauf folgende negative Abfuhr hatte ich seinerzeit im Numismatikforum veröffentlicht.

Gruß und Danke, Stefan
 
mljpk Am: 23.07.2015 17:31:11 Gelesen: 42859# 5 @  
Liebe Sammlerfreunde,

bevor ich mich auf Zusammenfassungen in Zweiquellen stütze, würde ich zur Meinungsbildung den aktuellen Referentenentwurf gerne selber lesen. Nur, ich finde ihn nicht. Habt Ihr einen Link zur letzten Fassung? Auf der Seite der Bundesregierung heißt es in einer Richtigstellung vom 10.07.2015, dass der Entwurf in der nächsten Woche auf der Seite der Kulturstaatsministerin Grütters veröffentlicht wird [1]. Nur finde ich den Entwurf dort heute noch nicht. Habe ich nur Tomaten auf den Augen? Bin für jeden Hinweis direkt auf die Quelle dankbar.

Mit besten Sammlergrüßen
Jens

[1] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/07/2015-07-10-richtigstellung-kgsg-die_welt.html
 
22028 Am: 23.07.2015 18:53:22 Gelesen: 42815# 6 @  
Ich habe auch schon vor einigen Tagen unterschrieben, man weiß ja nie.
 
Rore Am: 23.07.2015 19:09:42 Gelesen: 42796# 7 @  
Habe fertig.
 
Cantus Am: 23.07.2015 23:20:23 Gelesen: 42715# 8 @  
Ich habe auch unterschrieben, denn man weiß ja nie, wie so ein Gesetz zukünftig tatsächlich gehandhabt wird. Natürlich sollte dem Handel mit Raubkunst und Ähnlichem ein spürbarer Riegel vorgeschoben werden, andererseits gibt es in Ländern wie z.B. Österreich oder Polen heute schon einen starken und amtlicherseits geduldeten oder sogar geförderten Missbrauch solch einer gesetzlichen Regelung, denn dort entscheidet der gerade zufällig zuständige Grenzbeamte im Einzelfall, was er als Kulturgut definiert und daher unmittelbar einziehen darf. So etwas verträgt sich mit meinem Freiheitsgedanken nicht.

Viele Grüße
Ingo
 
0nickyet Am: 24.07.2015 07:40:29 Gelesen: 42669# 9 @  
Guten Morgen,

der Referentenentwurf der Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes bringt eine Beweislastumkehr für Güter mit einem Wert von mehr als 150.000 EUR und einem Alter von mehr als 50 Jahren ins Spiel. In diesen Fällen könnte in Zukunft eine Ausfuhrgenehmigung fällig werden, und zwar auch innerhalb der EU. Bislang ist es so, dass ein Kulturgut auf einer Liste verzeichnet sein muss, damit die Ausfuhrbeschränkung greift. Diese ist nicht nur schwierig zu handhaben - man stelle sich ein jüngst ausgegrabenes Gut der römischen Antike und den bürokratischen Prozess bis zur Aufnahme in die Liste vor, sowie die Gefahr durch die kapitalstarke Sammelwut eines "Investors" - sondern entspricht auch nicht der Auslegung europäischer Verträge.

Da es sich um einen Referentenentwurf handelt - also eine Idee, die noch innerhalb des Bundeskabinetts diskutiert werden muss, bevor sie überhaupt den Bundestagsfraktionen zur Umsetzung in einen Gesetzentwurf übergeben wird - ist er öffentlich überhaupt nicht verfügbar. Alles, was es gibt, sind offizielle Äußerungen der Ministerin, wie etwa hier [1].

Generell sollte betont werden, dass es hierbei um die Zielsetzung geht, öffentliches Kulturgut vor dem Verschwinden in private Sammlungen zu bewahren, und es damit für die demokratische Öffentlichkeit zugänglich zu halten. Briefmarken und Münzen würden zum "öffentlichen Kulturgut" überhaupt erst, wenn jemand seine Sammlung stiftet (z.B. einem Museum vermacht) oder ein übergeordnetes Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit ausgemacht wird. Privatbesitz kann nicht beliebig in öffentliches Kulturgut umgewandelt werden, hier stehen Rechte gemäß Art. 14 Abs.1 Grundgesetz gegen Art. 73 Abs. 5a Grundgesetz.

Es ist ja gut, wenn öffentliche Wachsamkeit hinsichtlich geplanter Gesetze herrscht. Einfluss auf eine solche Diskussion erhält man aber nur, wenn man ernsthaft und sachlich diskutiert, und geeignete Verfahren wählt. Wenn ein bedenklicher Gesetzentwurf vorliegt, kann es sich lohnen, die eigenen Argumente den zuständigen Bundestagsabgeordneten zukommen zu lassen, oder durch Leserbriefe eine öffentliche Diskussion anzuregen. Vorher gibt es gar keinen Text, an dem zu debattieren wäre - weshalb auch jede/r alles behaupten kann ("Betroffen sind alle, die sich auf traditionelle Sammelgebiete wie zum Beispiel Bücher, Briefmarken, Möbel, Keramik, Münzen, Oldtimer oder Bilder spezialisiert haben" - dieser Satz des Dokuments ist "phantasievoll").

Zudem erlaube ich mir den Hinweis, dass es sich bei "openPetition" um nichts weiter als eine digitale Unterschriftenliste handelt, deren Verwendung des Begriffs "Petition" mindestens irreführend ist. Man kann dort auch gegen die Farbe des Gartenzauns seines Nachbarn protestieren, und dafür Unterschriften aus Uruguay und den Philippinen sammeln.

Mit sommerlöchrigen Grüßen
Jürgen

[1] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/07/2015-07-15-statement-novelle-kulturgutschutzgesetz.html
 
ligneN Am: 24.07.2015 15:21:49 Gelesen: 42570# 10 @  
@ 0nickyet [#9]

Moin,

der Beitrag bringt es auf den Punkt.

Deutschland ist neben der Schweiz das schwarze Loch für Münz- und Kunsthändler/Raubgräber weltweit.

Man sollte es sich schon sehr gut überlegen, mit wem man da ins Solidarboot steigt.
 
bayern klassisch Am: 26.07.2015 16:19:08 Gelesen: 42431# 11 @  
Petition für das private Sammeln

Liebe Freunde,

unsere Politiker planen wieder mal einen Akt der stufenweisen Enteignung - diesmal sind die Sammler dran. Vor allem die Beweislastumkehr ist ein starkes Stück - ich habe schon unterschrieben und bitte jeden Sammler, gegen diesen Wahnsinn aus Politikerhirnen durch seine Teilnahme vorzugehen.

https://www.openpetition.de/petition/online/fuer-den-erhalt-des-privaten-sammelns

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
KaraBenNemsi Am: 26.07.2015 16:35:08 Gelesen: 42417# 12 @  
Hallo,

siehe hier: [Link auf dieses Thema, die Redaktion]

Wobei auch ich zu denen gehöre, die erst einmal selbst den Gesetzentwurf sehen wollen, bevor sie irgendwo unterschreiben.

Grüße

KaraBenNemsi
 
bayern klassisch Am: 26.07.2015 16:40:01 Gelesen: 42414# 13 @  
@ KaraBenNemsi [#12]

Hallo,

vielen Dank für den Hinweis - hatte ich glatt übersehen; hier im Forum geht es so schnell mit den Threads und Beiträgen, dass man kaum noch mitkommt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
stampmix Am: 26.07.2015 17:05:50 Gelesen: 42397# 14 @  
@ bayern klassisch [#11] und [#13],

Hallo bayern klassisch,

nicht immer befindet sich zwischen zwei Ohren biologische Masse, die den Strukturen eines Organes gerecht wird.

offtopic: Das Problem ist die zunehmend ausufernde und unkontrollierte Bürokratie in Kombination mit den neu gewonnenen Informations- und Überwachungsmöglichkeiten. Ich darf hier einen alten Bundespräsidenten sinngemäß zitieren: Sinnlose und unsinnige Gesetze gab es früher auch, nur sind die einfach in den Aktenschränken verschwunden ohne weiteren Schaden anzurichten. Heute reicht eine online-Recherche in Kombination mit einer noch immer vorhandenen Obrigkeitsmentalität - und du hast ein Problem.

mit bestem Gruß
stampmix

[Beiträge [#11] bis [#14] redaktionell in das Hauptthema verschoben]
 
Francysk Skaryna Am: 03.08.2015 13:32:32 Gelesen: 42199# 15 @  
Moin,

zu diesem Thema an dieser Stelle vielleicht einmal zwei Verweise zu weiterführenden Artikeln aus der Presse.

Den internationalen Kulturgüterschutz sieht Frank Walter Steinmeier als einen politischen Auftrag. Sein Gastbeitrag stand in der F.A.Z. [1]

Monika Grütters, Staatsministerin für Kultur und, Medien erläutert in einem Gespräch, ob der Vorwurf zuträfe, dass das neue Kulturgütergesetz zu einer Enteignung der Sammler führen könnte. [2]

Der in Rede stehende Provenienznachweis könnte für den einen oder anderen ein echtes Problem darstellen. Wer die Rechnungen für seine Belege und Marken aus den letzten Jahrzehnten aufgehoben hat - was ja weder verpflichtend war und auch nicht ist - wird sich in diesem Punkt mit der neuen Regelung schwer tun, die geforderten Nachweise zu erbringen. Das trifft natürlich in besonderm Maße auf Nachlässe zu, die von den Erben veräußert werden sollen. Der Gesetzesentwurf ist in diesem Punkt auch recht schwammig, wie dieser Nachweis denn aussehen soll. Neben einem einen zu niedrigen Preis listet der Entwurf auch Barzahlung, Kauf von Privat ohne Hinzuzug eines Fachmannes als Hinweise bereits als Verdachtsmomente für einen unlauteren Handel auf. Hier kann eine unpräziese Formulierung selbsternannten Experten Tür und Tor öffnen, Sammler wie auch Händler zu diskriminieren oder gar zu kriminalisieren.

Ferner ist der Handel nach dem aktuellen Stand der Dinge für das gewerbliche in Verkehr bringen zu einer Dokumentation mit Foto sowie einer Provenienzforschung angehalten. Wie soll und wie kann er das erbringen. Dieser Punkt bietet auch eine schöne Spielwiese, entweder die Ankaufspreise zu drücken oder für diesen Dienst Gebühren aufzuschlagen. Betroffen sind hiervon also im wesentlichen Einlieferer und Verkäufer. Prinzipiell ist diese Regelung auch geeignet, Fundunterschlagungen zu fördern.

Gruss

[1] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/debatten/frank-walter-steinmeier-über-kulturgüter-13592803.html
[2] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/monika-grütters-im-interview-zum-kulturschutzgut-gesetz-13688258.html
 
Francysk Skaryna Am: 04.08.2015 17:06:24 Gelesen: 42037# 16 @  
Moin,

mittlerweile gibt es von der Bundesregierung eine Pressemitteilung zur anstehenden Novellierung des Kulturschutzgesetzes. [1]

Inhaltlich geht es dabei darum, illegal ausgeführtes Kulturgut anderer Staaten an diese zurückzugeben und um eine Abwanderung deutschen Kulturgutes zu verhindern. An diesem Punkt wird dann dann wohl auch der Zoll (neben weiteren Behörden) in der späteren Praxis als Vollzogsorgan beteiligt sein. Gepland ist eine Regelung, die Einzeleintragungen öffentlicher Sammlungen in die Verzeichnisse national wertvollen Kulturgutes der Länder nicht mehr erforderlich macht, da diese dann per Gesetz geschützt sind.

Umgesetzt wird dabei eine Unesco - Konvention so wie eine EU-Richtlinie vom Mai 2014 zum Kulturgutschutz. Auch die Länder fordern wohl schon seit Jahren einen Verbesseten Schutz vor Kulturgutabwanderung.

Bislang ist nicht ausdrücklich geregelt, was national wertvolles Kulturgut ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann Kulturgut jederzeit als national wertvoll eingestuft werden. Die jetzt anstehende Konkretisierung soll auf den Erfahrungen der bisherigen Einstufungspraxis aufbauen. Hier soll es eine präziese Definition im Rahmen einer Rechtsverordnung geben. Eingeführt werden dabei Alter- wie auch Wertgrenzen. Diese Grenzen liegen bei 50 Jahren und 150.000 Euro. Soweit die Schwellenwerte erreicht sind - und das ist ein Kritikpunkt an der Novellierung - soll nun auch bei der Verbringung ins EU - Ausland eine Exportlizenz erforderlich werden. Diese ist bislang erst bei der Verbringung in Drittstaaten außerhalb der EU erforderlich. Insgesamt werden mit der Reform die Eingriffsmöglichkeiten des Staates bei der Ausfuhr von Kunstwerken aus Deutschland drastisch erweitert, da nun in jedem Fall eine Exportlizenz erforderlich sein wird. Das ist aber auch einer der Kritikpunkte an dieser Novellierung [2]:

Laut Referentenentwurf der Kulturstaatsministerin soll gewährleistet werden, dass Kulturgut, das den Länderbehörden bisher nicht bekannt ist, vor der Ausfuhr als national wertvoll eingetragen werden kann und nicht teuer aus dem Ausland mit Steuermitteln zurückgekauft werden muss. Diesen Wortlaut kann man natürlich auch als eine Art Vorkaufsrecht interpretieren, wenn dabei die Preise künstlich unter Marktniveau gedrückt werden. Das wäre dann eine Art der Enteignung, die ja schon als Vorwurf eingebracht wurde. Andere Optionen als die Abgabe an die Behörden bleiben ja faktisch nicht.

Naturgemäß unterstütz der Fachverband für das deutsche Archivwesens die geplante Änderung des Kulturgutschutzgesetzes und weist die unsachliche Kontroverse um die Novellierung des Kulturgutschutzgesetzes zurück. [3]

Der Bundesverband Deutscher Gallerien und Kunsthändler sieht auch Museen als Leidtragende dieser Novellierung an, da diese auf Leihgaben aus privaten Sammlungen angewiesen seien. [4]

Kulturstaatsministerin Grütters äußerte sich bereits 2013 zu Medienberichten bezüglich der Novellierung des Kulturgutschutzes durch die Bundesregierung [5]

Ebenfalls aus 2013 stammt der Bericht der Bundesregierung zum Kulturgutschutz in Deutschland [6]

Gruss

[1] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Artikel/2015/07/2015-07-15-statement-novelle-kulturgutschutzgesetz.html
[2] http://www.lto.de/recht/hintergründe/h/kunst-kulturgutschutzgesetz-export-handel-kulturgüter/
[3] http://www.siwiarchiv.de/?p=10097
[4] http://www.bvdg.de/BVDG_aktuell_Kulturgutschutznovelle
[5] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Pressemitteilungen/BPA/2015/02/2015-02-23-bkm-novellierung-kulturgutschutz.html
[6] http://www.bundesregierung.de/Content/Infomaterial/BPA/BKM/2013-08-12--bericht-kulturgutschutz.pdf?__blob=publicationFile&v=7
 
0nickyet Am: 11.09.2015 06:53:26 Gelesen: 41530# 17 @  
Herzlichen Glückwunsch an alle namenlosen und namentlich genannten Unterstützer der Kampagne, die von der Initiatorin in ihrer eigenen Zeitschrift nun als Staatsgegner bezeichnet werden. Ich zitiere aus der "MünzenWoche" vom 20. August 2015: "Darin drückt sich das tiefe Misstrauen aus, das Sammler inzwischen gegenüber dem Staat entwickelt haben." [1] Diesen Satz bezieht die Initiatorin auf jene, die ihre Kampagne ohne Nennung des Namens unterzeichnet haben. Aus einer Vorsichtsmaßnahme zur eigenen Privatsphäre macht die Frau also eine politische Grundhaltung.

Um das mal ganz klar zu sagen: Hier werden Briefmarken- und Münzsammler, Philatelisten und Numismatiker für die politischen Ziele einer Einzelperson eingespannt. Trau schau wem.

[1] http://www.muenzenwoche.de/de/News/4?&id=3597&utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=M%C3%BCnzenWoche+20.08.2015&newsletter=M%C3%BCnzenWoche+20.08.2015
 
Francysk Skaryna Am: 11.09.2015 09:15:09 Gelesen: 41491# 18 @  
Moin,

@ Cantus[#8]

... man weiß ja nie, wie so ein Gesetz zukünftig tatsächlich gehandhabt wird.

@ bayern klassisch [#11]

unsere Politiker planen wieder mal einen Akt der stufenweisen Enteignung - diesmal sind die Sammler dran.

Natürlich ist es eine Form der Enteignung, wenn Leihgaben nach fünf Jahren automatisch Nationales Kulturgut werden. [1] Das setzt alle alters- und Wertregelungen außer Kraft und schließt alles ein, was einem Museum zu Ausstellungszwecken zur Verfügung gestellt wird. Somit fällt faktisch auch eine kleine Heimatsammlung mit Briefmarken und Postkarten unter diese Regelung. Man ist nach dieser Zeit nicht mehr Herr seiner eigenen Sammlung. Wie diese Regelung klamme Komunen handhaben werden, kann man sich schon jetzt lebhaft vorstellen. Ob das dem Schutz des Kulturgutes dient oder man das Kind mit dem Bade auskippt, kann wohl jeder selbst entscheiden.

Gruss

[1] http://www.mdr.de/nachrichten/beckmann-bilder100.html
 
angim Am: 11.09.2015 17:09:20 Gelesen: 41428# 19 @  
Es ist nicht mehr von der Hand zu weisen: Der Staat ist klamm.

Wer sich einmal neue Ausweise ausstellen lassen muss und dann die dafür erhobenen Gebühren dafür ansieht, der weiß, wovon ich rede.

Für mich sehen diese neuen Gesetzesentwürfe nach "Kommerzieller Devisenbeschaffung" aus.

Natürlich habe ich allervollstes Verständnis dafür, wenn in einem neuen Gesetz den internationalen Raubgräbern das Handwerk erschwert werden soll.

Jahrzehntelang hat die Deutsche Post und ihre Vorläuferorganisation für breite Massen der Bevölkerung dafür Werbung gemacht, daß der Kauf ihrer Produkte wertsteigernd wäre. Sozusagen ein Milliardengrab.

Jetzt auf einmal sollen die Briefmarkensammler an den Rand der Kriminalität gedrängt werden?!

Das erinnert mich an rotchinesische Verhältnisse.

angim
 
Richard Am: 16.09.2015 09:36:41 Gelesen: 41244# 20 @  
Referentenentwurf zum Kulturgutschutzabkommen nun veröffentlicht

wm (15.9.2015) - Zwar dauerte es nahezu zwei Monate länger als geplant, aber seit dem 14. September 2015 liegt der angekündigte Referentenentwurf des Kulturstaatsministeriums öffentlich zur Einsicht bereit. 148 Seiten Umfang, in denen jeweils die Änderungen zu dem bereits seit 1954 bestehenden Gesetz farblich hervorgehoben sind.

Aus gut informierten Kreisen verlautete, dass die erhebliche Verzögerung in erster Linie eine Folge der massiven Proteste sich betroffen fühlender Kreise war, deren Kritik sich landesweit in Medien aller Art niedergeschlagen hatte. Offenbar bestand doch Korrekturbedarf, so dass auch seitens des verantwortlichen Ministeriums von Staatsministerin Monika Grütters weit mehr an Aufwand und Zeit zu investieren war, um berechtigten Forderungen nachzukommen. Ob damit alle Vorstellungen erfüllt sind und der nunmehr vorgelegte Text für alle Interessensvertreter akzeptabel ist, ist eine ganz andere Frage, auf die Kenner und Experten sicherlich in der kommenden Zeit ihre individuelle Antwort geben werden.

Der Entwurf, der nun die parlamentarischen Beratungen in den Gremien durchläuft, ist eine Gesetzesvorlage, die unter

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-09-15-kgsg-entwurf-online.html;jsessionid=C376D616DBF5E9821826E22591FE8FDA.s1t1?nn=811092

herunterzuladen ist. Wenn man z. B. bei Google einfach die Suchworte „Kulturgutschutz Referentenentwurf“ eingibt, wird die Seite der Bundesregierung als erste angezeigt.
 
mausbach1 (RIP) Am: 16.09.2015 10:09:53 Gelesen: 41221# 21 @  
@ Richard [#20]

Bitte beachten, dat dat Ding 150 Seiten hat.
 
Francysk Skaryna Am: 16.09.2015 11:49:55 Gelesen: 41191# 22 @  
Moin,

@ Richard [#20]

massiven Proteste sich betroffen fühlender Kreise

Das läßt natürlich auch eine Rückschluß auf die im Vorfeld geführten Abstimmungen mit den Beteiligten - kurz die Art der Kommunikation - zu. Bei so viel Kritik bleibt der Eindruck, dass man da fern der Realtät etwas dahinschmeißen wollte. Wirkte etwas unausgegoren.

Dem alternativlosen Entwurf (Seite 5) zu Folge ist nach Begriffsbestimmungen in § 2 Kulturgut im Sinne dieses Gesetzes archäologisches Kulturgut so wie Kulturgut, das ausgegraben oder gefunden worden ist oder bei dem aufgrund der Gesamtumstände zu vermuten ist, dass es aus Grabungen stammt oder es sich um archäologische Funde handelt. Nach Punkt 9 ist auch jede bewegliche Sache oder Sachgesamtheit von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert oder aus anderen Bereichen des kulturellen Erbes, insbesondere von paläontologischem, ethnographischem, numismatischem oder wissenschaftlichem Wert Kulturgut. Jede Einrichtung im Bundesgebiet, deren Hauptzweck die Bewahrung und Erhaltung von Kulturgut und die Sicherung des Zugangs der Öffentlichkeit zu diesem Kulturgut ist (Museen, Bibliotheken, Archive etc.), ist nach Punkt 10 eine Kulturgut bewahrende Einrichtung.

Das ist alles recht weit gefaßt und hier ist die Frau Ministerin von ihrem Grundsatz, dass das Gesetz auch weit zu fassen sein, nicht abgewichen. Dass die Numismatiker weit mehr als die Philatelisten betroffen sein würden war abzusehen. Aber die Begriffe Sammlung, Fundsache, geschichtlicher Wert sind natürlich interpretierbar. Und es ist absehbar, dass eine Kulturgut bewahrende Einrichtung auch ausreichend ernst genommen werden will. Wer wird dies mit Leben füllen?

@ mausbach1 [#21]

Bitte beachten, dat dat Ding 150 Seiten hat.

Das hatte Richard auch geschrieben. Du meinst vielleicht den Umfang von 1.56 MB Dateigröße?

Gruss
 
mausbach1 (RIP) Am: 16.09.2015 11:53:36 Gelesen: 41187# 23 @  
@ Francysk Skaryna [#22]

Überlesen. :-(
 
Francysk Skaryna Am: 17.09.2015 14:46:23 Gelesen: 41096# 24 @  
Moin,

wie das Handelsblatt meldet [1], sehen Museumsdirektoren im geplanten Kulturschutzgesetz eine Chance für ihre Häuser. Das ist nachvollziehbar wenn man im Hinterkopf hat, dass sie bei Auktionen oft gegen private Bieter nur all zu oft das nachsehen haben.

Interessant an der Opt-out-Möglichkeit ist, dass der Schutz auch für so genannten Dauerleihgaben gilt. Zwar können Eigentümer der Leihgaben von diesem Schutzangebot Gebrauch machen, müssen es aber nicht! Der Umstand, dass weder Sammler noch Künstler befürchten nüssen, dass sie die Verfügungshoheit über ihre Werke verlieren, weil sie sich als Dauerleihgabe in einer öffentlichen Sammlung befinden, eröffnet dann aber ganz andere Aspekte:

Jeder Sammler kann vertraglich festhalten lassen, dass er seine Leihgabe einem Museum nur für einen bestimmten Zeitraum überläßt. Ein Schelm, der dabei denkt, jemand wolle sich nur die Erbschaftssteuer sparen! Ein Sammler könnte nun eine Leihgabe theoretisch auch nur für einen ganz bestimmten Zeitraum unter Schutz stellen lassen und diese danach anschließend - nach Ablauf der Frist - gewinnbringend verkaufen.

Das ist sicher nicht im Sinne der Regelung - läuft dem eigentlichen Schutzgedanke sogar grob zuwider - und ist mit anderen Ressorts (-> Finanzen) sehr wahrscheinlich nicht abgestimmt. Zumindest in diesem Detail stellt sich die Frage nach der Glaubwürdigkeit.

Gruss

[1] http://www.handelsblatt.com/panorama/kultur-kunstmarkt/debatte-die-vorteile-des-neuen-kulturgutschutzgesetzes/12159330.html
 
mljpk Am: 17.09.2015 20:07:00 Gelesen: 41030# 25 @  
Liebe Sammler und Philatelisten,

nachdem der Entwurf nun endlich vorliegt, kann fundiert diskutiert werden. Bin gerade dabei die hier aufgeworfenen Fragen und geäußerten Befürchtungen anhand des Entwurfes als weitere Diskussionsgrundlage zu erarbeiten. Ich werde in den kommenden Tagen peu à peu meinen Senf abgebene. Es nimmt aber etwas Zeit in Anspruch die Zusammenhänge zu verstehen. Heute zur zentralen Frage:

1. Sachlicher Anwendungsbereich des Gesetzesvorschlages, sind Briefmarken betroffen?:

In § 1 wird der Anwendungsbereich einmal auf „nationales Kulturgut“ ausgedehnt (Schutz gegen Abwanderung), im Übrigen nur auf Kulturgut.

Der Begriff des Kulturgutes wird in § 2 Ziff.9 definiert, wo das Kulturgut als bewegliche Sache oder Sachgesamtheit von künstlerischem, geschichtlichem oder archälogischen Wert oder aus anderen Bereichen des kulturellen Erbes, insbesondere von … numismatischem Wert benannt ist.

Der Wortlaut bezieht sich zwar nicht auf Briefmarken, durch die Formulierung „insbesondere“ wird aber deutlich, dass es sich nicht um eine abschließende Aufzählung, sondern nur um Regelbeispiele handelt. Da Markensammler selbst damit argumentieren, dass sie zur Erforschung und dem Erhalt des kulturellen Erbes zur Art und Weise der Informationsbeförderung (Posthistoriker) und eines Teils der alltäglichen Gebrauchskunst (Briefmarken) beitragen, zudem Philatelie und Numismatik in Art und Weise von Strukturierung und der Belegung historischer Umstände mittels des Objekts ähnlich herangehen, können Briefmarken und Sammlungen insbesondere älterer Perioden unter den Begriff des Kulturgutes im Sinne des Gesetzes fallen.

Meine Auslegung dürfte durch den EuGH gestützt werden, der zum Gemeinsamen Zolltarif Sammlungsgegenstände wie folgt definiert hat: Gegenstände, die geeignet sind, in eine Sammlung aufgenommen zu werden, das heißt Gegenstände, die verhältnismäßig selten sind, normalerweise nicht ihrem ursprünglichen Verwendungszweck gemäß benutzt werden, Gegenstand eines Spezialhandels außerhalb des üblichen Handels mit ähnlichen Gebrauchsgegenständen sind und einen hohen Wert haben.

Die VO EG 116/2009 die die Ausfuhr von Kulturgütern europarechtlich regelt, greift auf die Definitionen des Gemeinsamen Zolltarifs zurück, womit die allg. Definition auch im Kulturgüterschutz greifen könnte.

Allerdings nennt die VO EG 116/2009 in ihren ausführlichen Anlagekatalogen nirgendwo Briefmarken oder Belege oder „philatelistische“ Objekte, womit der Gesetzesentwurf des Kulturgutschutzrechts durch die Einfügung des Wortes „insbesondere“ in die Definition einen weiteren Anwendungsbereich will, als die zwingend anzuwendende EG-Verordnung. Die EG-Verordnung nennt nur „Wiegendrucke“ und Handschriften sowie „sonstige Antiquitäten“ älter als 100 Jahre als Kulturgüter im Sinne der Verordnung.

Für eine Einbeziehung von Briefmarken und Belegen in den Anwendungsbereich des deutschen Kulturgutschutzrechts spricht allerdings das Ziel der verbesserten Umsetzung des Übereinkommens vom 14.11.1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut, UNESCO-Übereinkommen 1970. Dort sind die Kulturgüter in Art.1 wie folgt definiert:

For the purposes of this Convention, the term `cultural property' means property which, on religious or secular grounds, is specifically designated by each State as being of importance for archaeology, prehistory, history, literature, art or science and which belongs to the following categories:

(a) Rare collections and specimens of fauna, flora, minerals and anatomy, and objects of palaeontological interest;

(b) property relating to history, including the history of science and technology and military and social history, to the life of national leaders, thinkers, scientists and artist and to events of national importance;

(c) products of archaeological excavations (including regular and clandestine) or of archaeological discoveries ;

(d) elements of artistic or historical monuments or archaeological sites which have been dismembered;

(e) antiquities more than one hundred years old, such as inscriptions, coins and engraved seals;

(f) objects of ethnological interest;

(g) property of artistic interest, such as:

(i) pictures, paintings and drawings produced entirely by hand on any support and in any material (excluding industrial designs and manu-factured articles decorated by hand);

(ii) original works of statuary art and sculpture in any material;

(iii) original engravings, prints and lithographs ;

(iv) original artistic assemblages and montages in any material;

(h) rare manuscripts and incunabula, old books, documents and publications of special interest (historical, artistic, scientific, literary, etc.) singly or in collections ;

( i) postage, revenue and similar stamps, singly or in collections;

(j) archives, including sound, photographic and cinematographic archives;

(k) articles of furniture more than one hundred years old and old musical instruments.

Auf Seite 67 des Referentenentwurfs wird auch verschämt mitgeteilt, dass “die weite Definition des Art.1 des UNESCO-Übereinkommens“ nicht außer Acht gelassen wird, was die Bedeutung des unscheinbaren Wortes "insbesondere" unterstreicht.

Nach meiner Auffassung fallen damit auch Briefmarken, Sammlungen solcher und Belege unter den Anwendungsbereich des Gesetzes. Vor dem Hintergrund des Ziels einer effektiven Umsetzung des UNESCO-Übereinkommens 1970 ist es fraglich, ob eine ausdrückliche generelle Herausnahme von „Briefmarken, Belegen und sonstigen philatelistischen Objekten“ aus dem sachlichen Anwendungsbereich möglich ist.

Nach Art.5 lit b) des UNESCO-Übereinkommens sollen die Konventionsstaaten Verzeichnisse besonders wichtiger Kulturgüter führen, deren Export eine besondere Beeinträchtigung des nationalen kulturellen Erbes bedeuten würde (mir liegt nur die englische Fassung vor, die amtliche Übersetzung mag etwas anders formulieren). Darauf aufbauend könnte argumentiert werden, dass nur Briefmarken und Sammlungen die in Verzeichnissen erfasst sind, nach dem Übereinkommen besonderen Export- oder Importbeschränkungen unterliegen sollen, generelle Export- oder Importbeschränkungen von Briefmarken und philatelistischen Sammlungen vom Übereinkommen nicht gefordert wird, und auch die EG-VO Briefmarken nicht benennt.

Zweitens kann für den Bereich der nicht in Inventaren erfassten Briefmarken und philatelistischen Sammlungen bei einem generellen Genehmigungsverfahren bei Überschreitung von Grenzwerten mit der Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes argumentiert werden. Briefmarken, Sammlungen und Sammlungsteile werden in großem Umfang verkauft und getauscht. Dabei ist eine große Zahl privater Sammler auch auf grenzüberschreitende Kontakte mit anderen Sammlern angewiesen. Der Referentenentwurf stellt bei den Belastungen der Bürgerinnen und Bürger stark kunstmarktbezogen darauf ab, dass die Belastungen für den Bürger nicht so groß sei, da der Bürger bei einem Erwerb eines Kunstwerkes regelmäßig Provinienz- und Wertnachweise von gewerblichen Händlern verlangt, die diese aus handelsrechtlichen Gründen und Servicegründen sowieso vorhalten. Diese Logik greift aber im hochfrequenten Sammlerverkehr (was zu belegen ist) gerade nicht, weshalb hier anders als in anderen Bereichen des Handels mit Kunstwerken die Sammler doch stärker belastet werden.

Einzelne Briefmarken mögen die Wertgrenzen für eine Genehmigungspflicht selten überschreiten, bei Sammlungen mag dies anders sein. Der Marktpreis ist schwierig zu bestimmen, da Katalogpreise keine Marktpreise sind, die Marktpreise wiederum äußerst volatil bis in einigen spezialisierten Randgebieten schlicht nicht feststellbar. Wie will im konkreten Fall ein Zöllner bei der Ausfuhrkontrolle feststellen, ob eine Briefmarkensammlung die Schwellenwerte erreicht? Er wird im Zweifelsfall die Sammlung zur Klärung stoppen. Der Sammler könnte dies nur umgehen, in dem er vergleichbar mit einem Händler bereits vorbeugend Wertforschungskonvolute und Herkunftsnachweise vorhält um seine Sammlung freizubekommen, umgekehrt etwa im Falle eines grenzüberschreitenden Tausches solche Konvolute vom anderen Sammler fordern wird, um einer Blockade am Zoll wegen der Klärung der Einfuhr zu umgehen, und seiner Pflicht zum Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einfuhr zu genügen.

Nach meiner Auffassung steht hier der Gesamtaufwand in keinem Verhältnis zum erstrebten Ziel, dem in der Abwägung die Erfordernisse des UNESCO-Übereinkommens einfacher genüge getan werden kann, wenn nur Sammlungen oder Marken dem Anwendungsbereich des Gesetzes sowohl für die Ein- oder Ausfuhr unterworfen werden, die in einer Liste der geschützten nationalen Kulturgüter eingetragen sind. So kann ein Blick in die Liste Klärung bringen, die ja im Internet publik gemacht werden sollen. Insofern würde schlicht der auch bisher geltende Eintragungsgrundsatz für den nur am Rande nach dem Schutzzweck relevanten Briefmarkenmarkt umgesetzt werden.

Wenn man es für erstrebenswert erachtet, dürften nach meiner Auffassung im Rahmen einer fundierten Einflussnahme auf den Gesetzgebungsprozess daher realistische Aussichten bestehen, Briefmarken, Sammlungen solcher oder sonstige philatelistische Objekte aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herauszunehmen, soweit diese nicht in einem nationalen Verzeichnis wichtiger Kulturgüter eingetragen sind. Hier ist konstruktive Einflussnahme direkt aus der Sammlerschaft und deren Organe gefragt. Eventuell ist der Entwurf auch dem BdPh zur Stellungnahme zugeleitet worden der dann abwägen könnte ob er hier in die eine oder andere Richtung Einfluss nehmen will. Man mag ja auch geschmeichelt sein, wenn Briefmarken durch Teilnahme an besonderen Verfahren von Gesetzgeber "geadelt" werden. Ich sehe allerdings die Adelung durch eine mögliche Aufnahme in die Verzeichnisse wichtiger Kulturgüter als ausreichend an.

In diesem Sinne einen schönen Abend. Weitere Analysen folgen.
 
bayern klassisch Am: 18.09.2015 06:17:02 Gelesen: 40997# 26 @  
@ mljpk [#25]

Sehr gut geschrieben und stringent gefolgert. Bin gespannt auf das, was noch kommt.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
mljpk Am: 18.09.2015 14:52:38 Gelesen: 40932# 27 @  
Liebe Sammlerkollegen,

zunächst bitte ich die vielen Rechtschreibfehler in den obigen Ausführungen zu entschuldigen. Zu später Stunden und im Eifer des Gefechts fällt das Korrekturlesen manchmal nur oberflächlich aus.

Noch ein Nachtrag zur Frage, inwieweit eine Befreiung von Briefmarken und Belegen trotz der Anforderungen des UNESCO-Übereinkommens möglich ist. Auch das Vereinigte Königreich ist Mitglied des Übereinkommens wenn mir auch nicht ganz klar ist, inwieweit die Unterscheidung zwischen der "Annahme" (Acceptance) und der Ratifikation die britische Gesetzgebung beeinflusst hat ( http://www.unesco.org/eri/la/convention.asp?KO=13039&language=E&order=alpha ). In der dortigen Ausführungsverordnung zum Exportgesetz heißt es aber bei der Definition von Kulturgütern:

SCHEDULE 1 OBJECTS OF CULTURAL INTEREST

1. Any objects of cultural interest manufactured or produced more than 50 years before the date of exportation except:

(a)postage stamps and other articles of philatelic interest;

(b)birth, marriage or death certificates or other documents relating to the personal affairs of the exporter or the spouse of the exporter;

(c)letters or other writings written by or to the exporter or the spouse of the exporter; and

(d)goods exported by, and being the personal property of, the manufacturer or producer thereof, or the spouse, widow or widower of that person. ( http://www.legislation.gov.uk/uksi/2003/2759/schedule/1/made )

Briefmarken und Objekte von philatelistischem Interesse sind hier ausdrücklich ausgenommen, was dafür spricht, dass die Herausnahme von Briefmarken aus dem Anwendungsbereich des Kulturgutschutzrechts oder zumindest Beschränkung auf solche die in einer Kulturgüterliste eingetragen sind, keinen Verstoß gegen das UNESCO-Übereinkommen darstellen kann.



Mit besten Grüßen in die Runde.
 
mljpk Am: 23.09.2015 20:20:28 Gelesen: 40729# 28 @  
Nachdem in den letzten Beiträgen der Frage nachgegangen wurde, ob durch die geplante Neuregelung des Kulturschutzgesetzes allgemein auch Briefmarkensammler betroffen sein können, und wie und warum das geplante Gesetz gegebenenfalls in seinen Auswirkungen noch beschränkt werden kann, nun eine kurze Zusammenfassung der möglichen Auswirkungen:

2. Auswirkungen für den Briefmarken- und Belegsammler ?

2.1. Bei der Ausfuhr

Nationales Kulturgut, also nur Briefmarken oder Sammlungen die in die Liste nationalen Kulturgutes aufgenommen sind oder sich in einer öffentlich oder öffentlich geförderten Sammlung befinden, bedürfen nach §§ 22 und 23 stets einer Ausfuhrgenehmigung.

Sonstige Briefmarken und Sammlungen bedürfen (wir erinnern uns an die gewollt weite Auslegung des Begriffes des Kulturgutes) nach § 24 Abs.1 i.V.m. den Alters- und Wertgrenzen der VO EG Nr.116/2009 für die Ausfuhr außerhalb und innerhalb der EU abhängig von verschiedenen Alters- und Wertgrenzen der Genehmigung.

Nach meiner Auffassung können Briefmarken unter „sonstige Antiquitäten“ nach Kategorie A Nr.15 des Anhanges I zur VO EG Nr.116/2009 fallen, womit nach außerhalb der EU ein Alter von über 100 Jahren und einem Wert von 50.000 EUR und nach innerhalb der EU ein Alter von 100 Jahren und ein Wert von 100.000 EUR maßgeblich wäre.

Der Referentenentwurf beantwortet, nach den Erläuterungen auf Seite 96 des Entwurfes wieder stark kunstmarktorientiert und damit einzelobjektbezogen zu den Wertgrenzen die Frage nicht, wie hinsichtlich einer Sammlung als Sachgesamtheit zu verfahren ist, bei der nur einzelne Objekte die Altersgrenze erreichen, und nur die Gesamtheit mit Objekten jüngeren Datums den Wert überschreitet. Kommt es hier auf den Zeitpunkt der Komposition der Sammlung an, die jeweils älteste Marke unbeachtet deren Wert, oder konsequent auf das Einzelobjekt abstellend, dass alle Einzelmarken mindestens 100 Jahre alt sein müssten, wenn nicht eine Marke für sich oder die Summe der 100 Jahre alten Marken die Wertgrenze erreichen? Hier besteht aus meiner Sicht noch Klarstellungsbedarf, bzw. bei der regelmäßig aus einer Vielzahl von Briefmarken bestehenden Sammlungen im internationalen Verkehr (hunderte oder sogar tausende Marken) einfach die Möglichkeit der Herausnahme der Briefmarken aus dem Anwendungsbereich solange sie nicht in Listen der nationalen Kulturgüter erfasst sind (insoweit Beibehaltung des alten Listenprinzips).

Bei der Wertermittlung ist der in den letzten drei Jahren gezahlte An- oder Verkaufspreis, also ein Marktpreis anzulegen. In Zweifelsfällen ist ein begründeter Schätzwert einzuholen. Nach meiner Auffassung dürften die Wertgrenzen im gewöhnlichen Sammlerverkehr nicht erreicht werden, soweit doch, dürfte die Einholung einer Genehmigung einen nur geringen Aufwand darstellen.

Jedoch stellt sich auch hier das Problem der Einschätzung z.B. bei einer Zollkontrolle einer Sendung ins Ausland, ob eine Sammlung etwa im privaten Tauschverkehr nun der Genehmigungspflicht unterliegt oder nicht. Wie bereits im letzten Beitrag angeführt müsste der Sammler für den Zweifelsfall Wertunterlagen und Katalogdaten bereit halten, was dann zu einem „faktischen Genehmigungsverfahren“ durch den Nachweis gegenüber dem Zoll über die fehlende Genehmigungspflicht trotz unterschreiten von Wertgrenzen führt. Bei gewerblichen Händlern oder einem Auktionshaus mag dies anders sein, da diese ja Kostenbelege und damit einen Marktwert nachweisen können. Bei einem Privatverkauf wird ggf. angezweifelt werden, ob Wertdeklarationen oder Kaufpreisangaben richtig oder dem Marktwert entsprechend sind. Bei einem Tausch liegt außer mühsam zu sichtenden Katalogangaben gar kein Geldwert als Ermittlungsgrundlage zu einer Genehmigungspflicht vor. Bezeichnenderweise schweigt sich der Entwurf in den Erläuterungen zur Wertermittlung auf Seite 98 völlig zu den Erwägungen und der gedachten Durchführung aus. In der Praxis wird es dann erst recht schwierig werden, in Zweifelsfällen anhand der Gesetzgebungsmaterialien eine Hilfestellung zu bekommen.

Für regelmäßige Auslandsaussteller deren Sammlungen die Wert- und Altergrenzen überschreiten können, kann nach § 26 für die Dauer von fünf Jahren eine Dauergenehmigung eingeholt werden. Dies bedeutet zwar einen gewissen bürokratischen Aufwand, müsste aber für den betroffenen Sammler machbar sein.

Gemäß § 21 Abs.4 ist eine Ausfuhrgenehmigung zu erteilen, wenn die Marken oder die Sammlung nicht in einem Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes aufgenommen ist, oder kein Eintragungsverfahren läuft und keine sonstigen Ausfuhrverbote bestehen, die hier nicht erläutert werden können. Das Verfahren soll maximal 10 Tage dauern.

Nach meinem Verständnis ist das Verfahren zur Ausfuhrgenehmigung damit nur ein Kontrollinstrument zur Überwachung ob national wertvolles Kulturgut des eigenen oder eines fremden Staates ausgeführt wird. Dies wird durch die Erläuterungen auf Seite 97 des Referentenentwurfes bestätigt. Im Rahmen der Erforderlichkeit zu dieser Zielerreichung nach der UNESCO-Konvention sehe ich kein in die Sammlerinteressen minder eingreifendes Mittel so man denn unbedingt Briefmarken und Sammlungen derer als mögliche national wertvolle Kulturgüter ansehen möchte, die durch Genehmigungsverfahren identifiziert werden müssen.

2.2. Bei der Einfuhr

Spiegelbildlich zur Ausfuhrgenehmigung darf kein nationales Kulturgut eines anderen Staates bzw. welches unter Verstoß gegen die EG-VO oder andere Rechtsvorschriften von dort ausgeführt wurde, eingeführt werden. Ausgenommen sind solche nationalen Kulturgüter die sich gem. § 29 bereits in Deutschland befinden.

Äußerst problematisch ist § 30, der vom Einführenden das Mitführen geeigneter Unterlagen für den Nachweis der Rechtmäßigkeit der Einfuhr von jeglichem Kulturgut verlangt, also nicht nur von „nationalem“ Kulturgut.

Als geeignet werden insbesondere Ausfuhrgenehmigungen des Herkunftsstaates angesehen, die nach der UNESCO-Konvention von jedem Mitgliedsstaat fordert. In der Praxis kann dies tatsächlich zur Vermeidung nachträglichen Nachweisaufwandes bedeuten, jeweils im Vorfeld unabhängig von Werten und Altersgrenzen zumindest bei der Einfuhr von Marken von außerhalb der EU die nicht eindeutig nach Katalogen usw. gewöhnliche Massenware sind, eine Einfuhrerlaubnis des entsprechenden Staates einzuholen bzw. vom Versender zu fordern, was für diesen natürlich wiederum einen erheblichen Aufwand fordert, und so den internationalen privaten Kauf und Tausch erschweren kann (was nebenbei bemerkt dem Gedanken der Förderung der – geschwollen ausgedrückt – Völkerfreundschaft und der Vermittlung anderer Kulturen durch die Philatelie zuwider läuft). Ungelöst bleibt wiederum die Frage, wie ohne größeren Ermitllungsaufwand festgestellt werden kann, ob der andere für das einzuführende Objekt überhaupt eine Ausfuhrgenehmigungspflicht besteht. Der Referentenentwurf verweist hier auf die Bereitstellung grundlegender Informationen zu den Regeln anderer Staaten auf dem einzurichtenden Internetportal. Wird dies bei der Einfuhrkontrolle vergleichbar mit der Ausfuhrkontrolle ausreichen, um längere Liegezeiten bei Klärungsfällen zu vermeiden? Es wird abzuwarten sein, wie detailliert die Datenbank sein wird.

Die Nachweislast hat auch Auswirkungen auf eventuell angeordnete Sicherstellungen und Einziehungen nach § 33 zumindest was die Verfahrensdauer angeht. Ich vermag zwar nicht zu erkennen, dass im Entwurf die Darlegungs- und Beweislast für die Rechtmäßigkeit der Einfuhr insgesamt dem Einführenden auferlegt wird, was aus rechtsstaatlichen Gründen bereits schwer möglich sein wird, allerdings reichen die fehlenden Bescheinigungen zumindest für eine Sicherstellung bis zur Klärung der rechtmäßigen Einfuhr durch die Behörden aus. Zur Klarstellung der letztendlichen Darlegungs- und Beweislast für eine unrechtmäßige Einfuhr usw. beim Staat könnte etwa in § 35 Abs.1 Ziff.1 eingefügt werden, „… der hinreichende Verdacht nach § 33 Abs.1 Nr.1 nach Ermittlungen der Behörde über die anstehende unrechtmäßige Ausfuhr oder die unrechtmäßige Einfuhr entfallen ist….“ Entsprechend bei den anderen Regelungen.

Weitere Analysen zu den Rechtsfolgen bei Verstößen bzw. während Klärungsphasen bei Unsicherheiten folgen.

Mit abendlichen Philagrüßen ! Euer MLJPK
 
Richard Am: 02.10.2015 09:34:43 Gelesen: 40499# 29 @  
Kulturgutschutzgesetz – Referentenentwurf - Aktionsgemeinschaft aus 12 großen Verbänden

BDPh Pressemitteilung (23.09.15) - Der BDPh hat sich mit 11 weiteren großen Verbänden zu einer Aktionsgemeinschaft zusammengeschlossen. Mit dieser Interessensgemeinschaft werden die Anliegen gebündelt und mit juristischer Unterstützung im politischen Berlin vorgetragen. Es finden regelmäßige Austauschrunden statt und es besteht Kontakt zu den Ministern der drei beteiligten Ressorts.

Es ist noch nicht zu spät …

Es ist anerkennenswert, daß Kulturstaatsministerin Grütters in dem nun vorliegenden Gesetzentwurf einige der schlimmsten Kanten geglättet hat. Doch der nach wie vor vorhandene Verbesserungsbedarf des Gesetzestextes ist enorm. Unter dem Motto „Es ist noch nicht zu spät für eine gerechtere Lösung“ haben sich zwölf große, vom Kulturgutschutz betroffene Verbände zu einer Aktionsgemeinschaft für ein besseres Kulturgutschutzgesetz zusammengetan.

„Allein Frau Grütters Versuch, das Gesetz zur Regelung der Rückgabe von unrechtmäßig verbrachtem Kulturgut und das seit 1955 bewährte Gesetz zum Abwanderungsschutz von Kulturgut zu einem Gesetz zu verschmelzen, bringt mehr Probleme als Lösungen mit sich.“, betont Hubertus von Dallwitz, einer der Sprecher der seit zwei Monaten bestehenden Interessensgemeinschaft.

Um das - wie die Kulturstaatsministerin in ihrer Pressemitteilung vom 15.09.2015 selber erklärt - "wichtige Gesetzesvorhaben" einer Neuregelung des Kulturgutschutzrechts in Deutschland ausreichend gründlich und unter angemessener Einbeziehung aller Betroffenen vorbereiten zu können, bedarf es mehr Zeit und einer breiteren Diskussion. Außer in Bezug auf die wenigen Regelungen, die gemäß EU-Richtlinie 2014/60 fristgebunden in deutsches Recht umgesetzt werden müssen, besteht keine Eile. Wir plädieren daher dafür, diesen Teil vorzuziehen und zeitnah vom Gesetzgeber zu beschließen. Das viel weitreichendere Vorhaben einer umfassenden Kodifikation des gesamten Kulturgutschutzrechtes, sollte dagegen gesondert und nur nach vertiefter Beratung erfolgen.

Dabei sollte sich Deutschland an besseren Modellen des Kulturgutschutzes orientieren. Diese gibt es zum Beispiel in England, Frankreich, in den Niederlanden und auch in Belgien. Hier tritt der Staat mit einem Vorkaufsrecht als Käufer auf, wenn er ein Kulturgut im Lande halten will. Die im Gesetzentwurf geplante Einführung einer weitreichenden Genehmigungspflicht nach Kontrollkriterien des Alters und des Wertes hat im Vorfeld zu einem tiefgreifenden Vertrauensverlust und zur Verunsicherung privater Sammler und Kunst sammelnder Unternehmen geführt, kritisiert die neu gegründete Interessensgemeinschaft.

Aktionsgemeinschaft Privates Denkmaleigentum
Berufsverband des Deutschen Münzenfachhandels e.V.
Bundesverband Deutscher Galerien und Kunsthändler e.V.
Bund Deutscher Philatelisten e.V.
Deutsche Stiftung Eigentum
DGO - Deutsche Gesellschaft für Ordenskunde e.V.
Europäischer Versteigererverband EFA
International Association of Dealers in Ancient Art
Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V.
Kunsthändlerverband Deutschland e.V.
Verband der deutschen Münzenhändler e.V.
Verband Deutscher Antiquare e.V.
 
Francysk Skaryna Am: 14.10.2015 15:55:54 Gelesen: 40248# 30 @  
Moin,

im Gesetzentwurf ist von Aufzeichnunmgspflichten die Rede, wobei ich vielfach nicht sehe, wie diese zum Teil noch beigebracht werden sollen. Und in der Praxis ist das auch kaum handhabbar. Mit dieser Provenienz geht eine Wertgrenze von 2.500 Euro einher, bei Münzen sind es 100 Euro. Alle anderen (höheren) Wertgrenzen sehe ich erst mal als Wunschgedanken an.

Vielleicht hat jemand die Muße, sich die 110 Seiten der mündlichen Anhörung von Fachkreisen und Verbänden zur Novellierung des Kulturgutschutzes in Deutschland vom 22. April 2015 durchzulesen. [1]

Gruss

[1] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-09-15-kgsg-protokoll-muendliche-anhoerung.pdf?__blob=publicationFile&v=1
 
mljpk Am: 26.10.2015 18:55:58 Gelesen: 39918# 31 @  
@ Francysk Skaryna [#30]

Sehr geehrter Herr Skaryna,
liebe sonstigen mitlesenden Sammlerfreunde,

ich habe das Protokoll der Anhörung durchgesehen. Im Zusammenhang mit der bereits oben geprüften Frage, ob auch Briefmarken / Sammlungen / Belege von der Gesetzesnovelle betroffen sein werden, kann die Frage nun definitiv mit "JA" beantwortet werden. Briefmarken werden zwar nur an einer Stelle erwähnt (Seite 98, letzter Absatz), dort aber vom zuständigen Referenten im Ministerium, MinDir Dr. Winands, eindeutig mit den Münzen gleichgestellt und als vom Gesetz erfasst behandelt. Er verwies auf die "Blaue Mauritius" und sonstige "ganz teure Briefmarken".

Es ist weiter festzuhalten, dass seitens der Postwertzeichenhändler oder Briefmarkensammler keine Vertreter in der Anhörung anwesend waren. Der BDPh war möglicherweise gar nicht geladen, da aber die Münzhändler vertreten waren, gehe ich davon aus, dass der Postwertzeichenhändlerverband geladen war. Um so trauriger ist es, dass die Möglichkeit einer frühen Intervention - auch im Sinne der Sammler - nicht wahrgenommen wurde. Soweit seitens BDPh und Händlerverbänden eventuell schriftlich Stellung genommen wurde, hat man zumindest die Möglichkeit verpasst, Händler und Wissenschaftler aus anderen Fachbereich im direkten Vortrag dafür zu gewinnen, Briefmarken als nicht im Fokus stehendes "Randopfer" eines an sich guten Zieles zu sehen und aus dem Kategorienprinzip herauszunehmen. Mit Kategorienprinzip ist gemeint, dass Objekte nicht nach einer Eintragung auf einer Liste, sondern aufgrund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Kategorie mit bestimmten Alters- und Wertgrenzen als genehmigungspflichtig angesehen werden.

Das Anhörungsprotokoll zeigt, dass der gesamte Gesetzesentwurf sich sehr stark am Kunst- und Antikenmarkt orientiert. Drucke, Bücher, Briefmarken und Münzen (soweit keine Antiken) stande wohl eher nicht im Fokus. Daher ergab sich wohl die fehlende Sensibilität für den "Massenmarkt" Briefmarken mit regem grenzüberschreitendem Tausch-, Kauf- und Ausstellungsverkehr in mengenmäßig riesigen Dimensionen (wenn man sich am einzelnen Objekt orientiert), die die Mengen des gewöhnlichen Kunsthandels wohl weit überschreiten dürften, und bei der etwa eine durchgehenden Provinienzdokumentation aufgrund der schieren Menge wie auch durch das rege Verschieben der sehr "volatilen" Sammlungsgegenständen noch schwieriger als im Kunsthandel sein dürfte.

In der Anhörung wurde auch die von mir hier bereits beschriebene Kritik vorgebracht, dass für eine Klärung von Werten und dem Alter von Gegenständen im grenzüberschreitenden Verkehr der Sachverstand bzw. auch die "Manpower" fehlen wird (sog. Vollzugsprobleme), und es dadurch zu langen Bearbeitungszeiten kommen könnte. Ich sehe neben den Problemen im Genehmigungsverfahren bei den Kulturschutzbehörden selbst, noch das Problem beim Zoll, der bei einer Sendungskontrolle auch ausserhalb eines Genehmigungsverfahrens möglicherweise Sammlungen oder Marken zur Klärung von Alter und Wert zurückhalten wird, um zu überprüfen, ob eine Gehnehmigung erforderlich ist. Das Ministerium verwies hier meiner Meinung nach ungenügend auf die Möglichkeit einer "allgemein offenen Genehmigung" sowie auf das Vertrauen in die Verwaltung sich einarbeiten zu können, bzw. schnell Rat einzuholen.

Als Ziele des Gesetzes wurde die Bewusstseinsbildung in Händler- und Sammlerkreisen über die Bedeutung der Herkunft von Objekten und den möglichen Schaden ihrer Aktivitäten genannt (Stichwort Raubgrabungen durch den IS), und dabei ein Vergleich mit dem Elfenbeinhandel gezogen. Weiteres Ziel ist die Möglichkeit überhaupt erfassen zu können, was an möglicherweise schützenswerten Objekten zirkuliert. Das bisherige Listenprinzip sei ineffektiv gewesen, da in anderen Staaten kaum Listen über national bedeutsames Kulturgut geführt werden, und auch hierzulande unbekannte Objekte erst gar nicht in die Schutzlisten aufgenommen werden konnten. Rückführungen seine gescheitert, da international kaum nach dem Listenprinzip verfahren werden, bzw. keine in der Praxis ausländische Verwaltung bereits rein praktisch gar nicht in Listen erfassen können.

In der Diskussion wurde aber deutlich, dass die UN-Konvention 1970 für ihre Umsetzung nicht zwingend ein Kategorienprinzip erfordert, sondern auch ein Listenprinzip genügen lässt. Wenn wie in meinen älteren Beiträge geprüft davon ausgegangen wird, dass die UN-Konvention auch Briefmarken in den Schutzbereich einbezieht, dann könnte man diesen Anforderungen mit Blick auf den internationalen Massenmarkt "Briefmarken" dadurch genügen, dass es für sie beim Listenprinzip bleibt. Briefmarken oder Sammlungen würden nur dann einem Genehmigungsvorbehalt unterliegen, wenn sie in eine Schutzliste eingetragen sind. Die von Ministerialdirigenten genannten Beispiele zeigen ja, dass es sich ausgehend von einer Wertgrenze von 50.000 EUR - 100.000 EUR nur um sehr wenige Objekte handelt, bei denen in der Praxis bei einer einzelnen Marke die Wertgrenzen erreicht werden. Diese Marken dürften sich sämtlich bereits in bekannten Händen befinden, und könnten - so sie denn "national" wertvolles Kulturgut sind, also nicht einfach nur materiell wertvoll - binnen kurzer Zeit in eine deutsche Liste aufgenommen werden. Es verbliebe aber die Problematik der Einfuhr, wobei ich hier der Auffassung bin, dass die Zahl einzelner eingeführter Marken mit einem Verkehrswert von über 50.000-100.000 EUR so gering ist, dass die Verhältnismäßigkeit bei einer Beibehaltung des Kategorienprinzips nur aufgrund einer Hand voll potentiell über den Wertgrenzen liegender einzuführender Marken nicht gewahrt ist.

Eine Beibehaltung des Listenprinzips für Briefmarken würde aus meiner Sicht auch nicht mit den Zielen des Gesetzes kollidieren, da Briefmarken nicht wie (auch wertlose) Münzen im "Fundzusammenhang" Erkenntnisse vermitteln, sondern der "Fundzusammenhang" der Briefmarke selbst folgt (als Beleg) oder die Marke selbst der gesamte Zusammenhang ist (etwa Marke + aufgebrachtem Stempelabschlag / Plattenfehler / Druckabweichungen usw.), insofern die Verbringung einer Marke keine wissentschaftliche Erkenntnis zunichte macht. Weiterhin sehe anders als bei Antiken derzeit keinen ausreichenden Markt, der Briefmarken als Finanzierungsinstrumente für den Waffenkauf oder andere terroristische Aktivitäten interessant erscheinen lässt.

In der Anhörung, die vor dem Referentenentwurf stattfand, wurde seitens des Ministeriums bei Briefmarken und bei Münzen versprochen, auf die Besonderheiten dieser Massenmärkte Rücksicht zu nehmen. Ich konnte im Wortlaut des danach vorgelegtent Gesetzesvorschlages aber keine Erleichterungen oder Ausnahmen für Briefmarken erkennen. Daher ist es nun seitens der Händlerverbände und des BDPh aus meiner Sicht angesagt, nochmals ordentlich auf eine Nachbesserung zu drängen, etwa nach meiner Anregung dahingehend, dass es für Briefmarken und Briefmarkensammlungen bei dem bisherigen Listenprinzip bleibt, sie also vom Kategorienprinzip ausgenommen sind.

In diesem Sinne hoffe ich, dass der BDPh und die Händler hier noch tätig werden, sofern er dieses bisher nicht bewusst unterlassen wurde, da sie mit der Novelle d´accord gehen, und sich möglicherweise durch die Einreihung von Marken neben die "hohe" Kunst und Antiken als geadelt ansehen.

Einen schönen Herbstabend Ihnen allen ! mljpk
 
Reinhard Fischer Am: 28.10.2015 09:55:03 Gelesen: 39772# 32 @  
@ mljpk [#31]

Ich war am 30.09.2015 als einziger Vertreter der Philatelie (für den Bund deutscher Briefmarkenversteigerer) beim Gespräch für Vertreter des Münzen- und Briefmarkenhandels mit Dr. Winands im Bundeskanzleramt. Von Seiten der Münzenleute waren 17 Personen da, auch zahlreiche Vertreter der Münzsammler.

Das "Gespräch" habe ich eher surrealistisch in Erinnerung. Es wurde 2 1/2 Stunden z.T. sehr aggressiv über antike Münzen diskutiert, ohne dass von Seiten Dr. Winands irgendeine Bereitschaft zu erkennen war, auf die Sorgen der Sammler und Händler einzugehen.

Ich habe es dann doch geschafft, die Problematik des § 30 (Verpflichtung zur Mitführung "geeigneter Unterlagen" bei der Einfuhr) anzusprechen. Ich habe konkret gefragt, was man denn machen solle, wenn man Ware importiert, für die seitens des Ausfuhrlandes keine Ausfuhrgenehmigung nötig sei. Mir wurde erklärt, dass sei doch vollkommen klar, man brauche dann natürlich keine Papiere, der § 30 sei im Zusammenhang mit § 28 zu sehen. Auf mein Insistieren, ich könne das aus dem Gesetzestext nicht herauslesen, wurde mir "zugesagt", eine Klarstellung in die Gesetzesbegründung (!) zu schreiben.

Nach Meinung unseres Justitiars Dieter Löhr (der sich mit der Materie seit Jahrzehnten beschäftigt) ist das auch überhaupt nicht klar, sondern der klassische Fall einer unklaren Gesetzesformulierung.

Allgemein wurde uns bedeutet, dass der Referentenentwurf nicht mehr geändert werden würde. Änderungen sind also nur noch im parlamentarischen Prozess möglich (das Gesetz geht jetzt so ins Parlament), wobei man davon ausgehen kann, dass das Gesetz mit Sicherheit nicht zum 1.1.2016 in Kraft treten wird (also vermutlich 1.7.2016).

Gruß

Reinhard
 
mljpk Am: 28.10.2015 11:38:14 Gelesen: 39734# 33 @  
@ Reinhard Fischer [#32]

Sehr geehrter Herr Dr. Fischer,

erfreulich dass Sie als Vertreter der Philatelie von der Versteigererseite anwesend waren. Dies wurde aus dem Protokoll nicht klar, ich bitte daher um Nachsicht, diesen Umstand nicht erwähnt zu haben. Es bleibt aber bedauerlich, dass kein Interesse bei den anderen Verbänden bestand.

Sie erwähnen, dass in der Gesetzesbegründung eine Klarstellung zur Befreiung von Ausfuhrnachweisen erfolgen soll. Im Referentenentwurf steht jedoch auf Seite 50, Ziff.5, letzter Absatz: "... Können keine gültige Ausfuhrgenehmigung oder sonstige Belege für die rechtmäßige Ausfuhr vorgelegt werden, soll das jeweilige Kulturgut als unrechtmäßig verbracht gelten und ist an den Herkunftsstaat zurückzugeben."

Auf Seite 101, zu § 30 findet sich auch kein klarstellender Hinweis dazu, dass bei Nichtausfertigungen von Ausfuhrnachweisen im Herkunftsstaat eine Ausnahme von der Nachweispflicht gelten soll.

Es ist festzuhalten, dass diese Aussagen "Kulturgut" generell betrifft, also nicht nur nationale wertvolles Kulturgut, also auch generell Briefmarken betrifft. Es ist weiterhin eine generelle Dokumentationspflicht für jedes Kulturgut herauszulesen. Dies hätte nach meinem Textverständnis zur Folge, dass zumindest ein Mindestnachweis, etwa in Form eines Gesetzestextes, eines Rechtsgutachtens o.ä., dazu erforderlich ist, dass das betreffende Kulturgut im Herkunftsstaat keiner Ausfuhrgenehmigung bedarf. Von einer Erleichterung oder "Selbstverständlichkeit" also an dieser Stelle der Begründung keine Spur. Mithin wurde die Zusage nicht eingelöst und ein Aussenstehnder der mit dem Gesetz und der Begründung arbeiten muss, hat hier von einer bestehenden Nachweispflicht zumindest darüber auszugehen, dass etwa die Briefmarke aus Brasilien im Herkunftsstaat keiner Ausfuhrgenehmigung bedarf. Eine sehr aufwendige Lösung für den Massenmarkt Briefmarken. Vielleicht können die Gedanken bei der Stellungnahme gegenüber der Parlamentariern helfen.

Mit freundlichen Grüßen

Jens
 
Francysk Skaryna Am: 29.10.2015 20:53:42 Gelesen: 39653# 34 @  
Moin,

da schwebt ja wohl immer noch sehr viel Pulverdampf über dem Schlachtfeld!

Politiker wollen Kunstschätze vor Ausverkauf schützen während sich der Kunsthandel bedroht fühlt und sich Galeristen vor großen Problemen sehen [1]. Norbert Lammerts Vorwurf, der Kunsthandel setze pekuniaere Interessen über den Schutz kulturellen Erbes, ist dann doch etwas platt. Ein Gesetz macht man eben nicht für den Einzelfall [2]. Das geplantes Kulturschutzgesetz bedeutet einen erheblichen Wertverlust für den Eigentümer, erläutert Philipp Herzog von Württemberg, Europa-Chef des Auktionshauses Sotheby’s, seine Vorbehalte. Er sieht eine massive Behinderung des deutschen Kunstmarkts. [3] Im Gegensatz zu Raubgrabungen ist die Frage berechtigt, ob der derzeitig betriebene Kultur - Protektionismus und Schutz des kulturellen Erbes durch einen Eingriff in die Eigentumsrechte der Bürger mit der Begründung des national wertvoll zeitgemäß ist.

Der Berliner Jurist und Kunstexperte Peter Raue bezeichnet den Entwurf als ein Gesetz aus einer anderen Zeit und für den Schutz von Kultutgut ungeeignet [4]. Der Entwurf nehme nicht die Veränderungen seit Erlaß der Vorgängerregelung zur Kentnis. Zwischen liberalen und weltoffenen Regelungen wie dem freien Warenverkehr im geeinten Europa oder TIPP ist ein Kulturgutschutzgesetz, das glaubt, bestimmten Werken die Bleibepflicht in Deutschland verordnen zu müssen, ein Anachronismus. Das eigendliche Ziel des Gesetzes wird auch nicht erreicht, wenn national wertvolles Gut zwar nicht außer Landes gebracht werden darf, aber im Lande sehr wohl weitergegeben werde darf, ohne dass der Staat sein Vorkaufsrecht gelten machen kann. So eine Rgelung ist schon etwas kurios - um nicht zu sagen: sinnfrei.

Gruss

[1] http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Politiker-wollen-Kunstschätze-vor-Ausverkauf-schützen-id35884312.html
[2] http://www.tagesspiegel.de/kultur/monika-grütters-zum-kulturgutschutzgesetz-wir-reden-von-kunst-dem-handel-geht-es-ums-geld/12491766.html
[3] http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunstmarkt/sotheby-s-chef-philipp-herzog-von-württemberg-im-interview-13875606.html
[4] http://www.tagesspiegel.de/kultur/peter-raue-zum-kulturgutschutz-ein-gesetz-aus-einer-anderen-zeit/12480668.html
 
Reinhard Fischer Am: 05.11.2015 14:32:09 Gelesen: 39454# 35 @  
@ mljpk [#33]

Ich war nicht bei der Anhörung im Frühjahr dabei, sondern es gab am 30.9.2015 noch ein ergänzendes Gespräch für Vertreter des Münzen- und Briefmarkenhandels bei Dr. Winands. In diesem Gespräch gab es auch die Zusage, eine Klarstellung zu § 30 ("Mitführen von geeigneten Unterlagen bei der Einfuhr") in die Gesetzesbegründung zu schreiben.

Inzwischen ist der Gesetzentwurf nach Kabinettsbeschluss vom 4.10.2015 online:

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-11-04-novelle-kulturgutschutzgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=4

Er unterscheidet sich nur unwesentlich vom Referentenentwurf vom 14.9.2015. Insbesondere ist der § 30 unverändert geblieben. Es gibt auch keine wie immer geartete Klarstellung in der Gesetzesbegründung, der gesamte Text zu § 30 ist vollkommen unverändert.

Als Bürger ist man da schon sprachlos, wie Politik gemacht wird.

Gruß

Reinhard
 
mljpk Am: 05.11.2015 15:22:25 Gelesen: 39430# 36 @  
@ Reinhard Fischer [#35]

Sehr geehrter Herr Dr. Fischer,

§ 30 wurde in der Tat weder im Wortlaut noch in der Gesetzbegründung im Abgleich des Regierungsentwurfes mit dem Referentenentwurf geändert. Auch der Verweis auf die Meldepflicht beim Import aus einem Staat ausserhalb der EU nur bei einem bestehenden Genehmigungsbedarf im Ursprungsstaat hilft nur begrenzt weiter, da es dennoch bei der grundsätzlichen Dokumentationspflicht gerade darüber bleibt, dass KEINE Genehmigung erforderlich ist, um etwa bei stichprobenkontrollen durch den Zoll eine fehlende Anmeldepflicht darzulegen.

Hier wäre zumindest noch ein Hinweis in der Gesetzesbegründung hilfreich, dass für den "Negativnachweis" die Aussagen in der geplanten Datenbank zur Rechtslage in den verschiedenen Staaten ausreichend ist (die auch vom kontrollierenden Zöllner eingesehen werden kann).

Bezüglich sonstiger Änderungswünsche ist es nach meinen - begrenzten - Erfahrungen hilfreich, wenn man sich direkt an die Fachpolitiker der im Bundestag vertretenen Parteien wendet, und dabei ähnlich dem Regierungsentwurf gleich fertige alternative Gesetzesformulierungen mit entsprechenden Begründungen vorlegt, da dies dort die Arbeit vereinfacht und an die "technische" Denke angepasst ist. Zur Begründung der Änderungswünsche sind konkrete, lebensnahe Beispielsfälle hilfreich. Was nach dem Protokoll in der Anhörung von der Münzseite vorgebracht wurde, war leider, vorsichtig formuliert, nicht sehr geradlinig und evtl. auch etwas zu sehr händlerlastig und wenig aus der Sicht der betroffenen "Lieschen Müller" bzw. 08/15-"Bruno Briefmarkensammler" wie meiner Person dargestellt, der aber ebenso betroffen, und ggf. auch überfordert und verunsichert ist. Siehe die hiesigen Aussagen und Spekulationen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen viel Erfolg, für den Briefmarken"massen"markt noch Erleichterungen, Ausnahmen oder zumindest Klarstellungen zu erreichen, da auch ich wenig davon angetan wäre, bei meinen gelegentlichen Tauschgeschäften mit Drittstaaten zu zwar alten, aber dennoch Allerweltsmarken für den Fall der Fälle die Rechtslage in den Drittstaaten prüfen zu müssen oder dies vom Tauschpartner zu verlangen bzw. mich überhaupt für den Fall einer Stichprobe auf Wertdiskussionen einlassen zu müssen.

Bei Antiken oder der großen Kunst mag dies für die einzelnen Objekte leistbar und nachvollziehbar sein, aber bei zigtausenden von Briefmarken im Tausch- und Handelsverkehr? Hier wird leider aus meiner Sicht die schlichte, und insbesondere verhältnismäßige Möglichkeit vertan, sich durch die Beibehaltung des Listenprinzips bei Briefmarken konventionskonform zu verhalten, und allein bei den im Fokus stehenden Objekten das Kategorienprinzip anzuwenden.

Hier darf aber aus meiner Sicht der schwarze Peter nicht auf die, ohne Fachkenntnisse dastehende Politik abgestellt werden, sondern ist dieser die Marktkenntnis durch eine direkte Intervention der Fachverbände bei den Fraktionen zu vermitteln (was wahrscheinlich bereits im Gange ist). Letztendlich können sich die Parlamentarier so auch gegenüber der Regierung durch eigene Verbesserungsvorschläge und Detailkenntnisse profilieren und Bürgernähe hineinbringen.

Mit freundlichen Sammlergrüßen
Jens
 
Francysk Skaryna Am: 08.11.2015 10:07:47 Gelesen: 39330# 37 @  
@ Reinhard Fischer [#35]

Moin,

wer aus den philatelistischen Verbänden hat denn überhaupt an den Anhörungen teilgenommen?

Man hat so den Eindruck, dass es da nur einen einzigen prominenten Teilnehmer gab. Ist das so und woran liegt es? Interessenlosigkeit? Fehlendes oder mangelndes Problembewußtsein? Oder ist die Thematik in den einschlägigen Verbänden noch gar nicht angekommen?

Gruss
 
Reinhard Fischer Am: 09.11.2015 00:34:29 Gelesen: 39256# 38 @  
@ Francysk Skaryna [#37]

Soweit ich weiß, hat an der Anhörung im Frühjahr dieses Jahres niemand von den philatelistischen Verbänden teilgenommen.

Ich denke, dass man sich sehr lange als "nicht betroffen" gesehen hat und auch heute die Thematik als nicht wirklich ernst angesehen wird. Es ist ja auch so, dass die für uns wichtigen Paragraphen wie der § 30 in der öffentlichen Diskussion kaum angesprochen werden, es wird eigentlich immer nur von Kunst im sechststelligen Wertbereich gesprochen.

Gruß

Reinhard Fischer
 
Francysk Skaryna Am: 09.11.2015 09:54:35 Gelesen: 39219# 39 @  
Moin,

nun ist es aber so, dass der Entwurf bei den Numismatikern sowohl bei den Sammlern als auch bei den einschlägigen Verbänden durchaus diskutiert wurde. Auslöser war zwar oft der Knackpunkt, dass historische Münzen eben vielfach aus Funden aber eben nicht zwingend aus Raubgrabungen stammen. Aber immerhin: Es wurden eben auch andere Aspekte angesprochen. Warum tut sich das philatelistische Lager damit so schwer?

Sollte der BDPh hier das Verfahren verschlafen haben, setzt er sich unnötig Fragen aus. Er hat derzeit ohnehin ein seltenes Talent, die Fettnäpfchen zu erwischen. Schade ist das, denn Potential hat er.

Mittlerweile ist die Novellierung verabschiedet [1] und veröffentlicht [2].

Gruss

[1] http://www.süddeutsche.de/news/kultur/kunst-kulturgutschutzgesetz-vom-kabinett-verabschiedet-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-151104-99-06354
[2] http://www.bundesregierung.de/Content/DE/_Anlagen/BKM/2015/2015-11-04-novelle-kulturgutschutzgesetz.html;jsessionid=31A4E6BF836DC8E0259068142AFED296.s1t1?nn=811092
 
mljpk Am: 09.11.2015 11:10:53 Gelesen: 39190# 40 @  
@ Francysk Skaryna [#39]

Sehr geehrter Herr Skaryna,

noch ist es nicht zu spät, Nachbesserungen im Sinne der Briefmarkensammler vorzunehmen. Die von Ihnen mitgeteilte "Verabschiedung" ist nur die Annahme des Referentenentwurfes durch das Kabinett, welcher nun als Regierungsentwurf dem Bundestag zur Abstimmung vorgelegt wird. Umso wichtiger ist es jetzt in der "heißen Phase" rasch seitens der Verbände gegenüber den Fraktionen im Bundestag tätig zu werden. Dies erwarte ich auch vom BDPh wenn er der Auffassung sein sollte, dass Handlungsbedarf besteht. Leider ist mir kein veröffentlichtes Meinungsbild des BDPh zu den Entwürfen bekannt (pro/contra, Nachbesserungsvorschläge etc.). Dies ist bedauerlich, da man so nicht weiß, ob der BDPh sich überhaupt aktiv mit der Sache befasst. Taktische Gründe, eine "stille Einflussnahme", dürften nicht der Grund sein, da zumindest eine grundsätzliche Positionierung, auch gegenüber den Mitgliedern, keine Möglichkeiten beschneiden würde.

Mit freundlichen Sammlergrüßen

Jens
 
Francysk Skaryna Am: 09.11.2015 11:39:59 Gelesen: 39184# 41 @  
@ mljpk [#40]

Moin,

Leider ist mir kein veröffentlichtes Meinungsbild des BDPh zu den Entwürfen bekannt

Die aktuelle Philatelie berichtet in einem Artikel von Wolfgang Maassen darüber. Das Heft habe ich - da im Ausland wohnend - noch nicht vorliegen. Das ist aber wohl der einzig mir derzeit bekannte Artikel zu diesem Thema, der zumindest über den Verband verbreitet wird.

Wie sieht es denn in den Vereinen und den Landesverbänden aus? Gibt es dort zu diesem Thema überhaupt Diskussionen? Die Kommunikation war ja in der Vergangenheit auch bei anderen Themen zumindest punktuell etwas ausbaufähig.

Gruss
 
mljpk Am: 09.11.2015 13:38:37 Gelesen: 39172# 42 @  
@ Francysk Skaryna [#41]

Sehr geehrter Herr Skaryna,

das Novemberheft liegt mit leider auch noch nicht vor. Interessant wird sein, ob Herr Maassen eine eigene Meinung vertritt, oder aus dem BDPh heraus berichtet. Einen Einblick in Vereine oder Landesverbände habe ich leider nicht. Vielleicht kann einer der Mitleser berichten?

Mit freundlichen Sammlergrüßen auch in die große Runde

Jens
 
mljpk Am: 11.11.2015 00:12:30 Gelesen: 39069# 43 @  
@ Francysk Skaryna [#41]

Sehr geehrter Herr Skaryna,

habe eben den Artikel von Herrn Maassen lesen können. Das Resümee ist, ohne alarmistisch zu sein, bedenklich beschwichtigend. Es wird suggeriert, dass Briefmarken evtl. gar nicht betroffen sind. Dies ist aber nach den Äußerungen des Ministeriums eindeutig doch der Fall (siehe oben), wie auch von der UNESCO-Konvention genannt (siehe ebenfalls oben). Falls Herr Maassen mit "entspannter reagieren" eine Position des BDPh wiedergibt, fällt meine Stirn in Falten. Es mag zwar richtig sein, dass Philatelisten mögliche Enteignungen und aufwendige Provinienznachweise etc. in der Mehrzahl der Fälle nicht fürchten brauchen, aber die oben beschriebenen Probleme im tagtäglichen grenzüberschreitenden Kauf-, Tausch- und Ausstellungsverkehr könnten bei einer couragierten Herangehensweise durch Klarstellungen oder eindeutige Befreiungen vermieden, zumindest begrenzt werden.

So versteckt sich die organisierte Philatelie in einer Interessengemeinschaft zwischen den anderen Beteiligten - so mein Eindruck -, nach dem Motto, die anderen stärker Betroffenen werden es schon regeln, und wir waren dabei. Mit anderen Worten, um in Ihrem Bild, sehr geehrter Herr Skaryna, zu bleiben, Pulverdampf liegt gar keiner über dem Schlachtfeld. Der Soldat Philatelie ist in der dritten Schützenreihe auf dem Feld angetreten, mag aber keinen Schuss abgeben sondern schnell zurück nach Hause. Dies ist im Bild ehrbar, konkret aber vielleicht auch nur Trägheit?

Es wird dabei aber auch verpasst, auf höchster politische Ebene die individuelle Bedeutung der Philatelie und deren Anliegen, aber auch deren Wirtschaftsfaktor und Beitrag für die Breitenbildung hervorzuheben, also die Gelegenheit zur "Bewußtseinsverankerung" der Philatelie im Allgemeinen zu nutzen. Sehr schade aus meiner Sicht. Vielleicht findet ja noch ein Umdenken statt.

Wenn ich überzogen argumentiere und ggf. im Hintergrund bereits seitens des BDPh die Fäden gesponnen und Interessen vertreten werden, bitte ich die Akteure bereits jetzt um Entschuldigung.

Grüße, auch in die große Leserrunde.

Jens
 
Heinrich3 Am: 11.11.2015 09:34:02 Gelesen: 39034# 44 @  
Hallo an alle interessierten und vielleicht betroffenen,

da ja nun offenbar diese Gesetzgebungs-Runde für uns Philatelisten verloren gegangen ist (das "Warum" ist oben ausreichend besprochen), sollten wir uns etwas abregen. Warten wir doch auf die ersten Probleme, damit wir dann ordentlich Rabatz machen können und eine evtl. nachträgliche Regelung in unserem Sinne bewirken.

Das hofft wenigstens
Heinrich
 
Francysk Skaryna Am: 11.11.2015 09:46:13 Gelesen: 39028# 45 @  
Moin,

unterstellen wir mal für einen Moment, der BDPh glaubt die Sammler zu vertreten, die ein paar bunte Bildschen wegstecken und mit kulturrelevantem Material weit mehrheitlich nichts am Hut haben. Dann wäre diese Sichtweise vielleicht erklärbar. Aber sie wäre dennoch unklug.

Was ist denn dann mit dem APHV? Der Handel bedient ja nicht nur den kleinen Sammler, den diese Novellierung vielleicht nicht betrifft sondern er handelt ja durchaus auch mit kulturgutrelevantem Material. Schläft der Händlerverband? Die Novellierung zu ignorieren wäre für ihn sträflich nachlässig.

Insgesamt geht es ja nicht um den monetären Wert von Kunst und dem Handel wird die Ware sicher auch nicht ausgehen. Das Problem ist aber doch das - vermeintliche oder tatsächliche öffentliche (national[historische]) Interesse daran. Hier geht es in der Novellierung darum, wichtige Kulturgüter dem Zugriff des internationalen Kunsthandels zu entziehen. Ist das nichts, worüber man mal nachdenken und diskutieren sollte? Nachher ist das Geschrei groß, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist.

Gruß
 
bayern klassisch Am: 11.11.2015 09:48:37 Gelesen: 39026# 46 @  
@ Francysk Skaryna [#45]

Hallo Francysk,

sehr gut geschrieben - volle Zustimmung.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Richard Am: 17.11.2015 09:24:39 Gelesen: 38798# 47 @  
Interview mit Monika Grütters

Die Panikmache ist unverantwortlich

Handelsblatt (13.11.15) - Am 4. November hat das Bundeskabinett dem Entwurf für das neue Kulturgutschutzgesetz zugestimmt. Im Interview mit dem Handelsblatt erklärt Kulturstaatsministerin Grütters, worauf es bei der Ein- und Ausfuhr von Kulturgütern künftig ankommt:

http://www.bundesregierung.de/Content/DE/Interview/2015/11/2015-11-13-gruetters-hbl.html

Das Wort Briefmarken kommt ausser in folgender Frage nicht vor:

Handelsblatt: Die Mitglieder der 16 Sachverständigenausschüsse müssten gleichzeitig Kenner sein von Briefmarken, Münzen, Archivgut, Landschaftsmalerei, Oldtimern und mittelalterlichen Handschriften - kurz "eierlegende Wollmilchsäue".

Grütters: Keineswegs. Bei Bedarf ziehen sie aus eigenem Antrieb weitere Experten hinzu, das ist längst gängige Praxis.

Schöne Grüsse, Richard
 
drmoeller_neuss Am: 17.11.2015 18:15:09 Gelesen: 38732# 48 @  
Richard, vielen Dank für den Hinweis auf das Interview im Handelsblatt, aus dem ich zwei Passagen herausgreifen möchte, um die Problematik des geplanten Gesetzes zu erörtern:

Handelsblatt: Neu sind aber die Sorgfaltspflichten.

Grütters: Auch die sind nicht neu. Jeder Händler muss beweisen, dass die Ware nicht gestohlen ist oder illegal erworben wurde. Das ist eine Selbstverständlichkeit.


Mein Kommentar: Das trifft genau nicht zu. Im Kulturschutzgesetz kommt es zu einer Beweislastumkehr. Auch ohne konkreten Verdacht muss der Händler den Beweis des redlichen Erwerbes erbringen und 30 Jahre aufbewahren. Im übrigen kann sich der Erwerber bei öffentlichen Auktionen auf gutgläubigen Erwerb stützen, siehe §979 Abs. 2 BGB. Der Gesetzgeber hat genau diese Ausnahme vorgesehen, um die besonderen Umständen von Auktionen zu berücksichtigen.

Handelsblatt: Wie viel Provenienzforschung muss künftig sein?

Grütters: Es geht um eine möglichst weitgehende Feststellung der Herkunftsgeschichte des Objekts - soweit der Aufwand wirtschaftlich zumutbar ist. Diskretion und der Quellenschutz bleiben gewahrt bis zum Konfliktfall.


§41 spricht von "erforderlicher Sorgfalt", von "außergewöhnlich niedrigen Preisen" und "vernünftigen Personen". Wie bei vielen Gesetzen üblich, redet man um den heissen Brei herum und überlässt die Festlegung der Details der Rechtssprechung. Auch die Staatssekretärin möchte sich nicht festlegen und redet von einer "möglichst weitgehenden Feststellung".

Viele Forenmitglieder beissen sich am Begriff der "Sammlung" fest. Einmal davon abgesehen, dass vieles eben keine "Sammlung" ist, wie ein Händlerlager oder eine Sammlung eben eine lockere Aneinanderreihung von einzelnen, in sich abgeschlossenen Teilsammlungen ist, greift hier die m.E. hohe Wertgrenze von 100.000 EUR. Wer Auktionskataloge studiert, wird merken, dass solche Objekte die Ausnahme auf dem Briefmarkenmarkt darstellen.

Viel kritischer ist die Wertgrenze von 2.500 EUR, ab der die "Sorgfaltpflichten" greifen, wenn Kulturgut über die Grenze gebracht wird. Das bedeutet in erster Linie Bürokratie für Auktionshäuser, die international agieren. Viele bessere Belege überschreiten diese Preisgrenze und sind nur grenzüberschreitend abzusetzen. Dank der ungenauen Formulierungen im Gesetz besteht die konkrete Gefahr der staatlichen Schikane, die Auktionshäuser wirtschaftlich in die Knie zwängen kann, indem die Ware willkürlich festgehalten wird. Einlieferer und Bieter aus dem Ausland kommen dann nicht mehr zum Zug.

Hier muss nachgebessert werden, entweder muss der Begriff "anderes Kulturgut" im §42 Abs. 2 Satz 3 genauer gefasst werden, oder die Wertgrenze muss deutlich angehoben werden.

Auch die "Herkunft von Kulturgut" kann Fragen aufwerfen: Wie ist ein Preussen-Brief aus Breslau (Wroclaw) in die USA einzustufen? Ist das deutsches, polnisches oder gar amerikanisches Kulturgut, oder sind §32 Satz 2 die Regeln aller Staaten zu einzuhalten?

Und am Rande: Die Altersgrenzen verschiedener Kategorien von Kulturgütern werfen Fragen auf. Bei Sammlungen gibt es keine Altersgrenze, bei Gemälde eine Grenze von 70 Jahren und bei Verkehrsmitteln ist die Grenze 150 Jahre ! Da war wohl die Oldtimerlobby aktiv gewesen, da nur noch Pferdekutschen als Kulturgut geschützt sind, nicht aber alte Autos und Lokomotiven. Auch technische Denkmale, die nicht unter Baudenkmäler fallen, fallen durch das Raster.
 
mljpk Am: 17.11.2015 20:03:11 Gelesen: 38705# 49 @  
@ drmoeller_neuss [#48]

Sehr geehrter Herr Dr. Möller,

eine kleine Korrektur ist aus meiner Sicht veranlasst, um hier evtl. fehlerhaften Argumentationsketten vorzubeugen. Juristen sind auch bei einem richtigen Ergebnis manchmal etwas kleinlich wenn der Weg nicht nachvollziehbar ist. Ich bitte es nicht als Klugscheißerei aufzufassen, sondern als kleinen erläuternden Beitrag zu Ihrer Kritik.

§ 979 Abs.2 BGB gilt nach meiner Auffassung nur für sogenannten "Verkehrsfunde", d.h. in öffentlichen Verkehrsmitteln gefundene, beim Fundamt abgegebene Sachen. Im Falle einer öffentlichen Auktion von Kulturgütern dreht sich die Problematik wohl eher um die Frage des gutgläubigen Erwerbes des Eigentums durch den Auktionsgewinner. Hier kommen wir zu § 935 Abs.2 BGB der die Realauktion und durch den Verweis auf § 979 Abs.1a BGB bestimmte Internetauktionen von Fundgegenständen (hier nicht relevant) als Möglichkeiten eines gutgläubigen Erwerbes des Eigentums auch an gestohlenen und abhanden gekommenen Gegenständen vorsieht.

Frau Grütters stellt nach meinem Verständnis im Interview hauptsächlich auf den Handel "über den Tisch" ab. Hier ist es aus meiner Sicht tatsächlich so, dass ein Händler zwar rechtlich nicht gezwungen ist, einen Herkunftsnachweis zu erbringen, in der Praxis (des Kunst- und Antikenmarktes, bei höherwertigen Briefmarken und Belegen fehlt mir die Marktkenntnis) aber der Käufer einen solchen fordern wird, um sicherzustellen dass er kein gestohlenes oder abhanden gekommenes Kulturgut kauft, an dem er kein Eigentum erwirbt, und sich möglicherweise später Herausgabeansprüchen des Eigentümers ausgesetzt sieht, während er sich Rückforderungesproblemen gegenüber dem Verkäufer wegen des nichterfüllten Kaufvertrages ausgesetzt sieht (Verjährungsprobleme, Insolvenzrisiken ...). Ausserdem stellt sich natürlich noch die Frage einer Dokumentation um einem Hehlereivorwurf zu entgehen.

Bezüglich des Handels trifft aus meiner Sicht also Ihre Kritik voll zu. Es wird hier eine flexible "Praxis" im Handel mir nichts dir nichts zu einem "Muss", gerade auch in Märkten wie für Briefmarken und Belegen - mir fehlt wie gesagt die Marktkenntnis - bei denen im Handel Provinienznachweise gerade auch bei Belegen im Bereich der 2.500 EUR eventuell bisher bereits gar nicht üblich waren.

Bezüglich des Auktionswesens ist Ihre Kritik ebenfalls berechtigt, da die schwammige Formulierung nichtiger Verfügungs- und Verpflichtungsgeschäfte bezüglich abhanden gekommener Kulturgüter in § 40 nunmehr erkennbar zur Streitfrage führen wird, ob die relative Sicherheit eines Zuschlages auf einer öffentlichen (Briefmarken-)Auktion überhaupt noch besteht? Soweit Frau Grütters hier auf eine möglicherweise bereits bestehende Praxis von Herkunftsdokumentationen durch die Auktionshäuser abstellt, kann dies in § 34b Gewerbeordnung begründet liegen, nach der der Auktionator eine persönliche Zuverlässigkeit aufzuweisen hat. Eventuell gehören hierzu bestimmte Prüfpflichten, um keine abhanden gekommenen Sachen in den (Auktions-)Verkehr zu bringen. Hier kann evtl. ein Leser aus den Auktionatorenkreisen zur Klärung des bisherigen Pflichtenkreises weiterhelfen.

Die Neuregelung kann jedenfalls auch in diesem Fall eventuell dazu führen, dass die bisher für die Wirksamkeit des Zuschlages an einen gutgläubigen Ersteigerer nicht interessierenden Frage unterlassener Prüfpflichten durch den Auktionator doch auf den gutgläubigen Ersteigerer durchschlägt, und dieser eben nicht mehr im Falle seiner Gutgläubigkeit wenigstens auf einer Auktion Sicherheit zu einem wirksamen Erwerb hat. Auch hier eine zu klärende Ungereimtheit.

Es sind mithin weitere von Ihnen, sehr geehrter Herr Dr. Möller, gut identifizierte Beispiele dafür, dass sich die Gesetzesmacher offenbar mit den "Randopfern" der eigentlichen Zielmärkte überhaupt nicht befasst haben. Eventuell weil hier die Marktkenntnisse mangels Input der betroffenen Kreise fehlte? Hier nochmals meine Kritik offenbar unzureichenden bis völlig ausgefallenen Inputs seitens der Verbände.

Beste Sammlergrüße in die Runde

Jens
 
Reinhard Fischer Am: 22.11.2015 16:04:00 Gelesen: 38573# 50 @  
Noch ein paar Ergänzungen:

Man kann an gestohlenem Gut Eigentum erwerben, wenn man sie auf einer öffentlichen Versteigerung oder auf einer Versteigerung nach § 979 Abs. 1a erwirbt (§ 935, 2). Der § 979 ist der von Jens oben angesprochene Fall der Verwertung durch eine Behörde (1a übers Internet), aber wichtiger ist die "öffentliche Versteigerung".

Hört sich klar an, also kann man an gestohlenen Briefmarken beim Kauf auf einer Briefmarkenauktion Eigentum erwerben ? Nein, denn der BGH hat in einem etwas abstrusen Urteil die "öffentliche Versteigerung" definiert als nur (!) die Auktion einer Behörde (z.B. Fundsachenversteigerung, Gerichtsvollzieher) oder eines "öffentlich bestellten und vereidigten Versteigerers". Nun kenne ich nur 3 Kollegen, die das sind, d.h. in den allermeisten Fällen kann ich eben auf einer Briefmarkenauktion, auch wenn die öffentlich ist, an gestohlenem Gut kein Eigentum erwerben.

D.h. das neue Kulturgutschutzgesetz würde den Eigentumserwerb von gestohlenem Gut auch bei diesen 3 Auktionatoren unterbinden, für alle anderen ändert sich nichts.

Sorgfaltspflichten: die gelten auch für den inländischen Handel, sowohl beim Ankauf wie auch beim Verkauf ("Inverkehrbringen"). Die meisten, aber nicht alle Sorgfaltspflichten gelten erst ab einem Wert von 2.500 EUR. Man hat aber keinen Legalitätsnachweis zu erbringen, es reicht, wenn man die Datenbanken nach gestohlenen Gütern durchsieht und ansonsten Verdachtsmomente usw. abklärt. Ob das dann den Behörden reicht, ist natürlich immer so eine Frage.

Beim Export braucht man zu den Sorgfaltspflichten innerhalb der EU ab 100.000 EUR, außerhalb der EU ab 50.000 EUR eine Exportgenehmigung, das gilt sowohl für Sammlungen wie für Einzelstücke. Zugegebenermaßen nicht wirklich ein Problem. Es gibt zwar recht viele Sammlungen über 50.000 EUR, als Auktionator teile ich aber in aller Regel auf, so dass 50.000 EUR nur selten überschritten werden. Ein Sammler, der aber z.B. seine Sammlung bei einem Auktionshaus in der Schweiz versteigern lassen will, kommt da schon eher in Schwierigkeiten.

Beim Import (§ 30) gibt es dagegen gar keine Wertgrenze, man muss beim Import für jedes (!) Kulturgut geeignete Unterlagen mitführen, die den legalen Export aus dem Herkunftsland belegen. Theoretisch also auch für die Frankaturbriefmarken, die man für die Urlaubspostkarten nicht aufgebraucht hat. Normalerweise sollen das die Ausfuhrgenehmigungen sein, aber der Gesetzgeber schweigt sich aus, welche es sind, wenn gar keine Ausfuhrgenehmigung nötig ist. Vorschläge vom BDB und auch von den Fossiliensammlern, doch den § 30 eindeutig zu fassen, sind bei Frau Grütters in die Ablage Rund (Papierkorb) gewandert, obwohl man uns ausdrücklich eine Klarstellung versprochen hatte.
 
Reinhard Fischer Am: 22.11.2015 16:12:54 Gelesen: 38568# 51 @  
Noch etwas zu der Frage der Provenzienz:

Bei den Briefmarken spielt das praktisch keine Rolle. Wenn ich im Katalog "ex Sammlung Ferrari" schreiben kann, ist das natürlich verkaufsfördernd. Für viele Sammelgebiete haben die Prüfer gute Datenbanken, wann ein Stück auf Auktionen aufgetaucht ist. Kein Kunde fragt aber nach der Provenienz, weil er Angst hat, gestohlene Ware zu bekommen, auch der Vorbesitzer will ja in der Regel nicht genannt werden und häufig darf der Versteigerer den Vorbesitzer auch gar nicht nennen (Datenschutz !).

Gestohlene Stücke sind auch so gut wie gar nicht am Markt. Ich habe in 30 Jahren Berufspraxis nur zwei mal unbeabsichtigt Hehlerware angekauft. Im ersten Fall hatte eine Sekretärin ihren Chef beklaut (ca. 1000 EUR), es handelte sich dabei um Gedenkmünzen. Im zweiten Fall waren Notgeldscheine und eine Münze aus Ebaypost gestohlen worden (Gesamt keine 100 EUR), der eigentliche Empfänger hatte dann die Stücke in unserem Online-Katalog gefunden. Da inzwischen praktisch alle Kataloge online sind und auch fast alles abgebildet wird, ist kaum vorstellbar, dass ein herausragendes Stück unbeobachtet verkauft wird.

Bei Münzen vor 1800 wird etwas mehr nach der Provenienz gefragt, aber eigentlich hauptsächlich als Echtheitsnachweis. Bei antiken oder auch mittelalterlichen Münzen kann es schwierig sein, einen Echtheitsnachweis zu erbringen und da ist es natürlich schön, wenn man weiß, dass ein Stück aus einem dokumentierten Fund stammt.

Gruß

Reinhard
 
Richard Am: 25.11.2015 09:13:49 Gelesen: 38440# 52 @  
Ende des freien Kunsthandels? Debatte um eine Gesetzesnovelle

Von Sigrid Hoff

Kunsthändler und Sammler laufen Sturm, Antiken-Experten sind vorsichtig optimistisch: der Gesetzentwurf zur Neuregelung des Kulturgutschutzes, das die Einfuhr illegaler Antiken und die Ausfuhr national bedeutender Kunst verhindern soll, hat das Kabinett passiert:

http://www.wdr5.de/sendungen/scala/kulturgutschutzgesetz-124.html

(Tonbeitrag, 13 Minuten)
 
Francysk Skaryna Am: 25.11.2015 09:34:28 Gelesen: 38432# 53 @  
Moin,

zwei Beiträge befassen sich damit, ob die Kulturgutschutz-Novelle eine Behinderung für die wissenschaftliche Paläontologie und paläontologische Sammlungen darstellt [1] und ob Deutschlands Münzsammler Opfer radikaler Kulturgutschützer sind [2].

Gruss

[1] http://http//http://www.romancoins.info/Kulturgutschutz%20-%20Druckfassung.pdf
[2] http://http//http://www.solnhofen.de/export/download.php?id=1607
 
mljpk Am: 25.11.2015 10:52:49 Gelesen: 38418# 54 @  
@ Dr. Fischer [#50] [#51]
@ Francysk Skaryna [#53]

Sehr geehrter Herr Dr. Fischer,
sehr geerter Herr Skaryna,

vielen Dank für die Hinweise aus der Praxissicht eines Versteigerers und die Fundstellen zu Stellungnahmen anderer Betroffener. Es scheint sich fokussiert auf die Sammlersicht also herauszukristallisieren, dass der Import mit seinen erforderlichen "Legalitätsnachweisen" im grenzüberschreitenden Tausch- oder Kaufverkehr (Sammlungen, Lots und Einzelmakren werden etwa über Ebay sicherlich täglich zigfach auch in Drittstaaten gekauft) ein durchaus praxisrelevantes Thema sein wird. Für den Export kann die Wertgrenze für die Genehmigungspflicht für den fortgeschrittenen Sammler wohl im internationalen Ausstellungsverkehr relevant werden, da hier anders als in der Auktionspraxis keine Aufsplittung in kleinere Einheiten möglich sein wird, und aus meiner Sicht auch der Sammlungsbegriff klar ausgefüllt ist.

Hat der BDPh für die Sammler zu dieser Thematik vergleichbar mit den Numismatikern oder auch einigen Paläontologen Stellung genommen und wohlbegründete Änderungsvorschläge gegenüber den Fraktionen im Bundestag eingebracht? Hat jemand eine Fundstelle oder eine Innensicht parat?

Wenn nein, stelle ich erneut die Frage an die hier sicher in reicher Zahl mitlesenden BDPh-Mitglieder und ggf. Funktionäre, warum nicht? Das völlige Schweigen ohne eine eigene Positionierung des Verbandes (nicht durch den Filter irgendeiner Interessengemeinschaft) für/wider, bzw. die beschwichtigende Sichtweise die in der letzten Philatelie dargelegt wurde, verwundert mich sehr, zumal sie ja auch keine Stellungnahme des Verbandes sondern nur eine Einzelsicht war.

Ich bin mir völlig im Klaren, dass von der Seitenlinie leicht gestänkert werden kann. Hier geht es aber um den wesentlichen Kern der Verbandsarbeit, der Interessenbildung und Interessenvertretung. Bezüglich der Interessenvertretung geschieht evtl. (?) manches im Hintergrund, die Interessenbildung erfordert aber eine gewisse Information der Sammler die ich seitens des Verbandes bisher mit Ausnahme einer dürren, nichtssagenden Pressemitteilung nicht erkennen kann. Erst Dank der Philaseiten ist das relevante Thema in einem frühen Stadium mit seinen Einzelheiten überhaupt auf meinen Schirm gekommen.

Beste, etwas nachdenkliche Sammlergrüße in die Runde

Jens
 
Lars Boettger Am: 25.11.2015 12:50:55 Gelesen: 38389# 55 @  
@ mljpk [#54]

Hallo Jens,

das Thema wird auch im BDPh-Forum sehr ausführlich behandelt.

Beste Grüsse!

Lars
 
mljpk Am: 25.11.2015 14:35:24 Gelesen: 38358# 56 @  
@ Lars Boettger [#55]

Hallo Lars,

danke für den Hinweis.

Ist Dir eine "offizielle", fundierte und auch gegenüber dem Gesetzgeber vermittelte Positionierung des BDPh bekannt (nicht nur ein wenig konkretes "wir haben da Bedenken")? Wo kann diese abgerufen werden?

Im BDPh-Forum finde ich nach kursorischer Duchsicht der Beiträge nur eine kurze Zusammenfassung des von der Interessengemeinschaft Erreichten durch Herrn Decker ( http://www.bdph.de/forum/showthread.php?15623-Neues-Kulturgutgesetz/page9 ). Eine BDPh eigene Positionierung habe ich nicht gefunden (vielleicht lag es auch nur am Lesetempo). Insbesondere weiß ich nicht, welche Gesamtforderungen formuliert wurden, was also warum nicht in der Nachbearbeitung zugunsten der Briefmarkensammler umgesetzt wurde. Ich habe leider weiter den Eindruck dass (1) entweder ein Kameralvorgehen hinter geschlossenen Türen seitens des BDPh praktiziert wird, oder aber (2) man sich einfach den Positionen der weiteren Verbände anschließt und selbst nicht allzu viel briefmarkenspezifischen Input leistet. Am Ende hat man dann ein Resultat welches von den organisierten Sammlern nicht bewerten kann, da die Vermittlung des Weges zum Ergebnis fehlt, z.B. etwa durch regelmäßige Updates auf der Homepage zu den aus Sicht des BDPhs zu erreichenden Zielen und zu den unternommenen Schritten. Warum funktioniert eine Kommunikation auf diesem Weg zu einem Tauschtag o.ä., nicht aber zum wichtigen Bereich der Interessenvertretung?

Es geht mir hier nicht um eine Diskreditierung sondern um konstruktive Kritik, da die Kommentare hier und auch im BDPh Forum ja eindrücklich zeigen, dass Aufklärung Not tut.

Beste, weiterhin nachdenkliche Sammlergrüße

Jens
 
Lars Boettger Am: 25.11.2015 14:46:46 Gelesen: 38349# 57 @  
@ mljpk [#56]

Hallo Jens,

wenn Du meine ganz persönliche Meinung wissen willst (das ist jetzt keine mit dem BDPh-abgestimmte Meinung): Das ist für die Briefmarkensammler vollkommen uninteressant. Wenn es uns betrifft, dann höchstens marginal.

Wie stellst Du Dir das konkret vor, dass eine Marke, die tausend- und millionenfach gedruckt wurde (Bayerneinser, Sachsendreier etc.), zu einem "Kulturgut" wird? Oder einer von tausenden von Briefen mit der Marke? Selbst bei Gebieten wie Bremen oder Bergedorf wird es Dir schwer fallen, eine Sammlung so aufzubauen, dass sie zum "Kulturgut" im Sinne des Gesetzes wird. Deren "Bedeutung" ist doch im Vergleich zum Land Deutschland gering. Da überschätzt mancher Sammler seine Sammlung ganz erheblich.

Bei Bildern bekannter Meister kann ich mir das schon eher vorstellen, das da der Gesetzgeber die bestehenden Gesetze etwas präzisieren will.

Beste Grüsse!

Lars
 
mljpk Am: 25.11.2015 15:26:56 Gelesen: 38333# 58 @  
@ Lars Boettger [#57]

Hallo Lars,

siehe oben, u.a. Beiträge von Herrn Dr. Fischer, schlicht die Beschwer, etwa bei der Einfuhr von Marken die ich getauscht habe, mich um Nachweise zu kümmern, dass diese aus dem Herkunftsland ausgeführt werden können. Eine Lästigkeit zwar, die aber vermeidbar und gerade wegen des von Dir angesprochenen Massenproduktes und Massenmarktes Briefmarken überflüssig wie ein Kropf ist. Mein Argument, warum Briefmarken schlicht und einfach klarstellend aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herausgehören soweit es auf das Kategorienprinzip ankommt. Ähnlich wie es die Briten gemacht haben, die mit einem kleinen Satz klarstellend Briefmarken ausgenommen haben (siehe ebenfalls oben).

Im Übrigen: Briefmarken, auch die mit einem Katalogwert von 0,15 Cent in Mulitmillionenauflagen, sind aus meinem Verständnis der Sicht des Gesetzgebers immer Kulturgut (siehe die Definition in der UNESCO-Konvention), da sich hierfür ein eigener, nicht auf deren unmittelbar vorgesehenen Verbrauch gerichteter Sekundärmarkt gebildet hat (der Sammlermarkt). Der Gesetzesentwurf sieht Pflichten, wie eben den Nachweis der rechtmäßigen Ausfuhr aus dem Ursprungsland unabhängig von Wertgrenzen oder "nationaler" Bedeutsamkeit vor. Damit treffen gewisse geplante Pflichten eben auch den Alltagssammler jenseits der "großen" Pflichten abhängig von Wert- und Altersgrenzen. Dies wurde aus meiner Sicht auf die Diskussion wohl noch nicht richtig verstanden.

Jetzt stelle ich aber meine Motzereien und Beiträge hier ein. Vielleicht kannst Du als Größe im Philabereich mit besserem Zugang zur BDPh-Führung hier über die aktuellen Entwicklungen berichten. Würde mich sehr freuen, da das Thema anders als Herr Decker schreibt gar nicht trocken sondern sehr spannend ist. Wann ist denn die Philatelie mal von einem Gesetzgebungsvorhaben so betroffen, kommt doch selten genug vor um die Profilierungsmöglichkeit (Uns gibt es auch noch !) zu verpassen.

Allerletzter Nachtrag noch. Hier bezüglich der Frage der Betroffenheit des "kleinen Sammlers" noch die Stellungnahme der Bundesregierung unter http://www.bundesregierung.de/Webs/Breg/DE/Bundesregierung/BeauftragtefuerKulturundMedien/kultur/kulturgutschutz-neu2/kurzgefasst/_node.html

Fette Hervorhebung durch mich. Die Regierung spricht selbst die Betroffenheit des Jedermannsammlers an. Neben den genannten Pflichten kommt noch die Informations- bzw. Nachweispflicht zu Ausfuhrgenehmigungen bei der Einfuhr. Für mich stellt das eine Betroffenheit des Jedermannsammlers dar.

Briefmarkensammler oder Briefmarkenhändler?

Der Gesetzesentwurf enthält keine Regelungen, die den Sammler in seiner Freiheit beschränken, Briefmarken zu sammeln. Auch die Voraussetzungen für die Eintragung in das Verzeichnis national wertvollen Kulturgutes sind so formuliert, dass Briefmarkensammler davon regelmäßig nicht betroffen sind. Insbesondere scheidet die Eintragung einzelner Briefmarken, abgesehen von absolut herausragenden Einzelfällen, aus.

Der Gesetzentwurf enthält Sorgfaltspflichten, die bei einem Verkauf für Jedermann und damit auch für Briefmarkensammler gelten. Danach muss ein Briefmarkensammler allein dafür Sorge tragen, dass er keine Briefmarken in Verkehr bringt, die gestohlen oder illegal eingeführt wurden. Diese Sorgfaltspflicht beschränkt sich ausdrücklich auf den „zumutbaren Aufwand“, so dass bezogen auf die gängigen Werte von Briefmarken keine besonderen Anstrengungen von Sammlern gefordert werden.

Über die allgemeinen Sorgfaltspflichten hinaus gelten für gewerbliche Briefmarkenhändler weitere professionelle Sorgfaltspflichten. Auch diese Sorgfaltspflichten greifen aber nur dann, wenn eine einzelne Briefmarke mehr als 2.500 Euro wert ist.

Für die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU (etwa die Schweiz oder die USA) bleibt die geltende EU-Rechtslage unverändert. Neu eingeführt werden soll eine Ausfuhrgenehmigungspflicht auch in andere EU-Staaten, wenn gewisse Alters- und Wertgrenzen überschritten werden. Das neue Gesetz soll hierbei teilweise deutlich über die Alters- und Wertgrenzen des EU-Rechts erhöht werden.

In diesem Sinne nochmals mit den besten Sammlergrüßen

Jens
 
Francysk Skaryna Am: 26.11.2015 10:12:49 Gelesen: 38263# 59 @  
Moin,

@ Lars Böttger [#57]

Das ist für die Briefmarkensammler vollkommen uninteressant. Wenn es uns betrifft, dann höchstens marginal.

"Wroclaw - Deutsch-Polnische Grenzerfahrung" berichtet über den Versuch einer staatlichen Enteignung. So etwas ist A) wenig vertrauensbildend, B) alltag und C) neigt in diesem Land ein kritisches Quantum zur Dienstbeflissenheit. Über den Rest möchte ich nicht nachdenken.

@ mljpk [#54]

Hat der BDPh für die Sammler zu dieser Thematik ... Stellung genommen und wohlbegründete Änderungsvorschläge gegenüber den Fraktionen im Bundestag eingebracht?

Im Beitrag #88 im Thema Neues Kulturgutgesetz heist es, dass [Zitat Uwe Decker] Wer lesen will, konnte am 23.09.15 auf unserer Homepage, 26.09.15 hier im Forum und jetzt in der November Ausgabe der philatelie entnehmen, dass wir tätig sind und auch in welchem Rahmen.[Zitat Ende]

Nun finde ich den Beitrag auf der Hompage des Verbandes nicht und er ist im Thema auch nicht verlinkt.

Ferner stellt sich der Verband offenbar hinter die Äußerungen des in der Philatelie veröffentlichten Artikels von Wolfgang Maassen. Man kann die Formulierung jedenfalls so verstehen.

@ mljpk [#58]

Briefmarken, auch die mit einem Katalogwert von 0,15 Cent in Mulitmillionenauflagen, sind aus meinem Verständnis der Sicht des Gesetzgebers immer Kulturgut ...

Spätestens dann, wenn sie auf einer Postkarte von Gerhard Schröder kleben.
Soziale Philatelie wird in diesem rechtlichen Konstrukt mehr oder weniger erschwert werden. Und nur bunte Bildchen wegstecken ist langweilig. Genau hier beißt sich die Katze in den Schwanz. Hat sich die Politik in eine sich selbst beschäftigende Bürokratie verwandelt, die mit immer mehr Aufwand immer weniger Sinnvolles hervor bringt? Diese Kritik in Anlehnung an das Peter-Prinzip, in der in einer Hierarchie ein Aufsteiger irgendwann die Stufe seiner Unfähigkeiten erreicht, stammt aus dem Handelsblatt [3].

Gruss

[1] http://www.schweizer-welcome.de/wroclaw1.htm
[2] http://www.bdph.de/forum/showthread.php?15623-Neues-Kulturgutgesetz&p=137517&viewfull=1#post137517
[3] http://www.handelsblatt.com/panorama/kultur-kunstmarkt/wirtschaftsbuchpreis/deutscher-wirtschaftsbuchpreis-recht-und-gesetz-sind-zum-beklemmenden-korsett-geworden/8913500-2.html
 
Richard Am: 31.12.2015 09:49:09 Gelesen: 37464# 60 @  
Deutschland beschränkt Handel mit Münzen, Briefmarken, Gemälden

Von Christian Bauschke, Rechtsanwalt in Berlin und spezialisiert auf das Kunstrecht

Das neue Kulturgutschutzgesetz bedeutet für Kunsthändler und Sammler eine raffinierte Art der finanziellen Repression. Eigentümer müssen signifikante Wertverluste hinnehmen. Der Staat forscht seine Bürger aus und könnte dadurch ermittelte Objekte dann selbst billiger erwerben – ohne die Eigentümer für den Verlust zu entschädigen.

(Quelle und ausführlich weiter lesen: http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/12/28/deutschland-beschraenkt-handel-mit-muenzen-briefmarken-gemaelden/ )
 
bayern klassisch Am: 31.12.2015 10:10:40 Gelesen: 37455# 61 @  
@ Richard [#60]

Lieber Richard,

vielen Dank für den Artikel und die Aussagen eines Fachmanns darin.

Man kann unschwer erkennen, dass auch dieses Gesetz, wie schon einige zuvor, von Ahnungslosen gemacht und unter Umgehung der Menschen in diesem Lande durchgeboxt werden soll. Dass in ihm hinten und vorne nichts passt, ja das scheinbar Gewollte damit konterkariert wird, interessiert die Macher nicht.

Wieder eine Möglichkeit mehr der kalten Enteignung und ich sage es jetzt schon voraus, dass die Freigrenzen, die viele für sich als nicht relevant ansehen, bald geändert werden können - den Rest macht die Inflation, die ja nicht erst seit gestern um sich greift und deren Manipulation seit jeher schon Tür und Tor geöffnet ist.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Lars Boettger Am: 31.12.2015 10:56:28 Gelesen: 37441# 62 @  
@ bayern klassisch [#61]

Wie viele Briefmarkensammlungen kennst Du, die als "nationales Kulturgut" gelten? Ich kenne keine. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass eine Sammler mit seiner Bund-Sammlung ("ab 1949 - postfrisch!") jetzt Angst haben muss. Für mich ist das weiterhin Panikmache. Der Autor mag zwar ein Fachmann sein, aber er schreibt nicht ausgewogen. Ich möchte nicht wissen, wer für diesen Artikel bezahlt hat.

Beste Grüsse!

Lars
 
ligneN Am: 31.12.2015 11:30:53 Gelesen: 37429# 63 @  
@ Lars Boettger [#62]

Hallo Lars,

da kann ich Dir nur zustimmen. Es werden lediglich die Bestimmungen der EU, die in allen Mitgliedsländern längst gelten, in deutsches Recht umgesetzt.

--> Und zwar auf den letzten Drücker. Deutschland ist immer dabei, wenn es um das verzögern und verhindern von Kunst- und Fundstättenschutz geht. Einflußreiche Lobby am Werk.

Deutschschland ist neben der Schweiz das "schwarze Loch" für Weiterverkäufer von Raubgrabungen, für Kunst- und Münzenschmuggel generell, Provenienzverschleierung usw.

Was da gerade an Meinungsmache gegen dieses Gesetz läuft, kann man nur als gezielte Kampagne bezeichnen.

Natürlich bekommen einige große (aber betr. Gesetz ahnungslose) Kunstsammler die Panik und bringen ihr Zeugs "in Sicherheit". Beraten vom Anwalt, der nur zu gerne den Staatsteufel an die Wand malt, Risikoanalyse usw.

Das befeuert wiederum den Medienzirkus. Irgendwie müssen die Meinungscaterer der betuchten Anlager / Sammler ja ihre Blätter füllen.

Seine Verbündeten suchen die Kampagneure überall, gerne auch bei den sonst im Gewerbe belächelten Abtlg. Briefmarkensammler.

Für die Philatelie: irrelevant.

Gutes Neues!
 
bayern klassisch Am: 31.12.2015 14:40:25 Gelesen: 37391# 64 @  
@ Lars Boettger [#62]

Lieber Lars,

in einem wattierten Gesetz kann der Gesetzgeber im Rahmen späterer Ausführungsbestimmungen festlegen, was er als Kulturgut ansieht und was nicht.

Dass eine Vordrucksammlung Bund oder Berlin nicht darunter fallen wird, ist klar, werden die doch von etlichen Auktionatoren nicht mal der Witwe abgenommen, die damit einläuft.

Aber altersmäßig kommt eine Sammlung KZ - Post, III. Reich, Altdeutschland oder Vorphilatelie (besser: Vormarkenzeit), die etwas auf sich hält, schon in Gefahr, davon erfasst zu werden. Damit wäre ich z. B. schon mehrfach dabei, weil ich mehrere postgeschichtliche Sammlungen habe, die man durchaus als nationales Kulturgut ("Bayern") ansehen könnte.

Bei fünfstelligen Wertangaben ist wieder allem Tür und Tor geöffnet, denn diese können jedem billigen Michelkatalog entnommen werden, von Schätzern geschätzt oder von vereidigten Gutachtern festgelegt werden. Was dabei heraus kommt, ahnt man, wenn man mit dergleichen schon beruflich ein paar Jahrzehnte befasst war.

Auf deine Eingangsfrage zurück zu kommen, wie viele Sammlungen ich kenne, denen man diesen Status zuerkennen könnte, komme ich auf eine hohe zweistellige Zahl, vlt. sogar knapp dreistellig. Andere mögen weniger, oder viel mehr kennen, aber darum geht es gar nicht, sondern um das Wehren der Anfänge.

@ ligneN [#63]

"Es werden lediglich die Bestimmungen der EU, die in allen Mitgliedsländern längst gelten, in deutsches Recht umgesetzt."

Das ist schon deswegen falsch, weil nicht alle Länder so dumm waren, und bedenkenlos ihr nationales Recht dem EU - Recht untergeordnet haben.

"Deutschland ist immer dabei, wenn es um das verzögern und verhindern von Kunst- und Fundstättenschutz geht. Einflußreiche Lobby am Werk."

Hätte ich über die Zulassung von EU - Recht in unserem Land zu entscheiden, würde ich auch als Cunctator dastehen, denn das gereichte mir schon zur Ehre, wenn auch zu einer kleinen.

"Was da gerade an Meinungsmache gegen dieses Gesetz läuft, kann man nur als gezielte Kampagne bezeichnen."

Die Hinterfragung fragwürdigster Gesetze als "gezielte Kampagne" zu bezeichnen, ist wohl ein schlechter Witz. Wir leben leider in einem Land, in dem viel zu wenig hinterfragt wird, weil unsere gleichgeschalteten Massenmedien nur zu gerne im Sinne der Regierung berichten, denn die Hand, die einen mit lebenswichtigen Nachrichten versorgt, beißt man nicht.

"Natürlich bekommen einige große (aber betr. Gesetz ahnungslose) Kunstsammler die Panik und bringen ihr Zeugs "in Sicherheit". Beraten vom Anwalt, der nur zu gerne den Staatsteufel an die Wand malt, Risikoanalyse usw."

Ich halte es nicht mit großen, mittleren oder kleinen Sammlern - für mich sind alle Sammler gleich, ob sie von einem Gesetz betroffen, oder (noch) nicht betroffen sind. Gäbe es keine großen Sammler, gäbe es wohl auch keine kleinen, oder wenn, dann viel weniger. Wäre das nicht unendlich traurig?

Ich kenne etliche Anwälte; nur den Staatsteufel malt keiner von denen an die Wand. Aber vlt. wissen sie aus berufsnahen Gründen etwas eher als Straußenvögel, wenn etwas im Busche ist ...

"Das befeuert wiederum den Medienzirkus. Irgendwie müssen die Meinungscaterer der betuchten Anlager / Sammler ja ihre Blätter füllen."

Die Bereiche Kunst, Numismatik und Phlatelie sind doch nur ganz unbedeutende Nebenkriegsschauplätze im Vergleich zu den zahllosen echten und existenziellen Problemen, die unser Land seit langer Zeit hat und die von unseren Politdarstellern permanent ignoriert bzw. auf die lange Bank geschoben werden. Außerdem hoffe ich keinen Neid aus deinem Satz herauslesen zu müssen.

"Seine Verbündeten suchen die Kampagneure überall, gerne auch bei den sonst im Gewerbe belächelten Abtlg. Briefmarkensammler."

Ob Philatelisten belächelt werden, weiß ich nicht. Jede Sammlergruppe muss mit etwas Hohn und Spott von fachlich Ungebildeten rechnen - wenn du dich diesem Laienurteil anschließen möchtest, kannst du das gerne tun. Ich für meinen Teil freue mich über möglichst viele Sammler und bewundere viele davon, die sich der bildenden Kunst, der Numismatik oder der Philatelie verschrieben haben.

Liebe Grüsse von bayern klassisch
 
Lars Boettger Am: 31.12.2015 17:52:32 Gelesen: 37347# 65 @  
@ bayern klassisch [#64]

Lieber Ralph,

überschätzen wir Briefmarkensammler hier nicht unsere Sammlungen? Was für uns "bedeutend" oder "historisch bedeutend" ist, interessiert doch die Nation nicht. Wenn ein Rechtsanwalt den Untergang des Abendlandes sieht, dann aus meiner Sicht nur, weil er sich hier Geschäft mit Kunden verspricht, die entsprechend beraten werden wollen. Die Beratungsleistung erbringt der Anwalt "gegen geringe Gebühr"...

Es ist ja schön, wenn sich der BDPh einbringt. Ich kann sogar verstehen, wenn es ein-zwei Sammler gibt, die hier ernsthaft etwas befürchten müssen. Aber als Sammlerorganisation tut mir hier der BDPh eigentlich schon zu viel.

Ganz gelassene Grüsse!

Lars
 
bayern klassisch Am: 31.12.2015 18:18:44 Gelesen: 37331# 66 @  
@ Lars Boettger [#65]

Lieber Lars,

vlt. hast du Recht. Vlt. auch nicht. Wehret den Anfängen, heißt es in solchen Fällen immer so schön.

Ob und was der BDPh hier sagt, halte ich auch für zweitrangig. Kein Politiker wird sich davon beeindrucken lassen, da bin ich ganz bei dir. Aber es geht auch um philatelistische Sammlungen, von daher ist ein Verband immer mit im Boot und es ist besser, man korrespondiert mit den Entscheidern und publiziert dies öffentlich, als dass man gar nichts unternimmt.

Wenn man es auf Raubkunst, Beutekunst oder dergleichen abgesehen hätte, hätte man die Philatelie heraus halten sollen. Indem man genau das nicht macht, zeigt man, dass man auch darauf ein Auge geworfen hat. Was das bei einem Land, das pleite ist, bedeutet, braucht man wohl keinem zu sagen, der mit offenen Augen herum läuft.

Guten Rutsch und liebe (auch gelassene) Grüsse,
Ralph
 
Francysk Skaryna Am: 02.01.2016 16:22:50 Gelesen: 37215# 67 @  
Moin,

@ bayern klassisch [#61]

Man kann unschwer erkennen, dass auch dieses Gesetz ... von Ahnungslosen gemacht und unter Umgehung der Menschen in diesem Lande durchgeboxt werden soll.

Meinst Du ahnungslos oder interessensgesteuert?

Um es mal etwas ketzerisch zu sagen: Wenn es keine illegalen Einfuhren von Kulturgut gibt (siehe unten), liegt die Intention des Gesetzes in der Möglichkeit des preisgünstigen Aufkaufs für national wertvoll erklärter Gegenstände. Wer entscheidet denn, was national wertvoll ist. Es gibt derzeit Listen, auf die man erst einmal zurückgreifen wird. Aber wer pflegt diese Listen in Zukunft nach welchen Regeln weiter?

@ Lars Böttger [#65]

überschätzen wir Briefmarkensammler hier nicht unsere Sammlungen?

Es gibt sicherlich ein ausreichendes Quantum an Katalogmillionären - ganz klar! Aber es gibt auch ein ausreichendes Quantum an Winkeladvokaten, die die Grauzonen kreativ mit seltsamen Leben füllen. Wie oft gab es schon Abmahnwellen? Hatten wir nicht auch in der Philatelie davon welche erlebt? Es wäre doch gelacht, wenn man nicht auch philatelistisches Kulturgut kreativ nationalisieren und wirtschaftlich ausbeuten ließe. Damit ist vielleicht etwas übertrieben, aber einem halbseidenen Geschäftsfeld sollte man auch nicht unbedingt den Boden bereiten. Eine solche Praxis später zu ahnden ist aufwändiger, als sie von vornherein zu unterbinden.

Interessant ist übrigens, dass der deutsche Zoll keine Beweise für den Import antiker Kulturschätze aus dem Gebiet des Islamischen Staates hat [1]. Staatsministerin Monika Grütters begründet das Gesetzt neuerdings auch damit, den illegalen Handel mit Antiquitäten aus dem IS-Gebiet unterbinden zu wollen. Wenn dem tatsächlich so ist, dass es schlichtweg keine illegalen Einfuhren von Kulturgütern nach Deutschland oder andere EU-Mitgliedstaaten gibt, dann fehlt es auch an dem Sinn dieses Gesetzes. Oder der Sinn ist ein völlig anderer!

Gruss

[1] http://www.wiwo.de/politik/deutschland/deutscher-zoll-keine-erkenntnisse-über-einfuhr-von-kulturgütern-aus-is-gebieten/12736132.html
 
bayern klassisch Am: 02.01.2016 17:14:40 Gelesen: 37204# 68 @  
@ Francysk Skaryna [#67]

Meinst Du ahnungslos oder interessensgesteuert?

Moin Francysk,

sowohl als auch. Nur Ahnungslose formulieren unsauber und hilflos und interessensgesteuert sind sie wohl alle im Bundestag und ihren nachgeordneten Stellen, weil sie in der Masse ihren wirklichen Auftrag verkennen (die Interessen der Bürger sind halt in der Regel nicht die Interessen der Lobbyisten).

Da ich von Beruf Zollbeamter bin, kann ich das von dir Zitierte bestätigen - unter dem Vorwand der Bekämpfung der illegalen (IS gesteuerten) Ein- bzw. Durchfuhr von Antiquitäten und Kunstschätzen, die keine Tatsache ist, sondern ein Märchen unserer gleichgeschalteten Presse ist, versucht man von hinten den juristischen Vorbau voran zu treiben, über den man später mit der Keule alles verstaatlichen kann, was Wert, Niveau und Kultur hat; ich glaube, staatliche Raubkultur würde es ganz gut treffen.

Aber deine Weitsicht hat leider nicht jeder, so sehr ich mir das auch wünschte.

Liebe Grüsse,
Ralph
 
Eric Scherer Am: 03.01.2016 09:25:13 Gelesen: 37087# 69 @  
Hallo Lars,

ich habe diesen Thread und Deine Anmerkungen erst heute entdeckt und habe die Diskussion bisher eher im BDPh-Forum verfolgt. Auch ich kenne keine Sammlung, die als Kulturgut eingestuft wurde.

Ich kenne aber die Fragebogen der Schweizer Zollverwaltung zu dem Thema. Diesen bekomme ich pro Jahr ca. 4 bis 5 Mal. Um es kurz zusammenzufassen; mindestens 30 Minuten Zeitverlust für das Ausfüllen. Antworten immer ganz nah an Halbwahrheiten, Lügen, Unklarheiten - vielleicht müsste ich mal einen Fachanwalt hinzuziehen, um sicherzugehen, dass auch alle Antworten stimmen, eine erhöhte Berarbeitungsgebühr bei der Zollverarbeitung (ca. 50 CHF) und mal mindestens eine zusätzliche Wartezeit von 2-4 Wochen, bis die Stücke bei mir eintreffen.

Sorry - die Sache betrifft viele von uns. Das günstigste Stück, dass da hängengeblieben ist, hat 90 Eurocent gekostet - super! Ich bin weiterhin der Meinung, dass der BDPh und viele Schreiber hier sich der Gefahr nicht im Klaren sind. Die Gefahr ist nicht das Gesetz sondern das Bürokratiemonster und die Willkür, die daraus resultiert. Die meisten Schreiber leben in der EU und kennen ausser EU-Binnenhandel nicht viel. Ich wohne in der Schweiz - da kommen ca. 90% meiner Belege über eine Zollgrenze. Das Kulturgutgesetz kennt aber keinen EU-Binnenmakrt.
 
Francysk Skaryna Am: 14.03.2016 09:32:50 Gelesen: 35378# 70 @  
Moin,

zwischen 2004 und 2013 hat sich der weltweite Handel mit Kulturgütern verdoppelt. Der globalen Rezession zum Trotz stieg der Wert der exportierten Güter auf 212,8 Milliarden Dollar ( 193 Milliarden Euro). Beim globalisierten Handel mit Kulturgütern hat China mittlerweile die USA bei Kulturgutexport abgehängt. Während die Rolle der Industriestaaten beim Kulturgüterexport abnimmt steigt dagegen der Anteil einkommensschwächerer Volkswirtschaften. Indien, Malaysia aber auch die Türkei zählen inzwischen zu den zehn wichtigsten Exporteuren von Kulturgut. Während Goldschmuck die wichtigste Rolle im Kunstmarkt einnimmt spielt das Kunsthandwerk eine entschiedene Rolle: Es gibt eine tendenzielle Zunahme des Handels mit Statün, Statütte, und Gemälden. Dies geht aus einem aktuellen Bericht der UNESCO hervor [1].

Nun haben die Museen seit dem Schwabinger Kunstfund [2] ihre Provenienzforschung intensiviert. In der Nachkriegszeit fragte niemand groß nach, wenn Kunsthändler moderne Werke zum Verkauf anboten. Die Museen waren froh, ihre gerupften Bestände wieder komplettieren zu können. Selbst nach der Washingtoner Erklärung, in der sich die Unterzeichner freiwillig verpflichteten, nach einer gütlichen Einigung mit den Erben jüdischer Vorbesitzer zu suchen, kamen die Recherchen nur langsam voran. Hier denkt man mittlerweile anders. Provenienzrecherche nimmt neben der Raubkunst künftig auch Beutekunst sowie archäologische und ethnologische Objekte in den Blick [4].

Die Forderung Namibias nach rückführung der Familienbibel seines Nationalhelden Hendrik Witbooi [5] wird man anerkennen müssen, da ihr eine völkerrechtswidrige Aktion im Rahmen kolonialen Eroberungsstrategien - also eine in jeder Hinsicht illegitime Erwerbssituation - voraus ging.

Und hier können wir auch eine Brücke zur Philatelie schlagen, die Wolfgang Maassen in seinem Artikel "Beutekunst - ein Thema für die Philatelie?" bereits ansprach. In der Zeit Dezember 2014 bis März 2015 fand in der Sammlung des Museums für Kommunikation in Berlin und im Archiv für Philatelie in Bonn eine Provenienzrecherche statt. Ziel des Projektes war es, die Helgoland-Druckstöcke, -platten und -Marken der jüdischen Briefmarkenhändler Familie Goldner aus Hamburg in den Sammlungen in Berlin und Bonn zu identifizieren und neu zu deklarieren [7]. Die Frage, wie die eine oder andere Sammlung in den Handel gelangte, wir sich stelle - es ist keine Frage des ob sondern nur des wann.

Der Verband ist vielleicht nicht schlecht beraten, das Thema nicht weiter auszusitzen. Es könnte alle schneller einholen, als manche denken. Und mit der neuen Gesetzgebung wird so manches einfacher.

Gruss

[1] https://www.unesco.de/kultur/2016/handel-mit-kulturgütern-zentral-für-weltwirtschaft.html
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/Schwabinger_Kunstfund
[3] http://www.museumsbund.de/fileadmin/geschäfts/presse/2015/2015__April_PM_Jahrestagung_Essen.pdf
[4] http://www.kontextwochenzeitung.de/kultur/258/geraubte-kunst-3492.html
[5] http://www.swr.de/swr2/kultur-info/namibia-fordert-kulturgut-von-stuttgarter-museum-zurück/-/id=9597116/did=16464770/nid=9597116/1l1c1x7/index.html
[6] Philatelie Nr. 443, Mai 2014, Seite 21 ff.
[7] http://www.kulturgutverluste.de/de/component/k2/item/347-museum-für-kommunikation-berlin
 
Richard Am: 15.04.2016 15:03:01 Gelesen: 34525# 71 @  
Kulturausschuss weigert sich, die 44.500 Unterschriften der Petition „Für den Erhalt des privaten Sammelns“ entgegenzunehmen

Münzenwoche.de - 14. April 2016 – 23,2 Millionen Bundesbürger sammeln. Das entspricht mehr als einem Drittel der Bevölkerung. Sie sammeln Münzen (7,7 Mio.), Briefmarken (6,2 Mio.), Uhren (4,8 Mio.), Mineralien und Fossilien (4,1 Mio.), Antiquitäten (3,6 Mio.) und vieles mehr.* Jeder einzelne dieser Sammler ist von dem neuen Kulturgutschutzrecht betroffen.

Quelle und ausführlich weiterlesen: http://muenzenwoche.de/de/News/Kulturausschuss-weigert-sich-die-44500-Unterschriften-der-Petition-Fuer-den-Erhalt-des-privaten-Sammelns-entgegenzunehmen/4?&id=4021&utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=M%C3%BCnzenWoche+14.04.2016&newsletter=M%C3%BCnzenWoche+14.04.2016
 
Briefmarkentor Am: 15.04.2016 15:27:03 Gelesen: 34516# 72 @  
Außerhalb des Themas, aber vielleicht doch von Interesse. Der Link zur Studie, auf dem die Zahlen der Quelle im Beitrag [#71] basieren:

http://www.steinbeis-research.de/images/pdf-documents/Studie%20Sammeln%20zwischen%20Leidenschaft%20und%20Kapitalanlage.pdf
 
Francysk Skaryna Am: 23.06.2016 18:42:37 Gelesen: 32343# 73 @  
Moin,

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Position bezogen [1] und sich beim Kultursalon der CDU hinter das umstrittene Kulturschutzgesetz gestellt. Den Entwurf möchte Kulturstaatsministerin Monika Grütters noch vor der Sommerpause durch den Bundestag bringen. Die Süddeutsche Zeitung befürchtet jedoch, dass das Gesetz die Abwanderung von Kunst nicht stoppen, sondern fördern wird [2].

Gruss

[1] http://www.tagesspiegel.de/kultur/kulturschutzgesetz-merkel-stellt-sich-hinter-das-geplante-kulturschutzgesetz/13709896.html
[2] http://www.sueddeutsche.de/kultur/kulturpolitik-im-voelkischen-kaefig-1.3046077
 
Richard Am: 15.07.2016 09:14:03 Gelesen: 31757# 74 @  
Endstation Kulturgutschutz: Kunstbranche fürchtet neues Gesetz, das Sammlern und Anlegern schaden dürfte

Von Daniel Eckert

Die Welt (13.07.16) - Nach der Billigung des Kulturgutschutzgesetzes durch den Bundesrat fürchten deutsche Sammler, Galeristen, Auktionshäuser, Museen um den Kunststandort Deutschland (Link: http://www.welt.de/themen/deutschland-reisen/) und dessen Wettbewerbsfähigkeit. "Das Gesetz bringt ein neues bürokratisches Monster hervor", kritisiert Robert Ketterer, Geschäftsführer des Auktionshauses Ketterer Kunst in München (Link: http://www.welt.de/themen/muenchen-staedtereise/) . Um die Auflagen zu erfüllen, müssten Hunderte, wenn nicht Tausende neue Beamtenstellen in Deutschland geschaffen werden. Die Regelung zeuge von Populismus und überwunden geglaubtem Obrigkeitsdenken.

(Quelle und ausfühzlich weiter lesen: http://www.welt.de/print/die_welt/finanzen/article157003163/Endstation-Kulturgutschutz.html?config=print )
 
StefanM Am: 05.04.2018 15:11:19 Gelesen: 22035# 75 @  
Ich habe mal nachgeschaut, was aus diesem Thema, uns Briefmarkensammler betreffend, geworden ist. Einen Einstieg erhält man über Wikipedia [1]. Auf der Seite zum Kulturschutzgesetz interessierte mich der Teil "Was bedeutet das KGSG für ...?" [2]. Wir fallen in die Kategorie der "Kunstsammler", wo man dann auf eine "Erläuterung für Münz- und Briefmarkensammler" trifft [3].

Dort kann man ein PDF herunterladen in dem zu Briefmarken geschrieben steht:

D. BRIEFMARKEN

Die Ausführungen zu den Münzen gelten für Briefmarken entsprechend.

Ausnahme: Eine Ausfuhrgenehmigung ist gar nicht erforderlich. Denn die deutschen Zollbehörden halten auf Basis des geltenden EU-Rechts eine Ausfuhrgenehmigung für die Ausfuhr in Länder außerhalb der EU weder für Briefmarken als Einzelstücke noch als Sammlungen für erforderlich. Für die Ausfuhr in den Binnenmarkt nach § 24 KGSG gilt dann das Gleiche.


Beruhigend!

Gruß
Stefan

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturgutschutzgesetz
[2] http://www.kulturgutschutz-deutschland.de/DE/AllesZumKulturgutschutz/Kulturgutschutzgesetz/WasBedeutetKGSG/wasistneufuer_node.html
[3] http://www.kulturgutschutz-deutschland.de/DE/AllesZumKulturgutschutz/Kulturgutschutzgesetz/WasBedeutetKGSG/Kunstsammler/Muenzsammler.html?nn=9865320
 
Francysk Skaryna Am: 03.10.2018 11:47:30 Gelesen: 19542# 76 @  
Moin,

ich krame mal wieder dieses Thema aus der Versenkung, da es den selben Sachverhalt betrifft.

Die Zeit berichtet über eine neue EU-Verordnung zur Regelung der Einfuhr von Kunstgegenständen [1]. Die geplante Verordnung betrifft Sammler, deren Bestände außerhalb der EU lagern, die in solchen Ländern erben oder dort etwas erwerben aber auch den Kunsthandel und Einlieferungen für Auktionshäuser und Messen. Umfangreiche Dokumentationspflichten sollen den Weg von Kunstobjekten dokumentieren. Der Weg eines Kunstgegenstandes soll demnach lückenlos in einem begleitenden Pass erfasst werden.

Terrorismusfinanzierung scheidet diesmal als Grund für die Verordnung aus, dafür geht es diesmal um eine Vereinheitlichung nationaler Bestimmungen. Eine eine wirksame Kontrolle, mit der der Handel mit zweifelhaften Objekten sowie Geldwäsche unterbunden werden konnte, wäre indes anders besser zu gewährleisten. Eine vereinheitlichte europäische Einfuhrumsatzsteuer, die ohnehin schon alles lückenlos erfasst, wäre da ein probater weg. Dafür müssten allerdings Zoll und Interpol geschult und aufgerüstet werden. Man wählt also den billigeren Weg und reguliert den Markt und bürdet dem Bürger die Lasten auf.

Gruss

[1] https://www.zeit.de/2018/30/kulturgueter-eu-handel-kunst
 
Richard Am: 28.03.2019 09:09:33 Gelesen: 17297# 77 @  
Kampf gegen illegalen Kulturguthandel ohne Grundlage – Politischer Wille statt Fakten

Eine Auswertung des aktuellen Berichts der Weltzollorganisation zeigt, dass nur 0,2 % des weltweiten illegalen Handels auf Kulturgüter im weitesten Sinne fallen.

Zeitgleich berichtet das Monitoring Team des UN Sicherheitsrats, dass der IS sich nicht systematisch über Kulturguthandel finanziert. Die Politik geht damit nach wie vor von falschen Voraussetzungen aus, wenn sie den Kampf gegen den illegalen Kulturguthandel massiv verstärkt. Die dadurch entstehenden Belastungen für den Kunsthandel sind sachlich nicht gerechtfertigt.

Am 12. März 2019 hat das europäischen Parlament in erster Lesung die EU-Verord- nung über die Einfuhr von Kulturgut angenommen. Sie ergreift, ebenso wie das Kulturgutschutzgesetz, einschneidende Maßnahmen gegen den illegalen Kulturguthandel.

Begründet werden diese Maßnahmen regelmäßig mit der Aussage von Interpol, dass der Schwarzmarkt mit Kunstwerken schon fast ebenso lukrativ sei wie der mit Drogen, Waffen und nachgeahmten Waren. So zuletzt geschehen in der Entschließung des EU-Parlaments vom 17. Januar 2019 zur Rückgabe von Kulturgut.1 Im gleichen Atemzug weist die Entschließung jedoch darauf hin, dass es kein belastbares Zahlenmaterial dazu gäbe. Interpol hat die Behauptung, Kulturgut käme gleich hinter Drogen und Waffen, inzwischen von ihrer Webseite gestrichen.

Seit Jahren mahnt der Handel, dass das Ausmaß des illegalen Kulturguthandels maßlos überschätzt wird, und die dagegen getroffenen Maßnahmen den legalen Kulturguthandel unverhältnismäßig belasten. Die IADAA, der internationale Verband der Antikenhändler, hat nun den im Dezember 2018 erschienen Bericht der Weltzollorganisation zum illegalen Handel3 ausgewertet. Deren Zahlen bestätigen diese Annahme in vollem Umfang.

Danach machen Drogen 42,7 % der Beschlagnahmen des globalen illegalen Handels aus, während Kulturgüter auf lediglich 0,2 % kommen. Sie landen weit abgeschlagen auf dem letzten Platz hinter natürlichen Produkten wie Tieren und Pflanzen, deren illegaler Handel 12 mal so hoch ist.



Lediglich 167 Beschlagnahmen von Kulturgut weltweit weist der Zollbericht für das Jahr 2017 aus. Sie betrafen 14.754 Gegenstände von oft sehr geringem Wert. Deren Darstellung im Zollbericht zeigt zum einen den weiten Kulturgutbegriff, den der Zoll hier angewandt hat. So zählen dazu unter anderem Haushaltsgegenstände, Flora, Fauna und Schmuck. Sie zeigt auch, dass ein Großteil auf sichergestellte Musikträger, Filme und Fotografien entfällt.

Eine weitere Grafik des Zollberichts zeigt die geografische Verteilung der Beschlagnahmen. Hier ragen Russland und die Ukraine heraus, während der illegale Kulturguthandel in den europäischen Ländern eine vernachlässigenswerte Rolle spielt. Die einzigen europäischen Länder in der Top 15-Liste sind Polen und Frankreich mit jeweils weniger als 5 Fällen in 2017. Europa und erst recht Deutschland stehen also nicht im Zentrum des weltweiten illegalen Kulturguthandels.

Dass der illegale Kulturguthandel keine signifikante Rolle spielt, zeigt auch die aktuelle Jahresstatistik der deutschen Generalzolldirektion. Darin wird der illegale Kulturguthandel noch nicht einmal erwähnt. Auch der im Januar 2019 veröffentlichte Bericht der Bundesregierung über die ersten zwei Jahre des Kulturgutschutzgesetzes belegt dies. Danach wurden im Schnitt pro Jahr lediglich 2,5 Verfahren zur Rückgabe von illegalem Kulturgut in die Herkunftsländer durchgeführt, die auf dem Kulturgutschutzgesetz beruhen. Selbst wenn sich die Rückgabeverfahren nach der Anlaufphase des Kulturgutschutzgesetzes erhöhen sollten, rechtfertigen diese Zahlen das Ausmaß der getroffenen Maßnahmen nicht.

Ebenso wie die Annahme, in Deutschland werde in großem Stile mit illegalem Kulturgut gehandelt, nicht belegt werden kann, entbehrt auch die Behauptung, über den illegalen Kulturguthandel werde Terrorismus finanziert, jeglicher Grundlage. Im neuesten Bericht des Monitoring Teams des UN Sicherheitsrats vom 15. Januar 2019 ist festgehalten, dass der IS Kulturgüter nicht systematisch als Finanzierungsquelle genutzt hat.11 Bereits im Jahr 2017 erschien eine von der EU-Kommission bei Deloitte in Auftrag gegebene Studie, wonach in keinem der 28 befragten Mitgliedsstaaten eine Finanzierung von Terror über Kulturgut festgestellt werden konnte. In Deutschland gab es nach dieser Studie lediglich eine einzige Sicherstellung wegen Verstoßes gegen die Syrien- und rakembargos.13 Eine Studie des renommierten King’s College in London aus dem gleichen Jahr wird deutlicher. Der IS finanziere sich über Steuern, Öl und Beschlagnahmungen. Eine Finanzierung über den Antikenhandel sei unwahrscheinlich.

Im April werden nun die Ergebnisse des ILLICID-Projekts erwartet. Es gilt als die einzige wissenschaftliche Untersuchung zu illegalen Kulturguthandel und wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 1,2 Mio. Euro gefördert. Allerdings wird man die Zahlen genau analysieren müssen. Denn auch das ILLICID-Projekt tritt nicht neutral an das Thema heran, sondern nimmt sein eigenes Ergebnis vorweg. Es stellt schon in seiner Projektbeschreibung fest, dass Gewinne aus illegalem Handel mit Kulturgütern ein wichtiges Standbein der organisierten Kriminalität seien, um fortzufahren, dass es derzeit kein belastbares Zahlenmaterial gäbe, ja noch nicht einmal ein Verfahren zur Erhebung der entsprechenden Fakten. Im Übrigen beschränkt sich das ILLICID-Projekt ausschließlich auf antike Kulturgüter aus dem östlichen Mittelmeerraum. Kulturgutschutzgesetz und EU-Einfuhrverordnung gehen aber weit darüber hinaus. Sie erfassen sämtliches Kulturgut, nicht nur Antiken, sondern unter anderem Gemälde, Antiquitäten und antiquarische Bücher.

Es erstaunt, dass der Gesetzgeber neue, einschneidende Gesetze schafft, ohne vorher die Faktenlage zu eruieren. EU-Einfuhrverordnung und Kulturgutschutzgesetz bedürfen dringend der Überarbeitung. Denkbar ist, sie auf die Güter und Länder zu beschränken, die nachgewiesenermaßen gefährdet sind. Dazu bedarf es jedoch belastbarer Zahlen.

Spätestens jetzt, da deutlich ist, dass der illegale Kulturguthandel überschätzt wird und Terrorfinanzierung nicht über Kulturgüter erfolgt, ist es Zeit umzudenken. Die Anschuldigungen gegen den deutschen Kunsthandel sind haltlos.

Dr. Christina Berking, BUSE HEBERER FROMM Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB
Harvestehuder Weg 23, 20149 Hamburg, Tel. 040-41999-0, E-mail: berking@buse.de
 
Richard Am: 15.07.2019 09:39:59 Gelesen: 16237# 78 @  
Freispruch für den Kunsthandel

Von Dr. Christina Berking, Hamburg

Nach drei Jahren Forschung und 1,2 Mio. Euro Kosten liegen nun die Ergebnisse der ILLICID-Studie vor. Sie war angetreten, um den illegalen Handel mit Kulturgut in Deutschland zu erforschen. Gefunden hat sie nichts. Die Abschlussberichte enthalten keine Hinweise auf Raubgrabungen, Terrorfinanzierung oder Geldwäsche.

Man muss schon sehr suchen, um die Abschlussberichte des ILLICID Projekts auf der Webseite der Technischen Informationsbibliothek Hannover zu finden. 1 Sie stellen die Ergebnisse der drei Teilvorhaben dar, aus denen ILLICID bestand. Im Laufe des Jahres soll basierend auf diesen dünnen Ergebnissen ein Praxisleitfaden veröffentlicht werden, der Möglichkeiten zur Bekämpfung des illegalen Kulturguthandels darstellen soll.

Bereits in ihrer Projektbeschreibung aus dem Jahr 2015 nahm die ILLICID-Studie ihr angestrebtes Forschungsergebnis vorweg als sie schrieb, Gewinne aus illegalem Handel mit Kulturgütern seien ein wichtiges Standbein der organisierten Kriminalität. Es bestünden Verbindungen zum Rauschgift- und Waffenhandel, zur Geldwäsche sowie zur Terrorismusfinanzierung. Drei Jahre später ist davon nicht mehr die Rede. Raubgrabungen bzw. Plünderungen und Terrorfinanzierung sind in den Berichten noch nicht einmal erwähnt. Zur Geldwäsche heißt es an einer Stelle, sie sei aus wissenschaftlicher Sicht nicht auszuschließen, jedoch auch nicht zwangsläufig anzunehmen.

Die Studie konzentriert sich auf antike Kulturgüter aus dem östlichen Mittelmeerraum und damit auf den Bereich, der wegen Raubgrabungen und Plünderungen archäologischer Stätten den Anstoß zu den neuen Ein- und Ausfuhrbeschränkungen für Kulturgut gegeben hat. Lässt sich hier ein illegaler Markt relevanten Ausmaßes nicht nachweisen, gilt das für die übrigen Kulturgüter, wie Gemälde, Antiquitäten, Bücher etc. die von Kulturgutschutzgesetz und EU-Einfuhrverordnung ebenfalls erfasst werden, erst recht. Die starke Regulierung des Handels hat damit ihre Grundlage verloren und erweist sich rückblickend als unberechtigt.

Ausgangspunkt der Gesetzgebung war eine Schätzung der UNESCO, wonach der illegale Handel jährlich weltweit angeblich 6 Mrd. US Dollar betragen sollte. Die Handelsverbände schätzen dagegen den jährlichen Umsatz aller seriösen europäischen und US-amerikanischen Antikenhändler zusammen lediglich auf 150 bis 200 Mio. US Dollar. Die ILLICID-Studie kommt nun für Deutschland auf 846.837 Euro pro Jahr (1,69 Mio. Euro in zwei Jahren) und bestätigt damit, dass die Aussage vom Milliardengeschäft vollkommen verfehlt ist.

In den zwei Jahren Untersuchungszeitraum konnte die Studie 6.133 Objekte aus den untersuchten Gebieten identifizieren. Da die Studie sich nicht auf die gefährdeten Gebiete beschränkt, sondern beispielsweise auch Griechenland und Ägypten mit einbezieht, stammen lediglich 39,9 % der Objekte potentiell aus Syrien oder Irak. Mehr als die Hälfte der Objekte wurde in Konvoluten angeboten – eine Praxis, die für äußerst niedrigpreisige Objekte gewählt wird. Als Einzelstücke präsentiert wurden laut Bericht im Wesentlichen griechisch-römische und ägyptische Kulturgüter. Rechnet man die hochwertigen griechischen Vasen, römischen Gläser und ägyptischen Skulpturen heraus, bleibt vom Gesamtumsatz wenig übrig. Aus den gefährdeten Gebieten scheint also im Wesentlichen niedrigpreisige Massenware zu stammen.

Die Bemühungen der Studie um Provenienzforschung zu den Objekten bestätigen die konstanten Mahnrufe aus dem Handel, dass sich die Anforderungen des Kulturgutschutzgesetzes an die Herkunftsnachweise in der Praxis nicht erfüllen lassen. Lediglich bei 2,1 % der Objekte ließ sich die Provenienz vor den gesetzlichen Stichtagen des Kulturgutschutzgesetzes verifizieren. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass sich die Objekte bereits seit Jahrzehnten in Europa befinden und nicht aktuell aus den Gebieten ausgeführt wurden. Sie können also gar nicht über aktuelle Ausfuhrgenehmigungen verfügen. Ihre Provenienz erforscht die Studie vielmehr mithilfe alter Auktionskataloge, Lager- und Leihlisten sowie Sammlungspublikationen. Dieser Rückgriff auf vom Handel veröffentlichte Informationen zeigt, dass Auktionshäuser und Antikenhändler maßgeblich zur Provenienzforschung beitragen und gerade nicht das Dunkelfeld sind, nach dem hier gesucht wird.

Konkrete Hinweise auf Akteure, Netzwerke und Handlungsroutinen sowie Gewinn- und Geldwäschepotential, die die Pilotstudie aufdecken wollte, sucht man in den Berichten vergebens. Dazu hat man nichts gefunden. Ein Freispruch für den Handel!

Kontakt:

Dr. Christina Berking
BUSE HEBERER FROMM Rechtsanwälte Steuerberater PartG mbB
Harvestehuder Weg 23, 20149 Hamburg
Tel. 040-41999-0, E-mail: berking@buse.de

1 Alle drei Berichte abrufbar auf tib.eu unter dem Stichwort ILLICID:
Verbundname: Illegaler Handel mit Kulturgut in Deutschland. Verfahren zur Erhellung des Dunkelfeldes als Grundlage zur Kriminalitätsbekämpfung und -prävention am Beispiel antiker Kulturgüter, Akronym: ILLICID; Teilvorhaben (TV3): Antike Kulturgüter aus dem östlichen Mittelmeerraum: Identifizierung, Klassifizierung und Dokumentation von in Deutschland gehandelten Objekten: Schlussbericht zu Nr. 3.2, BNBest-BMBF 98.
Abschlussbericht zum Projekt ILLICID; Teilvorhaben „IT Werkzeuge“.
Schlussbericht zum Teilvorhaben „Systematische Befragung relevanter Akteursgruppen“ des Verbundsprojektes „Illegaler Handel mit Kulturgut in Deutschland. Verfahren zur Erhellung des Dunkelfeldes als Grundlage zur Kriminalitätsbekämpfung und -prävention am Beispiel antiker Kulturgüter (ILLICID)“.
 
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